Habit Rouge 1965 Eau de Cologne

Habit Rouge (Eau de Cologne) von Guerlain
Flakondesign Robert Granai
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8.8 / 10 60 Bewertungen
Ein beliebtes Parfum von Guerlain für Herren, erschienen im Jahr 1965. Der Duft ist pudrig-ledrig. Die Produktion wurde offenbar eingestellt. Der Name bedeutet „roter Frack”.
Aussprache
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Duftrichtung

Pudrig
Ledrig
Zitrus
Würzig
Blumig

Duftpyramide

Kopfnote Kopfnote
ZitroneZitrone BergamotteBergamotte PalisanderholzPalisanderholz BasilikumBasilikum PimentPiment
Herznote Herznote
PatchouliPatchouli RoseRose SandelholzSandelholz GartennelkeGartennelke ZederZeder ZimtZimt
Basisnote Basisnote
VanilleVanille EichenmoosEichenmoos AmberAmber LabdanumLabdanum LederLeder WeihrauchWeihrauch BenzoeBenzoe

Parfümeur

Bewertungen
Duft
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Haltbarkeit
7.751 Bewertungen
Sillage
7.154 Bewertungen
Flakon
8.065 Bewertungen
Eingetragen von Profumo, letzte Aktualisierung am 28.02.2024.
Wissenswertes
Das Eau de Cologne von Habit Rouge war die ursprüngliche und einzige Fassung des Duftes, bis 1988 das Eau de Toilette lanciert wurde.

Rezensionen

6 ausführliche Duftbeschreibungen
7.5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Profumo

284 Rezensionen
Profumo
Profumo
Top Rezension 27  
Die Urfassung von 'Habit Rouge'
Guerlain hat uns nun schon den ein oder anderen „Habit Rouge“-Flanker geboten, das „Légère“, das „L’Eau“, eine „Sport“-Variante, nebst krudem Ableger namens „Sport Edition Gentleman Driver“, oder ausgestattet mit Zusätzen wie „Beau Cavalier“, „Armoiries“ etc.
Es sind ihrer so viele, dass man Guerlain zurufen möchte: es reicht! Erst recht, wenn man bedenkt, dass es ja noch das Eau de Toilette gibt, das Eau de Parfum, und seit einiger Zeit das Parfum.
Nur eine „Habit Rouge“-Fassung gibt es nicht mehr, und das ist die originale.
Vor wenigen Jahren wurde sie eingestellt - warum, das weiß kein Mensch. Vermutlich verkaufte sie sich schlecht und eine ohnehin anstehende Reformulierung lohnte die Mühe nicht – wer trägt im Hier und Jetzt noch ein Eau de Cologne, gibt es doch längst ein Eau de Toilette und seit einiger Zeit auch ein Eau de Parfum?!

Dabei war von 1965 (dem Jahr der Einführung von „Habit Rouge“) bis weit in die achtziger Jahre hinein nur diese eine Version erhältlich: das Eau de Cologne. Erst 1988 lancierte Guerlain eine Eau de Toilette-Fassung um dem allgemeinen Bedürfnis nach kräftigeren Düften nachzukommen. Seither fristete das Eau de Cologne ein Schattendasein, zumal es überhaupt nicht mehr beworben wurde und so gut wie nirgends im Handel war. In Produktion blieb es aber dennoch, da es vermutlich nicht wenige gab, die in immerhin fast 25 Jahren diese Urfassung als die Ihrige ansahen.

Über die Jahre ergab es sich nun, dass das Eau de Toilette der späten 80er gemeinhin als die originale Fassung dieses epochalen Duftes angesehen wird.
Dem ist aber nicht so.

Wer den ursprünglichen Duft kennenlernen möchte, wer wissen möchte wie Jean-Paul Guerlain seine – damals revolutionäre - Idee eines orientalischen Duftes für den Mann realisierte, der muss an diesem Eau de Cologne schnuppern: es markiert den Einstieg in den Habit Rouge-Kosmos wie wir ihn heute kennen - ohne diese EdC hätte es alle höhere Potenzen, bis hin zum Extrait - und alle anderen Flanker - nicht gegeben.

Aber lohnt es sich überhaupt diese Uralt-Version noch in Betracht zu ziehen, angesichts der überwiegend exzellenten Habit Rouge-Variationen?
Ich denke schon.
Zumindest könnte sie für Liebhaber dieses Duftes interessant sein und für jene, die ein gut gemachtes Eau de Cologne allen anderen Duftkonzentrationen vorziehen, sowieso.

