Ein Flakon wie die Liebe. Oder die Sünde. Oder beides? Ach, sieht dieser Rote Glasbaustein mit dem schwarzen Label toll aus. So toll, dass ich keine 5 Minuten überlegen musste, ob ich den Duft vorbestelle.
War doch schon
Rouge Smoking Eau de Parfum ein absolut toller Duft. Ja auch für Männer - obwohl nur als Damenduft deklariert. Diese rauchige, creamy Kirsche hat mir damals extrem gut gefallen. Da das ganze nun als Extrait erscheinen soll, und dann auch noch ein Unisex-Duft ist war für mich Anlass genug, den Flakon zu kaufen. Der tolle, rote Flakon hat mir als Opfer der Ästhetik dann die Entscheidung vollends abgenommen.
Kauf! Wieder zum Marketingopfer geworden. Liebe & Sünde - wer kann da wiedersehen?
Spulen wir kurz vor:
Postbote, Paket, Folie, Karton, Deckel ab, Tzzzzz Tzzzz!
Moment mal. Kam da etwas heraus? Ich meine, ich hab’s ja auf meinen Handgelenk gespürt. Aber wo ist denn der Duft?
Nochmal: Tzzzz, Tzzzz, Tzzzz.
Ne, das kann doch nicht sein? Ich vernehme etwas cremige Tonka, einen minimalen Hauch Mandel. Aber auch nur wenn meine Nase quasi auf Tuchfühlung mit meinem Handgelenk geht. Den ganzen Tag mit dem Handgelenk an meinem Riecher zu kleben sieht sicher komisch aus und wäre alles andere als angenehm.
Aber wie soll ich sonst den Duft wahrnehmen? Das soll doch ein Extrait sein…? Nach 2 Stunden nehme ich dann zusätzlich eine leichte Holzkohle-Note wahr, womöglich aber auch mit viel Fantasie. Nein, ich rieche quasi einen Hauch von Nichts!
Im Ernst: Mich erinnert die Situation ein wenig an den Tag, als ich das erste mal ein Molekül-Duft testen konnte. Spoiler: Konnte ich kaum wahrnehmen.
Und selbst mit minimaler Wahrnehmung: Das hier hat nichts, aber auch rein garnichts mit dem tollen
Rouge Smoking Eau de Parfum zu tun, den ich so mag. Es ist ein völlig anderer Duft. Austauschbar, langweilig. Tonka-Handcreme-Vibes, wobei selbst die Handcreme mehr Ausstrahlung hat.
Insgesamt ordne ich den Duft eher feminin ein.
Bleibt noch die Frage:
Warum scheint es aktuell ein Trend zu werden, die Namen guter Düfte zu erneut zu verwenden, mit dem Wort „EXTRAIT“ zu flankieren und dann für den doppelten Preis auf den Markt zu werfen?
Ich stell es mir vor, wie einen Marktschreier. Wer mal morgens um 6 auf dem Hamburger Fischmarkt unterwegs war, dürfte es kennen:
Es geht immer lauter. Das Produkt bleibt das gleiche oder ist minderwertiger. Aber ich wer am lautesten Schreit, zieht die Blicke auf sich. Das Wort EXTRAIT hinter den Namen neuaufgelegter, bereits erfolgreicher Düfte ist dafür da, in einer Welt, in der es genügend oder zu viele Angebote gibt, lauter rüberzukommen, wieder sichtbar zu werden.
Ein Verkaufsargument, auf das Marketingopfer wie ich - Selbstreflexion kann ich - immer wieder hereinfallen und zugleich der nächste traurige Trend der Parfum-Industrie.
Übrigens: Da man sich bei BDK zwei Proben zur Bestellung aussuchen kann, habe ich mir eine Probe
Rouge Smoking Eau de Parfum mitbestellt & den Links-Dies-Rechts-Das-Handgelenks-Direktvergleich gewagt:
Das EDP duftet um Welten besser, einzigartiger, die Sillage ist um ein vielfaches besser wahrnehmbar und das EdP hält deutlich länger. Es sind 2 völlig verschiedene Düfte, und das EdP ist einfach in allen Belangen überlegen und der einzigartigere Duft. Wobei man das Extrait kaum als Duft, sondern eher als „Tonka-Lüftchen“ bezeichnen sollte.
Schade um den schönen Flakon.
Keine Liebe - gewonnen hat die Sünde & der Marktschreier, obwohl er viel zu leise ist. Ich wünsche ihm lebenslange Heiserkeit!