01.07.2016 - 14:35 Uhr
Meggi
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26
Zweifacher Auftritt
Gustav Mahlers Symphonien kündigen bisweilen über viele Takte hinweg vermeintlich Monumentales an, bis der Partitur dann stattdessen tutende Seltsamkeiten entsteigen. Ähnlich walzt zum Auftakt von Sand Aoud in hoher Geschwindigkeit zunächst ein Teppich aus Patchouli heran, der Wuchtiges erwarten lässt. Tatsächlich kommt – ich kann es nicht anders sagen - eine lustige Mischung aus säuerlichem Oud und Johannisbeere angehüpft. Aufgeraut von besagtem Patchouli. Mit ein bisschen gutem Willen mag die Frucht meinetwegen als Johannisbeer-Likör durchgehen, zwingend scheint mir das nicht. Auf das Thema Alkohol kommen wir vielmehr später noch einmal zurück.
Hinter den beiden heiteren Protagonisten schwebt etwas Auffrischendes hinzu. Ein paar ätherische Öle aus den sogenannten „Gewürzen“? Ungestützt hätte ich mangels einer besseren Idee auf heimliche Minze getippt, die Würznote ist nämlich ansonsten derart diffus, dass man meinen könnte, wir befänden uns in einer Art Versteck-Spiel.
Die gewählte Kombination aus Johannisbeere und Oud ist schräg, originell und passend. Springt nicht einfach nur auf den Rose-Oud-Zug, hält sich aber nahe genug an jenem immerhin bewährten Zusammenwirken. Kein Problem, schließlich haben diverse Rosen-Sorten kräftig-beerige Aromen. Insofern ergibt die zusätzliche und geruchlich bereits jetzt gut nachvollziehbare Nennung von Rose in der Pyramide definitiv Sinn. Wer soll das außerdem trennscharf auseinanderhalten?
Dazu ein kleiner Exkurs: Ich wohne im Kreis Pinneberg (nordwestlich von Hamburg), angeblich das größte Baumschulgebiet der Welt. Gleich zwei namhafte Rosenzüchter, Kordes und Tantau, haben hier ihren Sitz. Kordes arbeitet seit einigen Jahren mit einer Parfümeurin zusammen, die die Rosendüfte mit geeigneten begrifflichen Näherungen und Verlaufs-Beschreibungen versieht, bis hin zur für uns wohlbekannten dreistufigen Unterteilung, formal in „Duftkreisen“ umgesetzt (http://online.fliphtml5.com/kxlm/ezqc/#p=4). Von uns Parfumas/-os wird das niemand erstaunlich finden. Es sei dessen ungeachtet zum x-ten Mal erwähnt, was für ein Wunder doch der Rosenduft ist. Die Sorten riechen teils krass verschieden und trotzdem alle unverkennbar „rosig“. Exkurs Ende.
Oben nannte ich den Einstieg originell. Neu ist er freilich nicht. Zum Beispiel ähnelt er dem Einsatz der Brombeere in Jubilation XXV Man. Und wo wir gerade bei Herrn Duchaufour sind: Im Fortgang ist eine Nähe zum (ebenfalls 2011 erschienenen) Oud Shamash unleugbar; das wurde auch schon berichtet. Eine Linie zu Oud for Love lässt sich dann natürlich gleichermaßen ziehen.
Im Unterschied dazu bietet Sand Aoud aber rasch einen zunehmend kräftigen Beitrag „mittelhellen“ (Kunst)-Holzes, in dem sich jener Anflug von Oud-Morbidität, den ich bei Oud Shamash empfinde, hier nahezu gänzlich verliert. Nach zehn Minuten errieche ich eine Spur Vanille, ernsthaft-unsüß.
Bedauerlicherweise schwindet der Auftakt-Charme binnen einer Stunde ein wenig. Ein zuckriger Schleier legt sich in den Duft, der zwar dem Kunstholz ganz gut tut, bloß leider die anderen Aromen beeinträchtigt.
Später wittere ich eine Idee vom unfruchtigen Part der Johannisbeere. Nicht unbedingt das Kraut der schwarzen Variante, das wäre ein heftiger Stinker - eher dieser leicht bittere Rest, der selbst bei den Beeren von Stiel-Überbleibseln oder den Fragmenten der Blüte herrührt. Bitterwürziger Safran steuert nun zudem einen pilzig-pelzigen Dreh bei.
Der Duft-Charakter hat sich völlig gewandelt. Das Fröhliche (oder Tutende) ist verschwunden. Geblieben ist im Wesentlichen eine säuerlich-sterile Oud-Note, konsequent staubig-holzig gehalten, ich hätte sie sogar kaum mehr als Oud bezeichnet. Weihrauch hätte ich ohne Ansage nicht erkannt. Trotz seiner Luftigkeit und Staubigkeit hat der Duft allerdings fraglos eine gewisse Kraft. Es scheinen förmlich Staubwolken sich von der Hand emporzurecken. Oder womöglich sollen das Sandwolken sein…?
Am Nachmittag zeigt sich, dass wider Erwarten nicht alles vorbei ist. Ich nehme erneut einen bitteren Unterton wahr, der noch vom Safran stammen mag, einen eigenen Vorschlag habe ich jedenfalls nicht. Kontrastiert schön mit der nicht zu süßen Vanille. Vor allem jedoch erlebt direkt auf der Haut die Rose einen zweiten Frühling, und das auf individuelle Weise, die weniger beerenhaft wirkt als zuvor, sondern ins Beschwipste reicht. Das zumindest finde ich nun sehr apart, die Rose sozusagen zweifach auftreten zu lassen.
