Kaschima
Sehr hilfreiche Rezension
10
Wilder Grapefruit-Kräuterduft mit rauher Brise von der Costa da Morte
Besuch ist da, wir kochen was zusammen und vorher gibt's 'nen Cocktail.
Eine herbe, leckere gelbe Grapefruit lacht mir frisch aufgeschnitten entgegen, von einer Tangerine etwas versüßt. Der Saft läuft übers hölzerne Schneidebrett und verschwindet zwischen den krautigen Düften, der vorhin noch rasch gehackten Kräuter. Der Grapefruit-Cocktail ist schnell weg, aber in der Luft hängt noch appetitanregend der Duft der Zitrusschalen.
Wir machen uns an die Essenszubereitung. Schon strömt uns pfeffrig-grüne Paprika und eine Majorannote entgegen. (Duftpyramide? Möglicherweise spielt mir hier das Patchouli einen Nasenstreich? Immerhin auch "Lippenblütler"...)
Eine sommerliche, herbfrische Küchenpotpourri breitet sich aus, irgendwie vertraut und doch fern, geradezu galicisch kühl. Unser Gespräch wandert in die nordwestlichste Ecke Spaniens.
Eine verwunschene Gegend, mit keltischen Spuren. Diese Duftmischung hat was von der Rauheit der Costa de la Muerte oder auch Costa da Morte, wie die Galicier selbst sagen. Dort fallen Felsen schroff ins Meer, auf den mageren Wiesen darüber scheinen riesige Steine mit farbigen Flechten zu wachsen. Dazwischen naturbelassene Sandstrände, an denen ab dem Nachmittag niemand mehr, zumindest nicht ohne wenigstens ein T-Shirt zu finden ist, auch nicht im Sommer. Der Wind bläst fast immer frisch und nur wer einen windgeschützten Platz direkt hinter einer der übriggebliebenen Mauern von verlassenen und weit verstreuten alten Bauernhäusern findet, merkt, wie heiß die Sonne eigentlich ist. In diesen Duft der Hitze aus den Steinen mischt sich leise harzig-öliger Rosmarin von stark verholzten alten Büschen. Aber "warm" wird der Duft nicht dadurch.
Bevor hier neblige Schatten über das Moos zwischen den großen Steinblöcken fällt, wird es Zeit, den Weg zurück zum Strand zu finden. Minze tritt als unauffälliger Begleiter hinzu, wie die lichten Eukalyptusbäume, die die Rias (Fjorde) säumen.
Der Duft bleibt ungezügelt, verwildert, wie die Praia da Traba de Laxe, Sand und Seesalz in der Luft, Disteln auf den Dünen, Tang am Strand. Die einzelnen Duftkomponenten scheinen wie Gesprächsfetzen im atlantischen Sturm um Gehör zu ringen. Ein fruchtig-grüner, aquatisch-frischer, krautiger Duft, der der einzigen Tienda in Strandnähe alle Ehre machen würde. Diese Tienda ist gleichzeitig Tante-Emma-Laden, Kneipe für die wenigen Bewohner des Tales, für Verirrte, und notfalls Restaurant. Unaufgeräumt und heimelig. Und es gibt dort alles, was man wirklich braucht, aber auch nicht mehr.
Die Komposition von "Grapefruit" scheint irgendwo zwischen unserem und Marias Holzschneidebrett in ihrer Tiendaküche angesiedelt, die ständig vom frischen Wind des Atlantiks durchweht wird.
Erst viele Stunden später finden die einzelnen Noten wie in einem Feenreigen zusammen, feingliedrig, noch frisch, wie die Feuchtigkeit des Moses, aber nun hauchzart fruchtig und von weißem Jasmin bekränzt, der über dem erdig-holzigen Vetiver schwebt.
Wer es wild mag und doch frisch ist hier wirklich gut bedient, egal ob Weib, ob Kerl. Nach 12 Stunden ist der Duft noch immer deutlich am Handgelenk wahrnehmbar. Sein nobler Bruder, das elegantere Millésime Imperial von Creed, schafft das bei mir nicht. Und noch ein entfernter Verwandter lässt grüßen: Un Jardin sur le Toit von Hermès, das mit einer ähnlichen grünen "natürlichen" Frische aufwarten kann, nur eben nicht mit Grapefruit.