Überhaupt war ja das Eau de Cologne zur Zeit von Habit Rouges Entstehung nach wie vor das Mittel der Wahl in Sachen Herrenduft – ein Eau de Toilette war eher die Ausnahme, ein Eau de Parfum noch nicht erfunden und ein Extrait noch in weiter Ferne.
Nur darf man sich Habit Rouge EdC nicht als schlichtweg verdünnte Fassung des Eau de Toilette vorstellen – es hatte seinen eigenen Charakter, eine für ein Eau de Cologne typische Struktur, und überhaupt: seine eigenen Meriten.

Natürlich ist es in erster Linie erkennbar Habit Rouge: die bekannte, Talk-artige Pudrigkeit, das blumig-frisch-würzige Herz und die flirrend leichten, dennoch beständigen orientalischen Nuancen im Fond – all das ist in aller Deutlichkeit präsent. Und dennoch entwickelt der Duft einige Cologne-Facetten, die man in späteren Versionen vergebens sucht: eine zarte Zitronenverbene-Note zum Beispiel, die mit ihren kühlen, leicht metallischen Akzenten in keinem klassischen Eau de Cologne fehlen darf (begleitet von Neroli, Bergamotte und vielen weiteren zitrischen Anklängen), darüber hinaus ein holziges Rückgrat und eine sehr dezente, alles andere als voluminöse Basis.
Jean-Paul Guerlain hat nun seiner Formel eine solche klassische Cologne-Struktur zugrunde gelegt und dieser mit einer Vielzahl von leichten Strichen, von feinen Nuancen zu größtmöglicher Raffinesse verholfen: hier einen Hauch Vanille, gerade mal soviel, dass sie kaum erkennbar bleibt; dort eine Spur Leder, ebenfalls fast nicht isolierbar; im Herzen das denkbar unauffälligste Blütenbouquet, so dezent, dass kaum jemand glaubhaft versichern könnte, er würde Rosen, Jasmin und Nelken riechen. Ähnlich verborgen, sozusagen in homöopathischen Verdünnung: die für einen orientalischen Duft so obligatorischen Harze wie Labdanum, Benzoin und Opoponax. Und über allem, einer weiß beschneiten Torte gleich: eine Schicht feinsten Palisander-Puders.

So präsentierte sich anno 1965 dieses solcherart angereicherte Eau de Cologne der Welt: als erster orientalisch-ledriger Duft für den Herren, so fein- , ja feinstgliedrig, dass eine Zuordnung zur orientalischen Welt „Shalimars“ ebenso schwerfällt, wie zur ledrigen von „Knize Ten“ oder gar „Bandit“.
Nein, „Habit Rouge“, erst recht in dieser Eau de Cologne Fassung, steht wahrlich ein ganzes Stück abseits dieser prunkend-voluminösen („Shalimar) und dramatisch auftrumpfenden („Bandit“) Meisterwerke der Parfumgeschichte, und ist dennoch ihrer ebenbürtig.
Um Anklang zu finden muss es ja auch nicht immer laut und krachend hergehen. Auch eine subtile Präsenz erzeugt mitunter einen nachhaltigen Eindruck, und genau das hat „Habit Rouge“ – zunächst als Eau de Cologne – exemplarisch vorgemacht.

Vergleicht man dann das viele Jahre später entwickelte Eau de Toilette mit seinem Vorgänger, so fällt schnell auf, welche Partien des Duftes eine Umarbeitung erfuhren, nämlich jene der klassischen Cologne-Struktur: der Fond wurde verstärkt, sodass die Vanille im Zusammenspiel mit den süßen Harzen zu größerer Geltung kommt. Auch das Herz bekam mehr Gewicht, während die Kopfnoten etwas heruntergedimmt und mit der Herausnahme der Zitronenverbene um ihren Cologne-typischen Twist gebracht wurden. So wurde der alte Duft gewissermaßen vom Kopf auf die Füße gestellt und der Schwerpunkt des Geschehens nach unten verlagert, wodurch man ein Mehr an Volumen und Haltbarkeit erhielt (interessanterweise intensivierte man nicht die ledrigen Nuancen, was dazu führt, dass ich im Cologne das Leder viel eher wahrnehme).
Das entsprach – wie schon gesagt – genau dem Bedürfnis der in so gut wie allen Belangen eher lauten 80er Jahre.
Ob der Duft dadurch besser, oder - wie viele Habit Rouge-Puristen behaupten – schlechter geworden ist, sei dahingestellt. Jedenfalls ist er anders geworden: selbstbewusster und auffälliger.

