28.02.2024 - 04:19 Uhr
Puderperle
36 Rezensionen
Puderperle
Hilfreiche Rezension
18
Nonnengrenzschutzpolizei
Schwester Bernadette hatte ein komisches Bauchgefühl. Da war doch was im Busch. Als sie am Morgen nach der Andacht durch den Klosterflur lief, verstummten die Gespräche. Die Nonnen huschten in ihre Zimmer, als ob sie auf der Flucht wären. Dem würde sie auf den Grund gehen müssen, denn als von Gott eingesegnete Äbtissin trug sie schließlich die Verantwortung für das Kloster und alle Ordensschwestern.
Getuschel hier, Getuschel da. Vereinzelt lief die ein oder andere Schwester rot an und wich ihren Blicken aus, wenn Bernadette erschien. Von einem auf den anderen Tag rissen sich die Schwestern um die anstrengende Arbeit im Klostergarten. Ja auch bei Wind und Wetter.
Schwester Bernadette hatte früher unter ihrem Vater gelitten. Er war Polizist und streng mit seinen Kontrollen, auch zuhause. So entfloh sie mit der Volljährigkeit und legte ein Gelübde ab. Ihren Scharfsinn, die Lust am Ermitteln, sowie die Fähigkeit um die Ecke zu denken nahm sie jedoch dankbar aus der Erziehung mit. Diese führten sie nämlich geradewegs in das gemäuerte Türmchen, wo sie mit dem Fernglas folgende Szenerie beobachtete:
Die drei Nonnen, Victualia, Rebecca und Edelgart tuschelten gebückt im Schutze der Tomatenstauden. Dann stand eine nach der anderen auf und lief querfeld über die Möhren, Zucchini und Ringelblumenbeete, ohne den Trampelpfad zu benutzen.
Schwester Bernadette schnappte nach Luft.
Im Abstand von wenigen Metern liefen sie nun am Ende des Gartens in Zeitlupe entlang. Genauer gesagt schritten sie feierlich mit erhobenen Häuptern wie bei einer Hochzeit. Nur dass es hier keinen roten Teppich, sondern rote Beete gab. Das Schauspiel wurde immer bizarrer als… ein Mönch aus einem nachbarschaftlichen Gemäuer geradewegs auf die rote Beete zulief. Ja er wirkte regelrecht wie ferngesteuert. Doch was war das?
Er begann sich den drei Schwestern zu nähern und im gleichen Abstand hinter ihnen die Runden zu laufen. Wie ein Ententanz. Erst kicherte Schwester Victualia, dann Rebecca. „Pssssssst“ machte Edelgart, die immer noch den Rechen in der Hand hielt. Sie wechselten ein paar Worte mit dem Mönch und sprangen wie euphorisierte Gazellen zurück in den Klosterhof. Gearbeitet hatten sie nichts. Der Glaubensbruder lief zwei weitere Runden im fremdem Garten, schnüffelte dabei wie ein Hündchen und trottete anschließend von dannen.
Das war zu viel für Bernadette. Zitternd ließ sie das Fernglas sinken. Noch heute Abend würde sie während der Abendandacht die Zimmer der jungen Schwestern durchsuchen, um sie vor der Sünde zu bewahren. Sie durfte nicht zulassen, dass der Teufel seine Klauen um die Herzen ihrer unschuldigen Glaubensschwestern schlingen würde. Und das war ihre lautere Befugnis, die heimliche Durchsuchung durchzuführen.
Die Fundstücke legte sie ungläubig auf den hölzernen Schreibtisch: Eine Parfumflasche Obsession, Decadence, einen sternförmigen Angel und das sündigste von allen: ein rosa Flakon mit nackten Silberbeinen als Deckel! Skandal war darauf abzulesen. Alle Düfte rochen süß und zutiefst verführerisch. Pfui Teufel! Ja die Wirkung wäre regelrecht hypnotisch auf einen… - sie hielt vor Schreck die Hand vor den Mund und zählte 1 und 1 zusammen! In tiefster Trauer war guter Rat nun teuer. Was sollte sie tun? Den Exorzisten bestellen? Die Nacht war schlaflos.
Am nächsten Morgen rief sie inbrünstig dazu auf, ob es jemanden gäbe, der vielleicht Buße tun und sein Gewissen bereinigen möchte. Das gezeichnete Höllenfeuer schien wenig Eindruck zu schinden, keine meldete sich. Etliche blickten beschämt zu Boden. Der Zusammenhalt unter den Nonnen war vorbildlich. Sie hatten das Fehlen der Flakons natürlich bemerkt, keine würde es jedoch wagen die Besitzerinnen zu verpfeifen. Zumal sie die Kostbarkeiten geteilt hatten.
