01.12.2020 - 18:17 Uhr
FvSpee
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FvSpee
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53
Wer spricht von siegen? Überstehn ist alles.
Soso. Das Reichsparfum (oder kaiserliche Parfum) von Boadicea der Siegreichen. Entschuldigung, aber mir trampelt die ganze Marke, und der Name dieses Duftes dazu, dermaßen auf den E**n rum, dass ich zweifle, ob ich den Duft überhaupt gerecht würdigen kann.
Es ist nicht meine erste getestete Boadicea, aber meine erste kommentierte, sodass ein paar Worte zur Marke gestattet sein mögen. Mir begegnete Boadicea erstmals im Berliner KaDeWe, als mich ein netter, witziger und kenntnisreicher Verkäufer für diese Marke zu begeistern trachtete. Mit fielen damals die hohen Preise, die keltisierend-opulenten Flakons und die klotzigen Namen (ich erinnere mich z.B. an Monarch, selbe Namenskategorie wie Imperial) dreifach unangenehm auf. Die von mir damals getesteten Düfte waren ziemlich wuchtig und erinnerten mich an die brachialeren Amouages, beide faszinierten mich ein bisschen, schienen mir aber nicht ganz mir gemäß zu sein. Trotz alledem stand Monarch eine Weile auf meiner Merkliste behufs späterer vertiefter Tests.
Inzwischen ist zwischen mir und dieser Marke eher Flasche leer. Die Preise (50 ml = 145 Pfund Sterling) gefallen mir immer noch nicht, die Flakons ebenso wenig. Bei den Duftnamen habe ich inzwischen festgestellt, dass sie nicht nur protzige und britisch-nationalistische wie "Britannia", "Empire", "Imperial", "Monarch", "Majestic", "Hero" und "Glorious" im Angebot, sondern einen Teil ihrer Kollektion auch nach zeitgenössischen arabischen Scheichs und Prinzen benannt haben, die damit wohl eher für ihre Verdienste um die Ankurbelung der britischen Exportwirtschaft als der Demokratie in ihren Heimatländern geehrt wurden. Zusätzlich fühle ich mich angepi..., äh, piekt von der enervierenden Emissionspolitik: 114 Parfüms seit 2008. Ich hasse sowas.
Am meisten aber stört mich der Name der Marke. Boadicea the Victorious, Boudica die Siegreiche, wird in der Markenpräsentation als die schöne, ruhmreiche Kriegerkönigin mit wehendem Haar gefeiert, deren Attribute Schönheit, Kraft, Macht, Herrlichkeit und Sieghaftigkeit auf die Düfte (und ihre Käuferinnen und Käufer) abstrahlen sollen.
Das einzig Siegreiche an Boudica (die im englischen Sprachraum meist als Boadicea geführt wird) war ihr Name, der keltisch "die Siegreiche" bedeutet. Nach dem heutigen Stand der Forschung, die sich auf eine dürftige Quellenlage stützt (im Wesentlichen archäologische Funde und der Bericht von Tacitus, der aber alles andere als ein Dummschwätzer war), ging die Geschichte in etwa so:
Um 60 n.Chr., in Rom regierte Nero, war (Süd-) Britannien seit etwa 50 Jahren fest in römischer Hand. Ein Teil dieses Britanniens wurde von einem Klientelkönig (alter Name für Marionettenregime) quasi im Auftrag Roms regiert: der Deal war: Er darf lebenslang regieren, danach fällt sein Gebiet unter römische Direktverwaltung. Als er starb, verfügte er aber testamentarisch, dass seine Tochter Boudica und Rom sich die Macht teilen sollten. Das sahen die Römer nicht ein und nicht als vertragsgemäß an, nahmen sich einfach das ganze Kleinkönigreich und vergewaltigten bei der Gelegenheit Boudicas Töchter, was auch nach damaligen Standards nicht ganz der guten Ordnung entsprach (aber nur deshalb nicht, weil es Aristokratinnen eines im Prinzip noch immer mit Rom verbündeten Reiches waren).
Boudica wurde von den empörten Leuten dieses Teilkönigreichs, aber auch von anderen britannischen Stämmen, zur Anführerin gewählt und fiel in einer Art antikolonialem Rausch über die römischen Siedlungen im Südosten Britanniens her, wo sie etwa 70.000 Männer, Frauen und Kinder (römische Siedler und Kelten, die die römische Lebensart schätzen gelernt hatten) niedermetzeln ließ. Das war strategisch nicht sehr klug, denn die römischen Legionen in Britannien, die natürlich viel kampfstärker waren und nur zu der Zeit gerade irgendwo im Norden des Landes anderes zu tun hatten, eilten herbei und löschten ihrerseits Boudicas gesamte Streitmacht, samt aller zugehörigen Männer, Frauen und Kinder des Trosses, zusammen 80.000 Menschen, aus. Boudica entkam, überlebte aber nicht lange (wahrscheinlich Gift). Danach war etwa 400 Jahre lang Ruhe im Karton.
