Œillet Pourpre
Lui
2017

Œillet Pourpre / Lui von Guerlain
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8.1 / 10 284 Bewertungen
Ein beliebtes Parfum von Guerlain für Damen und Herren, erschienen im Jahr 2017. Der Duft ist süß-würzig. Es wurde zuletzt von LVMH vermarktet.
Aussprache
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Duftrichtung

Süß
Würzig
Ledrig
Harzig
Cremig

Duftnoten

BenzoeBenzoe GartennelkeGartennelke VanilleVanille LederLeder

Parfümeur

Bewertungen
Duft
8.1284 Bewertungen
Haltbarkeit
7.7252 Bewertungen
Sillage
6.6254 Bewertungen
Flakon
8.4247 Bewertungen
Preis-Leistungs-Verhältnis
6.378 Bewertungen
Eingetragen von OPomone, letzte Aktualisierung am 23.04.2024.
Wissenswertes
Im Jahr 2021 wurde Lui in Œillet Pourpre umbenannt und in die Kollektion L'Art & La Matière aufgenommen.

Rezensionen

13 ausführliche Duftbeschreibungen
10
Flakon
7
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Can777

240 Rezensionen
Can777
Can777
Top Rezension 106  
Der Schatten
LUI. Sehr viele Dinge erinnern mich an einen Schatten bei LUI. Dunkle und doch transparente Konturen die sich über einen legen wenn man ihn auflegt. Eine nicht greifbare Präsenz. Zarte Dunkelheit umgeben von Licht. Ein Scherenschnitt aus schwarz und weiß. Ein Schatten der schwer einzuordnen ist zu wem oder was er gehört. Die Umrisse von LUI sind androgyn,geschlechtslos und schwer zuzuordnen. Ist es ein Mann oder ist es eine Frau? Oder sind es beide die vor oder hintereinander stehen und den Schattenwurf spiegeln wie ein Schattentheater der Androgynität? Man kann sich da nicht immer sicher sein welche Konturen LUI gerade annimmt. Aber man muss es auch nicht!

LUI
Von der ersten Sekunden an duftet LUI nach delikatem Wildleder auf meiner Haut. Weich,warm und fast federleicht. Ein hauchzartes Leder was in seinen Verlauf immer mehr zu Staub zu zerfallen scheint. Töne aus pudrig-würzigen,trockenen Nelkenstaub überdecken nach und nach das zarte Wildleder,ohne es aber gänzlich verschwinden zu lassen. Filigran geräucherte Benzoe flimmert leise umher und umschließt balsamisch,wachsig-weich alles vorangegangene behutsam und leise. Aber auch andere balsamische Harze kann ich wahrnehmen. Opoponax,Perubalsam,Mastix und ein Hauch äthiopischer Weihrauch könnten es sein. Nichts ist hier laut oder aufdringlich. Alle Noten scheinen sich auszudehnen und wieder zurückzuziehen einen Schatten gleich. Sie erheben sich und ziehen sich zurück ohne aber gänzlich zu verschwinden. LUI ist ein stiller Duft,was nicht heißt das er nichts zu sagen hätte. Man fühlt sich von ihm nie belästigt oder bedrängt in seiner Gegenwart. Er ist mehr der leise Freund und der Zuhörer der im halbdunkel sitzt als der extrovertierte Redner der im Rampenlicht steht. Auch seine Haltbarkeit ist äußerst zuverlässig. Er begleitet einen wie ein Schatten den Tag bis in den Abend hindurch. Die Sillage von LUI ist wechselhaft und diffus und auch hier wie ein Schattenspiel. Er zeigt sich immer wieder kurz und ist auch schon wieder weg ohne zu große Aufmerksamkeit zu erhaschen. Aber gänzlich verschwinden tut er nie!

