12.07.2015 - 16:15 Uhr
Ronin
50 Rezensionen
Ronin
Top Rezension
Mugler Cologne, vertikal
Colognes sind wieder in: 4711 erlebt eine Renaissance mit der modernen Acqua-Colonia-Reihe, die junge Marke Atelier Cologne sieht ihre Parfums inspiriert vom Original-Cologne und bei (gefühlt jedem) Verkaufsschlager wird dazu gehöriges Cologne, Eau oder Eau Fraîche lanciert.
Wobei: eigentlich waren Eau de Colognes nie out. Ein klassisches Konzept, an dem sich jede Parfumeurin / jeder Parfumeur in der Ausbildung wieder und wieder versuchen muss, ist genauso wenig in oder out wie Chypre oder Fougère.
Sondern zeitlos.
Alle Marken, die etwas auf sich halten (nicht nur die italienischen in ihrer Acqua-Tradition), haben mindestens ein Eau de Cologne in ihrem Portfolio. Bei Guerlain ist es ungeschriebenes Gesetz, dass jeder Hausparfumeur mindestens ein neues auf den Markt bringt. Bei Dior und Chanel sind sie Teil der Exklusivlinien und Hermès hat aufbauend auf Françoise Carons „Eau de Cologne“ (das in „Eau d’Orange Verte“ weiter lebt) eine Cologne-Serie etabliert, die zum Innovativsten gehört, was das Haus anbietet.
Auch The Different Company haben ihre eigene, „L’Esprit Cologne“ genannte Serie, die Bezug nimmt zum Original aus dem 18. Jahrhundert. Der Name deutet es an, der Esprit – Geist, Witz, Charakter – des Grundmusters wird neu interpretiert. Es wird nicht der Parfumölgehalt der „Konzentrationsklasse“ EdC übernommen; alle Düfte dieser Serie sind EdT. Das passt besser zu den modernen Tragegewohnheiten: es wird erwartet, dass nicht bereits nach 3 Stunden der Duft verflogen ist, sondern dass er 8 oder mehr durchhält (ein Anspruch, so viel sei vorweg genommen, dem „After Midnight“ locker genügt – wenn auch recht hautnah liegt die Haltbarkeit bei mindestens 10 Stunden). Gleichzeitig soll ein Duft mit Cologne im Namen Abkühlung im Sommer geben. Der Duft muss ordentlich gesplasht und (wann immer Kühle gewünscht wird) kräftig nachgelegt werden können, ohne dass der Erfrischung Suchende oder die Umwelt nach Luft ringt. Die Verbindung dieser beiden Ansprüche ist nicht einfach. Wird bloß die Parfumölkonzentration des 4711 Echt Kölnisch Wassers (ist zwar nicht der allererste Pionier, das wäre das Farina-EdC, aber sicher der bekannteste) kräftig hochgedreht, wird zwar eine beeindruckende Haltbarkeit erreicht … nur „fliegt“ der Duft dann nicht mehr - alle Frische, Leichtigkeit ist verloren. Neroli mit seinem Charakter zwischen der üppigen, süßlichen Orangenblüte und dem Zitrisch-Grünen des Petitgrains dreht völlig in die fast klebrige Blütenrichtung (kleiner Exkurs: Wird von der Note Orangenblüte gesprochen, wird meist ein Absolue, also ein schonend gewonnener Extrakt der Orangenblüte gemeint. Neroli hingegen meint i.d.R. ein durch Destillation gewonnenes Öl aus Bitterorangenblüten, wobei einige grüne Blätter mit in die Destille kommen). Nicht nur die Neroli-Mutation ins Dichte und Süße steht einer erhöhten Öl-Konzentration entgegen, auch das damit einhergehende Fehlen von Kontrast nähme dem Parfum die Lebendigkeit. Ein Duft ohne Kontrast braucht Entwicklung, um spannend zu bleiben. Die Statik durch Erhöhung der Duftölkonzentration verhindert das. Was bleibt ist nervende Monotonie. Wer hierbei an „Neroli Portofino“ denkt, liegt genau richtig, denn dieses Parfum ist nichts anderes als die Rezeptur von 4711 bei enormer Konzentration … und genau das Beschriebene passiert dort.
