Ballena de la Pampa (Perfume) von Fueguia 1833

Ballena de la Pampa 2010 Perfume

Meggi
15.11.2018 - 14:44 Uhr
36
Top Rezension
8.5Duft 8Haltbarkeit 7Sillage 8Flakon

Pieroths Rückkehr

Im Jahr 1985 erfreute sich plötzlich eine Vokabel großer medialer Verbreitung, die sonst wohl eher in Chemie-Büchern oder in der Industrie ein stilles Dasein fristete: Die etwas Älteren unter uns erinnern sich bestimmt noch gut an den Skandal rund um mit dem Frostschutz-Mittel Diethylenglykol süßgepanschte Weine vornehmlich österreichischer Herkunft. Eine unrühmliche Rolle spielte dabei das Handelshaus Pieroth, zu dessen familiärem Dunstkreis auch der damalige Berliner Wirtschafts-Senator Elmar Pieroth gehörte, der selbstredend von allem keine Ahnung gehabt haben will.

Die Eröffnung von ‚Ballena de la Pampa‘ nun ist Pieroths Rückkehr. Heute sparen wir beim Apfelwein. Statt das Obst mühselig zu keltern und zu vergären, werden die vollreifen Früchte einfach in ein alkoholhaltiges Lösungsmittel eingelegt. Verdorbener Weißwein (vermutlich Retsina; siehe unten) wäre eine Neben-Spur, aber ich denke tatsächlich an Apfel.

Vor dem Hintergrund der Herstellerangaben scheint mir das allenfalls mit Umweg erklärbar. Möglicherweise haben wir es – Stichwort „Heu“ – mit einem nennenswerten Beitrag von Cumarin zu tun, welcher maßgeblich für meinen Apfel-Eindruck verantwortlich zeichnet. Eine Erkenntnis, die im Laufe des späteren Nachmittags, als die Frucht ins Kirschige driftet, an Plausibilität gewinnt.

Ich bleibe allerdings, allemal einstweilen, bei meinem Apfel. Vielleicht haben wir es – wiederum Stichwort „Heu“ – mit einer Streuobst-Wiese zu tun. So schön wie Tiara im Vorgänger-Kommentar hätte ich die sonstige Zusammensetzung der Wiese nicht herleiten können, ich wollte ohnehin bloß darauf hinaus, dass man auf einer Streuobst-Wiese sicherlich aufpassen sollte, wo man sich hinpackt oder eben besser nicht. Der erste Versuch jedenfalls war an einer Gammelapfel-Stelle.

Doch es wird. Und wie! Bereits nach kaum einer Viertelstunde zeigt sich eine hintergründige, von bitterem, lösungsmittelhaftem Harzkram fast verborgene Süße. Im Fortgang erfährt der nunmehr in Würde gereifte und noch nicht überreife Apfel dann sozusagen eine behutsame Ambrierung: Eine herbe, unsüße Süße (sowas gibt’s!) legt sich wie eine Schicht drumherum und wird ganz sachte mit einem Stück intensiv gepflegten Leders blankpoliert. Klingt komisch, ist trotzdem klasse. Ich denke an den – freilich deutlich kernigeren, urwüchsigeren – ‚Equestrian‘ aus dem Hause Sonoma Scent Studio, den ich erst kürzlich testen durfte. Ohne diese Referenz wüsste ich jetzt überhaupt nicht, worauf ich vergleichend hätte zeigen sollen.

Nach zwei Stunden ist ein Nahezu-Amber-Duft entstanden, dem in Umkehrung der bisherigen Gewichtung einige Apfelschnitze beigefügt sind, die unverdrossen vom übereifrigen Leder bearbeitet werden. Eine Spur säuerlich-eingedickten und damit beinahe duro-haften Holzes erscheint im Untergrund und wird nach hinten raus heller und heller.

Nachmittags sorgt eine vanillige Aura für eine gewisse Nachspeisen-Anmutung (Vanille und Cumarin/Waldmeister – klar, Wackelpudding mit Soße), die allerdings wenig süß und schon gar nicht pampig daherkommt. Im Gegenteil: Mit nur ein bisschen Abstand von der Haut riecht der seltsame Wal fruchtig-süß, frei jeder Kleinemädchen-Obstplörre-Attitüde. Mild cremig eingerahmt. Karamellig, aber unsüß. Seufz… Karamellig, das nächste Stichwort, das diffus passen mag, indes den Eindruck unzureichend beschreibt.

Ich vermute, dass Herr Bedel in Nachahmung einer Moschus-Leitlinie diverse cremige Dinge zusammengerührt hat, die zwar zunehmend einen Gedanken an Moschus wecken, doch auch viele andere Assoziationen zulassen. Immerhin ist beim Anbieter von 13 Sorten Moschus die Rede („combination of 13 musks“). In Sachen Ambra schweigt der gute Mann sich übrigens aus.

Fazit: Gelungen. Hat den Was-riecht-denn-hier-so-toll?-Das-bin-ja-ich!-Effekt.

