Téhéran pour Femme

Gold
28.11.2019 - 23:35 Uhr
44
Top Rezension
10
Preis
9
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft

Je vous embrasse... wann ich will und wenn ich will!

Leila Hatami ist eine preisgekrönte Schauspielerin aus dem Iran (2011: Nader und Simin, Biennale), die ständig Drahtseilakte vollbringen muss.
2014 begrüßte sie in Cannes Kollegen mit Küsschen à la française und zog sich prompt den Groll der offiziellen Politiker im Iran zu. Leider glauben diese verknöcherten Sittenwächter, dass nur sie darüber zu entscheiden haben, was sich für eine Frau gehört und was nicht.
Wer die herausragenden Autorenfilme des iranischen Kinos kennt, dem ist Leila Hatami sicherlich schon begegnet.
Gerade weil iranische Schauspielerinnen aufgrund der Kleiderregeln weniger plakativ in Szene gesetzt werden können, ist die Mimik so wichtig. Der Fokus liegt stets auf dem Gesichtsausdruck.
Hier erweist sich Hatami grundsätzlich als Meisterin ihres Faches. Sie kann spielen... Wow!
Aber kann sie auch Düfte?
Um einen Duft zu kreieren, braucht man natürlich eine Firma im Hintergrund, außerdem Parfumeure, keine Schauspieler.
Kurz nach der Unterzeichnung des Atomabkommens mit dem Iran herrschte im Land eine erfreuliche Aufbruchstimmung. In diesem Kontext entstand die Idee zur Zusammenarbeit mit einer französischen Firma und Robertet, die Leila Hatami als Gesicht für zwei neue Düfte mit ins Boot holten.
Es gab noch viele andere Einfälle für solche Kooperationen - doch -

enter Trump... and you all know the result of the story.

Die Téhéran - Düfte sind quasi ein Relikt der Aufbruchsphase.
(Übrigens erschien mir der Herrenduft beim Testen im Oktober in der Parfümerie Safir in Tehran sehr gelungen, toll würzig und aromatisch.
Der Iran besitzt im Gegensatz zu den arabischen Ländern, die politisch mit ihm verfeindet sind, keine nennenswerte Parfumindustrie.
Es existieren nur sehr wenige eigene Produkte, obwohl es eine fantastische Rosenöl - Herstellung gibt und Rosenwasser ein Bestandteil vieler persischer Speisen ist.
Um so schöner wäre ja eine Zusammenarbeit mit Frankreich etc. gewesen... aber...- es hat nicht sollen sein.
Daher habe ich mich gefreut, Leila Hatamis Parfum im Land selbst kaufen zu können.
Ich möchte jetzt nicht weiter auf die politische Situation im Iran eingehen, auch nicht auf die Abschaltung des Internets im gesamten Land (letzte Woche!) die brutale Ermordung von Demonstranten auf der Straße...

ja, es ist hart und gefährlich, in dem Land zu leben.
Die Leute verzweifeln. Es ist dramatisch.

Aber das Regime erlaubt Ablenkung... und nichts scheinen iranische Frauen lieber zu tun als über Schönheit, Mode und auch über Parfums zu sprechen. Nirgendwo auf der Welt wird so viel Geld für Kosmetik ausgegeben wie im Iran.
Der Islam erlaubt es den Frauen ausdrücklich, sich für ihre Ehemänner herzurichten... sich herauszuputzen, sich zu parfümieren.
Sie sollen das sogar tun.
Kein sinnenfeindliches Verbannen eines opulenten französischen Parfums ist hier angesagt, sondern eine ganz klare, starke Duftbotschaft.
Leila Hatamis Eau de Parfum ist daher kräftig und erinnerte mich zunächst an die großen Blockbuster der letzten Jahre, zum Beispiel an La Vie est belle und Flowerbomb.
Dies sind jetzt so gar nicht meine Lieblinge... also war ich erstmal enttäuscht.
Wenn der Duft sich aber nach einer Weile gesetzt hat, kommt eine starke Patchouli-Note heraus, die gekonnt mit einem Gourmand-Touch und mit einer Eichenmoos-Basis (mag ich sehr!!!) abgemischt wurde. Die Blüten und Früchte treten in den Hintergrund, der Duft wird klassischer. Man spürt die Handschrift der französischen Entwickler von Robertet.
100 ml konnte ich für umgerechnet 32 Euro erwerben. Doch da die Inflation ständig wächst, dürfte der Preis schon wieder veraltet sein. (Man kann den Duft aber auch online in Frankreich bestellen!)
Eine Lehrerin verdient im Iran übrigens circa 250 Euro im Monat.
Leila Hatamis Duft wird gerne gekauft, ich habe mich erkundigt.
Die Schauspielerin verkörpert die Sehnsucht nach einem normalen Leben in Freiheit. Sie ist eine emanzipierte Frau, die trotz der Widerstände, die sich immer wieder von Seiten des Regimes ergeben, durchsetzt und sich nicht dafür entschuldigt hat, in Cannes vor laufender Kamera einfach das zu tun, was ihr normal erschien, nämlich einem Kollegen ein Küsschen auf die Wange zu drücken.
Wer Leilas Téhéran trägt, sprüht vielleicht ein bisschen Hoffnung in die Welt...
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