11.03.2023 - 12:08 Uhr
Axiomatic
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Axiomatic
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36
Madame lave-tout
La Ravissante, die Reizende, die Entzückende, die Schlag-mich-tot-Zuckersüße!
So in etwa kommen mir die tiefverwurzelten Unterrichtsstunden meiner Französischlehrerin in Erinnerung.
„Voici un mot, élève Axïaumatique, traduisez s.v.p.“
Sie nannte ein Wort und ich mußte übersetzen.
Doch der vorliegende Duft gräbt tiefer in längst vergessene Kapitel meiner unschuldigen Berührung mit der gallischen Sprache.
Meine Lieben, vor uns duftet es nach einer der quälendsten Unterrichtsstunden!
Einfach wird es nicht sein, aber ich hoffe, dass Ihr alle später die wohlverdiente Pause an der frischen Luft genießt!
MDCI - das römische 1601 - hatte ich bisher sehr schön in Erinnerung. Chypre Palatin ist dem Duftmischer Bertrand Duchaufour exzellent gelungen. Etwas pudrig vielleicht, aber prächtig komponiert.
Was aber hier aufgetischt wird, verlässt die Welt der hohen Duftkunst.
Hier herrscht ein plakatives Hoppla-jetzt-komm-ich-Gehabe erster Sahne.
Und mit Sahne liege ich nicht verkehrt, mit dem, was meine Nase sehr nasal zukleben wird.
Alle Duftkomponenten führen einen Reigen des Grauens aus, sobald die Plörre die Haut berührt.
Der lauteste weiße Moschus Frankreichs wird hier den Takt angeben.
Und schon bin ich bei meiner unbewältigten Tortur in Form der „Madame lave-tout“.
Jene fiktive Putzgranate diente als Vorlage für das KORREKTE Aussprechen der Partikel „gn“ im Französischen.
Um es kurz zu machen, Madame Waschzwang musste von ihrer Wohnung aus am Pariser Porte de Clignancourt mit dem Auto zum Supermarkt fahren, um Wasch- und Putzmittel einzukaufen.
Ja, und während der Fahrt achtete sie penibel auf das KORREKTE Blinken - clignoter.
Die Waschmittelmarke, wie konnte es auch anders sein, hieß Le Mignon - der Niedliche.
Attention chers parfoumaux, der Duft hat mehr zu bieten!
Eine Kaskade Fruchtersatzmittel ergießt sich in Pastellrosa und -Mauve!
Sehr trefflich listet die Duftpyramide Mäusespeck (Marshmallow) auf. Im Französischen heißt die Kaumasse Guimauve.
Und hier ahnt man schon, dass besagte Karriesempfehlung früher aus Komponenten einer Malve gewonnen wurde.
Noch ein wenig Pflanzenkunde und schwups, wir sind bei der Moschusmalve angelangt.
Und genau danach dröhnt es hier. Penetrant süßlich, klebrig, irgendwie blumig und auf jeden Fall moschuslastig.
Die ozonischen Noten (Ozon „riecht“ stechend und chlorartig) heben die Waschmittelnote des Moschus im Gebräu. Als würde man weißer als weiß waschen wollen.
Ein Jasmin erinnert daran, die Unterwäsche nicht zu vergessen.
Bitte nicht erschrecken, ich habe längst die falsche Scham abgelegt.
Meine Lehrerin war da ziemlich unorthodox, als sie über das alte Frankreich erzählte.
Gerade wenn es um die menschliche Notdurft ging, war sie sehr pragmatisch.
„Früher hoben die Frauen ihre langen Röcke im Stehen etwas, während die Männer die Häuserwände bevorzugten.“
Douce France, cher pays de mon enfance…
Charles Trenet, wo bist Du, wenn man Dich am Nötigsten braucht?
Sniff…
Zurück zur Madame lave-tout.
Im Nachhinein meine ich, mit einer kranken Seele Umgang gehabt zu haben. Wenn ich es richtig verstehe, äußern sich psychische Entgleisungen meist mit krankhaftem Verhalten. Hier ihr Putzfimmel.
Nun, besagte Dame putzt die gesamte Wohnung, ja sogar die Kastanien für den Kuchen - châtaignes.
Und es kommt wie es kommen muss, der Kater murrt fauchend -rogner, während ihr Ehemann aus Versehen in der Waschmaschine landet - le lave-linge. (Perfide Umstellung der Buchstaben von gn auf ng.)
Am Ende muss der blitzeblanke Ehemann leckere Nierchen zur Stärkung essen - des rognons.
Der Duft enthält zum Glück keine Innereien-Note, dafür aber eine mächtig chemische Creme-Holzfabrik. Nach dem Motto: Baum zum Eincremen.
Alles in allem ein mächtiger Waschgang verklebter Wäsche an Süßigkeiten und Kunstblumen.
Welch eine Erleichterung, dass man den energiesparenden Schnellwaschgang gewählt hat, der Duft hält „nur“ gute vier Stunden an.
Dafür aber riecht er bis nach Coblence, Carlsruhe und Francfort.
Klingelingeling!
Die Unterrichtsstunde ist zu Ende!
Aaaber…
Als Hausaufgabe gebe ich Euch die Deutung der Dame auf dem Flakon.
Ist es etwa Eugénie, die Ehefrau von Napoleon?
Alors mes élèves, la classe est terminée!
