
Axiomatic
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Axiomatic
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Briefverkehr
Meine liebe Ofelia,
mit großer Freude ereilte mich die Nachricht, Deine Einsicht und Verständnis sicher zu wissen.
Teure Schwester, das Leben bereitet allerhand Wendungen und gar holprige Pfade auf dem Weg zum Glück.
Doch nun kann ich Dir offenen Herzens berichten, dass sich alles vorteilhaft abschließen ließ.
Meine Offenheit ist Dir nicht fremd, schließlich sind wir in all den Jahren unzertrennlich geblieben.
Ach, wie dankbar ich für diese Fügung bin!
Übe Dich bitte in Geduld, ich werde noch, wie Du immer streng fordertest, zu Potte kommen.
Meine Güte, wie Großmama sich über diese Ausdrucksweise echauffierte!
Erinnerst Du Dich?
„In diesem Hause herrschen andere Moden!“
Wie sie immer sittsam in der Bibliothek nach dem Rechten schaute.
Immer auf die Minute genau stand sie kerzengerade am Börsenticker mit der schönen Glaskuppel und wartete geduldig auf die zeitverschobenen Eilmeldungen aus Neu York.
Geschäftstüchtig, ja das war sie. Und ich komme ganz nach ihr.
Bitte sehe es mir nach, aber Deine Flausen, was das Pekuniäre betrifft, sind immer noch zu beanstanden.
Es soll kein Vorwurf sein, aber schätze Dich glücklich, mich als Vermögenshüterin zu wissen.
Immerhin ermöglichte Großmamas Gespür, die Goldmark-Bestände lukrativ ins sichere Ausland zu bringen und anzulegen.
Ich möchte nicht wissen, ob die Rentenmark Dir Deine Eskapaden hätte decken können, meine Liebe!
Genug der Zwistigkeiten, widmen wir uns dem Schönen.
Ich habe nämlich eine neumodische Phiole ihres Duftes ergattert.
Genau dieser Veilchenduft aus Paris!
Ganz famos, so wie damals.
Warte, ich werde es ganz nach ihrer morgendlichen Toilette applizieren.
Tupf!
Quelle bonheur, ma chère soeur!
Erinnerst Du Dich an die Einkaufsreisen an die Seine?
Wie sie uns immer beibrachte, sittsam im Foyer von Caron Platz zu nehmen?
Und wie die Verkäuferinnen uns diese bunten Döschen mit Spiegeln schenkten?
So wohl duftend diese Puder!
Genau so empfinde ich immer noch ihr Parfum.
Diese Veilchen, so violett wie jene Pastillen von damals.
Kannst Du Dich an ihr goldenes Pillendöschen mit den Emaille-Mustern erinnern?
Wenn wir ganz artig waren, öffnete sie ganz bedächtig das Döschen und belohnte uns mit diesen zauberhaften Bonbons.
Und ihr Einkauf bei Caron hätte chez nous inmitten der Krise für Entsetzen gesorgt.
Aber sie ließ sich nie beirren.
„Lebe jetzt, zahle später“. Wie ich sehe, ist es auch Dein Motto geworden.
Moden sind das!
Immerhin bekam sie zum Duft noch den passenden Puder, heute schier undenkbar. Der Untergang der Pflege zeigt seine grausame Fratze!
Ich schnuppere mal kurz am Duft, um nicht die Stimmung zu trüben.
Oh weh, Augenblick verweile!
So zart pudrig kann nur Caron meistern.
Dazu noch diese Maiglöckchen voller Wonne und Freude!
Etwas hinterlistig aber rein und weiß.
Elegant ist auch das Holz der ruhenden Basis, ich schätze, dass es Sandelholz ist. Nur ganz wenig, wie sie es immer mochte.
„Nicht zu viel und nicht zu wenig“.
Was ich aber äußerst zauberhaft finde, das ist diese Himbeere.
So zart und pflückreif.
Meine Güte, Du hast damals die schönen Taschentücher mit Spitzen ruiniert damit, Du freches Ding!
Zerquetscht und ausgedrückt!
Wie rotverschmiert die teuren Stoffe nun völlig unbrauchbar in Deinen ungeschickten Händen schimmerten!
Wie blutige Bandagen.
