13.11.2012 - 17:56 Uhr
Profumo
284 Rezensionen
Profumo
Top Rezension
27
Die Urfassung von 'Habit Rouge'
Guerlain hat uns nun schon den ein oder anderen „Habit Rouge“-Flanker geboten, das „Légère“, das „L’Eau“, eine „Sport“-Variante, nebst krudem Ableger namens „Sport Edition Gentleman Driver“, oder ausgestattet mit Zusätzen wie „Beau Cavalier“, „Armoiries“ etc.
Es sind ihrer so viele, dass man Guerlain zurufen möchte: es reicht! Erst recht, wenn man bedenkt, dass es ja noch das Eau de Toilette gibt, das Eau de Parfum, und seit einiger Zeit das Parfum.
Nur eine „Habit Rouge“-Fassung gibt es nicht mehr, und das ist die originale.
Vor wenigen Jahren wurde sie eingestellt - warum, das weiß kein Mensch. Vermutlich verkaufte sie sich schlecht und eine ohnehin anstehende Reformulierung lohnte die Mühe nicht – wer trägt im Hier und Jetzt noch ein Eau de Cologne, gibt es doch längst ein Eau de Toilette und seit einiger Zeit auch ein Eau de Parfum?!
Dabei war von 1965 (dem Jahr der Einführung von „Habit Rouge“) bis weit in die achtziger Jahre hinein nur diese eine Version erhältlich: das Eau de Cologne. Erst 1988 lancierte Guerlain eine Eau de Toilette-Fassung um dem allgemeinen Bedürfnis nach kräftigeren Düften nachzukommen. Seither fristete das Eau de Cologne ein Schattendasein, zumal es überhaupt nicht mehr beworben wurde und so gut wie nirgends im Handel war. In Produktion blieb es aber dennoch, da es vermutlich nicht wenige gab, die in immerhin fast 25 Jahren diese Urfassung als die Ihrige ansahen.
Über die Jahre ergab es sich nun, dass das Eau de Toilette der späten 80er gemeinhin als die originale Fassung dieses epochalen Duftes angesehen wird.
Dem ist aber nicht so.
Wer den ursprünglichen Duft kennenlernen möchte, wer wissen möchte wie Jean-Paul Guerlain seine – damals revolutionäre - Idee eines orientalischen Duftes für den Mann realisierte, der muss an diesem Eau de Cologne schnuppern: es markiert den Einstieg in den Habit Rouge-Kosmos wie wir ihn heute kennen - ohne diese EdC hätte es alle höhere Potenzen, bis hin zum Extrait - und alle anderen Flanker - nicht gegeben.
Aber lohnt es sich überhaupt diese Uralt-Version noch in Betracht zu ziehen, angesichts der überwiegend exzellenten Habit Rouge-Variationen?
Ich denke schon.
Zumindest könnte sie für Liebhaber dieses Duftes interessant sein und für jene, die ein gut gemachtes Eau de Cologne allen anderen Duftkonzentrationen vorziehen, sowieso.
Überhaupt war ja das Eau de Cologne zur Zeit von Habit Rouges Entstehung nach wie vor das Mittel der Wahl in Sachen Herrenduft – ein Eau de Toilette war eher die Ausnahme, ein Eau de Parfum noch nicht erfunden und ein Extrait noch in weiter Ferne.
Nur darf man sich Habit Rouge EdC nicht als schlichtweg verdünnte Fassung des Eau de Toilette vorstellen – es hatte seinen eigenen Charakter, eine für ein Eau de Cologne typische Struktur, und überhaupt: seine eigenen Meriten.
