19.12.2020 - 07:48 Uhr
First
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20
Rock? Nein, eher Beatles: "Close your eyes and I'll kiss you..."
Ich bin ja so einige Jahre am Rande der hiesigen Musikszene unterwegs gewesen und da ist mir immer wieder aufgefallen, dass manche Bands als Rockbands, Punks, Gothics oder Hardrockbands bezeichnet wurden, die ich musikalisch eher unter Pop, Softrock, manchmal sogar fast unter Schlager eingeordnet hätte. Was den Unterschied machte, war einzig und allein ihr Auftreten, ihr Bühnenoutfit und ihr Makeup. Ich habe mich jahrelang gewundert, wieso das niemand außer mir zu merken schien.
Daran musste ich beim Testen von Brighton Rock immer wieder denken, auch wenn ich aus dem sehr aufschlussreichen Kommentar von Smellie13 weiß, dass der Name sich nicht auf Musik bezieht.
Brighton Rock. Der Name lässt auf etwas Kraftvolles hoffen, Rock eben, Rockmusik, Power! Auch ein Krimi passt dazu, Aufregung, eine packende Geschichte, vielleicht eine detektivische Herausforderung, soziale Bedingungsgefüge in einem der bekanntesten Seebäder Englands, eventuell ein Hauch von Abgrund. Dazu passt das Orange des Flakons, alarmierend, lebendig, etwas abgetönt, so dass es nicht allzu blutig-aggressiv wird. Ich war sogar mal in Brighton, zwar nur einen einzigen Nachmittag auf der Durchreise und das an einem Regentag im kalten Herbst, aber ich erinnere mich an eine schöne Bank direkt am menschenleeren Ufer und den Blick auf seegrünes, heftig aufgepeitschtes Wasser.
Das könnte einen interessanten, intensiven, etwas rockig-wilden Duft ergeben, dachte ich. Und da ich im Moment Lust auf aquatische Düfte habe, dabei aber furchtbar wählerisch bin, war meine Neugier noch mehr geweckt.
Und dann kam er an. Gleichzeitig mit einem anderen Duftpaket aus dem Tauschspiel. Oh, welchen sollte ich denn nun zuerst testen? Ich sprühte kurzerhand Brighton Rock rechts und den anderen Duft links.
Und - wunderte mich.
Irgendwie roch ich so wenig. Das konnte doch eigentlich nicht sein. Der andere Duft hatte das gewisse Nichts eines schwach-fahlen Jasminriechstoffes, und Brighton Rock - bei Brighton Rock konnte ich noch nichtmal sagen was es war, das ich da so sanft und leise roch, wenn ich meine Nase an die Sprühstelle presste.
Hatte Franfan20 nicht was von Menthos Fruit geschrieben? Die kenne ich doch und sie riechen sehr intensiv. Aber, ich drückte meine Nase nochmal auf den rechten Arm, ich vernahm nur schwächelnd milde, milchig gedimmte Fruchtigkeit.
Ein schlimmer Gedanke beschlich mich: Gleich von vier verschiedenen Freunden hatte ich am Tag vorher gehört, dass sie auf Covid-19 getestet wurden und nun nervös auf ihr Testergebnis warteten, weil ebenfalls gleich mehrere Leute, mit denen sie in engem persönlichen Kontakt standen, erkrankt waren. Ich hatte in den letzten Stunden mehrfach geniest. Hatte ich mich vielleicht unbemerkt infiziert und schon eine beginnende Geruchsnervenstörung? Schnell kramte ich einen Dua Fragrances heraus und einen anderen, intensiven Duft, den ich vor ein paar Tagen getestet hatte. Beide musste ich gar nicht mehr sprühen, schon beim Abziehen der jeweiligen Kappe drang ein intensiver Duftschwall an meine Nase. Ich konnte aufatmen, meine Geruchsnerven waren noch intakt.
Aber was war denn dann mit den beiden Neuzugängen los? Da ich den seelenlosen Jasminlangweiler überhaupt nicht mochte, wusch ich ihn ab.
Dann sprühte ich mich großzügig mit Brighton Rock ein. 6 fette Sprüher, in der Hoffnung, dann etwas mehr Klarheit zu bekommen, wonach er für mich riecht:
Fruchtig, ein Gemisch aus Orange, künstlichem Erdbeeraroma, und stimmt, es ist dieser Unterton von Menthos Kaubonbons dabei, der dafür sorgt, dass die Aromen eine Milderung erfahren. Bei den Kaubonbons geschieht das, glaube ich, durch leicht gesüßte Vanille. Hier ist es zunächst etwas mild-mandeliges Heliotrop, das sich aber schnell mit zarten, zuckerglasierten Rosenblüten unterlegt. Schon nach kurzer Zeit etwas würziger werdend, verbinden sich die Noten immer mehr zu einer weichen, milde süßen, fruchtig-aromatischen Pudergesamtheit, die zunehmend edler wirkt. In der Herznote kommt ein sanfter Unterton dazu, den ich aus Modern Muse Le Rouge Gloss und aus Qom Chilom kenne, und den ich als Latexnote bezeichnen würde. Vermutlich ist es diese Note, die andere hier als petrochemischen oder Plastikfaktor geschildert haben. Ich mag diese Latexnote sehr gern, für mich ist sie nicht unangenehm künstlich, sondern fügt quasi Weichzeichner hinzu, ohne den Duft zu schwächen oder ihn stickig werden zu lassen.