Fazit
LUI ist gewiss nicht konturenlos. Er ist vielmehr die Kontur die alles umzeichnet was in ihm verweilt. Er legt sich zart um und über einen ohne das man dabei verschluckt wird durch seine Präsenz. Er überschattet einen nicht gänzlich,sondern lässt Transparenz zu. LUI ist eigenständig und keine Copy von etwas. Auch wenn er auf seinen Schattenwurf manch großen Duft kurz spiegelt oder zu streifen scheint. Ein Habanita,ein Tabac Blond,ein Black Cashmere von Donna Karan oder ein Hauch verblasstes Shalimar. Einige dieser Parfums kamen mir auf meiner Reise mit LUI in den Sinn. Mich persönlich erinnert LUI sehr an Tabac Blond von Caron. Aber es ist nicht der Duft selbst oder die Noten. Vielmehr ist es seine Aura aus femininen und maskulinen Akzenten und Schwingungen die mich daran denken lassen. Für mich persönlich gesprochen hat Guerlain mit LUI seinen Schatten weit voraus geschickt. In versteckte Gefilde die für Guerlain eher untypisch sind und sich mehr in der Dunkelheit bewegen und zu finden sind als im Licht. Und auch wenn LUI auf mich wie ein Schatten wirkt,so steht er bei mir nicht in diesem!

Ich finde ihn mehr als gelungen!
60 Antworten
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
Salander

17 Rezensionen
Salander
Salander
Top Rezension 61  
"The perfume for a new gender order”
"Das Parfüm für eine neue Geschlechterordnung. Nicht wirklich weiblich, nicht wirklich männlich, sondern beides gleichzeitig. Inspiriert durch eine Generation, die sich von Geschlechternormen gelöst hat…“ (Quelle: Gurlain.com)

Ein Parfüm in einer Zeit, in der Frauen wieder deutlich signalisieren, dass sie nicht gewillt sind, zu alten Geschlechterrollen zurückzukehren und Männer sich immer häufiger die Elternzeit mit Ihren kleinen Kindern „gönnen“. In einer Zeit, in der gleichgeschlechtliche Ehe in vielen Ländern in Europa schon erlaub ist. Lui, bist du ein politisches Statement unter all den Unisexdüften, sogar eine Emanze?

Nein, ganz und gar nicht. Eher ein sanfter Vermittler. Während ich den Duft trug und mich mit dem Gedanken beschäftigte, wem der neue Guerlain stehen würde, kamen mir Eigenschaften in den Sinn, die durchaus weiblich oder männlich sein können: verletzlich, emotional, elegant, charmant, vertraut, begehrenswert. Diese Adjektive müssen ja auch nicht die Grenzen zwischen Männern und Frauen verwischen. Denkt einfach nur einmal an James Dean und danach an Lauren Hutton.

Lui. Was willst du uns wirklich sagen? Da ich der französischen Sprache leider nicht mächtig bin, habe ich Ponds zur Hilfe geholt und erfahren, dass lui ihm/ihr bedeutet. Im Vornahmen-Lexikon ist Lui als Jungenname hinterlegt. Jemand der so heißt, sollte „der Lebensfrohe, der Fröhliche“ sein. Ganz sicher beinhaltet der Name aber auch einen Hinweis an ein Parfüm aus dem gleichen Traditionshaus: Liu. An der Verbindung könnte man vielleicht ansatzweise zweifeln, wenn das Flakon nicht auch noch plakativ darauf hinweisen würde.

Eine Brücke wird hier nicht direkt geschlagen, viel mehr werden zwei Enden einer Skala markiert. Die laute Liu mit den No.5 Aldehyden, die überfordern kann und mit ihrem Sillage Städte bedeckt. Die Powerfrau versus angenehmer Begleiter in allen Lebenslagen. Je nachdem, wofür man sie engagiert, können sie beide wunderbar passen. Wobei für mich ersteres eine opulente Oper symbolisiert, letzteres eine Nacht unter Sternenhimmel mit dem besten Freund.

