25.03.2020 - 10:24 Uhr
Profumo
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Profumo
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25
Ein 'Homme' mit zweifelhaftem Odeur
Als Kind verbrachte ich Mitte der 70er Jahre ein paar Sommerurlaube in einem kleinen südfranzösischen Städtchen. Dort habe ich vermutlich einige Dufterlebnisse empfangen, die ich in meinem Unterbewusstsein speicherte, denn wenige Jahre später, als ich begann mich für Düfte zu interessieren und mir selbst einen aussuchen wollte, kamen mir einige doch überraschend bekannt vor.
Mir war klar, dass ich diese Düfte auf keinen Fall tragen wollte, erinnerten sie mich doch an die älteren Männer aus Avignon, Montpellier und jenem kleinen Städtchen Millau.
Ich dagegen wollte jung riechen, modisch, nicht so 'alt' (in Deutschland trug man(n) damals noch nicht selbstverständlich einen Duft, maximal ein Rasierwasser...).
So wurde es schließlich ‚Antaeus’, das ich kurz darauf in Paris an jeder Ecke riechen konnte.
Sehr viel später erst lernte ich auch die Düfte aus meiner Kindheit zu schätzen: es waren, wie ich schließlich herausfand, ‚Eau Sauvage’, ‚Equipage’, Guerlains ‚Vetiver’ und Yves-Saint Laurents ‚Pour Homme’.
In genau dieser Reihenfolge entspannte sich mein Verhältnis zu ihnen, wobei ich zugeben muss, dass der letztgenannte, Yves-Saint Laurents ‚Pour Homme’, für mich nach wie vor ein schwieriger Duft ist.
Manchmal finde ich ihn großartig: die sonnige Frische, die saftige, herbe Zitrone, die aromatische Minze, die kräftige, erdig-moosige Grundlage – wie der raubeinige, derbe Bruder des viel glatteren, zivilisierteren ‚Pour Monsieur’ von Chanel.
Dann aber, wenn während des mittleren Duftverlaufes zuverlässig diese seltsame animalische Note aufblüht, die diesen Duft so deutlich charakterisiert, denke ich: wozu, was soll das?! Wer braucht sie?
Der Duft wäre doch so schön, so klassisch schön ohne Tier!
Aber gut, das Tier ist nun mal da, und ich fürchte es soll auch genau da sein, wo es ist: mitten im Duftgeschehen. Denn ‚Pour Homme’ ist eben ‚Pour Homme’, nicht ‚Pour Monsieur’. Und so ist dieser ‚Homme’ auch nicht – siehe das mittlerweile zur Ikone geworden Werbefoto mit dem völlig nackten Yves himself! – in feinem Zwirn gewandet, frisch rasiert und gescheitelt, nein, dieser ‚Homme’ trägt Stoppelbart, lange Haare, Hornbrille und sonst nichts – außer natürlich diesen Duft!
Und ja, selbst frisch geduscht, bzw. gewaschen (man duschte ja damals nicht ständig) riecht er eben ein bisschen – nach Mann.
Düfte wie ‚Jules’, ‚Yatagan’ und erst recht ‚Kouros’ haben genau das wieder aufgenommen und noch deutlicher herausgestellt – den im Duft mal mehr, mal weniger leise animalisch und zumindest für damalige Nasen auch ziemlich erotisch riechenden Mann.
Aber halt, was heißt hier ‚animalisch’?
Zibet? Nein. Castoreum? Nein. Ambregris? Nein. Moschus? Nein.
Animalisch? Eigentlich doch nicht.
Doch woher kommt diese dreckige Note?
Die auf dem Flakon angegebenen Noten Citron, Petit Grain, Menthe, Patchouli, Mousse de Chene sind jedenfalls nicht dafür verantwortlich.
Recherchiert man nach weiteren für diesen Duft angegebene Pyramiden, werden mitunter ganz andere Noten genannt: neben den schon erwähnten auch Lavendel, Salbei, Majoran, Thymian, Rosmarin, Rosenholz, Zeder und Vetiver.
Besonders Majoran und Thymian finde ich hier interessant. Wer öfter mit frischen Kräutern kocht und dabei die kleinen Blättchen von den Stielen abstreift, kennt diese erdig-dunklen, irgendwie dreckigen Untertöne die das typische Aroma begleiten. Beim Kochen verschwinden sie wieder, aber frisch zwischen den Händen zerrieben sind sie überdeutlich.
