26.04.2020 - 18:27 Uhr
Sniffsniff
21 Rezensionen
Sniffsniff
Top Rezension
20
Ich sitze derzeit tief in der Patche ...
Nichts ist so stet wie der Wandel, nach der Ebbe kommt die Flut. Und so weiter und so fort ...
Ich habe kürzlich bemerkt, dass mein Duftauswahlverhalten nach einem bestimmten zyklischen Muster gestrickt zu sein scheint. Es sind aufeinander folgende Phasen, in denen sich ein bestimmter Duftbaustein in den Fokus rückt und mich vom Hundertsten ins Tausendste taumeln lässt. Der Vanilleherbst 2019, begleitet von ausufernden gourmandigen Exzessen (hier ein bisschen Schokolade, dort 'ne Schippe Karamell), wurde gefolgt von einem weihrauchgeschwängerten Winter. Sakral, unsakral, **egal. Mit Holz, Zimt, Jasmin, Iris, tragbar, untragbar, gefällig, experimentell und hin und wieder tendenziell unerträglich. Und dann war plötzlich Schluss mit Eau de Messdiener. Das Buffet abgegrast, mein olfaktorischer Magen gut gefüllt. Nein, das wäre untertrieben. Ich habe mich im wahrsten Wortsinne am Weihrauch überfressen, Verzeihung, sattgerochen.
Und wie der Zufall so wollte, hoppelte mir direkt ein neues Opfer vor die Flinte, das es von nun an haarklein in all seinen Spielarten zu sezieren galt. Patchouli. Irgendwie komisch, dass ich das Thema so lange ausgeblendet habe. War ich doch in meiner Jugend erst in der Punkszene zuhause, bevor es mich über Gothic schließlich zum Black Metal zog. Ich habe also gefühlte Wochen in irgendwelchen privaten Kellerclubs verbracht, in denen sich die Gerüche diverser Rauchwaren mit verschüttetem Rotwein, abgestandenem Bier und den patchouligetränkten Kleidern der anwesenden Mädels mischten. Ich verbinde wunderbare Erinnerungen mit dieser Zeit, aber das damals übliche Patchouli-Öl aus dem (einzigen) "Szeneladen" im wilden Lüneburg ... nee, lass' mal! Unglaublich dumpf und muffig. Absolut morbides Zeug.
Peer-Group hin oder her, ich badete lieber im ganz frisch auf den Markt gekommenen Gucci Rush (das mir damals unglaublich geheimnisvoll, dunkel und verrucht vorkam - heute empfinde ich es als fröhlich-blumig und glockenhell) und fühlte mich den Stinkeeulen dufttechnisch haushoch überlegen.
Vermutlich ist es dieses spätpubertäre Kellertrauma, das mich das Thema Patchouli hat ausblenden lassen. Bis, ja, bis ich auf einem Parfumo-affinen YouTube-Kanal ein Blindtest-Video fand, in dem ein Duft, der das große P stolz im Namen trägt, gar nicht mal so schlecht bewertet wurde.
Ich habe mir den Duft sofort blind (und kopflos) bestellt und da das Glück ja bekanntlich häufig mit den Dummen ist, war dieses Resultat einer Kurzschlusshandlung dann ein absoluter Volltreffer. Patchouli von Micallef. Ich war angefixt. Weihrauch? Wer ist Weihrauch? Ich muss wissen, was Patchouli sonst noch kann. Alle Spielarten, die volle Klaviatur. Wäre ich eine berühmte Malerin, würde man retrospektiv wahrscheinlich behaupten, dass dieser "Erweckungsmoment" meine "erdige Periode" eingeläutet hätte.
Und so führte mich meine Patchouli-Rundreise schließlich zu meinen geschätzten italienischen Freunden aus Avigliana. Ich habe mit Alambar und Vanhera bereits zwei Düfte in meiner Sammlung, die zu meinen absoluten Favoriten zählen, mit Alkemi und Nerosa wurde ich hingegen überhaupt nicht warm. Ein gewisses Risiko, dass Patchouliful sich bei den Letztgenannten einreihen könnte, war also nicht von der Hand zu weisen. Trotzdem folgte der nächste Blindkauf auf dem Fuße, Glück macht scheinbar sofort leichtsinnig.
Aber offensichtlich haben gerade die sehr Dummen besonders viel Glück gepachtet, denn auch Patchouliful gefällt mir gut.
Er löst zwar keine Freudenschreie der Verzückung bei mir aus, aber er ist würzig-warm und erdend und vermittelt mir das Gefühl von Nähe und Geborgenheit.
