Chypre Palatin Parfums MDCI 2012
40
Top Rezension
Das Schloss des Chyprepaladin
Als ich das erste Mal zu dieser Stunde erwachte, glitzerte das Licht der Aldehydesterne noch nicht auf meinen Laken. Doch nun lasse ich die samtenen Moosvorhänge an meinem Bett offen, obwohl ich weiß, dass du meine Gemächer betrittst. Jede Nacht zur gleichen Stunde erwache ich traumschwer mit dem Duft der Blumen, die du auf die dunkelhölzerne Anrichte gestellt hast. Mal sind es Rosen, mal Lavendel oder auch Hyazinthen, die ich besonders schätze. Immer verwebt sich ihr Duft mit dem betörenden Jasmin, der vor dem Fenstern blüht, und in manchen Nächten sogar mit dem fleischigen Mandarinenmond.
Ich kann nur erraten, dass mir deine Augen folgen, genau wie die deiner Ahnen auf den Gemälden, wenn ich mit einer flackernden Kerze durch die dunklen Gänge deines Schlosses schreite, zaghaft Schritt um Schritt auf den weichen Bernsteinteppich setze, eine Hand über die goldverzierten Brokattapeten gleiten lasse.
War da eine Bewegung? Ein huschender Schatten in den blinden Spiegeln? Und dieser sanfte Hauch? Mal warm, mal kalt. Ist das nicht dein Kardamomatem? Doch alles, was ich sehe, sind zarte Weihrauchgespinste, wenn ich einen Blick über die Schulter werfe.
Im großen Saal fängt der leise klirrende Kristalllüster das Licht meiner Kerze auf und taucht den Raum in goldenes Schummerlicht. Geister drehen sich im Tanze auf Dunkelpatchparkett. Tabu wirbelt Mitsouko wild im Kreis, Shalimars schwarz-vanilliges Zitruslachen perlt durch den Raum, während mich Bal à Versaille in ihre warme Umarmung schließt. Mit schwingenden Hüften wiegen wir uns im Reigen, bis sich zarter Schweiß auf ihre Moschusbrüste legt. Mir schwindelt, doch Azurées Lederarm stützt mich. Oder warst das du? Entschwunden im Geistertanz, bevor ich einen Blick erhasche.
Mit einem scheuen Lächeln lehne ich das Glas Champagner ab, das Yvresse mir reichen will, und Vol de Nuit nimmt es ihr aus der Hand. Ich folge dem Gang zurück in meine Gemächer und sinke erschöpft in mein mossgrünes Bett. Nur die Bitterschokolade, die du heimlich auf mein Labdanumkissen gelegt haben musst, lasse ich noch auf der Zunge zergehen. Mit einer Erinnerung an warmen Lederduft in der Nase schlummere ich ein.
Wer weiß, vielleicht wirst du dich mir morgen zeigen.
***
Ah, dieser Duft hat also den Mehr-ist-Mehr-Neo-Vintage-Chypre erfunden!
Wenn ich Chypre Palatin aufsprühe, empfangen mich Hesperidensternchen, flankiert von Aldehyden auf einem weichen Moosteppich. Dazu nehme ich auch schnell eine deutliche Ledernote wahr, die mich an Cabochard und Azurée erinnert, bevor sich sukzessive florale Noten dazugesellen. Ein bekanntes Thema, wunderschön umgesetzt und ganz auf meiner Linie. Doch gerade als ich überlege, ob ich mir jetzt Azurée oder doch lieber Cabochard zum Vergleich schnappe, zieht mir der Duft den Teppich unter den Füßen weg – nicht den aus Moos, der bleibt den ganzen Verlauf über brav da, wo er hingehört. Ich weiß zwar nicht wie oder warum, aber plötzlich tritt die Ledernote zwischen balsamischen Harzen, noch mehr erstaunlich dunklen Zitrusnoten, Galbanum und noch mehr Blumen zurück. Gerade die Blumen spielen meiner Nase Streiche und rotieren so unberechenbar, dass ich anfange, mich zu fragen, ob ich nicht versehentlich zwei verschiedene Düfte aufgesprüht habe? Oder sogar noch mehr? Ungewöhnlich, aber gut. Ich warte gespannt, was Chypre Palatin wohl als Nächstes tun wird, doch das Dunkelblumenkarussell rotiert noch eine ganze Weile. Eine Stunde? Zwei? Länger? Keine Ahnung. Inzwischen habe ich schon dreimal nachgesprüht, weil ich dem Verschwinden der Ledernote auf den Grund gehen muss. Das Ergebnis bleibt immer gleich: Sie verschwindet klammheimlich und ich habe keine Ahnung wohin.
