Als mein Schwiegervater starb, schien die Sonne und auf unserem Hof blühte der Mirabellenbaum in voller Pracht. Er hat sich oft über diesen Baum geärgert, weil er im Herbst winzige Früchte in großen Mengen abwarf, die einzeln vom Boden eingesammelt werden mussten - aber er hat sie immer aufgesammelt, bevor ich es konnte. Beim Betrachten des blühenden Baumes wird mir klar, dass ich ihn nie wieder auf dem Hof hören werde, obwohl mir dieses Geräusch doch so vertraut ist. Er sieht diesen wunderschönen, blühenden Baum nicht mehr, und vielleicht wird mir erst jetzt klar, dass ich ihn tatsächlich verloren habe.
Heute tragen wir ihn zu Grabe, und wir haben noch zwei Stunden Zeit bis zur Beerdigung, um Abschied zu nehmen. So oberflächlich es klingen mag: Ich habe nach dem Duschen überlegt, welchen Duft ich tragen werde. Für mich hat diese Überlegung durchaus Bedeutung, denn ich weiß, dass ich mich fortan immer an meinen Schwiegervater erinnern werde, wenn ich den Duft tragen werde, den ich heute auswähle. Ich habe über Panthéa nachgedacht, weil der Duft so clean und distanziert ist und so viel Reinheit ausstrahlt. Schließlich habe ich mich aber doch für einen meiner Tuberose-Düfte entschieden. Zu Tuberose Angelica habe ich eine passende Körpercreme, und nur an besonderen Tagen hülle ich mich in diese Kostbarkeit ein. Tuberose Angelica und ihre kleine Schwester, die Creme, sind so schwarzgewandet wie ich, so schlicht, so ernst. Und vor allem: Von all meinen Tuberose-Düften - und ihnen gehört, wie manche wissen, mein Parfuma-Herz - ist Tuberose Angelica mit Abstand der ernsteste Duft.
Nur ihm gelingt es, die Brücke zwischen der Eleganz der festlichen Tuberose und der Seriosität der Angelica zu schlagen. Die grüne, kräuterige Frische verbindet sich von den ersten Sekunden an mit der Tuberose. Ich weiß nicht, was sonst noch in der Pyramide stehen müsste, doch die beiden Noten nehme ich in einem perfekten Gleichgewicht wahr. So wird die opulente Süße der Tuberose drastisch gemildert; es liegen doch emotionale Welten zwischen etwa "Love Tuberose" oder "Heartless Helen" und dem Jo-Malone-Duft. Er wirkt absolut elegant, ohne süß, träumerisch, kindlich zu sein. Es ist eine erwachsene, ernste Tuberose und eine elegante, feine Angelica, die sich hier verbinden, Pudertöne klingen ganz leicht durch, abgefedert durch einen fein-holzigen, zurückhaltenden Ton, der Wärme verstrahlt. Und er ist, wenn ich nicht irre, ein Cologne, leicht. Ich glaube, ich hätte keinen schöneren Duft für diesen Tag wählen können, und ich weiß, wenn ich ihn das nächste Mal trage, werde ich die Erinnerung gern erleben, denn die Wahl ist richtig.
Ich habe nicht lange an diesem Kommentar gesessen, das wäre mir pietätlos erschienen. Doch ich hatte das Bedürfnis, meine Gedanken zu diesem Duft, der mich heute begleiten wird, aufzuschreiben.
Mein Schwiegervater, der für mich während meiner Ehe immer Vater-Ersatz war, weil mein Vater schon vor langer Zeit gestorben ist, hat mich oft sehr verwöhnt. Er mochte es, wenn seine Frau oder ich, die Frau seines einzigen Kindes, fein waren. Er hätte sich über diesen Duft gefreut. Mein Mann hat ihn mir samt Creme zu Weihnachten geschenkt. Das hätte ihn besonders gefreut.