Schade, dass es dieses Eau de Cologne nicht mehr gibt.
Persönlich hätte ich gut und gerne auf das „Légère“, das „Habit Rouge Sport“ oder das „L’Eau“ zugunsten der ursprünglichen Fassung des Duftes verzichten können – sie wird mir, nach anfänglicher Skepsis (olfaktorisch gesehen bin ich ein Kind der 80er Jahre) immer lieber, sodass ich mich langsam zur Seite der Habit Rouge-Puristen neige, die da sagen: nur dieses „Habit Rouge“ und sonst keines!
3 Antworten
7.5
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Apicius

1106 Rezensionen
Apicius
Apicius
Top Rezension 20  
Was tun mit Erinnerungen?
Sie sind noch da, die Schätzchen von früher! Seit geraumer Zeit bin ich Besitzer einer großzügigen Abfüllung der längst eingestellten Eau de Cologne Version von Habit Rouge - dank Profumo, der allerdings ungebührlich lange auf diese Zeilen warten musste. Ich hoffe, er sieht es mir nach.

Denn ich hatte Gründe: Habit Rouge EdT war in den Neunzigern mein bevorzugter Sonntagnachmittagsduft. Ich fand ihn immer schon blumig-sanft, und dabei elegant – etwas Entspannendes, das sich sehr weit von den üblichen kernigen Herrendüften entfernte. Dieser Grundcharakter ist es denn auch, der mir Habit Rouge immer schon ein wenig als Lebensabend-Parfum erscheinen ließ – nichts Dynamisches, Energiegeladenes begegnet uns hier: das passt weder in die Büroetagen, noch ins sportliche Umfeld, trotz Bezug zur Reiterei. Ich habe mir stattdessen ältere Herren vorstellen müssen, beim Spaziergang im Kurpark von Bad Salzuflen oder vergleichbaren Orten.

Was mich freilich nie abhielt, es zu tragen. Habit Rouge war halt einer jener dicht gewebten Guerlain-Düfte, deren Qualität mich dazu brachte, auf's Image zu pfeifen.

Mein Habit Rouge ist in Ehren gealtert: es ist oder war eines der ganz wenigen Parfums, die ihre Qualität im Alterungsprozess noch verbessern konnten. Es nahm irgendwann eine schöne Bernstein-Färbung an, es dunkelte ein, wurde schwerer und bekam eine fast ölige oder likörartige Anmutung. Schließlich ist es freilich doch gekippt, sodass ich nachkaufen musste.

Aber womit ließe sich so etwas Besonderes ersetzen? Die Eau de Parfum-Version, die vor einiger Zeit erschien, kommt mir sehr glattgebügelt vor. Das Eau de Cologne gibt es nicht mehr und wird es wohl nie mehr geben, also kam irgendwann eine neue, nicht gealterte Flasche Habit Rouge Eau de Toilette in den Bestand.

Vielleicht ein Fehlkauf. Ich habe das bis jetzt kaum getragen – die leichten Flanker, Sport und L'Eau, sowie das eingestellte Légère finde ich allesamt überzeugender. Aus meinem früheren Gefallen hat sich fast eine Abneigung entwickelt, und so bedurfte es eines langen Anlaufes, bis ich mich doch zu einem Test des HR Eau de Colognes entschloss.

Auch Vintage Versionen sind nie das, was sie früher einmal waren. Regelmässig ist eine Art Alterung zu unterstellen. Im Falle meiner Habit Rouge Eau de Cologne Abfüllung fällt mir auf, dass hier schon die Haltbarkeit eines Eau de Toilette erreicht wird; damit hätte ich nicht gerechnet.