Aha, also doch keine Animalik, zumindest keine tierische, eher eine Art pflanzlicher Animalik – was ja ein Widerspruch in sich ist. Aber auch pflanzliche Aromen duften ja nicht immer angenehm, sondern manchmal auch pissig (Salbei) oder schweißig (Cumin). Auch Majoran und Thymian gehören zu diesen Kräutern mit zweifelhaften Duft-Facetten – hier allerdings eher ins Fäkale tendierend.
Klingt scheußlich, oder? Ist es aber nicht.
Zumindest nicht für mich. Wobei ich – wie gesagt – lange brauchte, bis ich diesen derben Aromen-Hauch ertragen konnte.
Ich spreche noch nicht von ‚Tragen’, nur von ‚Ertragen’!
Früher fand ich ihn tatsächlich scheußlich. Selbst als ich einige Jahre später meine Liebe zu den 70er Jahre-Düften entdeckte, war ‚Pour Homme’ immer noch ein absolutes No-Go. ‚Yatagan’ und ‚Azzaro pour Homme’ gingen, obwohl sie beide eine ziemlich obszön-animalische Beinote hatten, aber nicht der Duft von YSL.
Und bis heute finde ich diese Mischung aus frischem Chypre mit herb-aromatischem Herz gelinde gesagt gewöhnungsbedürftig.
Ähnlich ergeht es mir mit ‚Para Hombre/Pour Homme’ von Loewe. Ein Duft, der ein sehr, sehr ähnliches Konzept verfolgt, wobei die krautigen Aromen hier nicht ganz so dreckig herausgestellt werden.
Wirklich tragbar finde ich sie beide nicht. Eher noch den Loewe-Duft, als den von YSL. Andererseits duften sie aber schon toll, nur irgendwie zeitgebunden, wie festgetackert in den frühen 70ern. ‚Eau Sauvage’ dagegen ist völlig zeitlos – zumindest für mich.
‚Pour Homme’ aber beamt mich jedesmal zurück in den Süden Frankreichs, als ich gerade mal 11/12 Jahre alt war, nicht mehr Kind und noch kein Jugendlicher, und die Männer denen ich begegnete häufig diese schweren krautigen Düfte trugen - allerdings kein Deo, was zu einem verwirrenden Amalgam verschmolz.
Vielleicht wird der Tag kommen, an dem ich auch ‚Pour Homme’ selbstverständlich werde tragen können. Wer weiß. Ich habe ja auch gelernt ‚Kouros’ zu tragen – in homöopathischen Dosen...
Zunächst verzichte ich lieber.
Wenn meine Erinnerung mich nicht trügt, ist die neuste Fassung recht nahe an der ursprünglichen Version.
Haltbarkeit und Projektion sind für ein zitrisches Chypre enorm, was vermutlich den genannten Aromen zu verdanken ist.
Mir war klar, dass ich diese Düfte auf keinen Fall tragen wollte, erinnerten sie mich doch an die älteren Männer aus Avignon, Montpellier und jenem kleinen Städtchen Millau.
Ich dagegen wollte jung riechen, modisch, nicht so 'alt' (in Deutschland trug man(n) damals noch nicht selbstverständlich einen Duft, maximal ein Rasierwasser...).
So wurde es schließlich ‚Antaeus’, das ich kurz darauf in Paris an jeder Ecke riechen konnte.
Sehr viel später erst lernte ich auch die Düfte aus meiner Kindheit zu schätzen: es waren, wie ich schließlich herausfand, ‚Eau Sauvage’, ‚Equipage’, Guerlains ‚Vetiver’ und Yves-Saint Laurents ‚Pour Homme’.
In genau dieser Reihenfolge entspannte sich mein Verhältnis zu ihnen, wobei ich zugeben muss, dass der letztgenannte, Yves-Saint Laurents ‚Pour Homme’, für mich nach wie vor ein schwieriger Duft ist.
Manchmal finde ich ihn großartig: die sonnige Frische, die saftige, herbe Zitrone, die aromatische Minze, die kräftige, erdig-moosige Grundlage – wie der raubeinige, derbe Bruder des viel glatteren, zivilisierteren ‚Pour Monsieur’ von Chanel.
Dann aber, wenn während des mittleren Duftverlaufes zuverlässig diese seltsame animalische Note aufblüht, die diesen Duft so deutlich charakterisiert, denke ich: wozu, was soll das?! Wer braucht sie?
Der Duft wäre doch so schön, so klassisch schön ohne Tier!
Aber gut, das Tier ist nun mal da, und ich fürchte es soll auch genau da sein, wo es ist: mitten im Duftgeschehen. Denn ‚Pour Homme’ ist eben ‚Pour Homme’, nicht ‚Pour Monsieur’. Und so ist dieser ‚Homme’ auch nicht – siehe das mittlerweile zur Ikone geworden Werbefoto mit dem völlig nackten Yves himself! – in feinem Zwirn gewandet, frisch rasiert und gescheitelt, nein, dieser ‚Homme’ trägt Stoppelbart, lange Haare, Hornbrille und sonst nichts – außer natürlich diesen Duft!