An dieser Stelle möchte ich ein-zwei persönliche Worte zu der Ehrenrettung von Lui und seiner leisen Duftaura schreiben. Mehr ist mehr, lautet die Devise in fast allen Parfumo-Bewertungen. Kann man jemanden nicht aus mindestens zwei Meter Entfernung „wittern“, wird dem Duft ein großer Mangel bescheinigt. Ich frage mich ständig warum. Ich teile meine Schätze oder mein Innerstes auch nicht mit jedem. Für mich ist ein Duft durchaus ein Teil von meiner Persönlichkeit, symbolisiert meine Stimmung und ganz nah an mich lasse ich nur sehr wenige Menschen. Jawohl, es gibt auch bei mir die „Sunshine“-Tage, aber immer nur recht dezent dosiert. Ich „schreie“ meine Gesprächspartner gewöhnlich auch nicht an. Ich poste mein Leben nicht auf Instagram. Und ehrlich, seid ihr entspannt, wenn ihr von einem Duft Kopfschmerzen habt, vor allem, wenn die Quelle externer Natur ist? Unbeeinflussbar. Ich finde Lui unter anderem gerade deshalb so angenehm, weil er nicht mit Gewalt Zutritt zur Bühne verschafft sondern mit seinem Charm anziehend wirkt.

Und jetzt kommt der Teil meiner Beschreibung, wofür Parfumo-Leser immer am meisten interessieren. Wie duftet dieses Parfüm?

Magst du Nelken? Wenn deine Antwort "ja" lautet, lese weiter. Magst du sie nicht, ziehe nicht über Los und widme dich eher anderen Neuerscheinungen. Denn diese aus der Mode gekommene und jetzt neu-entdeckte Blume ist das Hauptthema von Delphine Jelks und Thierry Wassers Kreation. Ich möchte hier kurz anmerken, dass Delphine Jelk diejenige ist, die auch schon die Tuberose für Joyeuse Tubereuse gezähmt hat. Denn auch ihre Nelke verliert die urtypische Assoziation. Vom Bauerngarten bleibt hier nicht viel übrig. Ihre Nelke ist eher eine schöne Blüte im Knopfloch eines eleganten Jacketts. Altmodisch, ruft das Gegenlager. Ein Zeichen der Neoromantik, sage ich.

Ich kann Wohlgerüche ganz schlecht „filetieren“. Es gibt Parfumos unter euch, die nach einem genüsslichen Zug am Handgelenk sogar "Duftmoleküle" auseinander halten können. Und die Pyramide einfach nur herunterzubeten ist für mich keine Option. Aber was ich außer Nelke wahrnehme ist Leder und noch etwas Balsamisches. Während ich den Duft trage, fühle ich mich ausgeglichen, eingelullt von einer positiven Grundstimmung. Die Nelke ist heruntergedimmt und freundlich. Das Leder ist nicht harsch, kein Wildleder, nichts Aufreizendes, viel mehr hat es die Aura eines Lieblingsstücks. Es könnte eine Jacke sein, ein Gürtel, ein Sessel, vertraut, tolles Handwerk, heimelig, ästhetisch, gleichzeitig modern und zeitlos. Die balsamische Note beruhigt mich immer wieder und weist meinen hektischen Bürotag in seine Schranken, wenn sich meine Nase meinem Handgelenk nähert.

Offensichtlich verbindet Benzoe alles. Aber wie duftet denn diese Zutat überhaupt? Bei Wikipedia ist die folgende Definition zu finden: „Der Geruch des leicht rötlichen Siam-Benzoe ist haftend, intensiv balsamisch, leicht schokoladig und erinnert durchaus an Vanille“. Ich habe mal gelesen, dass Benzoeöl beruhigend und ausgleichend wirkt. Jetzt haben wir es. Das wird der Grund sein, warum Lui den Träger in ein wohliges Gefühl der Wärme und Geborgenheit einhüllt.

Die Haltbarkeit betrug bei mir ca. 12 Stunden. Um 7:00 h aufgetragen blieb bis 19:00 h nur noch ein sehr angenehmer balsamischer Haut-Akkord übrig. Von Guerlinade keine Spur, ich vermisse sie hier aber ganz und gar nicht.

