29.03.2019 - 13:27 Uhr
Profumo
284 Rezensionen
Profumo
Top Rezension
39
Auch Guerlain kann Barbershop!
Erst dachte ich, das sei wohl ein Scherz, ein schlechter noch dazu. Ein etwas aufgeplusterter und altbackener Cologne-Duft neben Schwergewichten wie ‚Derby’ und ‚Chamade pour Homme’ – gleiche möchtegern-edle Aufmachung, gleiches indiskutables Preissegment?!
Meint Guerlain das wirklich ernst? ‚Arsène Lupin’ und ‚L’âme d’un héros’ raus und ‚Le Frenchy’ rein in diese merkwürdig randständige und überteuerte Serie?!
Ich fürchte ja, sie meinen es ernst.
Und nach mehrmaligem Testen muss ich zugeben, es ist ok so.
Nicht, dass die beiden genannten Düfte verschwunden sind ist ok, auch nicht der unschöne Holzrahmen-Flakon, erst recht nicht die 212 € die für ihn verlangt werden – all das ist nicht ok.
Aber der Duft ist gut, sehr gut!
‚Le Frenchy’ ist nun schon der dritte guerlain´sche Aufguss in Sachen ‚Verveine’ (Verbena, Eisenkraut). Erst Aimé Guerlain, dann Jean-Paul Guerlain und nun Thierry Wasser. Welche Anteile der alten Formeln in die neue geflossen sind, kann ich nicht beurteilen, ich kenn die alten Düfte nicht. Die sie charakterisierenden Noten legen aber nahe, dass es sich um typische Cologne-Düfte mit flüchtigen Zitrus-Anteilen, in diesem Falle hauptsächlich der Zitronenverbene, gehandelt haben muss.
Und da die Zitronenverbene diesen eigentümlich scharf-krautigen, beinahe metallischen Beigeschmack (bzw. Beigeruch) hat, dürften diese alten Colognes, wie so manch anderer Duft, in welchem Eisenkraut mit von der Partie ist, von diesem typischen Odeur geprägt gewesen sein. Häufig findet man die Zitronenverbene ja in alten Herren-Düften, besonders jenen der Nachkriegszeit: in ‚Moustache’ von Rochas zum Beispiel, oder in ‚Monsieur de Givenchy’ und Chanels ‚Pour Monsieur’.
In ‚Le Frenchy’ feiert sie sozusagen ein Comeback – aber natürlich nicht alleine.
Im Grunde sind es zwei Duftkonzepte, die hier auf sehr gelungene Weise verschmelzen: das wohlbekannte und uralte Konzept eines klassischen Colognes, und das vergleichsweise junge eines aromatischen Fougères, denn neben der besagten Verbene sind es vor allem Lavendel, Tonka und Salbei die den Duft prägen.
Alles in allem entsteht so eine wunderbare Melange aus einem typischen 70er Jahre-Fougère à la ‚Azzaro pour Homme’ und dem 50er Jahre Verbenen-Klassiker ‚Monsieur de Givenchy’.
Will sagen: ein überaus pudriger Lavendel-Coumarin-Akkord legt sich wie Mehltau über die metallisch-herbe Bitterkeit des Eisenkrautes und der Bergamotte , und über den aromatischen Salbei im Herzen des Duftes.
Diese alles umfassende und umschmeichelnde Pudrigkeit einerseits, und die herben Aromen andererseits bilden den Spannungsbogen in dem sich der Duft entwickelt. Wobei er sich nicht sonderlich dramatisch entwickelt – die Pudrigkeit bleibt, wird aber in der Basis stetig wärmer und tendiert zusehends Richtung klassischem Fougère, mit grün-moosigen Akzenten.
In dieser letzten Phase erinnert mich ‚Le Frenchy’ immer wieder an die alten Rasierwasser-Recken ‚Sir Irisch Moos’ und ‚Brut’ von Fabergé. Und tatsächlich hat ‚Le Frenchy’ eine gewisse Rasierwasser-Anmutung, allerdings – und das muss man dem Duft lassen – in einer Art ‚de luxe’ Variante.
