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FvSpees Blog
vor 4 Jahren - 05.09.2020
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Über Follower

Das Thema dieses Beitrags ist nicht weltbewegend. Es steht insoweit dem Sack Reis in China näher als, zum Beispiel, der Frage nach dem Kohleausstieg. Er handelt davon, was ich mir so für Gedanken darüber gemacht habe, wem ich warum "folge", wer mir "folgt", ob und warum es mich traurig macht, wenn hier bekannte Namen aus dem Forum verschwinden und derartiges mehr. Also seid gewarnt, es wird vielleicht nicht so spannend.

Aber in der vorvergangenen Woche war ich aus Gründen der Pietät und Notwendigkeit an einem Ort, wo ich nicht viel zu tun hatte und nicht viel tun konnte. Ich musste sozusagen da sein, konnte aber nicht viel unternehmen. Draußen war erhöhtes Corona-Risiko (obwohl im formalen Sinne kein Risikogebiet) und so hatte ich außer Lesen und Meditieren nicht viel zu tun. Also tippte ich auch diese Gedanken in den Laptop und stelle sie jetzt hier ein.

Vielleicht passenderweise an einem Wochenende, wenn man Muße hat und nicht unter dem Druck steht, nur "Wichtiges" zu tun und zu lesen.

* * *

Als ich vor gut drei Jahren hier mit Herzklopfen anfing, Kommentare zu schreiben, habe ich mich etwas gewundert und sehr gefreut, dass irgendwann fünf und dann zehn Abonnenten (wie die Follower damals hoch hießen) zusammengekommen waren, die sich für das regelmäßige Lesen meiner Beiträge interessierten. Heute sind es über 130 geworden, was mich noch viel mehr wundert und natürlich immer noch freut.

Manchmal empfinde ich diese Zahl (auch wenn sich die Parfumowelt nicht mit Youtube-Kanälen mit Hunderttausenden Followern vergleichen kann) direkt als belastend, da ich nach wie vor davon überzeugt bin, eine ziemlich grobe Nase und recht schwach ausgeprägte duftanalytische Fähigkeiten zu haben. Da schreibe ich dann inzwischen fröhlich drauflos, dass etwas ambrisch oder nach Galbanum riecht, aber natürlich habe ich nach wie vor nie eine systematische Duftnotenschulung gemacht oder mir ein paarmal Blindtests mit reinen Guajak-, Zeder-, Vetiver- und Labdanumextrakten reingezogen. Es fehlt nicht viel, dass ich nassgeschwitzt mit dem Alptraum aufwache, hier als Scharlatan enttarnt und mit One Million geteert und dann gefedert auf Parfumo City gejagt zu werden.

Ich vermute denn auch, dass die Mitparfumos, die tatsächlich irgendwann mal den Follow-Button gedrückt und das bis heute nicht rückgängig gemacht haben, eher Gefallen an meinem Schreibstil als an den präzisen, tiefgründigen Duftanalysen gefunden haben. Wie auch immer, ich fühle mich wirklich sehr geehrt und danke hiermit allen, die sich immer wieder geduldig meine duftinduzierten Wortergüsse reinziehen. Tiefe Verneigung.

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Sehr gut finde ich, dass hier nicht angezeigt wird, wer einem „folgt“. Das würde schon einen gewissen Stress auslösen, wenn man sieht, ok, der und der hat mich jetzt abonniert, da erwartet er bestimmt, dass ich ihn jetzt auch abonniere undsoweiter undsoweiter. Diese Anonymität sollte, wie ich finde, unbedingt beibehalten bleiben.

Trotzdem hat man, wenn man seine Pinnwand und die Feedbacks auf die Kommentare halbwegs im Blick behält, ein grobes Gefühl dafür, wer Abonnent ist. Wenn jemand mir bei zwanzig Kommentaren jedes Mal was Nettes drunter schreibt, kann man ja annehmen, dass das nicht zufällig ist.

Wenn ich mich so erinnere, wer vor zwei Jahren zum Kreis derer gehört hat, die mir regelmäßig freundliche Worte dagelassen haben, und wer heute, dann hat es da erhebliche Verschiebungen gegeben. Dabei sind nicht nur viele dazugekommen, sondern auch viele verschwunden.

Bestimmt gibt es darunter einige, die sich ganz aus Parfumo abgemeldet haben oder nur noch passiv angemeldet sind, aber generell nichts mehr schreiben. Manchmal verschieben sich halt die Prioritäten im Leben. Es wird aber sicher auch viele geben, die hier zwar noch voll aktiv sind, aber entweder mich formal de-abonniert haben oder zwar bisher noch nicht auf den Knopf gedrückt haben, aber meine Kommentare grundsätzlich nicht mehr lesen. Merke ich so etwas mal, dann immer schon ein bisschen traurig und grübele ein wenig, ob ich mich irgendwann im Ton vergriffen habe oder mit der Auswahl der von mir rezensierten Düfte (ich sage nur: tschechische Rasierwässer) nerve.

Da tickt ein kleiner Parfumokommentator wohl genauso wie ein Theaterschauspieler oder Rockstar, in dem eine kleine Verunsicherung der Art „Was hab ich nur falsch gemacht in letzter Zeit? Falsches Stimmtraining? Schlechte Texte?“ entsteht, wenn ein treuer Fan oder Kritiker auf einmal keine Fanpost oder keine positiven Kritiken mehr verfasst.