Fazit: Ich mag Guerlain und lande immer wieder in den „Fängen seiner Odeurs". Ja, ich ich liebe dessen alte Klassiker und schätze viele seiner Neuerscheinungen. Ich kaufe aber keines der Flakons blind. Lui könnte von Xerjoff oder von Prada, von s.Oliver oder ein No Name Produkt sein, ich würde für ihn, sie, es die Lanze brechen. Er, sie, es ist ein kleines romantisches Kerzenlicht unter den vielen Diven und Selbstdarstellern in der Parfümindustrie. Und ich werde ihn, sie, es aus meinem Weihnachtsgeld definitiv kaufen.

23 Antworten
10
Flakon
7
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft
Profumo

284 Rezensionen
Profumo
Profumo
Top Rezension 51  
Will entdeckt werden
Welcher und welche Duftbegeisterte kennt sie nicht, diese hin und wieder auftretenden Wow-Momente. Kaum aufgesprüht durchfährt es einen blitzartig: Wow, was für ein Duft!
Eines meiner tiefsten und nachhaltigsten Wow-Erlebnisse verschaffte mir vor vielen Jahren die alte Fassung von ‚Dioressence’.
‚LUI’ dagegen sah ich zuerst vor ca. 2 Jahren. Allein der überaus schöne Flakon ließ mich zugreifen, doch diesmal tat sich nichts. Kein Wow, nirgends. Stattdessen schnupperte ich ein wenig ratlos an meinem Handgelenk.
Ein Guerlain? Wo war die so typische DNA? Was das Besondere an diesem Duft?
Ich fand keine Antwort, und verortete ‚LUI’ unter: langweiliger, anbiedernd moderner, ledriger Orientale, schon x-mal gerochen, ohne Tiefe und besondere Entwicklung.

Wie falsch man doch manchmal liegt!

Steckte ‚LUI’ nicht in diesem auffallend schönen Art-Deco-Flakon, ich hätte ihn vermutlich, mit solchen Etiketten versehen, eher gemieden. So aber lockte er mich immer wieder an. Konnte es sein, dass in einem solch hübschen Fläschchen wirklich ein so langweiliger und banaler Duft steckte?
Ja, es konnte sein. Zumindest ergaben das die folgenden Tests.
Dann, vor einigen Wochen, war auf einmal alles anders, warum auch immer.
Eigentlich wollte ich nur schauen ob das neue ‚Bois Mysterieux’ noch genauso duftet wie mein altes ‚Songe d’un Bois d’Été’, aber es war kein Tester da. Stattdessen stand da wieder dieser verführerisch schöne ‚LUI’. Eher gelangweilt und eigentlich in der Annahme den Duft schon oft genug als uninteressant abgelegt zu haben, griff ich doch wieder zu.
Was war das? Dem Schönling entwich plötzlich ein verführerisches Aroma!
Was war geschehen?
Eigentlich gar nichts. Der Duft war eindeutig derselbe, aber irgendwie schien ein Schalter umgelegt. Was ich zuvor als banal und langweilig empfand, war auf einmal interessant und aufregend: ein wunderbar aromatisch-pudriges Nelken-Aroma, vereint mit etwas dezent Fruchtigem, legte sich über eine geglättete, zivilisierte Ledernote, die auf einem Bett harzig-balsamischer Benzoe lümmelte - toll!
Aber: soweit, so unspektakulär. War ja wirklich nicht der erste Benzoe-Lederduft. Auf einmal hatte ich jedoch eine ‚offene Nase’ für die eigentliche Stärke dieses Duftes: seine Qualität.