So blieb der Ordensschwester Bernadette nichts anderes übrig, als das Kommando selbst zu übernehmen. Sie wies ein paar gutgläubige Pilger an, das Moos von den Klostermauern zu kratzen. In der Hoffnung Punkte auf dem Himmelskonto zu sammeln, füllten sie fünf Körbe. Den Lausebengeln, die ihre Küchenkräuter aus dem Garten gebuddelt hatten, war sie nicht mehr nachtragend, denn die herben Kräuter legte sie nun zu dem Moos.
Sie zog sich in die Kellersuppenküche zurück und schnitt eine ordentliche Ladung Patchouli hinein. Abgedeckt mit einer alten Lederjacke köchelte das Gebräu über Nacht. Dort wurden Rosen, Jasmin und Ylang Ylang, sowie Moschus und Vanille aufgrund der hohen Hitze bis zur Unkenntlichkeit verkocht. Galbanum überlebte. Die Flüssigkeit nahm den modrigen Geruch der Gemäuer auf. Noch bevor der Morgen graute, zog Bernadette mit dem Kessel los. Schöpfkelle für Schöpfkelle lief sie die Klostergrenzen ab und verteilte die Flüssigkeit überall wo sie hinkam. Der Zerstäuber war übrigens praktisch für die Ritzen im Gemäuer. Bis zum Sonnenaufgang war das gesamte Anwesen, inklusive des Gartens getauft. Alles dampfte. Der Geruch war so streng, dass die Gartenarbeit ruhen musste, Honigbienchen und schaulustige Pilger blieben aus. Auch der Mönch wurde nie wieder gesehen. Die Schwestern dachten an Himmelfahrt oder plötzlichen Herztod. Schwester Bernadette nahm ihr Geheimnis übrigens mit ins Grab. Sie war glückselig, ihre Glaubensschwestern vor der Verführung bewahrt zu haben. Sie nannte die Erfindung Grès Cabochard. Seitdem wird es im Kloster in hübschen Fläschchen zum Verkauf mit 100%iger Wirkungsgarantie angeboten. Gesprüht werden muss im Kloster übrigens nichts mehr, es hält bis ins 1000 jährige Reich.
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Sinnlich ist an dem Duft mal so gar nichts. Muss auch nicht. Ein strenger Chypre. Faszinierend und abstoßend zugleich. Blumen? Da sind Blumen drin? Ich rieche bloß Galbanum, Leder, Erde, bittere Kräuter und Moos. Viel Moos. Süß ist hier nur der Flakon. Mit meiner Schwäche für hübsche Verpackungen bin ich ihm auf den Leim gegangen. Die verspielte Schleife passt kein bisschen zum Inhalt, bzw. hatte ich eine andere Vorstellung davon. Die guten Bewertungen haben mich auch in die Irre geführt, oder vielleicht verstehe ich den Duft (noch) nicht. Ich habe ihn behalten, weil ich jedesmal lachen muss wenn ich daran rieche und an Schwester Bernadette denke. Gott hab sie selig. Sie hat es doch nur gut gemeint.
Getuschel hier, Getuschel da. Vereinzelt lief die ein oder andere Schwester rot an und wich ihren Blicken aus, wenn Bernadette erschien. Von einem auf den anderen Tag rissen sich die Schwestern um die anstrengende Arbeit im Klostergarten. Ja auch bei Wind und Wetter.
Schwester Bernadette hatte früher unter ihrem Vater gelitten. Er war Polizist und streng mit seinen Kontrollen, auch zuhause. So entfloh sie mit der Volljährigkeit und legte ein Gelübde ab. Ihren Scharfsinn, die Lust am Ermitteln, sowie die Fähigkeit um die Ecke zu denken nahm sie jedoch dankbar aus der Erziehung mit. Diese führten sie nämlich geradewegs in das gemäuerte Türmchen, wo sie mit dem Fernglas folgende Szenerie beobachtete:
Die drei Nonnen, Victualia, Rebecca und Edelgart tuschelten gebückt im Schutze der Tomatenstauden. Dann stand eine nach der anderen auf und lief querfeld über die Möhren, Zucchini und Ringelblumenbeete, ohne den Trampelpfad zu benutzen.
Schwester Bernadette schnappte nach Luft.
Im Abstand von wenigen Metern liefen sie nun am Ende des Gartens in Zeitlupe entlang. Genauer gesagt schritten sie feierlich mit erhobenen Häuptern wie bei einer Hochzeit. Nur dass es hier keinen roten Teppich, sondern rote Beete gab. Das Schauspiel wurde immer bizarrer als… ein Mönch aus einem nachbarschaftlichen Gemäuer geradewegs auf die rote Beete zulief. Ja er wirkte regelrecht wie ferngesteuert. Doch was war das?
Er begann sich den drei Schwestern zu nähern und im gleichen Abstand hinter ihnen die Runden zu laufen. Wie ein Ententanz. Erst kicherte Schwester Victualia, dann Rebecca. „Pssssssst“ machte Edelgart, die immer noch den Rechen in der Hand hielt. Sie wechselten ein paar Worte mit dem Mönch und sprangen wie euphorisierte Gazellen zurück in den Klosterhof. Gearbeitet hatten sie nichts. Der Glaubensbruder lief zwei weitere Runden im fremdem Garten, schnüffelte dabei wie ein Hündchen und trottete anschließend von dannen.