Wir führen hier bei Parfumo die Eau de Cologne Version als gesonderten Datensatz auf, und so fragt sich denn, ob gegenüber der EdT-Version – und das kann ebenfalls nur eine von früher sein - denn tatsächlich ein Unterschied in der Duftkomposition besteht, oder ob wir es bloß mit unterschiedlichen Konzentrationen desselben Dufts zu tun haben. Die Frage ist schwer zu beantworten, denn als Vergleich dient mir nur meine Erinnerung an das alte Eau de Toilette. Vielleicht ist die Eau de Cologne-Version noch ein wenig transparenter, schwebender, im Kopf vielleicht ein Tick mehr Bergamotte, und mehr Pudrigkeit im Drydown. Doch das kann alles täuschen.

Dagegen macht der Direktvergleich mit dem Habit Rouge EdT von heute schlagartig klar, warum ich diesen Widerwillen entwickelt habe. Das aktuelle EdT ist in jeder Weise robuster: Statt zarter Bergamotte im Kopf nehme ich eine Zusammenstellung wahr, die doch etwas synthetisch anmutet. Sicher hat man sich bemüht, schonend zu reformulieren, doch der Zauber ist trotzdem perdu. Das Habit Rouge von früher stellte in seiner Dichtheit und Komplexität einen vollkommen eigenständigen und originellen Duft dar – es roch unverwechselbar nach, nun ja, Habit Rouge eben. Doch im aktuellen Eau de Toilette zerfallen die Noten. Besonders unangenehm ist mir die Basis aufgefallen. Hier steht ein orientalischer Akkord hervor, der mich unangenehm an den typischen Geruch beim Betreten einer esoterischen Buchhandlung erinnert: diese Sorte Patchouli-Benzoe-Vanille-Akkord mischt heutzutage jeder zweite Naturparfümeur zusammen.

Aber Schluss mit Erinnerungen, die für die meisten Leser vollkommen nutzlos sind! Interessanter ist doch die Frage: besteht die Möglichkeit, auf irgendeine Weise am Habit Rouge Erlebnis früherer Dekaden anzuknüpfen oder teilzuhaben? Ich meine, ja.

Meines Wissens darf nicht das bekannte Eau de Toilette, sondern dieses Eau de Cologne als Vintage-Version gelten. In den 50ern und 60ern waren Eau de Toilettes für den Herren wohl noch nicht üblich, das kam erst später. Dass Habit Rouge als solch ein „leichter“ Duft entwickelt wurde, leuchtet mir unmittelbar ein. Viel zu ausgefallen, zu blumig, sanft und fein war das alles, um dick aufgetragen zu werden. Schon die seinerzeitige Veröffentlichung eines Habit Rouges in Eau de Toilette Stärke mag den Zugang in gewisser Hinsicht verkompliziert haben.

Zurück zu den Wurzel heißt in diesem Fall: sich daran erinnern, dass Habit Rouge 1965 als leichtes Herrencologne herausgebracht wurde – nicht als Eau de Toilette, nicht als Eau de Parfum und schon gar nicht als Extrait, eine im Grunde furchterregende Vorstellung. Schön, dass Guerlain in diesem Sinne ein paar Leicht-Versionen als Flanker herausgebracht hat, die ich auf der Suche nach den Wurzeln gerne empfehlen mag. Obwohl besonders das Habit Rouge Sport sich in seinen Noten sehr weit entfernt, treffen diese Flanker vielleicht eher das ursprüngliche Anliegen. Sehr zart und leicht ist das leider auch schon eingestellte Légère, es lehnt sich am stärksten an den Originalduft an. Es dürften hier und da noch Restbestände erhältlich sein. Das frische L'Eau steht in etwa in der Mitte zwischen dem HR Sport und dem Original und ist damit vielleicht dem Sport vorzuziehen.

Nochmals recht herzlichen Dank an Profumo für die Duft-Erinnerungen. Die Abfüllung werde ich sicher aufbrauchen.
7 Antworten
10
Duft
DasguteLeben

132 Rezensionen
DasguteLeben
DasguteLeben
Top Rezension 18  
Die einfache Schönheit komplexer Kunst oder Das Coming Out der Herrenparfümerie
Eine Zeitungsanzeige für Habit Rouge aus dem Jahre 1968 zeigt einen Männerkopf, dessen Nase über einem Flakon Shalimar schwebt und darunter den Satz: "To all the secret followers of Guerlain perfumes, you can come out in the open with Habit Rouge for men." Das war ein Jahr vor der Stonewall Riot, dem Fanal des "Gay Rights Movement" in den USA.