Und ja, selbst frisch geduscht, bzw. gewaschen (man duschte ja damals nicht ständig) riecht er eben ein bisschen – nach Mann.
Düfte wie ‚Jules’, ‚Yatagan’ und erst recht ‚Kouros’ haben genau das wieder aufgenommen und noch deutlicher herausgestellt – den im Duft mal mehr, mal weniger leise animalisch und zumindest für damalige Nasen auch ziemlich erotisch riechenden Mann.
Aber halt, was heißt hier ‚animalisch’?
Zibet? Nein. Castoreum? Nein. Ambregris? Nein. Moschus? Nein.
Animalisch? Eigentlich doch nicht.
Doch woher kommt diese dreckige Note?
Die auf dem Flakon angegebenen Noten Citron, Petit Grain, Menthe, Patchouli, Mousse de Chene sind jedenfalls nicht dafür verantwortlich.
Recherchiert man nach weiteren für diesen Duft angegebene Pyramiden, werden mitunter ganz andere Noten genannt: neben den schon erwähnten auch Lavendel, Salbei, Majoran, Thymian, Rosmarin, Rosenholz, Zeder und Vetiver.
Besonders Majoran und Thymian finde ich hier interessant. Wer öfter mit frischen Kräutern kocht und dabei die kleinen Blättchen von den Stielen abstreift, kennt diese erdig-dunklen, irgendwie dreckigen Untertöne die das typische Aroma begleiten. Beim Kochen verschwinden sie wieder, aber frisch zwischen den Händen zerrieben sind sie überdeutlich.
Aha, also doch keine Animalik, zumindest keine tierische, eher eine Art pflanzlicher Animalik – was ja ein Widerspruch in sich ist. Aber auch pflanzliche Aromen duften ja nicht immer angenehm, sondern manchmal auch pissig (Salbei) oder schweißig (Cumin). Auch Majoran und Thymian gehören zu diesen Kräutern mit zweifelhaften Duft-Facetten – hier allerdings eher ins Fäkale tendierend.
Klingt scheußlich, oder? Ist es aber nicht.
Zumindest nicht für mich. Wobei ich – wie gesagt – lange brauchte, bis ich diesen derben Aromen-Hauch ertragen konnte.
Ich spreche noch nicht von ‚Tragen’, nur von ‚Ertragen’!
Früher fand ich ihn tatsächlich scheußlich. Selbst als ich einige Jahre später meine Liebe zu den 70er Jahre-Düften entdeckte, war ‚Pour Homme’ immer noch ein absolutes No-Go. ‚Yatagan’ und ‚Azzaro pour Homme’ gingen, obwohl sie beide eine ziemlich obszön-animalische Beinote hatten, aber nicht der Duft von YSL.
Und bis heute finde ich diese Mischung aus frischem Chypre mit herb-aromatischem Herz gelinde gesagt gewöhnungsbedürftig.
Ähnlich ergeht es mir mit ‚Para Hombre/Pour Homme’ von Loewe. Ein Duft, der ein sehr, sehr ähnliches Konzept verfolgt, wobei die krautigen Aromen hier nicht ganz so dreckig herausgestellt werden.
Wirklich tragbar finde ich sie beide nicht. Eher noch den Loewe-Duft, als den von YSL. Andererseits duften sie aber schon toll, nur irgendwie zeitgebunden, wie festgetackert in den frühen 70ern. ‚Eau Sauvage’ dagegen ist völlig zeitlos – zumindest für mich.
‚Pour Homme’ aber beamt mich jedesmal zurück in den Süden Frankreichs, als ich gerade mal 11/12 Jahre alt war, nicht mehr Kind und noch kein Jugendlicher, und die Männer denen ich begegnete häufig diese schweren krautigen Düfte trugen - allerdings kein Deo, was zu einem verwirrenden Amalgam verschmolz.
Vielleicht wird der Tag kommen, an dem ich auch ‚Pour Homme’ selbstverständlich werde tragen können. Wer weiß. Ich habe ja auch gelernt ‚Kouros’ zu tragen – in homöopathischen Dosen...
Zunächst verzichte ich lieber.
Wenn meine Erinnerung mich nicht trügt, ist die neuste Fassung recht nahe an der ursprünglichen Version.
Haltbarkeit und Projektion sind für ein zitrisches Chypre enorm, was vermutlich den genannten Aromen zu verdanken ist.
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