‚LUI’ punktet nämlich nicht mit Originalität, wirft sich keinem nischigen Oud-, Safran- oder Immortellen-Hype an die Brust, biedert sich aber auch keiner zeitgeistigen Mainstream-Synthetik an.
Nein, ‚LUI’ ist im Grunde - so habe ich ihn ja auch die ersten Male erlebt - ein unauffälliger Bursche, dessen Vorzüge, ja Eleganz, nicht recht zur Geltung kommen wollen. Zum Glück aber steckt er ja in diesem schicken Outfit – selten war ein Flakon ein derartiger Eyecatcher.
Jetzt, da sich aber meine Nase für diesen Duft sozusagen geöffnet hat, empfinde ich eigentlich gar keine Diskrepanz mehr zwischen der Schönheit einerseits und der Unauffälligkeit andererseits. Beides, Inneres wie Äußeres, passt eigentlich ganz gut zusammen: In diesem Flakon-Juwel steckt tatsächlich auch ein Duft-Juwel. Eines, das den geneigten Konsumenten nicht sofort anspringt, das vielmehr entdeckt werden will.

Wenn man Besprechungen und Kommentare zu ‚LUI’ ließt, taucht immer wieder die Frage auf, was um Alles in der Welt dieser Duft mit seinem Schwesterduft ‚LIU’ zutun habe, jener Jahrzehnte-alten Aldehyd-Bombe, die einst in einem sehr ähnlichen Art-Deco-Flakon steckte. 1929 lancierte Guerlain diesen an Chanels ‚No 5’ erinnernden Duft, inspiriert von einer Figur aus der damals sehr populären letzten Oper Puccinis, der ‚Turandot’. Liu, die Sklavin, widersteht allen Torturen und wählt lieber den Selbstmord, als ihr Geheimnis preiszugeben. Erst diese Kraft, dieser Mut, lässt den Eispanzer der Prinzessin Turandot schmelzen.
Aldehyd-schwangere Düfte wie ‚LIU’, aber vor allem das 8 Jahre zuvor lancierte ‚No 5’ von Chanel, standen damals hoch im Kurs der Garçonne-Mode tragenden Damenwelt. Flapper-Look und Kurzhaar-Frisuren trugen zur eher knabenhaften Anmutung der Garçonnes bei.
Guerlains ‚LIU’ kam allerdings reichlich spät. Mal wieder.
Wie schon mit ‚Mitsouko’, ‚Shalimar’ und später ‚Vetiver’, zeigte Guerlain, dass man sein kreatives Potential nicht unentwegt abzurufen brauchte, um immer wieder das Rad neu zu erfinden. Manchmal war es eben ratsamer zu demonstrieren, dass man sein Handwerk schlicht besser beherrschte als andere.
Was mit den drei genannten Düften ganz hervorragend gelang, ließ sich mit ‚LIU’ jedoch nicht wiederholen. Chanels ‚No 5’ blieb unerreicht, mochte die Operfigur, deren Namen man sich lieh, noch so populär sein, und der Flakon noch so schön. ‚LIU’ wurde nicht zu einer der großen Guerlain-Legenden, hielt sich aber trotzdem, vermutlich seiner unbestreitbaren Qualitäten wegen, dauerhaft im Guerlain´schen Katalog.