Guerlain verstand sich immer als Haus für Damendüfte, so wie Geo. F. Trumper sich ausschließlich der Pflegebedürfnisse des Gentleman widmete. Habit Rouge war der im Hause höchst umstrittene Versuch des damals 28-jährigen Jean Paul Guerlain einen floralen Vanilleduft auf Basis der klassischen Guerlinade an Männer zu verkaufen. Der Trick dabei: eine sehr charakteristische, maskuline Zitrus-Leder Achse welche die femininen Aspekte austarierte, Yin und Yang.

Wie die Werbung suggerierte, mochten auch Männer den komplexen Orientalismus einer mit Bergamotte, Rose, Jasmin, Tonka, Iriswurzel, balsamischen Harzen, Zibet und Castoreum veredelten Vanille riechen und zwar nicht nur an Frauen. Florale Noten wie Veilchen und Rose waren im 19. Jahrhundert nicht geschlechtlich zugeordnet, schon Klassiker wie Knize Ten oder Varón Dandy aus den zwanziger Jahren enthielten pudrig-florale Akkorde aus Rose, Iris, Nelke und Vanille oder Tonka und Old Spice begann seine Karriere 1936 bekanntlich als würzig-orientalesker Damenduft. Aber zweifellos war die Dosierung in Habit Rouge gewagter, so sehr, dass Guerlain auf insistieren seinen Onkels Jacques 1967 eine entschärfte "Dry" Version nachschieben musste. Habit Rouge setzte sich denn auch nur langsam, aber schließlich nachdrücklich am Markt durch - ein Zeichen und vielleicht sogar bescheidener Motor des Wertewandels dieser Ära - und obwohl es bis zur Dekade der Unisexdüfte und der Metrosexualität noch Jahre dauern sollte repräsentiert es einen parfümistischen Meilenstein, sowohl was die geschlechterspezifische Verschiebung des Duftspektrums betrifft, als auch die grundsätzliche Ent-Genderung von Parfüms. Von Le Male bis Dior homme wären viele Klassiker der letzten Jahrzehnte ohne Habit Rouge überhaupt nich denkbar.

Dieses Eau de Cologne ist aber auch parfümästhetisch ein Meilenstein und Meisterwerk, ein Klassiker des französischen Stils, in dem eine hochkomplexe Kombination vieler Materialien in absolut nahtlose Eleganz mündet. Es ist schwer, einzelne Noten zu identifizieren - und man will es auch gar nicht; lieber genießt man die Schönheit dieses pointillistischen Duftkunstwerkes, dessen minutiöse arrangierte Details ein so harmonisches Ganzes ergeben. Guerlain verschmolz die Leichtigkeit und Frische eines klassischen Eau de Colognes mit der Textur eines Orientals (Aimée Guerlain, der Schöpfer von Jicky, muss ihm aus dem Jenseits aufmunternd zugenickt haben) und maskulinem Leder und wo eines endet und das andere anfängt ist unbestimmbar. Pudrige Orange wird von Rose umspielt, aber diese Orange ist bereits vom Leder geprägt und die Rose in pudrige Irsiswurzel gebettet, welche auch mit dem Leder korrespondiert, das wiederum von den Harzen mitkomponiert wird - es führt eines zum anderen wie in einem keltischen Knotenmuster und auch die Eindrücke von Leichtigkeit und Frische sowie Dichte, herber Würze und Süße greifen bruchlos ineinander.

Schichten olfaktorischer Komplexität lagern hinter der eleganten Simplizität dieses Eau de Colognes (dessen Konzentration allerdings die meisten heutigen EdTs übertraf) so wie die kulturgeschichtlichen Sedimente hinter dem prägnanten Namen. Habit Rouge verweist auf den roten Rock der Fuchsjagd und auf die Anglomanie der französischen Mode im 18. Jahrhundert, als der "redingote" (riding coat) zum avant- garde Dress stilbewusster (und politisch anglophiler) Pariser wurde und damit auch auch den Einfluss Englands auf Kosmetik und Parfümerie bis weit ins 19. Jahrhundert, als der erste Guerlain, Pierre-Francois-Pascal, dort das Handwerk des Seifenmachens studierte. Die in einigen Kampagnen und Dessins verwendete Reitgerte ist eine eindeutig/uneindeutige Anspielung. Welcher Fuchs wird hier gejagt? Wer wird hier wen züchtigen und zureiten? Der Duft den Träger, der Träger den Duft , der Duft des Trägers das Objekt seiner Begierde? Wer ist "Männlein", wer "Weiblein"? N'importe, Hauptsache alle haben ihr Vergnügen und es riecht gut.

