Franca und Tonino haben einen Garten in der Lagune. Natürlich haben sie auch ein Haus dazu, aber das ist völlig unerheblich: Was kann man schon in einem Haus machen außer kochen und schlafen? In einem Garten allerdings, ah, in einem Garten, da lebt man!
Nur darüber, wie dieser Garten zu sein hat, herrscht Uneinigkeit: Tonino, der aus der fruchtbaren Ebene von Apulien stammt, hat sehr klare Vorstellungen: In einem Garten baut man Obst an, basta. Was denn sonst?
Franca hingegen, die Venezianerin mit der milchweißen Haut und dem tizianroten Haar, kann über solche Einfalt nur den Kopf schütteln: Ein Garten, das muss ein Meer aus Blumen sein, ein Rausch an Farben und Düften. Und wenn es das nicht ist, ha, dann ist es eben nur ein maledetto Gemüseacker, per amor‘ di dio!
Der Kampf um den Garten wird seit Jahrzehnten mit größtmöglicher Leidenschaft ausgefochten, mit dem Ergebnis, dass zwischen schlanken, hochstämmigen Pfirsichbäumen und solchen mit Kirschen, Pflaumen und Granatäpfeln unglaubliche Rosenstauden stehen, Schwertlilien, Freesien und alle denkbaren Sorten weißer Blüten. Die Veranda wird von Jasmin und Kletterrosen überwuchert, Bougainvileen ranken sich an der Hauswand entlang und daneben steht eine hohe Pinie, die sanft im Wind knarrt und uns den Schatten spendet, den wir brauchen in der Hitze der Lagune.
Auf der Veranda sitze ich, die Sonne geht soeben unter und malt rotgoldene Kringel auf die Hauswand und auf mein Gesicht. Tonino hat mich mit der fachkundigen Zerlegung einer Kokosnuss beeindruckt, meine Finger duften noch zart nach ihrem festen Fleisch. Jetzt kommt er von einem seiner geliebten Bäume zurück an den Tisch, mit zwei oder drei Pfirsichen in der Hand.
„Guarda queste!“, ruft er, „Sieh dir die an! Riechst du den Duft! Ah, wie Rosen und Himbeeren und wie die Haut eines Mädchens!“ Er zwinkert. Pfirsiche, erklärt er, muss man essen, solange sie noch von der Sonne durchwärmt sind. Und das geht eben nicht, erklärt er emphatisch, wenn man sie in einem supermercato aus dem Kühlregal holt, ecco! Der letzte Satz geht natürlich an Franca, die mit einem Tablett voller Mandelkonfekt auf die Veranda kommt und es vor mir ablädt. Ich schneide gerade den Pfirsich, an den Rändern rosa, nach innen hinein weiß, sonnendurchwärmt, duftend und unglaublich köstlich.
Franca rollt mit den Augen: „Madonnina mia, Tonino! Siehst du nicht, dass du sie langweilst! Sie ist doch eine Frau, verstehst du das denn nicht, du apulischer Eseltreiber? Eine Frau, Tonino! Sie liebt die schönen Dinge! Hast du die Rosen bemerkt, Cara, gefallen sie dir, ja? Ich mache dir nachher einen Strauß davon, den kannst du mit nach Hause nehmen, das ganze Zimmer wird duften, du wirst sehen!“
Natürlich habe ich die Rosen bemerkt. Sie duften mit dem Jasmin um die Wette. Und mit den Mandelplätzchen und dem Pfirsich und der Kokosnuss. Ich knabbere an dem Konfekt und lausche Toninos flammender Replik. Von Zeit zu Zeit ruft er den Beistand der Muttergottes an; wenn er sich bewegt, verströmt er einen ganz zarten, subtilen Moschusgeruch: ein diskreter Hinweis darauf, dass Franca eine glückliche Frau ist. Der Wind geht sanft vom Meer her, weht Schwaden von Jasminduft zu mir hinüber. Die Pinie knarzt leise, die Grillen veranstalten einen Höllenlärm. Ich schließe die Augen und denke mir: wenn das Paradies irgendwie anders sein sollte, möchte ich bitte lieber zu Franco und Tonino. Und ich bete stumm, dass dieser Moment nicht vorbei geht.
Aber genau das hat er getan. Zwanzig Jahre liegen zwischen Franca, Tonino, dem Garten in der Lagune und mir. Manchmal denke ich an sie und daran, wohin das Leben uns treibt. Und dann kommt eine Parfumsendung zu mir nach Hause. Schwarz und Gold, Borea steht drauf. Ich sprühe mir etwas davon aufs Handgelenk, schließe die Augen, atme den Duft ein: Eine Welle Sandelholz brandet auf, zieht sich zurück, und dahinter: Ein Pfirsich, auf den die Sonne scheint, eine Andeutung von Kokosnuss. Die liebliche Süße der Mandel. Und gleich darauf: Ein wilder Rausch aus Jasmin und Rosen und allen möglichen Blüten, kraftvoll, warm, und ich bin wieder im Garten in der Lagune, höre zu, wie die Beiden behaglich streiten, knabbere Mandelkonfekt, freue mich über die Andeutung von Moschus. Es ist Sommer und ich bin zurück im Paradies und ich darf bleiben.
Sie behaupten ja, den Duft hätte Paolo Terenzi kreiert. Aber das ist natürlich Unsinn.
Der kommt, da bin ich mir sicher, direkt von Franca und Tonino.