Einen charmanten Weg, den frischen, zum Splashen anregenden Charakter mit Haltbarkeit zu verbinden, schlägt „Mugler Cologne“ ein: in EdT-Konzentration wird zur 4711-Bergamotten-Neroli-Kombination eine Überdosis weißer Waschmittelmoschus (und vermutlich etwas cis-Hexenol und Dihydromyrcenol) gegeben. Das Ergebnis: Waschmittelfrische ergänzt perfekt 4711-Frische und gibt profunde Haltbarkeit, ohne Einbuße an Leichtigkeit. So weit, so gut. Trotzdem mag ich „Mugler Cologne“ nur bedingt. Der Start ähnelt sehr 4711. Soll er ja, nur ist das für mich halt mit Kindheitserinnerungen an ältere Damen verknüpft. Des Weiteren mag ich die verwendete Art Moschus nicht besonders. Zu oft gerochen, in Parfums oder eben Waschmitteln.
Emilie Bevierre-Coppermann wusste natürlich nichts von meinen Befindlichkeiten, als sie – die für die komplette „L’Esprit Cologne“-Serie verantwortlich ist - „After Midnight“ komponierte. Möglicherweise hatte sie auch nicht „Mugler Cologne“ im Hinterkopf, sondern kam selbst auf die Idee, klassisches Cologne zu zitieren und mit Moschus zu ergänzen. So originell ist der Kniff ja nun auch wieder nicht. Interessant ist, dass sie dabei ein anderes kompositorisches Konzept wählt: anstatt auf einen 4711-Start Moschus folgen zu lassen, ist auch die Moschuslinie vertikal aufgebaut, d.h. startet bereits im Kopf und ist bis zur Basis durchkomponiert: Angelika als eine Art pflanzlicher Kopfnotenmoschus mit bittergrünem Einschlag markiert den Start dieser Linie, die vom pflanzlichen Basismoschus Ambrette mit seinem cremigen Charakter und Facetten reifer Äpfel aufgegriffen wird. Damit das Ganze nicht zu sehr austrocknet, steuern Benzoe und Labdanum Harzigkeit bei und verbreitern die Moschuslinie zur Basis hin.
Angelika mag ich eh; hier bewirkt sie, dass dem Bergamotten-Neroli-Start ein Gegengewicht gegeben wird und (zumindest bei mir) keine 4711-Assoziation aufkommt – obwohl das Zitat klar erkennbar ist. Das Bittergrünwurzelige der Angelika erhöht zusätzlich den Frischekick am Start und es ist sehr angenehm, bei hohen Temperaturen immer wieder nachzulegen (kleiner Tipp: der Sprühkopf ist abschraubbar, so steht dem Splashen nichts im Wege). Bei den ersten Tests hatte ich mich gewundert, wie lange ich im Duft noch Neroli riechen konnte, selbst nach 8 Stunden schien es eine Hauptnote zu sein. Genaues Nachschnuppern ergab: huch, ich rieche in Wirklichkeit Jasmin mit Neroliresten, leicht grün angehaucht vermutlich durch Mastix (was ich mir anhand der Pyramide zusammenreime). Jasmin und Orangenblüte/Neroli haben eine erhebliche olfaktorische Schnittmenge, so dass ich meinte, immer noch Neroli zu riechen, obwohl es nur ein Echo war, von Jasmin weiter ins Parfum hineingetragen. So ist dann - analog der Moschuslinie - auch die Nerolilinie wie ein in sich verwobener, breiter werdender Duftkegel aufgebaut: das Bitterzitrische des Nerolis wird erst vom Bergamottenstart angedeutet, dann mit der eigentlichen Nerolinote breiter und kompletter und zuletzt mit Hilfe von Jasmin und Mastix auf einen Sockel gestellt.
Diese vertikale Technik der Komposition – zunächst klar abgegrenzte Duftnoten, auf breitere Sockel gestellt - kennen wir meisterlich umgesetzt von Bertrand Duchaufour. Es mag Zufall sein oder nicht, dass er lange der Mentor Coppermanns war und sie nun ebenfalls diese Technik gut beherrscht. Dies bedeutet freilich nicht, dass sämtliche ihrer Arbeiten dergestalt komponiert sind. Zumindest den anderen beiden „L’Esprit Cologne“-Düften, die ich gut kenne („South Bay“, „Limon de Cordoza“) kann ich diese Kompositionstechnik nicht so leicht zuordnen. Testenswert sind auch diese. Überhaupt ist die ganze Linie ein sehr spielerischer, leichter Umgang mit dem Thema Cologne, und vielleicht ist es diese leichte Hand, die charakteristisch ist für Coppermanns Werke, mehr als eine Kompositionstechnik. Man kann sich daran erfreuen, auf Entdeckungstour zu gehen und herauszuschnuppern, was wohl wie vom Original-Kölnisch-Wasser zitiert wird. Oder einfach genießen. Denn dazu laden sie ein, Coppermanns Colognes: zu unbeschwertem Genuss.