Wer bei all den rückwärts gewandten Bezügen aber glaubt ‚Le Frenchy’ sei ein hoffnungslos altmodischer Duft, der irrt nach meinem Empfinden. ‚Le Frenchy’ ist so altmodisch wie ‚Boy’ von Chanel oder ‚Invasion Barbare’ von MDCI, nämlich gar nicht. Einen gewissen Nostalgie-Faktor hat er natürlich und will er ja auch haben, aber Fougères, bzw. Barbershop-Düfte sind halt gerade wieder ‚in’ und so bemüht man sich allerorten den ‚neuen’ Fougères aller Nostalgie zum Trotz einen moderneren Stempel aufzuprägen.
So hat Tom Ford, der ja mit 'Rive Gauche pour Homme' quasi federführend war in Sachen 70er-Fougère-Wiederbelebung, gerade wieder 3 neue Fougères auf den Markt geschmissen (man muss es leider so nennen, denn von ‚Einführung’ kann man, gerade wenn derart inflationär, kaum noch reden).
Guerlain begnügt sich dagegen mit einem einzigen neuen Fougère, leider allzu versteckt in jener merkwürdig hybriden ‚Les Parisiens’ – Reihe, über die kaum je ein Käufer stolpern wird, da sie selten und wenn, dann meist ziemlich achtlos präsentiert wird.
Im Guerlain-Katalog schließt sich aber dennoch eine kleine Lücke. Eine Lücke die Guerlain bisher nicht willens war zu schließen, da man sie auch gar nicht als Lücke empfand. So hat Jean-Paul Guerlain in seiner unnachahmlichen Ignoranz einmal getönt: ‚Jicky’ und ‚Mouchoir de Monsieur’ seien die einzigen Fougères die zählten, der Rest sei für Lastwagenfahrer.
Gut, dass man sich von derlei Snobismus verabschiedet hat.
Nach mehrmaligem Tragen muss ich sagen, dass ‚Le Frenchy’ entgegen meiner ersten Vermutung doch ein Duft mit Fleisch und Knochen ist – er hat Substanz.
Neben ‚Derby’ und ‚Chamade pour Homme’ kann er sich durchaus sehen lassen, und in Sachen Haltbarkeit und Wahrnehmbarkeit ist er wahrlich kein Leichtgewicht, allerdings auch kein Lautsprecher.
Er zeichnet sich eher durch Understatement, bei gleichzeitiger Präsenz aus.
Ja, ich gebe zu: ein toller Duft, gefällt mir!
Allerdings musste ich, um zu diesem Urteil zu kommen, einen 180 Grad Turnaround hinlegen....
Sei´s drum.
Irren ist bekanntlich menschlich.
Meint Guerlain das wirklich ernst? ‚Arsène Lupin’ und ‚L’âme d’un héros’ raus und ‚Le Frenchy’ rein in diese merkwürdig randständige und überteuerte Serie?!
Ich fürchte ja, sie meinen es ernst.
Und nach mehrmaligem Testen muss ich zugeben, es ist ok so.
Nicht, dass die beiden genannten Düfte verschwunden sind ist ok, auch nicht der unschöne Holzrahmen-Flakon, erst recht nicht die 212 € die für ihn verlangt werden – all das ist nicht ok.
Aber der Duft ist gut, sehr gut!
‚Le Frenchy’ ist nun schon der dritte guerlain´sche Aufguss in Sachen ‚Verveine’ (Verbena, Eisenkraut). Erst Aimé Guerlain, dann Jean-Paul Guerlain und nun Thierry Wasser. Welche Anteile der alten Formeln in die neue geflossen sind, kann ich nicht beurteilen, ich kenn die alten Düfte nicht. Die sie charakterisierenden Noten legen aber nahe, dass es sich um typische Cologne-Düfte mit flüchtigen Zitrus-Anteilen, in diesem Falle hauptsächlich der Zitronenverbene, gehandelt haben muss.
Und da die Zitronenverbene diesen eigentümlich scharf-krautigen, beinahe metallischen Beigeschmack (bzw. Beigeruch) hat, dürften diese alten Colognes, wie so manch anderer Duft, in welchem Eisenkraut mit von der Partie ist, von diesem typischen Odeur geprägt gewesen sein. Häufig findet man die Zitronenverbene ja in alten Herren-Düften, besonders jenen der Nachkriegszeit: in ‚Moustache’ von Rochas zum Beispiel, oder in ‚Monsieur de Givenchy’ und Chanels ‚Pour Monsieur’.
In ‚Le Frenchy’ feiert sie sozusagen ein Comeback – aber natürlich nicht alleine.