Ich bedanke mich bei Rotkehlchen für die Probe.
27 Antworten
TiaraTiara vor 7 Jahren
Witzig, dass ausgerechnet DER dir gefällt. Ich liebe ihn immer noch und meinen Flakon hüte ich wie einen kleinen Schatz :) Und mir geht's genauso....was ist es, was hier so gut riecht ?....Das bin ja ich ?:)))) Perfekt beschrieben
JumiJumi vor 7 Jahren
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Beim Lesen habe ich immer wieder ungläubig zur 8.5 Bewertung gescrollt. Bei Equestrian wurde dann einiges aufgeklärt :)
MicscentMicscent vor 7 Jahren
Toll beschrieben. Ich knabbern noch am "Apfel" ...
PaloneraPalonera vor 7 Jahren
Nicht zu fassen. Als Du mit dem Glykol gestartet bist, habe ich mich mental auf einen Verriß eingestellt, weniger auf einen scheinbar verliebten Meggi. So führt man Leser auch auf's Glatteis.
Sweetsmell75Sweetsmell75 vor 7 Jahren
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der scheint dir zu gefallen :)
YataganYatagan vor 7 Jahren
Boa, fand ich den schlecht....
NofreteteNofretete vor 7 Jahren
Wal, Wein und Apfel, das mag ich. Den Duft vielleicht auch - Deine Darstellung regt jedenfalls zum Testen an. Retsina-... Glykol-..., nein, lieber nur einfach Pokal.
FittleworthFittleworth vor 7 Jahren
Klingt interessant ...!
PlutoPluto vor 7 Jahren
Oh, ich erinner mich auch :o) Und mir scheint, der Duft hat dich umgarnt!
Can777Can777 vor 7 Jahren
Da hatte ich mir jetzt mehr erhofft. Zumindest bei dem!
MisterEMisterE vor 7 Jahren
Der scheint Dir gefallen zu haben ! Frostschutz gehört in den Kühler und nicht in den Veltiner.... ich erinner mich an die Story!
ExUserExUser vor 7 Jahren
8.5? Der muss dir ja wirklich gefallen haben. Von Retsina habe ich einmal eine Nacht die Kloschüssel umarmt. Der Duft kommt also für mich nicht in die Tüte.
RobGordonRobGordon vor 7 Jahren
Es gibt Momente an die will man sich als Ösi nicht zurück erinnern. Der Glykol Skandal wäre einer davon. Der ultimative Test damals: Ab ins Eisfach mit den Flaschen. Zerbrachen sie =>> entsorgen, blieben sie ganz =>> auch entsorgen! ;) Aber wenn ich Gammelapfel und Leder lese muss ich unweigerlich an Yosh/König denken und der war für mich auch ein Skandal. ;)
SerenissimaSerenissima vor 7 Jahren
Auch wenn sich beim Lesen meine Stirn runzelt: an den Skandal erinnere ich mich noch gut (an den Wirtschaftssenator übrigens auch); Du scheinst Dich zum Schluss doch richtig wohlzufühlen.
Danke, aber für mich wäre das wohl nichts.
0815abc0815abc vor 7 Jahren
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Ach,ich weiß nicht....bei Obst bin ich meist raus.Gammelpokal.
PureNeugierPureNeugier vor 7 Jahren
Der kann ja nur speziell duften!
Wer allen Ernstes versucht einen Wal in einem Meer aus Pampasgras olfaktorisch darzustellen, der muss ja am Ende quasi zwangsläufig einen leicht verwirrenden Duft kreieren.
Applaus für Deine, selbst für jemanden der diesen Duft nicht kennt, recht gut nachvollziehbare Darstellung des Ganzen. Noch nie davon gehört gehabt, aber beim Lesen trotzdem ein Kribbeln in der Nase bekommen.
GelisGelis vor 7 Jahren
Hm.... Apfel? Muss ich ich ja immer ausprobieren. Auch finde ich die Duftpyramide interessant, auch wenn ich vielleicht gar keinen Apfel finden sollte.
KylesaKylesa vor 7 Jahren
Ein Duft mit Überraschungen.
VerbenaVerbena vor 7 Jahren
Erstaunliche Duftentwicklung. Das reizt ja schon mal.
SchatzSucherSchatzSucher vor 7 Jahren
Ach ja, der Glykolwein damals... Ist das schon wieder so lange her?
Da trank ich allerdings auch noch keinen Wein.
Ob ich bei dem Duft jetzt was verpaßt habe, weiß ich jetzt nicht.
Hast du aber toll beschrieben! Dafür gibt´s einen Sektkühlerpokal.
KleopatraKleopatra vor 7 Jahren
Also eine Moschus-Mogelpackung? Und Gammelobst will ich auch nicht.
CravacheCravache vor 7 Jahren
Dem österreichischen Wein hat's nicht geschadet :-)
KovexKovex vor 7 Jahren
Sozusagen ein Ü-Ei-Duft ;)
GschpusiGschpusi vor 7 Jahren
Schrecklich.... einfach schrecklich
DOCBEDOCBE vor 7 Jahren
Bin ja ein eher schlichtes Gemüt, weshalb sich der Duft für mich recht verschwurbelt darstellt.
TaurusTaurus vor 7 Jahren
Die Pyramide bringt ja einen auf eine vollkommen andere Spur … auf nichts kann man sich noch verlassen … ;-)
ErgoproxyErgoproxy vor 7 Jahren
Ich empfand den irgendwie gammelig und eigenartig süßlich.