Keine Fougère-Strenge. Kein Oriental-Gewicht. Kein Chypre-Drama.
Cologne-Esprit.
Wobei: eigentlich waren Eau de Colognes nie out. Ein klassisches Konzept, an dem sich jede Parfumeurin / jeder Parfumeur in der Ausbildung wieder und wieder versuchen muss, ist genauso wenig in oder out wie Chypre oder Fougère.
Sondern zeitlos.
Alle Marken, die etwas auf sich halten (nicht nur die italienischen in ihrer Acqua-Tradition), haben mindestens ein Eau de Cologne in ihrem Portfolio. Bei Guerlain ist es ungeschriebenes Gesetz, dass jeder Hausparfumeur mindestens ein neues auf den Markt bringt. Bei Dior und Chanel sind sie Teil der Exklusivlinien und Hermès hat aufbauend auf Françoise Carons „Eau de Cologne“ (das in „Eau d’Orange Verte“ weiter lebt) eine Cologne-Serie etabliert, die zum Innovativsten gehört, was das Haus anbietet.
Auch The Different Company haben ihre eigene, „L’Esprit Cologne“ genannte Serie, die Bezug nimmt zum Original aus dem 18. Jahrhundert. Der Name deutet es an, der Esprit – Geist, Witz, Charakter – des Grundmusters wird neu interpretiert. Es wird nicht der Parfumölgehalt der „Konzentrationsklasse“ EdC übernommen; alle Düfte dieser Serie sind EdT. Das passt besser zu den modernen Tragegewohnheiten: es wird erwartet, dass nicht bereits nach 3 Stunden der Duft verflogen ist, sondern dass er 8 oder mehr durchhält (ein Anspruch, so viel sei vorweg genommen, dem „After Midnight“ locker genügt – wenn auch recht hautnah liegt die Haltbarkeit bei mindestens 10 Stunden). Gleichzeitig soll ein Duft mit Cologne im Namen Abkühlung im Sommer geben. Der Duft muss ordentlich gesplasht und (wann immer Kühle gewünscht wird) kräftig nachgelegt werden können, ohne dass der Erfrischung Suchende oder die Umwelt nach Luft ringt. Die Verbindung dieser beiden Ansprüche ist nicht einfach. Wird bloß die Parfumölkonzentration des 4711 Echt Kölnisch Wassers (ist zwar nicht der allererste Pionier, das wäre das Farina-EdC, aber sicher der bekannteste) kräftig hochgedreht, wird zwar eine beeindruckende Haltbarkeit erreicht … nur „fliegt“ der Duft dann nicht mehr - alle Frische, Leichtigkeit ist verloren. Neroli mit seinem Charakter zwischen der üppigen, süßlichen Orangenblüte und dem Zitrisch-Grünen des Petitgrains dreht völlig in die fast klebrige Blütenrichtung (kleiner Exkurs: Wird von der Note Orangenblüte gesprochen, wird meist ein Absolue, also ein schonend gewonnener Extrakt der Orangenblüte gemeint. Neroli hingegen meint i.d.R. ein durch Destillation gewonnenes Öl aus Bitterorangenblüten, wobei einige grüne Blätter mit in die Destille kommen). Nicht nur die Neroli-Mutation ins Dichte und Süße steht einer erhöhten Öl-Konzentration entgegen, auch das damit einhergehende Fehlen von Kontrast nähme dem Parfum die Lebendigkeit. Ein Duft ohne Kontrast braucht Entwicklung, um spannend zu bleiben. Die Statik durch Erhöhung der Duftölkonzentration verhindert das. Was bleibt ist nervende Monotonie. Wer hierbei an „Neroli Portofino“ denkt, liegt genau richtig, denn dieses Parfum ist nichts anderes als die Rezeptur von 4711 bei enormer Konzentration … und genau das Beschriebene passiert dort.
Einen charmanten Weg, den frischen, zum Splashen anregenden Charakter mit Haltbarkeit zu verbinden, schlägt „Mugler Cologne“ ein: in EdT-Konzentration wird zur 4711-Bergamotten-Neroli-Kombination eine Überdosis weißer Waschmittelmoschus (und vermutlich etwas cis-Hexenol und Dihydromyrcenol) gegeben. Das Ergebnis: Waschmittelfrische ergänzt perfekt 4711-Frische und gibt profunde Haltbarkeit, ohne Einbuße an Leichtigkeit. So weit, so gut. Trotzdem mag ich „Mugler Cologne“ nur bedingt. Der Start ähnelt sehr 4711. Soll er ja, nur ist das für mich halt mit Kindheitserinnerungen an ältere Damen verknüpft. Des Weiteren mag ich die verwendete Art Moschus nicht besonders. Zu oft gerochen, in Parfums oder eben Waschmitteln.