Das war zu viel für Bernadette. Zitternd ließ sie das Fernglas sinken. Noch heute Abend würde sie während der Abendandacht die Zimmer der jungen Schwestern durchsuchen, um sie vor der Sünde zu bewahren. Sie durfte nicht zulassen, dass der Teufel seine Klauen um die Herzen ihrer unschuldigen Glaubensschwestern schlingen würde. Und das war ihre lautere Befugnis, die heimliche Durchsuchung durchzuführen.
Die Fundstücke legte sie ungläubig auf den hölzernen Schreibtisch: Eine Parfumflasche Obsession, Decadence, einen sternförmigen Angel und das sündigste von allen: ein rosa Flakon mit nackten Silberbeinen als Deckel! Skandal war darauf abzulesen. Alle Düfte rochen süß und zutiefst verführerisch. Pfui Teufel! Ja die Wirkung wäre regelrecht hypnotisch auf einen… - sie hielt vor Schreck die Hand vor den Mund und zählte 1 und 1 zusammen! In tiefster Trauer war guter Rat nun teuer. Was sollte sie tun? Den Exorzisten bestellen? Die Nacht war schlaflos.
Am nächsten Morgen rief sie inbrünstig dazu auf, ob es jemanden gäbe, der vielleicht Buße tun und sein Gewissen bereinigen möchte. Das gezeichnete Höllenfeuer schien wenig Eindruck zu schinden, keine meldete sich. Etliche blickten beschämt zu Boden. Der Zusammenhalt unter den Nonnen war vorbildlich. Sie hatten das Fehlen der Flakons natürlich bemerkt, keine würde es jedoch wagen die Besitzerinnen zu verpfeifen. Zumal sie die Kostbarkeiten geteilt hatten.
So blieb der Ordensschwester Bernadette nichts anderes übrig, als das Kommando selbst zu übernehmen. Sie wies ein paar gutgläubige Pilger an, das Moos von den Klostermauern zu kratzen. In der Hoffnung Punkte auf dem Himmelskonto zu sammeln, füllten sie fünf Körbe. Den Lausebengeln, die ihre Küchenkräuter aus dem Garten gebuddelt hatten, war sie nicht mehr nachtragend, denn die herben Kräuter legte sie nun zu dem Moos.
Sie zog sich in die Kellersuppenküche zurück und schnitt eine ordentliche Ladung Patchouli hinein. Abgedeckt mit einer alten Lederjacke köchelte das Gebräu über Nacht. Dort wurden Rosen, Jasmin und Ylang Ylang, sowie Moschus und Vanille aufgrund der hohen Hitze bis zur Unkenntlichkeit verkocht. Galbanum überlebte. Die Flüssigkeit nahm den modrigen Geruch der Gemäuer auf. Noch bevor der Morgen graute, zog Bernadette mit dem Kessel los. Schöpfkelle für Schöpfkelle lief sie die Klostergrenzen ab und verteilte die Flüssigkeit überall wo sie hinkam. Der Zerstäuber war übrigens praktisch für die Ritzen im Gemäuer. Bis zum Sonnenaufgang war das gesamte Anwesen, inklusive des Gartens getauft. Alles dampfte. Der Geruch war so streng, dass die Gartenarbeit ruhen musste, Honigbienchen und schaulustige Pilger blieben aus. Auch der Mönch wurde nie wieder gesehen. Die Schwestern dachten an Himmelfahrt oder plötzlichen Herztod. Schwester Bernadette nahm ihr Geheimnis übrigens mit ins Grab. Sie war glückselig, ihre Glaubensschwestern vor der Verführung bewahrt zu haben. Sie nannte die Erfindung Grès Cabochard. Seitdem wird es im Kloster in hübschen Fläschchen zum Verkauf mit 100%iger Wirkungsgarantie angeboten. Gesprüht werden muss im Kloster übrigens nichts mehr, es hält bis ins 1000 jährige Reich.
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Sinnlich ist an dem Duft mal so gar nichts. Muss auch nicht. Ein strenger Chypre. Faszinierend und abstoßend zugleich. Blumen? Da sind Blumen drin? Ich rieche bloß Galbanum, Leder, Erde, bittere Kräuter und Moos. Viel Moos. Süß ist hier nur der Flakon. Mit meiner Schwäche für hübsche Verpackungen bin ich ihm auf den Leim gegangen. Die verspielte Schleife passt kein bisschen zum Inhalt, bzw. hatte ich eine andere Vorstellung davon. Die guten Bewertungen haben mich auch in die Irre geführt, oder vielleicht verstehe ich den Duft (noch) nicht. Ich habe ihn behalten, weil ich jedesmal lachen muss wenn ich daran rieche und an Schwester Bernadette denke. Gott hab sie selig. Sie hat es doch nur gut gemeint.
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