Natürlich ist es in erster Linie erkennbar Habit Rouge: die bekannte, Talk-artige Pudrigkeit, das blumig-frisch-würzige Herz und die flirrend leichten, dennoch beständigen orientalischen Nuancen im Fond – all das ist in aller Deutlichkeit präsent. Und dennoch entwickelt der Duft einige Cologne-Facetten, die man in späteren Versionen vergebens sucht: eine zarte Zitronenverbene-Note zum Beispiel, die mit ihren kühlen, leicht metallischen Akzenten in keinem klassischen Eau de Cologne fehlen darf (begleitet von Neroli, Bergamotte und vielen weiteren zitrischen Anklängen), darüber hinaus ein holziges Rückgrat und eine sehr dezente, alles andere als voluminöse Basis.
Jean-Paul Guerlain hat nun seiner Formel eine solche klassische Cologne-Struktur zugrunde gelegt und dieser mit einer Vielzahl von leichten Strichen, von feinen Nuancen zu größtmöglicher Raffinesse verholfen: hier einen Hauch Vanille, gerade mal soviel, dass sie kaum erkennbar bleibt; dort eine Spur Leder, ebenfalls fast nicht isolierbar; im Herzen das denkbar unauffälligste Blütenbouquet, so dezent, dass kaum jemand glaubhaft versichern könnte, er würde Rosen, Jasmin und Nelken riechen. Ähnlich verborgen, sozusagen in homöopathischen Verdünnung: die für einen orientalischen Duft so obligatorischen Harze wie Labdanum, Benzoin und Opoponax. Und über allem, einer weiß beschneiten Torte gleich: eine Schicht feinsten Palisander-Puders.
So präsentierte sich anno 1965 dieses solcherart angereicherte Eau de Cologne der Welt: als erster orientalisch-ledriger Duft für den Herren, so fein- , ja feinstgliedrig, dass eine Zuordnung zur orientalischen Welt „Shalimars“ ebenso schwerfällt, wie zur ledrigen von „Knize Ten“ oder gar „Bandit“.
Nein, „Habit Rouge“, erst recht in dieser Eau de Cologne Fassung, steht wahrlich ein ganzes Stück abseits dieser prunkend-voluminösen („Shalimar) und dramatisch auftrumpfenden („Bandit“) Meisterwerke der Parfumgeschichte, und ist dennoch ihrer ebenbürtig.
Um Anklang zu finden muss es ja auch nicht immer laut und krachend hergehen. Auch eine subtile Präsenz erzeugt mitunter einen nachhaltigen Eindruck, und genau das hat „Habit Rouge“ – zunächst als Eau de Cologne – exemplarisch vorgemacht.
Vergleicht man dann das viele Jahre später entwickelte Eau de Toilette mit seinem Vorgänger, so fällt schnell auf, welche Partien des Duftes eine Umarbeitung erfuhren, nämlich jene der klassischen Cologne-Struktur: der Fond wurde verstärkt, sodass die Vanille im Zusammenspiel mit den süßen Harzen zu größerer Geltung kommt. Auch das Herz bekam mehr Gewicht, während die Kopfnoten etwas heruntergedimmt und mit der Herausnahme der Zitronenverbene um ihren Cologne-typischen Twist gebracht wurden. So wurde der alte Duft gewissermaßen vom Kopf auf die Füße gestellt und der Schwerpunkt des Geschehens nach unten verlagert, wodurch man ein Mehr an Volumen und Haltbarkeit erhielt (interessanterweise intensivierte man nicht die ledrigen Nuancen, was dazu führt, dass ich im Cologne das Leder viel eher wahrnehme).
Das entsprach – wie schon gesagt – genau dem Bedürfnis der in so gut wie allen Belangen eher lauten 80er Jahre.
Ob der Duft dadurch besser, oder - wie viele Habit Rouge-Puristen behaupten – schlechter geworden ist, sei dahingestellt. Jedenfalls ist er anders geworden: selbstbewusster und auffälliger.
Schade, dass es dieses Eau de Cologne nicht mehr gibt.