Nun also ‚LUI’.
Keine Aldehyde, kein Rose, kein Jasmin und keine Iris, dafür Vanille und holzige Noten, die sich im weiten Duftspektrum des Benzoe-Harzes wiederfinden. Hier dockt ‚LUI’ an ‚LIU’ an, und erweitert diese Spektrum um jede Menge harzige und balsamische Facetten, fügt ledrige, pudrige, aromatische und dezent fruchtige ein und verschiebt damit den eindeutig femininen Duftkosmos von ‚LIU’ in eine deutlich maskulinere Richtung. ‚LUI’ wird damit zum männlichen Pendant von ‚LIU’, bricht mit Benzoe, Nelke und Birne die Brücken zur femininen Duftsprache aber nicht ab.
Mag eine Garçonne der 20er und 30er Jahre Chanels ‚No 5’ oder ‚LIU’ gewählt haben, einer Garçonne der Jetztzeit würde sicher eher zu ‚LUI’ greifen. ‚LUI’ ist meiner Ansicht nach tatsächlich ein moderner Garçonne-Duft, auch wenn er sich modischer Trends und Synthetik verweigert. Seine Modernität besteht eher darin, ein fast einhundert Jahre altes Duftkonzept den heutigen Gewohnheiten und Vorlieben anzupassen. Frauen sind nämlich schon längst dabei die holzigen, ledrigen und würzigen Düfte ihrer Partner zu kapern, sie für sich zu adoptieren – ein ‚LUI’ braucht´s da eigentlich gar nicht.
‚LUI’ funktioniert aber etwas anders, ist kein eindeutiger Herrenduft, wie er auch weit von einem eindeutigen Damenduft entfernt ist.
Unisex im eigentlichen Sinne ist er aber auch nicht, da ich seine Grundtendenz doch eher als maskulin empfinde: ein maskuliner Duft, mit offener Flanke zum Femininen. So wie ‚lui’ im Französischen in aller Regel ein ‚für ihn’ bedeutet, aber nicht immer: es kann durchaus auch ‚ihr’ bedeuten. ‚Je lui dis’ kann ‚ich sage ihm’ heißen, oder ‚ich sage ihr’, kommt ganz auf den Kontext an.

Natürlich bietet ‚LUI’ mit diesen Qualitäten kein neuartiges Duftkonzept. Dergleichen Düfte, die sich dem platten Unisex-Label entziehen und viel raffinierter mit der Homme/Femme-Zuschreibung spielen, gibt es unzählige. Und dennoch ist Guerlain mit ‚LUI’ nach längerer Zeit wieder etwas gelungen, für das dieses Haus lange stand, nämlich Dinge nicht völlig neu zu erfinden, sondern sie schlicht besser zu machen.
Bravo Guerlain!!

‚LUI’ hat eine fantastische Haltbarkeit, bei moderater Projektion. Hier offenbart sich abermals die eher maskuline Grundtendenz: nach klassischem Verständnis hat der Herr olfaktorisch der Dame nicht den Rang abzulaufen. Den Raum mag sie duftenderweise sprengen. Er überzeugt lieber durch unaufdringliche Beharrlichkeit.
Ganz wie ‚LUI’.
13 Antworten
10
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
7.5
Duft
Baptiste

16 Rezensionen
Baptiste
Baptiste
Top Rezension 37  
Sans contrefaçon
„Dis Maman, pourquoi je suis pas un garçon?“ Mit dieser von einem kleinen Mädchen gestellten grammatikalisch nicht ganz korrekten Frage beginnt ein Song von Mylène Farmer, der 1987 die französischen und später auch die deutschen Charts stürmte. „Sag Mama, warum bin ich kein Junge?“ So fängt der Song an, indem es um die Frage geht, welche (Geschlechter-) Rolle man als Mädchen oder als Junge einzunehmen hat bzw. welche Rolle man bereit ist einzugehen. Und Frau Farmer postuliert im Refrain selbstverständlich, ganz eindeutig und unverfälscht (= sans contrefaçon), dass sie ein Junge ist: „Da man sich entscheiden muss, sage ich es in sanften Worten, ganz eindeutig, ich bin ein Junge“.
In diesem Song spielen autobiographische Züge der Künstlerin mit, die sich als Kind wohl eher als Junge sah und zu Beginn ihrer Karriere dann auch in ihrem Aussehen oft etwas puppenhaftes und gleichzeitig etwas burschikoses und androgynes hatte. Zusätzlich verweist sie in dem Song auf einen adligen Franzosen aus dem 18. Jahrhundert, der in seinem späteren Leben offen als Transvestit lebte. Man muss aber sagen, dass „Sans contrefaçon“ kein Song über Transsexualität ist. Er greift vielmehr das Garçon – Garçonne – Thema auf. Allerdings nicht in seiner spielerischen Form wie wir es oft in der Mode erleben, sondern mit tiefgreifenden Fragen und Zweifeln am anerzogenen Rollenbild des identitätslosen Heranwachsenden.
Dieses Thema traf Ende der 80er den Nerv der Jugendlichen und der Song verhalf Mylène Farmer zu einer unglaublichen Karriere. Nicht unbegründet kann man sie heutzutage als die „Madonna“ der Franzosen bezeichnen, von denen sie nahezu wie eine Heilige verehrt wird. Ihre Bühnenshows sind legendär und wenn ein mit über 70.000 Leuten besetztes Stade de France mitsingt, dann…aber das ist eine andere Geschichte.