Inzwischen habe ich Brighton Rock drei Tage lang getestet. Am ersten Tag mit den sechs vollen Sprühstößen, hatte ich zwischenzeitlich deutlich den typischen, leicht sumpfigen Geruch von Wasserlilien wahrgenommen. Beim zweiten und dritten Test konnte ich davon nur noch deutlich weniger bemerken. Salziges konnte ich an keinem der Tage entdecken. Obwohl Brighton Rock weiterhin erstaunlich wenig Intensität und Sillage hat, hält er doch bemerkenswert lange. Er klingt über bestimmt weitere vier Stunden mandelpudrig und mit zarter Latexnote auf Resten von mild gezuckerten Früchten mit einem ganz leichten Hauch von Wasserlilie und Moschus aus.
Bei geringer Intensität und selbst für mich unzureichender Sillage, ist es schon ein wenig frustrierend, diesen an sich wunderschönen Duft zu tragen und schon nach wenigen Minuten den Wunsch zu verspüren nachzusprühen, was dann aber auch nicht viel hilft. Auf meinem Kettenanhänger allerdings, der offensichtlich etwas von den 6 Sprühstößen abbekommen hat, rieche ich noch drei Tage später sehr angenehme Wasserlilie auf süßlichem Latex. Auch nach einem langen Spaziergang in der feuchten Winterluft war Brighton Rock plötzlich stärker und wieder etwas fruchtiger präsent. So tröste ich mich denn mit der Hoffnung, dass er sich bei feuchterem Wetter oder im Frühling auf der Terrasse besser zu entfalten weiß als jetzt im Zimmer bei trockener, winterlicher Heizungsluft.
Tja. Letztlich ist es mit Brighton Rock ganz ähnlich wie in der Musikszene: Wenn man die Augen schließt und nur die Musik hört, dann merkt man, dass sich hinter dem martialischen Gehabe der vermeintlichen Hardrocker manchmal erstaunlich feinsinnige Popmusiker verbergen. Und der Flakon ist wohl doch eher lachsfarben.
"Close your eyes and I'll kiss you, tomorrow I'll miss you..."
Daran musste ich beim Testen von Brighton Rock immer wieder denken, auch wenn ich aus dem sehr aufschlussreichen Kommentar von Smellie13 weiß, dass der Name sich nicht auf Musik bezieht.
Brighton Rock. Der Name lässt auf etwas Kraftvolles hoffen, Rock eben, Rockmusik, Power! Auch ein Krimi passt dazu, Aufregung, eine packende Geschichte, vielleicht eine detektivische Herausforderung, soziale Bedingungsgefüge in einem der bekanntesten Seebäder Englands, eventuell ein Hauch von Abgrund. Dazu passt das Orange des Flakons, alarmierend, lebendig, etwas abgetönt, so dass es nicht allzu blutig-aggressiv wird. Ich war sogar mal in Brighton, zwar nur einen einzigen Nachmittag auf der Durchreise und das an einem Regentag im kalten Herbst, aber ich erinnere mich an eine schöne Bank direkt am menschenleeren Ufer und den Blick auf seegrünes, heftig aufgepeitschtes Wasser.
Das könnte einen interessanten, intensiven, etwas rockig-wilden Duft ergeben, dachte ich. Und da ich im Moment Lust auf aquatische Düfte habe, dabei aber furchtbar wählerisch bin, war meine Neugier noch mehr geweckt.
Und dann kam er an. Gleichzeitig mit einem anderen Duftpaket aus dem Tauschspiel. Oh, welchen sollte ich denn nun zuerst testen? Ich sprühte kurzerhand Brighton Rock rechts und den anderen Duft links.
Und - wunderte mich.
Irgendwie roch ich so wenig. Das konnte doch eigentlich nicht sein. Der andere Duft hatte das gewisse Nichts eines schwach-fahlen Jasminriechstoffes, und Brighton Rock - bei Brighton Rock konnte ich noch nichtmal sagen was es war, das ich da so sanft und leise roch, wenn ich meine Nase an die Sprühstelle presste.