Zudem wirkt Patchouliful sehr natürlich und anschmiegsam, nirgends stechen hässliche synthetische Ecken hervor, die mein Dufterlebnis trüben könnten.
Die Kopfnote startet mit einer spritzigen Bergamotte, die bereits von angenehmen Würznoten begleitet wird. Am prominentesten tritt hier der Zimt hervor, während die Nelke eher etwas im Hintergrund bleibt. Der Zimt bleibt die ganze Zeit präsent und klingt erst gemeinsam mit der Basis aus. Erdig-muffig wird hier nichts, eher im Gegenteil. Nach etwa 30 Minuten tritt die Iris auf die Bühne und hellt den Duft durch ihre leichte Pudrigkeit ein wenig auf. Mit der Zeit wird Patchouliful immer süßer, gleitet aber nie in Richtung Klebrigkeit ab und behält seinen leicht herben Grundton. Moschus, Zistrose und Zedernholz bilden die Basis und sind fein austariert. Diese Zeder ist rund und weich und hat nichts von frisch gespitztem Bleistift. Auch die Harznote drängt sich nicht in den Vordergrund, sondern wird von sanftem Moschus begleitet, der dem Ganzen eine Miniprise Animalik für Einsteiger verleiht. Ich finde, der Komposition hätte auch ein Portiönchen Vanille gut gestanden, aber man kann ja nicht alles haben.
So dominieren hier Zimt und Patchouli eine ausgewogen holzige Basis und lassen einen wirklich tragbaren und durchaus alltagstauglichen Unisex-Duft entstehen, der im Winter vermutlich noch viel besser zur Geltung kommt als bei unseren derzeitigen Temperaturen um die 15 Grad.
Die Sillage nehme ich sehr positiv wahr, der Duft strahlt ordentlich ab und bleibt wirklich lange konstant. Auch nach fünf Stunden kommen mir immer wieder deutliche Duftsequenzen in die Nase. Patchouliful hat Kraft und performt zu meiner großen Freude mit viel Energie. Denn seien wir mal ehrlich - was ist sinnloser als ein Parfum, das ich nach 30 Minuten an mir selbst nicht mehr bemerke? Ich habe einige dieser Pappenheimer in meiner Sammlung und fühle mich von ihnen regelrecht um mein Recht auf Duft betrogen. Es bringt mir ja auch nichts, wenn ich das halbe Lehrerzimmer bedufte und es selbst gar nicht wahrnehme. Schließlich habe ich den teuren Fusel bezahlt und nicht die Kollegen.
Ich habe kürzlich bemerkt, dass mein Duftauswahlverhalten nach einem bestimmten zyklischen Muster gestrickt zu sein scheint. Es sind aufeinander folgende Phasen, in denen sich ein bestimmter Duftbaustein in den Fokus rückt und mich vom Hundertsten ins Tausendste taumeln lässt. Der Vanilleherbst 2019, begleitet von ausufernden gourmandigen Exzessen (hier ein bisschen Schokolade, dort 'ne Schippe Karamell), wurde gefolgt von einem weihrauchgeschwängerten Winter. Sakral, unsakral, **egal. Mit Holz, Zimt, Jasmin, Iris, tragbar, untragbar, gefällig, experimentell und hin und wieder tendenziell unerträglich. Und dann war plötzlich Schluss mit Eau de Messdiener. Das Buffet abgegrast, mein olfaktorischer Magen gut gefüllt. Nein, das wäre untertrieben. Ich habe mich im wahrsten Wortsinne am Weihrauch überfressen, Verzeihung, sattgerochen.
Und wie der Zufall so wollte, hoppelte mir direkt ein neues Opfer vor die Flinte, das es von nun an haarklein in all seinen Spielarten zu sezieren galt. Patchouli. Irgendwie komisch, dass ich das Thema so lange ausgeblendet habe. War ich doch in meiner Jugend erst in der Punkszene zuhause, bevor es mich über Gothic schließlich zum Black Metal zog. Ich habe also gefühlte Wochen in irgendwelchen privaten Kellerclubs verbracht, in denen sich die Gerüche diverser Rauchwaren mit verschüttetem Rotwein, abgestandenem Bier und den patchouligetränkten Kleidern der anwesenden Mädels mischten. Ich verbinde wunderbare Erinnerungen mit dieser Zeit, aber das damals übliche Patchouli-Öl aus dem (einzigen) "Szeneladen" im wilden Lüneburg ... nee, lass' mal! Unglaublich dumpf und muffig. Absolut morbides Zeug.