Guerlain hat bereits mit Jicky eines der ersten Parfums kreiert, das, laut der Legenden, mehr von Männern geschätzt und getragen wurde als von Frauen. Auch spätere Kreationen wie L’Heure Bleue, Mitsouko usw. erhielten im Laufe der Jahre mehr und mehr den Touch eines Unisexduftes. Und nun kommt Lui. Ein offen deklarierter Unisexduft, der bezüglich der Geschlechterrolle keine Zweifel aufkommen lässt.

Lui startet kurz frisch, leicht blumig, hell. Recht schnell macht sich ein zarter Lederduft breit, der nicht kratzt, sondern eher einem Sessel in einer Bibliothek gleicht, in der der Hausherr gerne mal eine Zigarre pafft. Hinzu gesellt sich eine etwas muffige Nelke, wie wir sie bereits von L’Heure Bleue, Sous le Vent und Derby her kennen. Also etwas old school like und durchaus elegant, wobei die Nelke nicht so dominant oder gar so grün wie in den genannten drei Düften wahrgenommen wird. Damit Nelke und Leder nicht zu dumpf bleiben, ist dem Ganzen ein gering wahrnehmbarer, wenig süßer balsamischer Unterton zu Grunde gelegt, bei dem Benzoe beteiligt sein kann. Überhaupt zieht sich der Duft schnell zurück und bleibt sehr hautnah. Eine Sillage existiert kaum.
Die Kombination aus Leder, Nelke, Benzoe hält ca. 2-3 Stunden an. Als erstes verblasst das Leder, dann die Nelke und im weiteren Verlauf macht sich eine minimal süßlich balsamische Basis breit, die aber nichts mit der alt bekannten Guerlinade zu tun hat.
Nach weiteren 2-3 Stunden ist die Basis soweit reduziert, dass die eigene empfundene Geschlechterrolle wieder die Führung übernimmt.

Ganz eindeutig und unverfälscht, also sans contrefaçon, kann man sagen, dass Lui ein feines, gut gemachtes Parfum ist. Und man muss sans contrefaçon sagen, dass dieser Duft so ganz anders ist, als das, was wir in den letzten Jahren von Guerlain vorgesetzt bekommen haben. Lui ist leise, diskret, unsüß, ein wenig old school, skinny und definitiv unisex. Mir gefällt er, auch wenn ich noch nicht verstanden habe, was Guerlain uns damit eigentlich mitteilen möchte. Dafür, dass es ein Eau de Parfum ist, ist Sillage und Haltbarkeit offen gesagt eine Katastrophe. Darüber hinaus ist auch die Wortspielerei und die Ähnlichkeit zum Flakon mit Liu als ein sehr feminines, aldehydlastiges und duftstarkes Parfum nicht ganz nachzuvollziehen. Lui ist so ganz anders konzipiert und viel geschlechtsneutraler als man es selbst mit dem Garçon – Garçonne – Thema annehmen würde und daher wird der Duft dem direkten Vergleich mit Guerlains Duftklassikern nicht standhalten können.
Eins ist Lui in jedem Fall. Wie viele seiner alten Vorgänger aus dem Hause Guerlain ist Lui kein einfacher Duft, der sofort zugänglich ist und sich einem schnell erschließt. Hier heißt es Testen und Warten. Manchmal werden daraus Jahre...