Persönlich hätte ich gut und gerne auf das „Légère“, das „Habit Rouge Sport“ oder das „L’Eau“ zugunsten der ursprünglichen Fassung des Duftes verzichten können – sie wird mir, nach anfänglicher Skepsis (olfaktorisch gesehen bin ich ein Kind der 80er Jahre) immer lieber, sodass ich mich langsam zur Seite der Habit Rouge-Puristen neige, die da sagen: nur dieses „Habit Rouge“ und sonst keines!
Es sind ihrer so viele, dass man Guerlain zurufen möchte: es reicht! Erst recht, wenn man bedenkt, dass es ja noch das Eau de Toilette gibt, das Eau de Parfum, und seit einiger Zeit das Parfum.
Nur eine „Habit Rouge“-Fassung gibt es nicht mehr, und das ist die originale.
Vor wenigen Jahren wurde sie eingestellt - warum, das weiß kein Mensch. Vermutlich verkaufte sie sich schlecht und eine ohnehin anstehende Reformulierung lohnte die Mühe nicht – wer trägt im Hier und Jetzt noch ein Eau de Cologne, gibt es doch längst ein Eau de Toilette und seit einiger Zeit auch ein Eau de Parfum?!
Dabei war von 1965 (dem Jahr der Einführung von „Habit Rouge“) bis weit in die achtziger Jahre hinein nur diese eine Version erhältlich: das Eau de Cologne. Erst 1988 lancierte Guerlain eine Eau de Toilette-Fassung um dem allgemeinen Bedürfnis nach kräftigeren Düften nachzukommen. Seither fristete das Eau de Cologne ein Schattendasein, zumal es überhaupt nicht mehr beworben wurde und so gut wie nirgends im Handel war. In Produktion blieb es aber dennoch, da es vermutlich nicht wenige gab, die in immerhin fast 25 Jahren diese Urfassung als die Ihrige ansahen.
Über die Jahre ergab es sich nun, dass das Eau de Toilette der späten 80er gemeinhin als die originale Fassung dieses epochalen Duftes angesehen wird.
Dem ist aber nicht so.
Wer den ursprünglichen Duft kennenlernen möchte, wer wissen möchte wie Jean-Paul Guerlain seine – damals revolutionäre - Idee eines orientalischen Duftes für den Mann realisierte, der muss an diesem Eau de Cologne schnuppern: es markiert den Einstieg in den Habit Rouge-Kosmos wie wir ihn heute kennen - ohne diese EdC hätte es alle höhere Potenzen, bis hin zum Extrait - und alle anderen Flanker - nicht gegeben.
Aber lohnt es sich überhaupt diese Uralt-Version noch in Betracht zu ziehen, angesichts der überwiegend exzellenten Habit Rouge-Variationen?
Ich denke schon.
Zumindest könnte sie für Liebhaber dieses Duftes interessant sein und für jene, die ein gut gemachtes Eau de Cologne allen anderen Duftkonzentrationen vorziehen, sowieso.
Überhaupt war ja das Eau de Cologne zur Zeit von Habit Rouges Entstehung nach wie vor das Mittel der Wahl in Sachen Herrenduft – ein Eau de Toilette war eher die Ausnahme, ein Eau de Parfum noch nicht erfunden und ein Extrait noch in weiter Ferne.
Nur darf man sich Habit Rouge EdC nicht als schlichtweg verdünnte Fassung des Eau de Toilette vorstellen – es hatte seinen eigenen Charakter, eine für ein Eau de Cologne typische Struktur, und überhaupt: seine eigenen Meriten.
Natürlich ist es in erster Linie erkennbar Habit Rouge: die bekannte, Talk-artige Pudrigkeit, das blumig-frisch-würzige Herz und die flirrend leichten, dennoch beständigen orientalischen Nuancen im Fond – all das ist in aller Deutlichkeit präsent. Und dennoch entwickelt der Duft einige Cologne-Facetten, die man in späteren Versionen vergebens sucht: eine zarte Zitronenverbene-Note zum Beispiel, die mit ihren kühlen, leicht metallischen Akzenten in keinem klassischen Eau de Cologne fehlen darf (begleitet von Neroli, Bergamotte und vielen weiteren zitrischen Anklängen), darüber hinaus ein holziges Rückgrat und eine sehr dezente, alles andere als voluminöse Basis.