Muss man diese bluttriefende, unendlich traurige, törichte und tragische Geschichte, die für das Schlechteste steht, zu dem Menschen fähig sind, auf ein Firmenschild schlagen, um Leuten Düfte zu verkaufen? Möchte man morgens am Badezimmerspiegel an all das denken, und dazu an die blöden Werbesprüche von der schönen, strahlenden Siegerin, wenn man sich seinen Duft aufdingst? Ich nicht.
Imperial ist ein überraschend süßer Duft, der mir (auch wenn in der Pyramide keine Spuren darauf verweisen) stark fruchtig imponiert. Die ersten zehn Minuten nehme ich die ölig-lakritzig Note britischen Fruchtweingummis (nicht der von Haribo, der ist lecker) wahr, die ich schon immer eher schaurig fand. Danach bleibt es gummiweich, süßlich, diffus fruchtig, wird aber auch in einer schönen Weise buttrig-cremig. Es sind dann zweifelsfrei dichte Blütenakkorde zu spüren, ein wenig Schärfe wie von rotem Pfeffer, so etwas wie eine sehr zarte Wildledernote und ein bezoeartiges Prickeln.
Ausgesprochene Oud-Noten vermag ich nicht zu erkennen, sie sind gewiss ebenso gut verbaut wie der Lavendel. Nichts führt in der Duftpyramide hier mehr in die Irre als Lavendel, denn die typische Frische, Leichtigkeit und trockene Pudrigkeit dieser Note geht dem Duft ab.
Für mich ein durchgängig süßlicher, weicher Duft, ein großes Notenspektrum abdeckend (wie viele Düfte dieser Marke), aber mit starker blumiger und quasi-fruchtiger Komponente. Durchaus gut komponiert, nicht gewaltsam oder grob überladen, aber schon recht massiv. Die weiche Süßlichkeit steht in einem geradezu karikaturhaften Kontrast zu den Werbeslogans zu diesem Duft ("feel empowered", "authority of calm assurance that is the key of imperial power"). Sie ist aber auch nicht wollüstig-opulent, für mich ist das dezidiert kein lasziver (auch kein sexy) Duft. Am ehesten denke ich an gravitätische, aber sinnfreie Betriebsamkeit oder an wirre Träume, die den Träumenden tief in seinen Schlaf verstricken und schließlich viel zu spät und trotzdem unerfrischt aufstehen lassen. Farblich denke ich an satte, dunkle, wogende Farbmassen, violett, dunkelrot, vielleicht ein gedecktes Smaragdgrün. Emotional an Schwermut.
Trotz meiner Übellaunigkeit bei diesem Reichsduft (man merkt diesem Kommentar an: mir passt die ganze Richtung nicht) gewiss kein schlecht gemachtes Parfüm, und daher der Versuch einer fairen Bewertung mit 7,5.
Und gut gelaunten (!) Dank an Floyd für die Testmöglichkeit.
Es ist nicht meine erste getestete Boadicea, aber meine erste kommentierte, sodass ein paar Worte zur Marke gestattet sein mögen. Mir begegnete Boadicea erstmals im Berliner KaDeWe, als mich ein netter, witziger und kenntnisreicher Verkäufer für diese Marke zu begeistern trachtete. Mit fielen damals die hohen Preise, die keltisierend-opulenten Flakons und die klotzigen Namen (ich erinnere mich z.B. an Monarch, selbe Namenskategorie wie Imperial) dreifach unangenehm auf. Die von mir damals getesteten Düfte waren ziemlich wuchtig und erinnerten mich an die brachialeren Amouages, beide faszinierten mich ein bisschen, schienen mir aber nicht ganz mir gemäß zu sein. Trotz alledem stand Monarch eine Weile auf meiner Merkliste behufs späterer vertiefter Tests.
Inzwischen ist zwischen mir und dieser Marke eher Flasche leer. Die Preise (50 ml = 145 Pfund Sterling) gefallen mir immer noch nicht, die Flakons ebenso wenig. Bei den Duftnamen habe ich inzwischen festgestellt, dass sie nicht nur protzige und britisch-nationalistische wie "Britannia", "Empire", "Imperial", "Monarch", "Majestic", "Hero" und "Glorious" im Angebot, sondern einen Teil ihrer Kollektion auch nach zeitgenössischen arabischen Scheichs und Prinzen benannt haben, die damit wohl eher für ihre Verdienste um die Ankurbelung der britischen Exportwirtschaft als der Demokratie in ihren Heimatländern geehrt wurden. Zusätzlich fühle ich mich angepi..., äh, piekt von der enervierenden Emissionspolitik: 114 Parfüms seit 2008. Ich hasse sowas.
Am meisten aber stört mich der Name der Marke. Boadicea the Victorious, Boudica die Siegreiche, wird in der Markenpräsentation als die schöne, ruhmreiche Kriegerkönigin mit wehendem Haar gefeiert, deren Attribute Schönheit, Kraft, Macht, Herrlichkeit und Sieghaftigkeit auf die Düfte (und ihre Käuferinnen und Käufer) abstrahlen sollen.
