07.04.2021 - 13:03 Uhr
Stulle
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Stulle
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55
Zeitreise
In den ausklingenden Achtziger Jahren waren Keramik-Duftlämpchen sehr in Mode. Unten stellte man ein Teelicht rein, oben wurde etwas Wasser zum Verdampfen in eine Schale gefüllt und dann gab man ein paar Tropfen Duftöl dazu. Ich erinnere mich eigentlich nur noch an Ylang-Ylang, das eine betäubend schwere, aber wahnsinnig faszinierende und erotische Atmosphäre schuf.
Nun habe ich TAM DAO zum ersten Mal gerochen und es hat mich ungebremst in diese Epoche zurückgeschleudert - Sandelholz war natürlich der populärste Duft für diese Lämpchen! Mögen die Zeitgenossen mich korrigieren, aber ich glaube, 90 Prozent aller jungen Damen hatten so ein Ding in ihren Gemächern stehen. Kein Besuch bei den verehrten/begehrten Geschöpfen, ohne dass ein Teelicht flackerte und gelegentlich im Eifer der, äh, Diskussionen völlig vergessen wurde, nach dem Verlöschen ein neues anzuzünden.
Es liegt auch durchaus im Bereich des Möglichen, dass eine nicht unbeträchtliche Anzahl unserer jüngeren Parfumos zu ebendiesem Duft gezeugt wurde. Vielleicht könnten die Sandelholzkinder für mich ja einfach mal ganz unverbindlich diese fast nebensächliche Information aus ihren Eltern herausbekommen…
Aber nicht alles war so romantisch zu dieser Zeit. Ich hatte einen Kollegen, mit dem ich zeitgleich nach dem Abitur eine Lehre anfing. Sympathie auf den ersten Blick, und M. war ein lustiger, gleichzeitig aber auch in sich ruhender Mensch, mit dem man überhaupt nicht in die Nähe eines Streites kam. Nächtelange Diskussionen über Gott und die Welt, wie sie halt in diesem Alter Standard sind.
Da just am Übergang in die Neunziger Jahre der Siegeszug des Personal Computers anfing und M. von Hause aus nicht ganz unbegütert war, hatte er natürlich so eine Kiste in der Wohnung stehen (wow, er hatte eine eigene Wohnung, während alle gleichaltrigen Freunde noch bei den Eltern hausen mussten!). So verbrachten wir dann viele Tage und Nächte mit dem damals nagelneuen Spiel MONKEY ISLAND! Mit dem obsessiven Potential, das wir beide hatten, gingen Wochen ins Land, bevor wir das Game durchgespielt hatten (es gab noch keine Tutorials online abzurufen). Und im Hintergrund, ohne Unterlass, die ewig köchelnde Duftlampe mit - Sandelholzöl!
Wie das Leben dann so ist, trennten sich unsere Wege. Ich hatte meine Pläne, und M. dümpelte so ein bisschen in einen „anständigen“ Job hinein. Lebensinhalt war das nicht, aber gutes Geld, und so konnte er dann jedes Wochenende ein bisschen zuviel trinkend über die Dörfer und durch die (Klein-)Städte ziehen und es krachen lassen. Gelegentlich und mit wachsender Frequenz dann auch werktags und vormittags.
Irgendwann sah man sich nicht mehr, aber ich hörte sehr viel später, dass er zuviel mit seltsamen Leuten unterwegs gewesen war. Noch mehr, viel mehr Alkohol und reichlich Drogen; seine Psyche hat das alles nur bis zu einem bestimmten Punkt mitgemacht, und irgendwann konnte er nicht mehr. Und dann wollte er nicht mehr.
TAM DAO ist genau dieser tiefe und warme Sandelholzgeruch, der mich an die intensive Zeit jener Freundschaft, des Erwachsenwerdens, der existenziellen Fragen, des Zweifelns und Vermutens, der ungebremsten Neugierde, der ungewissen, aufregenden Zukunft und auch noch an eine andere, sehr lange und sehr intensive Liebesgeschichte erinnert.
Das Parfüm hat einen leichten, zypressigen und holzigen Klang und bleibt an mir relativ unsüß. Nichts lenkt ab, alles passt und hat Sinn, mir erscheint es strukturiert und transparent. So wie man beim Rückblick in die Vergangenheit plötzlich klar den Weg erkennen kann, den man bis heute gegangen ist.
Ich wusste bis jetzt nicht mal, dass mir Sandelholz dermaßen gut gefallen kann und habe auch keinen Duft dieser Ausrichtung dermaßen emotional und ergreifend erlebt. Wat nu? 10 Punkte für die Zeitreise, 8,5 Punkte schonmal für den Duft - eine Abfüllung muss her, um dieser Faszination noch weiter nachzuspüren.