Der Duft scheint jedoch gerade erst dabei zu sein, seine Herznote zu enthüllen: Die Harze werden immer vanille-süßer, abgemildert durch köstliche Steinobstnoten. In der Pyramide steht etwas von Pflaume, doch ich bin mir sicher, dass hier auch Pfirsich und Aprikose einen Auftritt haben. Außerdem hat der Jasmin noch mal einen Zahn zugelegt, wird schwerer und indolischer, verbindet sich mit einer dezent schmuddeligen Moschusnote, bis ich fast schon ein leises Schnurren höre. Ab diesem Punkt flammt auch die Ledernote wieder auf – puh, ich bin erleichtert, dann habe ich den Verstand ja doch nicht verloren. Dieses Mal ist das Leder jedoch nicht allein. Es wird von Labdanum und Castoreum begleitet und von einer schokoladigen Patchoulinote – die es laut Pyramide übrigens nicht geben dürfte. Auf dem Weg zur Basis beruhigt sich das Duftnotenfeuerwerk. Die süßen, fast schon essbaren Aspekte treten in den Hintergrund, bis eine anschmiegsame Mischung aus Moos, ledrigem Labdanum und Patchouli übrig bleibt.
Was für ein großartiger, unglaublich vielschichtiger und komplexer Duft von einer fast vergessenen barocken Opulenz! Immer wenn ich denke, dass ich ihn verstanden habe, ändert er die Richtung. Ständig ruft er die Geister großer Klassiker an, ohne sie direkt zu zitieren. Viel mehr verwebt er vertraute Elemente so geschickt zu etwas Neuem, dass ich nicht mehr aus dem Staunen herauskomme. Vermutlich könnte ich noch ein Jahr lang täglich daran herumschnuppern und würde immer noch neue Aspekte entdecken. Schade eigentlich, dass ich die Reste in meinem Pröbchen schon auf der Jagd nach der Ledernote verpulvert habe – und ja, überdosieren sollte man Chypre Palatin lieber nicht. Ich spreche aus Erfahrung.
Bleibt nur noch eine Sache zu sagen: Herrenduft? Pfffff. Also bitte! Sonst noch Wünsche?!
Vielen Dank, liebe FrauKirsche. Du hast gleich gewusst, dass ich diesen Duft unbedingt kennenlernen muss - und selbstverständlich hattest du recht.
Ich kann nur erraten, dass mir deine Augen folgen, genau wie die deiner Ahnen auf den Gemälden, wenn ich mit einer flackernden Kerze durch die dunklen Gänge deines Schlosses schreite, zaghaft Schritt um Schritt auf den weichen Bernsteinteppich setze, eine Hand über die goldverzierten Brokattapeten gleiten lasse.
War da eine Bewegung? Ein huschender Schatten in den blinden Spiegeln? Und dieser sanfte Hauch? Mal warm, mal kalt. Ist das nicht dein Kardamomatem? Doch alles, was ich sehe, sind zarte Weihrauchgespinste, wenn ich einen Blick über die Schulter werfe.
Im großen Saal fängt der leise klirrende Kristalllüster das Licht meiner Kerze auf und taucht den Raum in goldenes Schummerlicht. Geister drehen sich im Tanze auf Dunkelpatchparkett. Tabu wirbelt Mitsouko wild im Kreis, Shalimars schwarz-vanilliges Zitruslachen perlt durch den Raum, während mich Bal à Versaille in ihre warme Umarmung schließt. Mit schwingenden Hüften wiegen wir uns im Reigen, bis sich zarter Schweiß auf ihre Moschusbrüste legt. Mir schwindelt, doch Azurées Lederarm stützt mich. Oder warst das du? Entschwunden im Geistertanz, bevor ich einen Blick erhasche.
Mit einem scheuen Lächeln lehne ich das Glas Champagner ab, das Yvresse mir reichen will, und Vol de Nuit nimmt es ihr aus der Hand. Ich folge dem Gang zurück in meine Gemächer und sinke erschöpft in mein mossgrünes Bett. Nur die Bitterschokolade, die du heimlich auf mein Labdanumkissen gelegt haben musst, lasse ich noch auf der Zunge zergehen. Mit einer Erinnerung an warmen Lederduft in der Nase schlummere ich ein.
Wer weiß, vielleicht wirst du dich mir morgen zeigen.
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Ah, dieser Duft hat also den Mehr-ist-Mehr-Neo-Vintage-Chypre erfunden!
