25.09.2021 - 04:06 Uhr
Siebenkäs
63 Rezensionen
Siebenkäs
Top Rezension
28
Pssst!
Endlich.
Nervös trippelst du von einem Fuß auf den anderen.
Die alte Steintreppe.
Das Haus deiner Tante, die fast genauso alt ist.
(sie lebt längst in einem luxuriösem Altersheim.)
Housekeeper - kein Wort, das dir gefällt.
Aber es mag stimmen.
„Ab und zu nach dem Rechten sehen.“
Egal.
Du stehst vor deiner Fluchtburg.
Get me out of this cage.
Den Flakon bewahrst du in einem Fake-Buch.
In der Bibliothek, neben den Buddenbrocks.
Mit nach Hause nehmen würdest du ihn nicht.
Niemals.
Bei dir zu Hause ist kein Platz für sowas.
Zu viel Effizienz. Läuft alles wie geschmiert.
Von wegen langer Marsch durch die Institutionen.
Erst mal haben sie dich befördert.
Dann noch mal. Und noch mal.
Und jetzt?
Führungsetage. Eckbüro. Wie in „Das Apartment“.
Aber du hast dir deinen subversiven Geist bewahrt.
Oder?
Jetzt schließt du die Tür auf.
Treppe rauf. In die Bibliothek.
-----
Du hältst sie in der Hand.
Geranium Odorata.
Fast nichts versprechender Name.
Fast alles haltender Duft
Fast ist dein Wort.
Du drückst ab.
Die Eröffnung ist wie eine Tür, die dich sogleich mit
zitrisch-herber Hand in den geliebten Garten hinein
führt. Hier ist alles, wie es schon in deiner Kindheit war:
der alte Tisch, der in einer verwunschenen Ecke auf der
hochwuchernden Wiese steht, halb überdacht von einem
wilden Rosenbusch. Der herb-frische Duft vieler Kräuter,
vermischt mit Minze und Pusteblumen fordert dich zum
Hinsetzen auf. Papier und Federkiel liegen schon bereit.
Du nimmst Platz und betrachtest den herrlichen Geranien -
strauß, der in einem schlafanzugfarbenem Krug auf dem Tisch
steht. Du tauchst den Federkiel in das kleine Fässchen mit
feinster Kardamom-Tinte und beginnst zu zeichnen.
Der Duft scheint deine Hand zu führen – seine leichte, hell-
grüne und aufmunternd frische Kinder-Garten-Aura mit
dieser runden Sandkuchenförmchen-Würze braucht dir
gar nichts mehr in Ohr zu flüstern – du weißt es auch so:
Alles ist gut.
Und wenn du fertig sein wirst mit Zeichnen und Spielen,
und vielleicht dich-auf-der-Wiese-wälzen, irgendwann,
wenn es dir passt, dann, klar, dann darf auch die Seife ins
Spiel kommen, die gute alte Rosenseife, und du sitzt dann
bald danach drinnen, am Esstisch und die Großmutter wird
die Suppenterrine öffnen und alles wird wieder stimmen.
Und irgendwann wird die beruhigend-erfrischende, mild-
blumige, kaum zeigefingerbittere, zart kindergewürzhafte,
vertraut-krautige und tröstliche Duft-Melodie leiser.
Mit Ihrem langsamen Verklingen findest du dich wieder
im Haus, ohne Kater, erst mal zufrieden, fast satt.
Die erstaunliche innere Balance, die der Duft besitzt,
scheint ein wenig auf dich überzugehen.
Jetzt kannst du wieder zurückkehren ins Normale.
Zu dem, was sie von dir erwarteten. Deinen Pflichten.
Und „Challenges“.
Was für ein grausliges, mißtönendes Wort.
Im Vergleich zu „Geranium Odorata“.
Aber das stört dich nicht allzu sehr, du bist ja wieder
für alles gewappnet.
Und außerdem – ganz haben sie dich noch nicht.
Im nächsten Meeting könntest du zum Beispiel mit einer
gutklingenden, ausbalancierten Begründung eine Gehalts-
erhöhung für alle jüngeren Angestellten durchsetzen.
Obwohl – der Moment wäre gerade nicht günstig
wegen der anstehenden Firmenbewertung. Dann eben
etwas anderes. Mehr Urlaub? Zur Zeit leider recht schwer
umsetzbar.
Aber dir würde schon noch was Gutes einfallen.
