Aava
Top Rezension
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Black Cab
Ein High Heel von Manolo Blahnik oder handgemachte Herrenschuhe aus feinstem englischen Leder? Ein cognacfarbenes Ledersofa, durchgeknautscht und heiß geliebt? Ein abgewetzter und durchgeschwitzter Pferdesattel, auf dem ein Cowboy hinter einer Herde Rinder hinterher jagt? Eine schwarze Lederjacke, verziert mit allerlei Buttons, Pins und Aufnähern? All das ist Cuir von Esteban nicht. Cuir ist weder ein Lederduft, der an neue Schuhe erinnert, noch an gut eingesessene gemütliche Ledersitzmöbel, anmalisch durchgewalkte Ledernutzgegenstände oder knisternd knarrende Lederbekleidung. Cuir malt keine übernatürlich pointierte Ledernote, sondern erzählt Leder in feiner und zurückhaltender Weise.
Cuir entführt uns auf eine Spritztour in einem Black Cab nach London. Ich sitze auf dem Rücksitz in Fahrtrichtung, das blank gewetzte schwarze Leder der Rückbank funkelt und erzählt Geschichten von all den Fahrgästen, die auf meinem Platz bereits saßen. Traurige, lustige, anrührende, banale Geschichten von Minutenfahrten durch den Alltag und das Leben zahlloser Menschen auf ihrem Weg durch das laute und faszinierende London.
Ich schaue aus dem Fenster und sehe die großen Londoner Bauwerke an mir vorbei ziehen. Big Ben schlägt 11 Uhr, die Towerbridge ist wie immer übervoll, auf den Straßen stehen Touristen und suchen in ihren Stadtplänen nach dem richtigen Weg, alles ist geschäftig, wuselig und belebt. Wir stehen eingekeilt zwischen anderen Autos im Stau. Meine Aufmerksamkeit wird von Außen nach Innen gelenkt und ich sehe mich im Innenraum des Black Cab um. Der Fahrer, der durch eine Glasscheibe von mir getrennt ist, pfeift ein leises Lied und trommelt dabei mit den Fingern auf sein Lenkrad.
Ich streiche mit der flachen Hand über die lederne Rückbank. Ganz glatt ist das Leder und verströmt eine warme und leicht herbe Duftaura. Eine angenehm zurückhaltende Würze aus Kardamom und Pfeffer weht darüber und erinnert mich an ferne Ländern. In der Luft schwebt noch eine Winzigkeit von dem Parfum der älteren, elegant gekleideten Dame, die vor mir aus dem Taxi ausgestiegen ist. Klassisch fein vermischen sich ein wenig Lavendel und ein paar Blumen im Innenraum des Black Cab zum Bild, das ich noch kurz von ihr erhascht habe, als sie an ihrem Gehstock mit dem Silberknauf langsam über den Gehsteig aus meinem Blickfeld verschwunden ist. Der leicht gesüßte Eistee in meiner Hand schwappt mit etwas frischer Minze und Süßgras dazu und macht mich froh. Ach, so lassen sich doch ein unangenehmer Stau, ein paar nutzlos verbrachte Minuten wunderbar aushalten und ich grabe mich wohlig noch etwas tiefer in das blank gewetzte schwarze Leder der Rückbank.
Cuir ist ein wirklich gefälliger Lederduft, der gerade durch sein klassisches Understatement auch diejenigen erreichen wird, die ansonsten einen großen Bogen um Lederdüfte machen. DER Lederduft ist Cuir aber genau deshalb für mich nicht, obschon aber ein angenehm zurückhaltender Begleiter auf einer wunderbaren Fahrt in einem Black Cab durch London.
So, aber jetzt muss ich dann doch aussteigen...