Merci chère Poulette - Pollita, mein Dufthorizont ist um einiges erweitert worden.
So in etwa kommen mir die tiefverwurzelten Unterrichtsstunden meiner Französischlehrerin in Erinnerung.
„Voici un mot, élève Axïaumatique, traduisez s.v.p.“
Sie nannte ein Wort und ich mußte übersetzen.
Doch der vorliegende Duft gräbt tiefer in längst vergessene Kapitel meiner unschuldigen Berührung mit der gallischen Sprache.
Meine Lieben, vor uns duftet es nach einer der quälendsten Unterrichtsstunden!
Einfach wird es nicht sein, aber ich hoffe, dass Ihr alle später die wohlverdiente Pause an der frischen Luft genießt!
MDCI - das römische 1601 - hatte ich bisher sehr schön in Erinnerung. Chypre Palatin ist dem Duftmischer Bertrand Duchaufour exzellent gelungen. Etwas pudrig vielleicht, aber prächtig komponiert.
Was aber hier aufgetischt wird, verlässt die Welt der hohen Duftkunst.
Hier herrscht ein plakatives Hoppla-jetzt-komm-ich-Gehabe erster Sahne.
Und mit Sahne liege ich nicht verkehrt, mit dem, was meine Nase sehr nasal zukleben wird.
Alle Duftkomponenten führen einen Reigen des Grauens aus, sobald die Plörre die Haut berührt.
Der lauteste weiße Moschus Frankreichs wird hier den Takt angeben.
Und schon bin ich bei meiner unbewältigten Tortur in Form der „Madame lave-tout“.
Jene fiktive Putzgranate diente als Vorlage für das KORREKTE Aussprechen der Partikel „gn“ im Französischen.
Um es kurz zu machen, Madame Waschzwang musste von ihrer Wohnung aus am Pariser Porte de Clignancourt mit dem Auto zum Supermarkt fahren, um Wasch- und Putzmittel einzukaufen.
Ja, und während der Fahrt achtete sie penibel auf das KORREKTE Blinken - clignoter.
Die Waschmittelmarke, wie konnte es auch anders sein, hieß Le Mignon - der Niedliche.
Attention chers parfoumaux, der Duft hat mehr zu bieten!
Eine Kaskade Fruchtersatzmittel ergießt sich in Pastellrosa und -Mauve!
Sehr trefflich listet die Duftpyramide Mäusespeck (Marshmallow) auf. Im Französischen heißt die Kaumasse Guimauve.
Und hier ahnt man schon, dass besagte Karriesempfehlung früher aus Komponenten einer Malve gewonnen wurde.
Noch ein wenig Pflanzenkunde und schwups, wir sind bei der Moschusmalve angelangt.
Und genau danach dröhnt es hier. Penetrant süßlich, klebrig, irgendwie blumig und auf jeden Fall moschuslastig.
Die ozonischen Noten (Ozon „riecht“ stechend und chlorartig) heben die Waschmittelnote des Moschus im Gebräu. Als würde man weißer als weiß waschen wollen.
Ein Jasmin erinnert daran, die Unterwäsche nicht zu vergessen.
Bitte nicht erschrecken, ich habe längst die falsche Scham abgelegt.
Meine Lehrerin war da ziemlich unorthodox, als sie über das alte Frankreich erzählte.
Gerade wenn es um die menschliche Notdurft ging, war sie sehr pragmatisch.
„Früher hoben die Frauen ihre langen Röcke im Stehen etwas, während die Männer die Häuserwände bevorzugten.“
Douce France, cher pays de mon enfance…
Charles Trenet, wo bist Du, wenn man Dich am Nötigsten braucht?
Sniff…
Zurück zur Madame lave-tout.
Im Nachhinein meine ich, mit einer kranken Seele Umgang gehabt zu haben. Wenn ich es richtig verstehe, äußern sich psychische Entgleisungen meist mit krankhaftem Verhalten. Hier ihr Putzfimmel.
Nun, besagte Dame putzt die gesamte Wohnung, ja sogar die Kastanien für den Kuchen - châtaignes.
Und es kommt wie es kommen muss, der Kater murrt fauchend -rogner, während ihr Ehemann aus Versehen in der Waschmaschine landet - le lave-linge. (Perfide Umstellung der Buchstaben von gn auf ng.)
Am Ende muss der blitzeblanke Ehemann leckere Nierchen zur Stärkung essen - des rognons.
Der Duft enthält zum Glück keine Innereien-Note, dafür aber eine mächtig chemische Creme-Holzfabrik. Nach dem Motto: Baum zum Eincremen.
Alles in allem ein mächtiger Waschgang verklebter Wäsche an Süßigkeiten und Kunstblumen.
Welch eine Erleichterung, dass man den energiesparenden Schnellwaschgang gewählt hat, der Duft hält „nur“ gute vier Stunden an.
Dafür aber riecht er bis nach Coblence, Carlsruhe und Francfort.
Klingelingeling!
Die Unterrichtsstunde ist zu Ende!
Aaaber…
Als Hausaufgabe gebe ich Euch die Deutung der Dame auf dem Flakon.
Ist es etwa Eugénie, die Ehefrau von Napoleon?
Alors mes élèves, la classe est terminée!
Merci chère Poulette - Pollita, mein Dufthorizont ist um einiges erweitert worden.
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