Wenn ich Chypre Palatin aufsprühe, empfangen mich Hesperidensternchen, flankiert von Aldehyden auf einem weichen Moosteppich. Dazu nehme ich auch schnell eine deutliche Ledernote wahr, die mich an Cabochard und Azurée erinnert, bevor sich sukzessive florale Noten dazugesellen. Ein bekanntes Thema, wunderschön umgesetzt und ganz auf meiner Linie. Doch gerade als ich überlege, ob ich mir jetzt Azurée oder doch lieber Cabochard zum Vergleich schnappe, zieht mir der Duft den Teppich unter den Füßen weg – nicht den aus Moos, der bleibt den ganzen Verlauf über brav da, wo er hingehört. Ich weiß zwar nicht wie oder warum, aber plötzlich tritt die Ledernote zwischen balsamischen Harzen, noch mehr erstaunlich dunklen Zitrusnoten, Galbanum und noch mehr Blumen zurück. Gerade die Blumen spielen meiner Nase Streiche und rotieren so unberechenbar, dass ich anfange, mich zu fragen, ob ich nicht versehentlich zwei verschiedene Düfte aufgesprüht habe? Oder sogar noch mehr? Ungewöhnlich, aber gut. Ich warte gespannt, was Chypre Palatin wohl als Nächstes tun wird, doch das Dunkelblumenkarussell rotiert noch eine ganze Weile. Eine Stunde? Zwei? Länger? Keine Ahnung. Inzwischen habe ich schon dreimal nachgesprüht, weil ich dem Verschwinden der Ledernote auf den Grund gehen muss. Das Ergebnis bleibt immer gleich: Sie verschwindet klammheimlich und ich habe keine Ahnung wohin.
Der Duft scheint jedoch gerade erst dabei zu sein, seine Herznote zu enthüllen: Die Harze werden immer vanille-süßer, abgemildert durch köstliche Steinobstnoten. In der Pyramide steht etwas von Pflaume, doch ich bin mir sicher, dass hier auch Pfirsich und Aprikose einen Auftritt haben. Außerdem hat der Jasmin noch mal einen Zahn zugelegt, wird schwerer und indolischer, verbindet sich mit einer dezent schmuddeligen Moschusnote, bis ich fast schon ein leises Schnurren höre. Ab diesem Punkt flammt auch die Ledernote wieder auf – puh, ich bin erleichtert, dann habe ich den Verstand ja doch nicht verloren. Dieses Mal ist das Leder jedoch nicht allein. Es wird von Labdanum und Castoreum begleitet und von einer schokoladigen Patchoulinote – die es laut Pyramide übrigens nicht geben dürfte. Auf dem Weg zur Basis beruhigt sich das Duftnotenfeuerwerk. Die süßen, fast schon essbaren Aspekte treten in den Hintergrund, bis eine anschmiegsame Mischung aus Moos, ledrigem Labdanum und Patchouli übrig bleibt.
Was für ein großartiger, unglaublich vielschichtiger und komplexer Duft von einer fast vergessenen barocken Opulenz! Immer wenn ich denke, dass ich ihn verstanden habe, ändert er die Richtung. Ständig ruft er die Geister großer Klassiker an, ohne sie direkt zu zitieren. Viel mehr verwebt er vertraute Elemente so geschickt zu etwas Neuem, dass ich nicht mehr aus dem Staunen herauskomme. Vermutlich könnte ich noch ein Jahr lang täglich daran herumschnuppern und würde immer noch neue Aspekte entdecken. Schade eigentlich, dass ich die Reste in meinem Pröbchen schon auf der Jagd nach der Ledernote verpulvert habe – und ja, überdosieren sollte man Chypre Palatin lieber nicht. Ich spreche aus Erfahrung.
Bleibt nur noch eine Sache zu sagen: Herrenduft? Pfffff. Also bitte! Sonst noch Wünsche?!
Vielen Dank, liebe FrauKirsche. Du hast gleich gewusst, dass ich diesen Duft unbedingt kennenlernen muss - und selbstverständlich hattest du recht.
34 Antworten


Schade, nach deiner Rezension.
Einmal mehr zolle ich Dir Anerkennung für eine großartige Duftbeschreibung. Du hast mich dazu verführt, diesen Duft als neuen Gefährten erwählen zu wollen.
Das Dunkelblumenkarussell hat es mir auch angetan und die Jagd nach der Ledernote :D
muss an den Film die Geistervilla denken
Ich bin auch dem Duft verfallen. Hochkomplex!
Man sollte eigentlich an entsprechenden Orten diesen Duft feiern.
Chypre Pokal
🏆