Jean-Paul Guerlain hat nun seiner Formel eine solche klassische Cologne-Struktur zugrunde gelegt und dieser mit einer Vielzahl von leichten Strichen, von feinen Nuancen zu größtmöglicher Raffinesse verholfen: hier einen Hauch Vanille, gerade mal soviel, dass sie kaum erkennbar bleibt; dort eine Spur Leder, ebenfalls fast nicht isolierbar; im Herzen das denkbar unauffälligste Blütenbouquet, so dezent, dass kaum jemand glaubhaft versichern könnte, er würde Rosen, Jasmin und Nelken riechen. Ähnlich verborgen, sozusagen in homöopathischen Verdünnung: die für einen orientalischen Duft so obligatorischen Harze wie Labdanum, Benzoin und Opoponax. Und über allem, einer weiß beschneiten Torte gleich: eine Schicht feinsten Palisander-Puders.
So präsentierte sich anno 1965 dieses solcherart angereicherte Eau de Cologne der Welt: als erster orientalisch-ledriger Duft für den Herren, so fein- , ja feinstgliedrig, dass eine Zuordnung zur orientalischen Welt „Shalimars“ ebenso schwerfällt, wie zur ledrigen von „Knize Ten“ oder gar „Bandit“.
Nein, „Habit Rouge“, erst recht in dieser Eau de Cologne Fassung, steht wahrlich ein ganzes Stück abseits dieser prunkend-voluminösen („Shalimar) und dramatisch auftrumpfenden („Bandit“) Meisterwerke der Parfumgeschichte, und ist dennoch ihrer ebenbürtig.
Um Anklang zu finden muss es ja auch nicht immer laut und krachend hergehen. Auch eine subtile Präsenz erzeugt mitunter einen nachhaltigen Eindruck, und genau das hat „Habit Rouge“ – zunächst als Eau de Cologne – exemplarisch vorgemacht.
Vergleicht man dann das viele Jahre später entwickelte Eau de Toilette mit seinem Vorgänger, so fällt schnell auf, welche Partien des Duftes eine Umarbeitung erfuhren, nämlich jene der klassischen Cologne-Struktur: der Fond wurde verstärkt, sodass die Vanille im Zusammenspiel mit den süßen Harzen zu größerer Geltung kommt. Auch das Herz bekam mehr Gewicht, während die Kopfnoten etwas heruntergedimmt und mit der Herausnahme der Zitronenverbene um ihren Cologne-typischen Twist gebracht wurden. So wurde der alte Duft gewissermaßen vom Kopf auf die Füße gestellt und der Schwerpunkt des Geschehens nach unten verlagert, wodurch man ein Mehr an Volumen und Haltbarkeit erhielt (interessanterweise intensivierte man nicht die ledrigen Nuancen, was dazu führt, dass ich im Cologne das Leder viel eher wahrnehme).
Das entsprach – wie schon gesagt – genau dem Bedürfnis der in so gut wie allen Belangen eher lauten 80er Jahre.
Ob der Duft dadurch besser, oder - wie viele Habit Rouge-Puristen behaupten – schlechter geworden ist, sei dahingestellt. Jedenfalls ist er anders geworden: selbstbewusster und auffälliger.
Schade, dass es dieses Eau de Cologne nicht mehr gibt.
Persönlich hätte ich gut und gerne auf das „Légère“, das „Habit Rouge Sport“ oder das „L’Eau“ zugunsten der ursprünglichen Fassung des Duftes verzichten können – sie wird mir, nach anfänglicher Skepsis (olfaktorisch gesehen bin ich ein Kind der 80er Jahre) immer lieber, sodass ich mich langsam zur Seite der Habit Rouge-Puristen neige, die da sagen: nur dieses „Habit Rouge“ und sonst keines!
3 Antworten