Ach, ich bin schon völlig woanders.
Aber es dient mir als Überleitung.
Zum Geschäftlichen, meine Liebe!
Wie pflegte Großmama zu lobpreisen?
„Der Herr nimmt, der Herr gibt!“
Mir hat er den Eugen genommen, doch reich beschenkt wurde ich dennoch.
Heuer blicke ich wehmütig auf jenen Börsenticker mit Glaskuppel zurück.
Alles war einfacher und übersichtlicher damals.
Doch ich musste mich den neuen Moden stellen und habe fleißig die Zeit genutzt, um nicht wie ein Backfisch aus der Ofenröhre zu blicken.
Du musst wissen, dass die großzügigen Zuwendungen meines Eugens brav Tantiemen, will sagen, Dividenden und Gewinne reichlich abwerfen.
Jawohl, die Vernetzung von heute verschafft mir die Möglichkeit, einen sekundengenauen Überblick über Fluktuationen zu behalten.
Dass Dein Wohlergehen selbstverständlich von der Liechtensteiner Stiftung gedeckt wird, bedarf selbstredend Deiner Verschwiegenheit, wie Du ja schon loyal bewiesen hast.
Ich wollte es nur nachdrücklich erwähnt wissen.
Nachdem die Gerichtsmedizin ganz zu meiner Zufriedenheit in ihrem endgültigen Gutachten zum Ableben meines Eugen einen tragischen Unfall erkannte, dürften sich die ersten Zuwendungen nur noch um Tage verzögern. Du weißt, wie langsam die Mühlen der Bürokratie mahlen.
Dennoch möchte ich Dir im Voraus schon eine Phiole Caron zukommen lassen als kleiner Trost.
Du wirst entzückt sein!
Ofelia, ich mahne dennoch zur absoluten Verschwiegenheit. Sonst könnte der schöne Traum des üppigen Lebensabends ein jähes Ende finden.
Wie pflegte sie zu sagen?
„Reden ist Silber, Schweigen ist Gold!“
In diesem Sinne, teure Schwester, schließe ich diese Zeilen mit einem Veilchengruß ab und wünsche Dir beste Gesundheit.
Deine Cäcilie
mit großer Freude ereilte mich die Nachricht, Deine Einsicht und Verständnis sicher zu wissen.
Teure Schwester, das Leben bereitet allerhand Wendungen und gar holprige Pfade auf dem Weg zum Glück.
Doch nun kann ich Dir offenen Herzens berichten, dass sich alles vorteilhaft abschließen ließ.
Meine Offenheit ist Dir nicht fremd, schließlich sind wir in all den Jahren unzertrennlich geblieben.
Ach, wie dankbar ich für diese Fügung bin!
Übe Dich bitte in Geduld, ich werde noch, wie Du immer streng fordertest, zu Potte kommen.
Meine Güte, wie Großmama sich über diese Ausdrucksweise echauffierte!
Erinnerst Du Dich?
„In diesem Hause herrschen andere Moden!“
Wie sie immer sittsam in der Bibliothek nach dem Rechten schaute.
Immer auf die Minute genau stand sie kerzengerade am Börsenticker mit der schönen Glaskuppel und wartete geduldig auf die zeitverschobenen Eilmeldungen aus Neu York.
Geschäftstüchtig, ja das war sie. Und ich komme ganz nach ihr.
Bitte sehe es mir nach, aber Deine Flausen, was das Pekuniäre betrifft, sind immer noch zu beanstanden.
Es soll kein Vorwurf sein, aber schätze Dich glücklich, mich als Vermögenshüterin zu wissen.
Immerhin ermöglichte Großmamas Gespür, die Goldmark-Bestände lukrativ ins sichere Ausland zu bringen und anzulegen.
Ich möchte nicht wissen, ob die Rentenmark Dir Deine Eskapaden hätte decken können, meine Liebe!
Genug der Zwistigkeiten, widmen wir uns dem Schönen.
Ich habe nämlich eine neumodische Phiole ihres Duftes ergattert.
Genau dieser Veilchenduft aus Paris!
Ganz famos, so wie damals.
Warte, ich werde es ganz nach ihrer morgendlichen Toilette applizieren.
Tupf!
Quelle bonheur, ma chère soeur!