Nicht ganz sans contrefaçon lässt sich fragen: „Dis Guerlain, pourquoi je suis pas un parfum?“
6 Antworten
7
Flakon
7
Sillage
10
Haltbarkeit
7
Duft
Apicius

1106 Rezensionen
Apicius
Apicius
Top Rezension 35  
Ein moderner Orientale
Guerlain lebt vom Mythos der Guerlinade - jener geheimnisvollen Duftnote, deren Kern eine besonders zubereitete Vanille sein soll, und die man nur bei Guerlain antreffen konnte. Bei jeder Neuerscheinung schwingt die Erwartung mit: ist sie drin, oder ist sie es nicht? Befeuert von diesem Mythos, bietet uns Guerlain ein reiches Angebot an Orientalen - also Düften, die um die Noten Vanille, Benzoeharz oder auch Tonkabohne herum gebaut wurden.

Der neueste Beitrag zum Thema muss sich daher dem Vergleich stellen, denn dieser drängt sich geradezu auf. Lui ließ mich sofort an Bois d'Arménie denken. Da war die orientalische Wärme, ein vanilleartiger Anklang, aber eben auch eine feine Rauchnote, wie sie uns der Vorgänger so schön präsentiert.

Doch Lui schien sich nicht festlegen zu wollen. Im Verlauf der Entwicklung ging es ein wenig in holzige, leicht herbe, meinetwegen ledrige Bereiche. Lui neigte sich Arséne Lupin Voyou zu, und auch Eau du 68 stand Pate.

Lui bietet das, was man von einem "typischen" Orientalen erwartet - aber modern, in einer schlichten, nicht überladenen Form. Allein die sagenumwobene Guerlinade wird man vielleicht vermissen. Lui ist nicht schlecht gemacht, aber der hätte jetzt auch von einer anderen Marke stammen können. Ich ziehe weiterhin Bois d'Arménie vor, der in seiner eleganten Zurückhaltung mehr Aura als Parfum ist.

Sicher wird Lui seine Käufer finden. Jene, die angesichts der Zurückhaltung von Bois d'Arménie ratlos mit der Schulter zucken. Oder jene, die sich nicht trauen, das strahlende Spiritueuse Double Vanille zu tragen.

Wenn zwischen den genannten Guerlain-Düften noch Platz wäre, Lui könnte ihn einnehmen.
8 Antworten
Weitere Rezensionen

Statements

90 kurze Meinungen zum Parfum
NuiWhakakoreNuiWhakakore vor 3 Jahren
6
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Küsse deine süße Benzoehaut
liebkose dich mit Balsam
Nelkenstaub und sanfter Rauch
heißer Atem auf ledernem Grund
23 Antworten
Can777Can777 vor 4 Jahren
10
Flakon
7
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Die Signatur der Androgynität. Silhouette aus zart-ledrigen Konturen. Schatten aus süß-würzigen Nelkenstaub,rauchig,weich-harziges Wispern!
20 Antworten
YataganYatagan vor 7 Jahren
9
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft
Der Flakon ist eine Art deco-Ikone, der Duft mutig (Leder und Nelke), die Wirkung sinnlich: Danke Guerlain! Ihr könnt es noch!
11 Antworten
ViolettViolett vor 3 Jahren
8
Duft
Der Lui. Jacke aus duftig weichem Leder. Nelke im Haar, Schwummerbalsam im Blick.
Steht Hals abwärts bis zum Zeh in einem See aus Benzoee.
17 Antworten
FloydFloyd vor 4 Jahren
6
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Verzauber misch
Lui Guerlain
Benzoe wie ein médecin
Dein Ledergürtel undeutlisch
Épicé doux misch seelenruhisch
17 Antworten
Weitere Statements

Diagramm

So ordnet die Community den Duft ein.
Torten Radar

Diskussionen

Themen zum Parfum im Forum
ExhaleExhale vor 6 Jahren
Unisex-Parfum
Guerlain - Lui
Hab am Sharing diesen Herbst teilgenommen und eine 5 ml Abfüllung gekauft. Der Duft ist echt klasse, sehr ausgewogen in seiner Komposition und allen zum Testen zu empfehlen.

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