Hatte Franfan20 nicht was von Menthos Fruit geschrieben? Die kenne ich doch und sie riechen sehr intensiv. Aber, ich drückte meine Nase nochmal auf den rechten Arm, ich vernahm nur schwächelnd milde, milchig gedimmte Fruchtigkeit.
Ein schlimmer Gedanke beschlich mich: Gleich von vier verschiedenen Freunden hatte ich am Tag vorher gehört, dass sie auf Covid-19 getestet wurden und nun nervös auf ihr Testergebnis warteten, weil ebenfalls gleich mehrere Leute, mit denen sie in engem persönlichen Kontakt standen, erkrankt waren. Ich hatte in den letzten Stunden mehrfach geniest. Hatte ich mich vielleicht unbemerkt infiziert und schon eine beginnende Geruchsnervenstörung? Schnell kramte ich einen Dua Fragrances heraus und einen anderen, intensiven Duft, den ich vor ein paar Tagen getestet hatte. Beide musste ich gar nicht mehr sprühen, schon beim Abziehen der jeweiligen Kappe drang ein intensiver Duftschwall an meine Nase. Ich konnte aufatmen, meine Geruchsnerven waren noch intakt.
Aber was war denn dann mit den beiden Neuzugängen los? Da ich den seelenlosen Jasminlangweiler überhaupt nicht mochte, wusch ich ihn ab.
Dann sprühte ich mich großzügig mit Brighton Rock ein. 6 fette Sprüher, in der Hoffnung, dann etwas mehr Klarheit zu bekommen, wonach er für mich riecht:
Fruchtig, ein Gemisch aus Orange, künstlichem Erdbeeraroma, und stimmt, es ist dieser Unterton von Menthos Kaubonbons dabei, der dafür sorgt, dass die Aromen eine Milderung erfahren. Bei den Kaubonbons geschieht das, glaube ich, durch leicht gesüßte Vanille. Hier ist es zunächst etwas mild-mandeliges Heliotrop, das sich aber schnell mit zarten, zuckerglasierten Rosenblüten unterlegt. Schon nach kurzer Zeit etwas würziger werdend, verbinden sich die Noten immer mehr zu einer weichen, milde süßen, fruchtig-aromatischen Pudergesamtheit, die zunehmend edler wirkt. In der Herznote kommt ein sanfter Unterton dazu, den ich aus Modern Muse Le Rouge Gloss und aus Qom Chilom kenne, und den ich als Latexnote bezeichnen würde. Vermutlich ist es diese Note, die andere hier als petrochemischen oder Plastikfaktor geschildert haben. Ich mag diese Latexnote sehr gern, für mich ist sie nicht unangenehm künstlich, sondern fügt quasi Weichzeichner hinzu, ohne den Duft zu schwächen oder ihn stickig werden zu lassen.
Inzwischen habe ich Brighton Rock drei Tage lang getestet. Am ersten Tag mit den sechs vollen Sprühstößen, hatte ich zwischenzeitlich deutlich den typischen, leicht sumpfigen Geruch von Wasserlilien wahrgenommen. Beim zweiten und dritten Test konnte ich davon nur noch deutlich weniger bemerken. Salziges konnte ich an keinem der Tage entdecken. Obwohl Brighton Rock weiterhin erstaunlich wenig Intensität und Sillage hat, hält er doch bemerkenswert lange. Er klingt über bestimmt weitere vier Stunden mandelpudrig und mit zarter Latexnote auf Resten von mild gezuckerten Früchten mit einem ganz leichten Hauch von Wasserlilie und Moschus aus.
Bei geringer Intensität und selbst für mich unzureichender Sillage, ist es schon ein wenig frustrierend, diesen an sich wunderschönen Duft zu tragen und schon nach wenigen Minuten den Wunsch zu verspüren nachzusprühen, was dann aber auch nicht viel hilft. Auf meinem Kettenanhänger allerdings, der offensichtlich etwas von den 6 Sprühstößen abbekommen hat, rieche ich noch drei Tage später sehr angenehme Wasserlilie auf süßlichem Latex. Auch nach einem langen Spaziergang in der feuchten Winterluft war Brighton Rock plötzlich stärker und wieder etwas fruchtiger präsent. So tröste ich mich denn mit der Hoffnung, dass er sich bei feuchterem Wetter oder im Frühling auf der Terrasse besser zu entfalten weiß als jetzt im Zimmer bei trockener, winterlicher Heizungsluft.
Tja. Letztlich ist es mit Brighton Rock ganz ähnlich wie in der Musikszene: Wenn man die Augen schließt und nur die Musik hört, dann merkt man, dass sich hinter dem martialischen Gehabe der vermeintlichen Hardrocker manchmal erstaunlich feinsinnige Popmusiker verbergen. Und der Flakon ist wohl doch eher lachsfarben.
"Close your eyes and I'll kiss you, tomorrow I'll miss you..."
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