Gleichwohl erheben sich die im vorigen Absatz geschilderten Überraschungen kaum über den Rang von Beigaben hinaus. Kern des Duftes ist inzwischen eine amberhaft-zuckrig-vanillige Kunstholz-Note, der ich in Sachen Oud endgültig nichts mehr abgewinnen kann.
Fazit: Kann das Niveau des Auftakts nicht halten - Nachmittags-Rosen-Zuckung hin oder her. Schade.
Ich bedanke mich bei MisterE für die Probe.
Hinter den beiden heiteren Protagonisten schwebt etwas Auffrischendes hinzu. Ein paar ätherische Öle aus den sogenannten „Gewürzen“? Ungestützt hätte ich mangels einer besseren Idee auf heimliche Minze getippt, die Würznote ist nämlich ansonsten derart diffus, dass man meinen könnte, wir befänden uns in einer Art Versteck-Spiel.
Die gewählte Kombination aus Johannisbeere und Oud ist schräg, originell und passend. Springt nicht einfach nur auf den Rose-Oud-Zug, hält sich aber nahe genug an jenem immerhin bewährten Zusammenwirken. Kein Problem, schließlich haben diverse Rosen-Sorten kräftig-beerige Aromen. Insofern ergibt die zusätzliche und geruchlich bereits jetzt gut nachvollziehbare Nennung von Rose in der Pyramide definitiv Sinn. Wer soll das außerdem trennscharf auseinanderhalten?
Dazu ein kleiner Exkurs: Ich wohne im Kreis Pinneberg (nordwestlich von Hamburg), angeblich das größte Baumschulgebiet der Welt. Gleich zwei namhafte Rosenzüchter, Kordes und Tantau, haben hier ihren Sitz. Kordes arbeitet seit einigen Jahren mit einer Parfümeurin zusammen, die die Rosendüfte mit geeigneten begrifflichen Näherungen und Verlaufs-Beschreibungen versieht, bis hin zur für uns wohlbekannten dreistufigen Unterteilung, formal in „Duftkreisen“ umgesetzt (http://online.fliphtml5.com/kxlm/ezqc/#p=4). Von uns Parfumas/-os wird das niemand erstaunlich finden. Es sei dessen ungeachtet zum x-ten Mal erwähnt, was für ein Wunder doch der Rosenduft ist. Die Sorten riechen teils krass verschieden und trotzdem alle unverkennbar „rosig“. Exkurs Ende.
Oben nannte ich den Einstieg originell. Neu ist er freilich nicht. Zum Beispiel ähnelt er dem Einsatz der Brombeere in Jubilation XXV Man. Und wo wir gerade bei Herrn Duchaufour sind: Im Fortgang ist eine Nähe zum (ebenfalls 2011 erschienenen) Oud Shamash unleugbar; das wurde auch schon berichtet. Eine Linie zu Oud for Love lässt sich dann natürlich gleichermaßen ziehen.
Im Unterschied dazu bietet Sand Aoud aber rasch einen zunehmend kräftigen Beitrag „mittelhellen“ (Kunst)-Holzes, in dem sich jener Anflug von Oud-Morbidität, den ich bei Oud Shamash empfinde, hier nahezu gänzlich verliert. Nach zehn Minuten errieche ich eine Spur Vanille, ernsthaft-unsüß.
Bedauerlicherweise schwindet der Auftakt-Charme binnen einer Stunde ein wenig. Ein zuckriger Schleier legt sich in den Duft, der zwar dem Kunstholz ganz gut tut, bloß leider die anderen Aromen beeinträchtigt.
Später wittere ich eine Idee vom unfruchtigen Part der Johannisbeere. Nicht unbedingt das Kraut der schwarzen Variante, das wäre ein heftiger Stinker - eher dieser leicht bittere Rest, der selbst bei den Beeren von Stiel-Überbleibseln oder den Fragmenten der Blüte herrührt. Bitterwürziger Safran steuert nun zudem einen pilzig-pelzigen Dreh bei.
Der Duft-Charakter hat sich völlig gewandelt. Das Fröhliche (oder Tutende) ist verschwunden. Geblieben ist im Wesentlichen eine säuerlich-sterile Oud-Note, konsequent staubig-holzig gehalten, ich hätte sie sogar kaum mehr als Oud bezeichnet. Weihrauch hätte ich ohne Ansage nicht erkannt. Trotz seiner Luftigkeit und Staubigkeit hat der Duft allerdings fraglos eine gewisse Kraft. Es scheinen förmlich Staubwolken sich von der Hand emporzurecken. Oder womöglich sollen das Sandwolken sein…?
Am Nachmittag zeigt sich, dass wider Erwarten nicht alles vorbei ist. Ich nehme erneut einen bitteren Unterton wahr, der noch vom Safran stammen mag, einen eigenen Vorschlag habe ich jedenfalls nicht. Kontrastiert schön mit der nicht zu süßen Vanille. Vor allem jedoch erlebt direkt auf der Haut die Rose einen zweiten Frühling, und das auf individuelle Weise, die weniger beerenhaft wirkt als zuvor, sondern ins Beschwipste reicht. Das zumindest finde ich nun sehr apart, die Rose sozusagen zweifach auftreten zu lassen.
Gleichwohl erheben sich die im vorigen Absatz geschilderten Überraschungen kaum über den Rang von Beigaben hinaus. Kern des Duftes ist inzwischen eine amberhaft-zuckrig-vanillige Kunstholz-Note, der ich in Sachen Oud endgültig nichts mehr abgewinnen kann.
Fazit: Kann das Niveau des Auftakts nicht halten - Nachmittags-Rosen-Zuckung hin oder her. Schade.
Ich bedanke mich bei MisterE für die Probe.
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