Das einzig Siegreiche an Boudica (die im englischen Sprachraum meist als Boadicea geführt wird) war ihr Name, der keltisch "die Siegreiche" bedeutet. Nach dem heutigen Stand der Forschung, die sich auf eine dürftige Quellenlage stützt (im Wesentlichen archäologische Funde und der Bericht von Tacitus, der aber alles andere als ein Dummschwätzer war), ging die Geschichte in etwa so:
Um 60 n.Chr., in Rom regierte Nero, war (Süd-) Britannien seit etwa 50 Jahren fest in römischer Hand. Ein Teil dieses Britanniens wurde von einem Klientelkönig (alter Name für Marionettenregime) quasi im Auftrag Roms regiert: der Deal war: Er darf lebenslang regieren, danach fällt sein Gebiet unter römische Direktverwaltung. Als er starb, verfügte er aber testamentarisch, dass seine Tochter Boudica und Rom sich die Macht teilen sollten. Das sahen die Römer nicht ein und nicht als vertragsgemäß an, nahmen sich einfach das ganze Kleinkönigreich und vergewaltigten bei der Gelegenheit Boudicas Töchter, was auch nach damaligen Standards nicht ganz der guten Ordnung entsprach (aber nur deshalb nicht, weil es Aristokratinnen eines im Prinzip noch immer mit Rom verbündeten Reiches waren).
Boudica wurde von den empörten Leuten dieses Teilkönigreichs, aber auch von anderen britannischen Stämmen, zur Anführerin gewählt und fiel in einer Art antikolonialem Rausch über die römischen Siedlungen im Südosten Britanniens her, wo sie etwa 70.000 Männer, Frauen und Kinder (römische Siedler und Kelten, die die römische Lebensart schätzen gelernt hatten) niedermetzeln ließ. Das war strategisch nicht sehr klug, denn die römischen Legionen in Britannien, die natürlich viel kampfstärker waren und nur zu der Zeit gerade irgendwo im Norden des Landes anderes zu tun hatten, eilten herbei und löschten ihrerseits Boudicas gesamte Streitmacht, samt aller zugehörigen Männer, Frauen und Kinder des Trosses, zusammen 80.000 Menschen, aus. Boudica entkam, überlebte aber nicht lange (wahrscheinlich Gift). Danach war etwa 400 Jahre lang Ruhe im Karton.
Muss man diese bluttriefende, unendlich traurige, törichte und tragische Geschichte, die für das Schlechteste steht, zu dem Menschen fähig sind, auf ein Firmenschild schlagen, um Leuten Düfte zu verkaufen? Möchte man morgens am Badezimmerspiegel an all das denken, und dazu an die blöden Werbesprüche von der schönen, strahlenden Siegerin, wenn man sich seinen Duft aufdingst? Ich nicht.
Imperial ist ein überraschend süßer Duft, der mir (auch wenn in der Pyramide keine Spuren darauf verweisen) stark fruchtig imponiert. Die ersten zehn Minuten nehme ich die ölig-lakritzig Note britischen Fruchtweingummis (nicht der von Haribo, der ist lecker) wahr, die ich schon immer eher schaurig fand. Danach bleibt es gummiweich, süßlich, diffus fruchtig, wird aber auch in einer schönen Weise buttrig-cremig. Es sind dann zweifelsfrei dichte Blütenakkorde zu spüren, ein wenig Schärfe wie von rotem Pfeffer, so etwas wie eine sehr zarte Wildledernote und ein bezoeartiges Prickeln.
Ausgesprochene Oud-Noten vermag ich nicht zu erkennen, sie sind gewiss ebenso gut verbaut wie der Lavendel. Nichts führt in der Duftpyramide hier mehr in die Irre als Lavendel, denn die typische Frische, Leichtigkeit und trockene Pudrigkeit dieser Note geht dem Duft ab.
Für mich ein durchgängig süßlicher, weicher Duft, ein großes Notenspektrum abdeckend (wie viele Düfte dieser Marke), aber mit starker blumiger und quasi-fruchtiger Komponente. Durchaus gut komponiert, nicht gewaltsam oder grob überladen, aber schon recht massiv. Die weiche Süßlichkeit steht in einem geradezu karikaturhaften Kontrast zu den Werbeslogans zu diesem Duft ("feel empowered", "authority of calm assurance that is the key of imperial power"). Sie ist aber auch nicht wollüstig-opulent, für mich ist das dezidiert kein lasziver (auch kein sexy) Duft. Am ehesten denke ich an gravitätische, aber sinnfreie Betriebsamkeit oder an wirre Träume, die den Träumenden tief in seinen Schlaf verstricken und schließlich viel zu spät und trotzdem unerfrischt aufstehen lassen. Farblich denke ich an satte, dunkle, wogende Farbmassen, violett, dunkelrot, vielleicht ein gedecktes Smaragdgrün. Emotional an Schwermut.
Trotz meiner Übellaunigkeit bei diesem Reichsduft (man merkt diesem Kommentar an: mir passt die ganze Richtung nicht) gewiss kein schlecht gemachtes Parfüm, und daher der Versuch einer fairen Bewertung mit 7,5.
Und gut gelaunten (!) Dank an Floyd für die Testmöglichkeit.
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