Erinnerst Du Dich an die Einkaufsreisen an die Seine?
Wie sie uns immer beibrachte, sittsam im Foyer von Caron Platz zu nehmen?
Und wie die Verkäuferinnen uns diese bunten Döschen mit Spiegeln schenkten?
So wohl duftend diese Puder!
Genau so empfinde ich immer noch ihr Parfum.
Diese Veilchen, so violett wie jene Pastillen von damals.
Kannst Du Dich an ihr goldenes Pillendöschen mit den Emaille-Mustern erinnern?
Wenn wir ganz artig waren, öffnete sie ganz bedächtig das Döschen und belohnte uns mit diesen zauberhaften Bonbons.
Und ihr Einkauf bei Caron hätte chez nous inmitten der Krise für Entsetzen gesorgt.
Aber sie ließ sich nie beirren.
„Lebe jetzt, zahle später“. Wie ich sehe, ist es auch Dein Motto geworden.
Moden sind das!
Immerhin bekam sie zum Duft noch den passenden Puder, heute schier undenkbar. Der Untergang der Pflege zeigt seine grausame Fratze!
Ich schnuppere mal kurz am Duft, um nicht die Stimmung zu trüben.
Oh weh, Augenblick verweile!
So zart pudrig kann nur Caron meistern.
Dazu noch diese Maiglöckchen voller Wonne und Freude!
Etwas hinterlistig aber rein und weiß.
Elegant ist auch das Holz der ruhenden Basis, ich schätze, dass es Sandelholz ist. Nur ganz wenig, wie sie es immer mochte.
„Nicht zu viel und nicht zu wenig“.
Was ich aber äußerst zauberhaft finde, das ist diese Himbeere.
So zart und pflückreif.
Meine Güte, Du hast damals die schönen Taschentücher mit Spitzen ruiniert damit, Du freches Ding!
Zerquetscht und ausgedrückt!
Wie rotverschmiert die teuren Stoffe nun völlig unbrauchbar in Deinen ungeschickten Händen schimmerten!
Wie blutige Bandagen.
Ach, ich bin schon völlig woanders.
Aber es dient mir als Überleitung.
Zum Geschäftlichen, meine Liebe!
Wie pflegte Großmama zu lobpreisen?
„Der Herr nimmt, der Herr gibt!“
Mir hat er den Eugen genommen, doch reich beschenkt wurde ich dennoch.
Heuer blicke ich wehmütig auf jenen Börsenticker mit Glaskuppel zurück.
Alles war einfacher und übersichtlicher damals.
Doch ich musste mich den neuen Moden stellen und habe fleißig die Zeit genutzt, um nicht wie ein Backfisch aus der Ofenröhre zu blicken.
Du musst wissen, dass die großzügigen Zuwendungen meines Eugens brav Tantiemen, will sagen, Dividenden und Gewinne reichlich abwerfen.
Jawohl, die Vernetzung von heute verschafft mir die Möglichkeit, einen sekundengenauen Überblick über Fluktuationen zu behalten.
Dass Dein Wohlergehen selbstverständlich von der Liechtensteiner Stiftung gedeckt wird, bedarf selbstredend Deiner Verschwiegenheit, wie Du ja schon loyal bewiesen hast.
Ich wollte es nur nachdrücklich erwähnt wissen.
Nachdem die Gerichtsmedizin ganz zu meiner Zufriedenheit in ihrem endgültigen Gutachten zum Ableben meines Eugen einen tragischen Unfall erkannte, dürften sich die ersten Zuwendungen nur noch um Tage verzögern. Du weißt, wie langsam die Mühlen der Bürokratie mahlen.
Dennoch möchte ich Dir im Voraus schon eine Phiole Caron zukommen lassen als kleiner Trost.
Du wirst entzückt sein!
Ofelia, ich mahne dennoch zur absoluten Verschwiegenheit. Sonst könnte der schöne Traum des üppigen Lebensabends ein jähes Ende finden.
Wie pflegte sie zu sagen?
„Reden ist Silber, Schweigen ist Gold!“
In diesem Sinne, teure Schwester, schließe ich diese Zeilen mit einem Veilchengruß ab und wünsche Dir beste Gesundheit.
Deine Cäcilie
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