Auf die alten Zeiten!
Nun habe ich TAM DAO zum ersten Mal gerochen und es hat mich ungebremst in diese Epoche zurückgeschleudert - Sandelholz war natürlich der populärste Duft für diese Lämpchen! Mögen die Zeitgenossen mich korrigieren, aber ich glaube, 90 Prozent aller jungen Damen hatten so ein Ding in ihren Gemächern stehen. Kein Besuch bei den verehrten/begehrten Geschöpfen, ohne dass ein Teelicht flackerte und gelegentlich im Eifer der, äh, Diskussionen völlig vergessen wurde, nach dem Verlöschen ein neues anzuzünden.
Es liegt auch durchaus im Bereich des Möglichen, dass eine nicht unbeträchtliche Anzahl unserer jüngeren Parfumos zu ebendiesem Duft gezeugt wurde. Vielleicht könnten die Sandelholzkinder für mich ja einfach mal ganz unverbindlich diese fast nebensächliche Information aus ihren Eltern herausbekommen…
Aber nicht alles war so romantisch zu dieser Zeit. Ich hatte einen Kollegen, mit dem ich zeitgleich nach dem Abitur eine Lehre anfing. Sympathie auf den ersten Blick, und M. war ein lustiger, gleichzeitig aber auch in sich ruhender Mensch, mit dem man überhaupt nicht in die Nähe eines Streites kam. Nächtelange Diskussionen über Gott und die Welt, wie sie halt in diesem Alter Standard sind.
Da just am Übergang in die Neunziger Jahre der Siegeszug des Personal Computers anfing und M. von Hause aus nicht ganz unbegütert war, hatte er natürlich so eine Kiste in der Wohnung stehen (wow, er hatte eine eigene Wohnung, während alle gleichaltrigen Freunde noch bei den Eltern hausen mussten!). So verbrachten wir dann viele Tage und Nächte mit dem damals nagelneuen Spiel MONKEY ISLAND! Mit dem obsessiven Potential, das wir beide hatten, gingen Wochen ins Land, bevor wir das Game durchgespielt hatten (es gab noch keine Tutorials online abzurufen). Und im Hintergrund, ohne Unterlass, die ewig köchelnde Duftlampe mit - Sandelholzöl!
Wie das Leben dann so ist, trennten sich unsere Wege. Ich hatte meine Pläne, und M. dümpelte so ein bisschen in einen „anständigen“ Job hinein. Lebensinhalt war das nicht, aber gutes Geld, und so konnte er dann jedes Wochenende ein bisschen zuviel trinkend über die Dörfer und durch die (Klein-)Städte ziehen und es krachen lassen. Gelegentlich und mit wachsender Frequenz dann auch werktags und vormittags.
Irgendwann sah man sich nicht mehr, aber ich hörte sehr viel später, dass er zuviel mit seltsamen Leuten unterwegs gewesen war. Noch mehr, viel mehr Alkohol und reichlich Drogen; seine Psyche hat das alles nur bis zu einem bestimmten Punkt mitgemacht, und irgendwann konnte er nicht mehr. Und dann wollte er nicht mehr.
*
Man sagt, dass jemand noch solange existiere, wie ein Mensch an ihn denkt. Das mache ich, und ich lege einen imaginären Stein auf Dein Grab, das ich nie sah, lieber M.
*Man sagt, dass jemand noch solange existiere, wie ein Mensch an ihn denkt. Das mache ich, und ich lege einen imaginären Stein auf Dein Grab, das ich nie sah, lieber M.
TAM DAO ist genau dieser tiefe und warme Sandelholzgeruch, der mich an die intensive Zeit jener Freundschaft, des Erwachsenwerdens, der existenziellen Fragen, des Zweifelns und Vermutens, der ungebremsten Neugierde, der ungewissen, aufregenden Zukunft und auch noch an eine andere, sehr lange und sehr intensive Liebesgeschichte erinnert.
Das Parfüm hat einen leichten, zypressigen und holzigen Klang und bleibt an mir relativ unsüß. Nichts lenkt ab, alles passt und hat Sinn, mir erscheint es strukturiert und transparent. So wie man beim Rückblick in die Vergangenheit plötzlich klar den Weg erkennen kann, den man bis heute gegangen ist.
Ich wusste bis jetzt nicht mal, dass mir Sandelholz dermaßen gut gefallen kann und habe auch keinen Duft dieser Ausrichtung dermaßen emotional und ergreifend erlebt. Wat nu? 10 Punkte für die Zeitreise, 8,5 Punkte schonmal für den Duft - eine Abfüllung muss her, um dieser Faszination noch weiter nachzuspüren.
Auf die alten Zeiten!
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