Emilie Bevierre-Coppermann wusste natürlich nichts von meinen Befindlichkeiten, als sie – die für die komplette „L’Esprit Cologne“-Serie verantwortlich ist - „After Midnight“ komponierte. Möglicherweise hatte sie auch nicht „Mugler Cologne“ im Hinterkopf, sondern kam selbst auf die Idee, klassisches Cologne zu zitieren und mit Moschus zu ergänzen. So originell ist der Kniff ja nun auch wieder nicht. Interessant ist, dass sie dabei ein anderes kompositorisches Konzept wählt: anstatt auf einen 4711-Start Moschus folgen zu lassen, ist auch die Moschuslinie vertikal aufgebaut, d.h. startet bereits im Kopf und ist bis zur Basis durchkomponiert: Angelika als eine Art pflanzlicher Kopfnotenmoschus mit bittergrünem Einschlag markiert den Start dieser Linie, die vom pflanzlichen Basismoschus Ambrette mit seinem cremigen Charakter und Facetten reifer Äpfel aufgegriffen wird. Damit das Ganze nicht zu sehr austrocknet, steuern Benzoe und Labdanum Harzigkeit bei und verbreitern die Moschuslinie zur Basis hin.
Angelika mag ich eh; hier bewirkt sie, dass dem Bergamotten-Neroli-Start ein Gegengewicht gegeben wird und (zumindest bei mir) keine 4711-Assoziation aufkommt – obwohl das Zitat klar erkennbar ist. Das Bittergrünwurzelige der Angelika erhöht zusätzlich den Frischekick am Start und es ist sehr angenehm, bei hohen Temperaturen immer wieder nachzulegen (kleiner Tipp: der Sprühkopf ist abschraubbar, so steht dem Splashen nichts im Wege). Bei den ersten Tests hatte ich mich gewundert, wie lange ich im Duft noch Neroli riechen konnte, selbst nach 8 Stunden schien es eine Hauptnote zu sein. Genaues Nachschnuppern ergab: huch, ich rieche in Wirklichkeit Jasmin mit Neroliresten, leicht grün angehaucht vermutlich durch Mastix (was ich mir anhand der Pyramide zusammenreime). Jasmin und Orangenblüte/Neroli haben eine erhebliche olfaktorische Schnittmenge, so dass ich meinte, immer noch Neroli zu riechen, obwohl es nur ein Echo war, von Jasmin weiter ins Parfum hineingetragen. So ist dann - analog der Moschuslinie - auch die Nerolilinie wie ein in sich verwobener, breiter werdender Duftkegel aufgebaut: das Bitterzitrische des Nerolis wird erst vom Bergamottenstart angedeutet, dann mit der eigentlichen Nerolinote breiter und kompletter und zuletzt mit Hilfe von Jasmin und Mastix auf einen Sockel gestellt.
Diese vertikale Technik der Komposition – zunächst klar abgegrenzte Duftnoten, auf breitere Sockel gestellt - kennen wir meisterlich umgesetzt von Bertrand Duchaufour. Es mag Zufall sein oder nicht, dass er lange der Mentor Coppermanns war und sie nun ebenfalls diese Technik gut beherrscht. Dies bedeutet freilich nicht, dass sämtliche ihrer Arbeiten dergestalt komponiert sind. Zumindest den anderen beiden „L’Esprit Cologne“-Düften, die ich gut kenne („South Bay“, „Limon de Cordoza“) kann ich diese Kompositionstechnik nicht so leicht zuordnen. Testenswert sind auch diese. Überhaupt ist die ganze Linie ein sehr spielerischer, leichter Umgang mit dem Thema Cologne, und vielleicht ist es diese leichte Hand, die charakteristisch ist für Coppermanns Werke, mehr als eine Kompositionstechnik. Man kann sich daran erfreuen, auf Entdeckungstour zu gehen und herauszuschnuppern, was wohl wie vom Original-Kölnisch-Wasser zitiert wird. Oder einfach genießen. Denn dazu laden sie ein, Coppermanns Colognes: zu unbeschwertem Genuss.
Keine Fougère-Strenge. Kein Oriental-Gewicht. Kein Chypre-Drama.
Cologne-Esprit.
8 Antworten