Und das würdest du dann durchboxen.
Irgendwann.
Oder?
Nervös trippelst du von einem Fuß auf den anderen.
Die alte Steintreppe.
Das Haus deiner Tante, die fast genauso alt ist.
(sie lebt längst in einem luxuriösem Altersheim.)
Housekeeper - kein Wort, das dir gefällt.
Aber es mag stimmen.
„Ab und zu nach dem Rechten sehen.“
Egal.
Du stehst vor deiner Fluchtburg.
Get me out of this cage.
Den Flakon bewahrst du in einem Fake-Buch.
In der Bibliothek, neben den Buddenbrocks.
Mit nach Hause nehmen würdest du ihn nicht.
Niemals.
Bei dir zu Hause ist kein Platz für sowas.
Zu viel Effizienz. Läuft alles wie geschmiert.
Von wegen langer Marsch durch die Institutionen.
Erst mal haben sie dich befördert.
Dann noch mal. Und noch mal.
Und jetzt?
Führungsetage. Eckbüro. Wie in „Das Apartment“.
Aber du hast dir deinen subversiven Geist bewahrt.
Oder?
Jetzt schließt du die Tür auf.
Treppe rauf. In die Bibliothek.
-----
Du hältst sie in der Hand.
Geranium Odorata.
Fast nichts versprechender Name.
Fast alles haltender Duft
Fast ist dein Wort.
Du drückst ab.
Die Eröffnung ist wie eine Tür, die dich sogleich mit
zitrisch-herber Hand in den geliebten Garten hinein
führt. Hier ist alles, wie es schon in deiner Kindheit war:
der alte Tisch, der in einer verwunschenen Ecke auf der
hochwuchernden Wiese steht, halb überdacht von einem
wilden Rosenbusch. Der herb-frische Duft vieler Kräuter,
vermischt mit Minze und Pusteblumen fordert dich zum
Hinsetzen auf. Papier und Federkiel liegen schon bereit.
Du nimmst Platz und betrachtest den herrlichen Geranien -
strauß, der in einem schlafanzugfarbenem Krug auf dem Tisch
steht. Du tauchst den Federkiel in das kleine Fässchen mit
feinster Kardamom-Tinte und beginnst zu zeichnen.
Der Duft scheint deine Hand zu führen – seine leichte, hell-
grüne und aufmunternd frische Kinder-Garten-Aura mit
dieser runden Sandkuchenförmchen-Würze braucht dir
gar nichts mehr in Ohr zu flüstern – du weißt es auch so:
Alles ist gut.
Und wenn du fertig sein wirst mit Zeichnen und Spielen,
und vielleicht dich-auf-der-Wiese-wälzen, irgendwann,
wenn es dir passt, dann, klar, dann darf auch die Seife ins
Spiel kommen, die gute alte Rosenseife, und du sitzt dann
bald danach drinnen, am Esstisch und die Großmutter wird
die Suppenterrine öffnen und alles wird wieder stimmen.
Und irgendwann wird die beruhigend-erfrischende, mild-
blumige, kaum zeigefingerbittere, zart kindergewürzhafte,
vertraut-krautige und tröstliche Duft-Melodie leiser.
Mit Ihrem langsamen Verklingen findest du dich wieder
im Haus, ohne Kater, erst mal zufrieden, fast satt.
Die erstaunliche innere Balance, die der Duft besitzt,
scheint ein wenig auf dich überzugehen.
Jetzt kannst du wieder zurückkehren ins Normale.
Zu dem, was sie von dir erwarteten. Deinen Pflichten.
Und „Challenges“.
Was für ein grausliges, mißtönendes Wort.
Im Vergleich zu „Geranium Odorata“.
Aber das stört dich nicht allzu sehr, du bist ja wieder
für alles gewappnet.
Und außerdem – ganz haben sie dich noch nicht.
Im nächsten Meeting könntest du zum Beispiel mit einer
gutklingenden, ausbalancierten Begründung eine Gehalts-
erhöhung für alle jüngeren Angestellten durchsetzen.
Obwohl – der Moment wäre gerade nicht günstig
wegen der anstehenden Firmenbewertung. Dann eben
etwas anderes. Mehr Urlaub? Zur Zeit leider recht schwer
umsetzbar.
Aber dir würde schon noch was Gutes einfallen.
Und das würdest du dann durchboxen.
Irgendwann.
Oder?
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