Peer-Group hin oder her, ich badete lieber im ganz frisch auf den Markt gekommenen Gucci Rush (das mir damals unglaublich geheimnisvoll, dunkel und verrucht vorkam - heute empfinde ich es als fröhlich-blumig und glockenhell) und fühlte mich den Stinkeeulen dufttechnisch haushoch überlegen.
Vermutlich ist es dieses spätpubertäre Kellertrauma, das mich das Thema Patchouli hat ausblenden lassen. Bis, ja, bis ich auf einem Parfumo-affinen YouTube-Kanal ein Blindtest-Video fand, in dem ein Duft, der das große P stolz im Namen trägt, gar nicht mal so schlecht bewertet wurde.
Ich habe mir den Duft sofort blind (und kopflos) bestellt und da das Glück ja bekanntlich häufig mit den Dummen ist, war dieses Resultat einer Kurzschlusshandlung dann ein absoluter Volltreffer. Patchouli von Micallef. Ich war angefixt. Weihrauch? Wer ist Weihrauch? Ich muss wissen, was Patchouli sonst noch kann. Alle Spielarten, die volle Klaviatur. Wäre ich eine berühmte Malerin, würde man retrospektiv wahrscheinlich behaupten, dass dieser "Erweckungsmoment" meine "erdige Periode" eingeläutet hätte.
Und so führte mich meine Patchouli-Rundreise schließlich zu meinen geschätzten italienischen Freunden aus Avigliana. Ich habe mit Alambar und Vanhera bereits zwei Düfte in meiner Sammlung, die zu meinen absoluten Favoriten zählen, mit Alkemi und Nerosa wurde ich hingegen überhaupt nicht warm. Ein gewisses Risiko, dass Patchouliful sich bei den Letztgenannten einreihen könnte, war also nicht von der Hand zu weisen. Trotzdem folgte der nächste Blindkauf auf dem Fuße, Glück macht scheinbar sofort leichtsinnig.
Aber offensichtlich haben gerade die sehr Dummen besonders viel Glück gepachtet, denn auch Patchouliful gefällt mir gut.
Er löst zwar keine Freudenschreie der Verzückung bei mir aus, aber er ist würzig-warm und erdend und vermittelt mir das Gefühl von Nähe und Geborgenheit.
Zudem wirkt Patchouliful sehr natürlich und anschmiegsam, nirgends stechen hässliche synthetische Ecken hervor, die mein Dufterlebnis trüben könnten.
Die Kopfnote startet mit einer spritzigen Bergamotte, die bereits von angenehmen Würznoten begleitet wird. Am prominentesten tritt hier der Zimt hervor, während die Nelke eher etwas im Hintergrund bleibt. Der Zimt bleibt die ganze Zeit präsent und klingt erst gemeinsam mit der Basis aus. Erdig-muffig wird hier nichts, eher im Gegenteil. Nach etwa 30 Minuten tritt die Iris auf die Bühne und hellt den Duft durch ihre leichte Pudrigkeit ein wenig auf. Mit der Zeit wird Patchouliful immer süßer, gleitet aber nie in Richtung Klebrigkeit ab und behält seinen leicht herben Grundton. Moschus, Zistrose und Zedernholz bilden die Basis und sind fein austariert. Diese Zeder ist rund und weich und hat nichts von frisch gespitztem Bleistift. Auch die Harznote drängt sich nicht in den Vordergrund, sondern wird von sanftem Moschus begleitet, der dem Ganzen eine Miniprise Animalik für Einsteiger verleiht. Ich finde, der Komposition hätte auch ein Portiönchen Vanille gut gestanden, aber man kann ja nicht alles haben.
So dominieren hier Zimt und Patchouli eine ausgewogen holzige Basis und lassen einen wirklich tragbaren und durchaus alltagstauglichen Unisex-Duft entstehen, der im Winter vermutlich noch viel besser zur Geltung kommt als bei unseren derzeitigen Temperaturen um die 15 Grad.
Die Sillage nehme ich sehr positiv wahr, der Duft strahlt ordentlich ab und bleibt wirklich lange konstant. Auch nach fünf Stunden kommen mir immer wieder deutliche Duftsequenzen in die Nase. Patchouliful hat Kraft und performt zu meiner großen Freude mit viel Energie. Denn seien wir mal ehrlich - was ist sinnloser als ein Parfum, das ich nach 30 Minuten an mir selbst nicht mehr bemerke? Ich habe einige dieser Pappenheimer in meiner Sammlung und fühle mich von ihnen regelrecht um mein Recht auf Duft betrogen. Es bringt mir ja auch nichts, wenn ich das halbe Lehrerzimmer bedufte und es selbst gar nicht wahrnehme. Schließlich habe ich den teuren Fusel bezahlt und nicht die Kollegen.
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