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Klasse finde ich auch, dass man sich seit kurzer Zeit anzeigen lassen kann, wem man selbst alles folgt. Ich entscheide mich immer ganz spontan, ob ich jemandem „folge“, meist wenn ich einen Kommentar unterhaltsam finde, oder auch mal, wenn ich aus irgendwelchen anderen Gründen (von der Struktur der Sammlung bis zum Profilbild) denke, dass der betreffende User ein interessanterTyp ist.

Mit Überraschung habe ich, nachdem diese Anzeigefunktion hier eröffnet wurde, festgestellt, dass ich inzwischen fast 100 Usern hier folge (lustigerweise, denn auch das kann man sich anzeigen lassen, fast exakt zur Hälfte männlichen und weiblichen Parfümfreunden). Dabei sind allerdings auch ziemlich viele, die nur selten etwas schreiben oder sogar schon seit Jahren keinen Kommentar mehr veröffentlicht haben. Wenn ich aber einen uralten Kommentar wirklich exzellent finde, abonniere ich trotzdem, damit ich live dabei bin, wenn sich so jemand entschließt, aus der Versenkung wiederaufzuerstehen. Dadurch bleibt die Zahl der E-Mails mit „XY hat einen neuen Kommentar veröffentlicht“, die ich pro Tag bekomme, noch so halbwegs überschaubar, dass ich – außer in Zeiten großer beruflicher und privater Belastung – die mir angezeigten Kommentare auch fast immer (sofort oder nach ein paar Tagen) lesen kann.

In den allermeisten Fällen, in denen ich eine solche E-Mail bekomme, lese ich den Kommentar auch, und ich gebe zu, dass ich in den allermeisten Fällen dann auch einen Pokal (und meist auch eine Rückmeldung) dalasse, und zwar auch dann, wenn der Text mich jetzt mal nicht hat vor Lachen brüllen lassen. Viele handhaben das sicher strenger und denken, was bringt das denn, den Leuten, denen man folgt, immer eine Auszeichnung zu geben; dann artet das hier zu so eine Art gegenseitigem Belobigungskartell aus, das ist doch alles nicht seriös. Ja, kann man so sehen.

Ich nehme das aber tendenziell nicht so ernst. Ich sehe das eher so, dass die Leute, denen ich folge, meine Fußballmannschaft sind, und auch wenn die mal nicht so super spielen, dann gehört es sich ja trotzdem, ein bisschen La Ola zu machen. Ist ja keine Examensprüfung hier oder keine Beamtenbeförderung, wo es streng nach dem Leistungsprinzip gehen muss (theoretisch jedenfalls).

* * *

Erwarte ich, dass mich jemand auch abonniert, wenn er merkt, dass ich ihm folge? Und abonniere ich immer jemanden, von dem ich merke, dass er mir folgt? Schreibe ich nach netten Feedbacks immer "danke" und erwarte ich das umgekehrt? Viermal nein. Da sollte es keinen Mechanismus geben, sonst wird das hier stressig und gezwungen.

Wenn ich aber merke, dass jemand mich abonniert und ich ihm nicht ebenfalls folge, dann versuche ich doch meistens mal auf andere Art ein Feedback zu geben, sodass irgendeine Art von sozialer Kommunikation zustande kommt, mindestens, indem ich mich ab und zu für die netten Rückmeldungen bedanke.

Das gilt genauso umgekehrt. Wenn ich zehnmal jemandem unter seine Kommentare Nettigkeiten drunterschreibe und es kommt nullkommanix an Echo zurück (nichts auf meiner Pinnwand, keine PN, nichts unter meiner Sammlung, einfach nur Leere), kommt mir das eiserne Schweigen allerdings etwas ungesellig vor. Wenn es sich bei dem betreffenden Gegenüber um eine Frau handelt, kriege ich dann auch gerne mal Stress, für einen Stalker gehalten zu werden. Nach einer gewissen Zeit de-abonniere ich dann meist. Aber nicht, weil ich gekränkt bin, sondern eher weil ich vermeiden will, jemandem zur Last zu fallen.

* * *

Ich gehöre zu denen wenigen, die außer hier in Parfumo in keinem irgendwie gearteten sozialen Forum unterwegs sind. Ich denke aber, dass es hier ähnlich ist, wie anderswo mit den „Followern“ und „Freunden“: Man darf sie natürlich nicht mit echten Freunden verwechseln.

Trotzdem gibt es ein paar unter denen, denen ich folge und denen, die mich abonniert haben, die mir nach ein, zwei, Jahren wirklich ans Herz gewachsen sind und von denen ich mir fast sicher bin, dass wir auch „real“ gut miteinander auskämen und uns etwas zu sagen hätten. So etwas finde ich besonders erfreulich, und in solchen Fällen, aber auch nur dann, tausche ich mich hier auch mal mit Menschen, die ich noch nie gesehen habe, über persönliche Dinge aus. Im Zweifel bin ich aber immer zurückhaltend und würde das auch jedem anderen empfehlen.

Aber es gibt diese Fälle, und dann ist es für mich auch ein Verlust, der ein wenig schmerzt, wenn sich eine solche Person hier ganz abmeldet oder anderweitig ganz verstummt. Dass jemand, dem ich gefolgt bin, erkennbar verstorben ist, kam glücklicherweise noch nicht vor, dass jemand rausgeworfen wurde oder sich im Zorn über Konflikte hier im Forum, oder wegen eigener privater Probleme, deren Lösung Zeit und Ruhe erfordert, sich selbst abgemeldet hat, schon. In einem Fall bin ich mit so einem Menschen hier dann auch über E-Mail dauerhaft in Kontakt geblieben.

Ich hoffe, solche bereichernden Erfahrungen setzen sich fort. Dass es sie immer wieder hier gibt, macht zum großen Teil den Reiz dieses schönen Forums aus.

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