Habit Rouge ist ein großer und tiefer Duft mit großer und tiefer Geschichte. Ein Wunderwerk Jean Paul Guerlains, der größte Herrenduft des Hauses und darüber hinaus einer der schönsten Gerüche, die ein Mann austrahlen kann. Die unzähligen Editionen und Varianten bezeugen seine Relevanz, aber das das ursprüngliche Eau de Cologne nicht mehr verfügbar ist stimmt traurig. Denn einmal eingeatmet vergisst man diesen einzigartigen Duft nie mehr, möchte ihn erneut genießen und versteht intuitiv den Sinn der Parfümerie als Ort kreativen Ausdrucks, als Ausdruck tiefster Schönheit, als wertzuschätzende achte Kunst.
6 Antworten
9
Flakon
7
Sillage
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Haltbarkeit
8.5
Duft
Chizza

332 Rezensionen
Chizza
Chizza
Top Rezension 19  
Cologne statt Leder...ogne
Was keiner wusste war, dass Wolle von der Motorradgang einen Bruder hatte, der unterschiedlicher nicht sein konnte. Es handelte sich genauer gesagt um seinen Halbbruder väterlicherseits. Beide waren sich nicht wohlgesonnen denn Wolle verurteilte das motorradfreie Leben seines Bruders sowie seine fehlende Etikette in Sachen Kleidung. Nicht ein Lederbekleidungsstück besaß sein Bruder. Vice Versa schämte sich der Bruder für Wolles Art und Auftreten in der Öffentlichkeit. Dabei waren seine Eskapaden wie das Urinieren an ein leider nur von außen nicht einsehbares Glasgebäude nicht mal das Schlimmste.
Jedenfalls bekam Klaus-Dieter, oft nur Pele genannt, die Duftaffinität seinen Bruders und seiner Herner Crew mit, als er hochachtungsvoll bemerkte, dass Wolle gar nicht mehr so stank in seiner Kutte. Damit war er nicht alleine und eines Abends schlich er Wolle nach als dieser mal wieder zum Vereinsheim ging um das Rätsel zu lösen. Mit Perücke, etwas Schminke und Toilettenpapier zusammengeknüllt als Einlage, wohnte er undercover der Versammlung bei und traute seinen Augen nicht. Die in seinen Augen versoffenen, feisten und dümmlichen Esel testeten Düfte! Flux verließ er den modernen Ruhrpott-Thing, allerdings nicht ohne sich vorher den Avancen von Schnapsdrossel Udo erwehren zu müssen. Der gab erst Ruhe, als er ein kühles Blondes aus der Flasche ergattern konnte anstatt der unechten Blonden.
Nun waren die ganzen Lederdüfte nichts für Klaus-Dieter, welchem da eher nach royalen, barocken Düften zumute war, welche man auch mit Mantel und Zepter tragen konnte. Das nicht nur sinnbildlich denn Pelé war Mitglied und Vorsitzender eines Vereins zur Erhalt des barocken Bekleidungsstils. In Herdecke. So kam es also dass er seinen Freunden davon berichtete und zum nächsten Treff Rolli (er trug gerne Rollkragenpullover) ein Parfum mitbrachte und zwar das Cologne von Habit Rouge.
„Rolli, mein Bester, welch edlen Tropfen hast du uns denn da mitgebracht? Was duftet denn hier so verzückend zitrisch? Und gleichzeitig so verrucht und verraucht und mondän?“
„Wie ein Mann von Welt, ein Gentleman der alten Schule, das kennen wir von dir ja gar nicht“, stieg Torsten in den Tenor mit ein.
„Das ist das alte Cologne vom Habit Rouge, dem roten Frack übersetzt. Ein Wahnsinnsteil! Ein Bekannter aus einem Schrebergartenverein, in dem dieser aktiv ist, berichtete mir davon. Fast glaube ich, diese ganzen spiessbürgerlichen Ansammlungen dienen nur dem Testen von Parfums.“
„Gut möglich, die Hälfte von Wolles Jungs sind in der Regel viel zu voll um das Motorrad regelmäßig lenken zu können. Da würde das passen mit deiner Theorie.“
Kurzes Schweigen, dann stieg Pelé wieder ein: „Ja dann los, wonach duftet es denn genau? Erzähl mal was!“
„Also zunächst duftet es herrlich zitrisch, was auch als Grundton anhält. Nach und nach tanzen weitere Elemente mit Bergamotte und Zitrone. Für mich sind besonders die ledrige Rose und das vielschichtige Sandelholz bemerkenswert. Aber auch eine Nuance Zimt zur Abrundung schließt sich dem olfaktorischen Reigen an. Klassisch und erhaben.“
„Klingt fantastisch!“
„Besser wird es nur durch die Basis. Kühles und erdiges Eichenmoos trifft auf wechselhaftes, im Kern aber wohlriechend-Maskulines Amber, was wohl an den Einschlägen des Lederakkords und den harzigen Elementen liegen muss. Diese zeichnen einen klar männlichen, dabei aber verführerischen Duft.“
„Also ist das gar kein Cologne wie von diesem VfWaschmittel?“
„Nein, aber der heißt wie diese Kölner Adelsfamilie.“
„So schließt sich doch der Kreis mit uns, darauf sollten wir anstoßen.“
—————————————————————

