03.12.2017 - 14:52 Uhr
Meggi
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Kritik Top Rezension
29
Duftende Enigma-Variationen
Nein, es geht nicht um Herrn Doves Kreation oder um seine zugegebenermaßen rätselhafte Preispolitik. Wir gehen vielmehr zurück ins Jahr 1899: Mit seinen ‚Enigma-Variationen‘ setzte der englische Komponist Edward Elgar damals einigen ihm nahestehenden Menschen ein orchestrales Denkmal. Es ist sogar eine von ihm persönlich dirigierte Aufnahme aus dem Jahr 1926 erhalten (www.youtube.com/watch?v=kaPtKoL-FsM). Die wohl bekannteste – und, wie ich meine, schönste – der Variationen ist die Nummer 9 „Nimrod“, ab 12:00 min. Wer mit der grottigen Klang-Qualität historischer Aufnahmen Schwierigkeiten hat, findet im Internet jede Menge weniger betagter Alternativen, auch von der Nummer 9 einzeln.
Um wen es sich bei den musikalisch verewigten Leuten handelte, darf inzwischen als entschlüsselt gelten, offen ist indes ein zweites Rätsel: Elgar selbst meinte, dass sich durch die gesamte Komposition ein weiteres und größeres Thema ziehe, das aber nicht explizit gespielt werde. Das Hauptthema erscheint mithin nie.
An Elgars Variationen dachte ich, weil Feuilles de Tabac fast von Beginn an (es startet nach etwa einer halben Stunde) und bis zum Ausklang ebenfalls von einer Art hintergründiger Note durchzogen ist, die ich nie genau festnageln und benennen kann, weil sie nie unmissverständlich heraussticht. Wenngleich ich am Ende eines langen Tages zumindest dahintergekommen bin, woher ich diesen Geruch kenne. Und, dass ich mit dieser Wahrnehmung nicht allein bin.
Doch von vorne: Eine unvermutete Frische eröffnet, süßlich, wie Pfefferminz-Kaugummi; mehr als eine Stunde lang. Darunter dringt beinahe sofort eine allmählich anschwellende Nadelholz-Note empor. Wie ein idealisierter, lichtgefluteter Wald, dessen frühmorgendlicher Nebel just von der Sonne aufgelöst wird. Solches Nadelholz habe ich noch nie gerochen und krame in meinem Gedächtnis nach einer Pinien-Erinnerung, die über Kerne zum Backen oder Kochen hinausgeht. Dieses Nadelholz riecht frisch, ohne eine franzbranntweinmäßig-kampferartige Note aufzubieten, nadelholzig, ohne in die bitter-harzige Ecke zu rutschen, aromatisch, ohne sich (offenriechlicher) laborieller Nachhilfe zu bedienen, sprich: womöglich Aroma mittels Kunstholz-Süße vorzutäuschen. Vorzüglich.
Süße ist durchaus da, bloß aus anderer, viel feinerer Quelle: Nahe der Haut, vor allem auf dem Handgelenk zeigt sich im Laufe der zweiten Stunde ein apartes Süße-und-Pritzel-Duo vom Stamme der Cumarinos. Ein Fingerhut voll Waldmeister-Brause. Ganz leise und ausdauernd.
Ab der dritten Stunde wird besagtes Nadelholz begleitet von einer Frische wie von grünem Basilikum, einschließlich des gewissen bitteren Etwas. In den Angaben steht Salbei. Nun gut, immerhin besteht eine botanische Verwandtschaft. Jedenfalls ist ein unzweifelhafter Küchen-Geruch entstanden, der mich vor dem Hintergrund des Parfüm-Namens sehr überrascht hat. Im Gegenzug sind die Tabak-Aromen durchgehend sehr zurückhaltend. Mehrfach wurde aromatisierter Tabak und im Zusammenhang damit der Begriff Kaskarilla ins Spiel gebracht. Fachlich kann ich dazu nichts beitragen, am Stichwort „aromatisiert“ ist freilich was dran. Vielleicht sogar die Menthol-Zigaretten des seligen Helmut Schmidt. Unter einem echten Tabak-Duft hätte ich mir allerdings was anderes vorgestellt.
Nach vier Stunden ist der Duftverlauf bereits weit fortgeschritten. Die Süße aus dem Untergrund ist stärker geworden und tritt dem angesprochenen bitteren Aspekt gegenüber. Darüber schwebt weiterhin eher Nadelbaum als Tabak. Im Fortgang wird die Süße zur dominierenden Note, ihr Cumarin-Pritzeln behält sie gleichwohl lange bei. Ihre Mit- bzw. Gegenspieler Patchouli und Tabak hat sie gut im Griff, ordentlich mitmachen dürfen die beiden trotzdem.
Und nun zu jener Rätsel-Note. Im vorderen Teil scheint sie mir eine Abwandlung des Nadelholzes zu sein, später denke ich an einen herben Dreh von Salbei (meinetwegen), vor allem aber Basilikum und zum Ende raus sind es zahmer Tabak und Patchouli im Verein mit einem gewürzigen Rest. Alle gemeinsam, jeder auf seine Art, zeigen sie diffus in Richtung Rasierwasser der Generation Opa. Da ich selbst derlei nicht benutze, kann ich die Sache nicht genauer auseinanderklambüsern. Doch das hat mich den ganzen Tag lang am Duft gestört und mir die wunderschönen Einzelteile madig gemacht. Dass ich mit dem Rasierwasser-Eindruck, wie die Lektüre von Vor-Kommentaren zeigte, nicht allein dastehe, mag aus analytischer Sicht beruhigen, ändert dennoch nichts daran, dass ich ihn - allemal im vorliegenden Kontext - doof finde.