Im Grunde sind es zwei Duftkonzepte, die hier auf sehr gelungene Weise verschmelzen: das wohlbekannte und uralte Konzept eines klassischen Colognes, und das vergleichsweise junge eines aromatischen Fougères, denn neben der besagten Verbene sind es vor allem Lavendel, Tonka und Salbei die den Duft prägen.
Alles in allem entsteht so eine wunderbare Melange aus einem typischen 70er Jahre-Fougère à la ‚Azzaro pour Homme’ und dem 50er Jahre Verbenen-Klassiker ‚Monsieur de Givenchy’.
Will sagen: ein überaus pudriger Lavendel-Coumarin-Akkord legt sich wie Mehltau über die metallisch-herbe Bitterkeit des Eisenkrautes und der Bergamotte , und über den aromatischen Salbei im Herzen des Duftes.
Diese alles umfassende und umschmeichelnde Pudrigkeit einerseits, und die herben Aromen andererseits bilden den Spannungsbogen in dem sich der Duft entwickelt. Wobei er sich nicht sonderlich dramatisch entwickelt – die Pudrigkeit bleibt, wird aber in der Basis stetig wärmer und tendiert zusehends Richtung klassischem Fougère, mit grün-moosigen Akzenten.
In dieser letzten Phase erinnert mich ‚Le Frenchy’ immer wieder an die alten Rasierwasser-Recken ‚Sir Irisch Moos’ und ‚Brut’ von Fabergé. Und tatsächlich hat ‚Le Frenchy’ eine gewisse Rasierwasser-Anmutung, allerdings – und das muss man dem Duft lassen – in einer Art ‚de luxe’ Variante.
Wer bei all den rückwärts gewandten Bezügen aber glaubt ‚Le Frenchy’ sei ein hoffnungslos altmodischer Duft, der irrt nach meinem Empfinden. ‚Le Frenchy’ ist so altmodisch wie ‚Boy’ von Chanel oder ‚Invasion Barbare’ von MDCI, nämlich gar nicht. Einen gewissen Nostalgie-Faktor hat er natürlich und will er ja auch haben, aber Fougères, bzw. Barbershop-Düfte sind halt gerade wieder ‚in’ und so bemüht man sich allerorten den ‚neuen’ Fougères aller Nostalgie zum Trotz einen moderneren Stempel aufzuprägen.
So hat Tom Ford, der ja mit 'Rive Gauche pour Homme' quasi federführend war in Sachen 70er-Fougère-Wiederbelebung, gerade wieder 3 neue Fougères auf den Markt geschmissen (man muss es leider so nennen, denn von ‚Einführung’ kann man, gerade wenn derart inflationär, kaum noch reden).
Guerlain begnügt sich dagegen mit einem einzigen neuen Fougère, leider allzu versteckt in jener merkwürdig hybriden ‚Les Parisiens’ – Reihe, über die kaum je ein Käufer stolpern wird, da sie selten und wenn, dann meist ziemlich achtlos präsentiert wird.
Im Guerlain-Katalog schließt sich aber dennoch eine kleine Lücke. Eine Lücke die Guerlain bisher nicht willens war zu schließen, da man sie auch gar nicht als Lücke empfand. So hat Jean-Paul Guerlain in seiner unnachahmlichen Ignoranz einmal getönt: ‚Jicky’ und ‚Mouchoir de Monsieur’ seien die einzigen Fougères die zählten, der Rest sei für Lastwagenfahrer.
Gut, dass man sich von derlei Snobismus verabschiedet hat.
Nach mehrmaligem Tragen muss ich sagen, dass ‚Le Frenchy’ entgegen meiner ersten Vermutung doch ein Duft mit Fleisch und Knochen ist – er hat Substanz.
Neben ‚Derby’ und ‚Chamade pour Homme’ kann er sich durchaus sehen lassen, und in Sachen Haltbarkeit und Wahrnehmbarkeit ist er wahrlich kein Leichtgewicht, allerdings auch kein Lautsprecher.
Er zeichnet sich eher durch Understatement, bei gleichzeitiger Präsenz aus.
Ja, ich gebe zu: ein toller Duft, gefällt mir!
Allerdings musste ich, um zu diesem Urteil zu kommen, einen 180 Grad Turnaround hinlegen....
Sei´s drum.
Irren ist bekanntlich menschlich.
12 Antworten