Epilog: Wolle stürzte ins WC, dringend musste Platz für mehr Bier geschafft werden. Dabei stolperte er über eines seiner Clubmitglieder: „Mensch, hast du mir einen Schrecken eingejagt, fast hätte ich mir die Hose nassgemacht! Du riechst aber gut, so ledrig und dabei frisch, was ist denn das?“
„Ähm, ein neuer Duft den ich kennengelernt habe, Habit Rouge EdC“, sagte Totty aka Torsten.
17 Antworten
10
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
10
Duft
Strandkind

15 Rezensionen
Strandkind
Strandkind
Sehr hilfreiche Rezension 7  
Unbeschreiblich schön
Nun ist mir nach Jahren endlich die Ur-Version von Habit Rouge in die Hände gefallen.
Viel leichter und sanfter als das heutige Eau de Toilette. Mein Duft stammt von 1967, so auf dem Umkarton vermerkt, sehr präsent und ohne Alterungsspuren.
Ein klassisches Cologne mit einem Hauch zarter Zitronenverbene, Bergamotte und einer feinen Holznote. Das für Habit Rouge typisch pudrig Orientalische ist zwar vorhanden, bleibt doch dezent im Hintergrund. Nach einer Stunde bleibt ein wunderschöner tiefer Sandelholz-Leder-Zimt-Vanille-Ton, nichts Synthetisches, nichts Aufdringliches, einfach nur Guerlinade in seiner komplexen Schönheit.
Wieso wird so etwas Wunderschönes heute nicht mehr hergestellt?
Dagegen wirkt der kräftigere Clon, das Eau de Parfum im Vergleich, bitte verzeiht, beinahe laut und vulgär.

2 Antworten
Weitere Rezensionen

Statements

10 kurze Meinungen zum Parfum
ParfumAholicParfumAholic vor 4 Monaten
8
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
9.5
Duft
Ein absoluter Vintage-Traum mit deutlicher HR-DNA, bei dem der Schwerpunkt auf belebender Zitrik, grünem Puder + Luxus-Leder liegt. Aus….
36 Antworten
YataganYatagan vor 5 Jahren
9
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
9.5
Duft
Kaum zu glauben, aber diese EdC-Version hatte ich mal, auch wenn das tief in den 80ern war: even more sophisticated?
0 Antworten
ChizzaChizza vor 4 Jahren
9
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft
Ungemein feiner Duft; zitrisch dann pudrig und im Vergleich zum EdP neben der Orange deutlich zurückhaltender und ein bisschen maskuliner.
4 Antworten
DawameskDawamesk vor 7 Jahren
8
Flakon
8
Sillage
7
Haltbarkeit
10
Duft
Habit Rouge funktioniert für mich nur in dieser Urfassung. EdT und EdP ließen mich kalt, dieses Jahrhundertwerk nicht. Es ist perfekt.
0 Antworten
CharlAmbreCharlAmbre vor 10 Monaten
9
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Markante Guerlinade aus dem vintage Flakon (60er/70er Jahre): der Gentleman schätzt die klassische Zitrik im Start und die grüne Pudrigkeit.
4 Antworten
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