Laut Hersteller soll der Duft Erinnerungen an verräucherte Lokale in Saint-Germain wecken. Das gelingt ihm bei mir mit seinem Rasierwasser nicht. Jammerschade, ansonsten zeigt Feuilles de Tabac nämlich großartige Aromen. Folglich ist er natürlich definitiv ein Test-Tipp und meine maßvolle Bewertung ist noch subjektiver als üblich zu verstehen.
Ich bedanke mich bei MisterE für die Probe.
Um wen es sich bei den musikalisch verewigten Leuten handelte, darf inzwischen als entschlüsselt gelten, offen ist indes ein zweites Rätsel: Elgar selbst meinte, dass sich durch die gesamte Komposition ein weiteres und größeres Thema ziehe, das aber nicht explizit gespielt werde. Das Hauptthema erscheint mithin nie.
An Elgars Variationen dachte ich, weil Feuilles de Tabac fast von Beginn an (es startet nach etwa einer halben Stunde) und bis zum Ausklang ebenfalls von einer Art hintergründiger Note durchzogen ist, die ich nie genau festnageln und benennen kann, weil sie nie unmissverständlich heraussticht. Wenngleich ich am Ende eines langen Tages zumindest dahintergekommen bin, woher ich diesen Geruch kenne. Und, dass ich mit dieser Wahrnehmung nicht allein bin.
Doch von vorne: Eine unvermutete Frische eröffnet, süßlich, wie Pfefferminz-Kaugummi; mehr als eine Stunde lang. Darunter dringt beinahe sofort eine allmählich anschwellende Nadelholz-Note empor. Wie ein idealisierter, lichtgefluteter Wald, dessen frühmorgendlicher Nebel just von der Sonne aufgelöst wird. Solches Nadelholz habe ich noch nie gerochen und krame in meinem Gedächtnis nach einer Pinien-Erinnerung, die über Kerne zum Backen oder Kochen hinausgeht. Dieses Nadelholz riecht frisch, ohne eine franzbranntweinmäßig-kampferartige Note aufzubieten, nadelholzig, ohne in die bitter-harzige Ecke zu rutschen, aromatisch, ohne sich (offenriechlicher) laborieller Nachhilfe zu bedienen, sprich: womöglich Aroma mittels Kunstholz-Süße vorzutäuschen. Vorzüglich.
Süße ist durchaus da, bloß aus anderer, viel feinerer Quelle: Nahe der Haut, vor allem auf dem Handgelenk zeigt sich im Laufe der zweiten Stunde ein apartes Süße-und-Pritzel-Duo vom Stamme der Cumarinos. Ein Fingerhut voll Waldmeister-Brause. Ganz leise und ausdauernd.
Ab der dritten Stunde wird besagtes Nadelholz begleitet von einer Frische wie von grünem Basilikum, einschließlich des gewissen bitteren Etwas. In den Angaben steht Salbei. Nun gut, immerhin besteht eine botanische Verwandtschaft. Jedenfalls ist ein unzweifelhafter Küchen-Geruch entstanden, der mich vor dem Hintergrund des Parfüm-Namens sehr überrascht hat. Im Gegenzug sind die Tabak-Aromen durchgehend sehr zurückhaltend. Mehrfach wurde aromatisierter Tabak und im Zusammenhang damit der Begriff Kaskarilla ins Spiel gebracht. Fachlich kann ich dazu nichts beitragen, am Stichwort „aromatisiert“ ist freilich was dran. Vielleicht sogar die Menthol-Zigaretten des seligen Helmut Schmidt. Unter einem echten Tabak-Duft hätte ich mir allerdings was anderes vorgestellt.
Nach vier Stunden ist der Duftverlauf bereits weit fortgeschritten. Die Süße aus dem Untergrund ist stärker geworden und tritt dem angesprochenen bitteren Aspekt gegenüber. Darüber schwebt weiterhin eher Nadelbaum als Tabak. Im Fortgang wird die Süße zur dominierenden Note, ihr Cumarin-Pritzeln behält sie gleichwohl lange bei. Ihre Mit- bzw. Gegenspieler Patchouli und Tabak hat sie gut im Griff, ordentlich mitmachen dürfen die beiden trotzdem.
Und nun zu jener Rätsel-Note. Im vorderen Teil scheint sie mir eine Abwandlung des Nadelholzes zu sein, später denke ich an einen herben Dreh von Salbei (meinetwegen), vor allem aber Basilikum und zum Ende raus sind es zahmer Tabak und Patchouli im Verein mit einem gewürzigen Rest. Alle gemeinsam, jeder auf seine Art, zeigen sie diffus in Richtung Rasierwasser der Generation Opa. Da ich selbst derlei nicht benutze, kann ich die Sache nicht genauer auseinanderklambüsern. Doch das hat mich den ganzen Tag lang am Duft gestört und mir die wunderschönen Einzelteile madig gemacht. Dass ich mit dem Rasierwasser-Eindruck, wie die Lektüre von Vor-Kommentaren zeigte, nicht allein dastehe, mag aus analytischer Sicht beruhigen, ändert dennoch nichts daran, dass ich ihn - allemal im vorliegenden Kontext - doof finde.
Laut Hersteller soll der Duft Erinnerungen an verräucherte Lokale in Saint-Germain wecken. Das gelingt ihm bei mir mit seinem Rasierwasser nicht. Jammerschade, ansonsten zeigt Feuilles de Tabac nämlich großartige Aromen. Folglich ist er natürlich definitiv ein Test-Tipp und meine maßvolle Bewertung ist noch subjektiver als üblich zu verstehen.
Ich bedanke mich bei MisterE für die Probe.
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