Flaconesse
duftende Gedanken
vor 4 Jahren - 09.06.2020
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Das Kritik-Dilemma

In letzter Zeit haben sich die zum Denken anregenden Blogeinträge rasant vermehrt. Kommt es mir nur so vor oder liegt es an der allgemeinen Krisenstimmung, an die wir uns mittlerweile schon wieder fast gewöhnt haben, die dennoch unterschwellig immer mitschwingt? Liegt es vielleicht an der Tatsache, dass Parfumo in der letzten Zeit einen regen Zuwachs bekommen hat, der sich eventuell vermehrt kritisch äußert? Liegt es an meiner persönlichen Stimmung, die mich gerade alles Negative stärker wahr nehmen lässt, ja meine Antennen vermehrt in Richtung dieser Frequenzen ausrichtet?

Letzteres ist vermutlich der Fall, denn wie ich in einem Kommunikationsseminar gelernt habe, sagt eine Kritik oft viel mehr über den Kritiker aus, als über den oder das Kritisierte.

Prüfen wir doch einmal diese These:

Sagt mein Freund also zu mir: „Immer lässt Du die Balkontür auf“ höre ich nur einen Vorwurf, der besagt: „Du bist vergesslich!“ oder „Du kannst Dir nichts merken!“ oder „Ich und meine Empfindungen sind Dir egal!“

Tatsächlich könnte ich aber verstehen:

1. Es handelt sich einfach nur um einen Fakt, denn ja ich lasse immer oder meistens diese Tür offen stehen.

2.: Ihm ist kalt, daher ist es ihm wichtig, dass sie wieder zugemacht wird.

3. Es sollen keine Mücken in die Wohnung kommen, wenn gleichzeitig das Licht an ist.

4. Er möchte wissen, aus welchem Grund ich das tue und wie wir es verhindern können.

Also liegt es an mir, dass ich die Kritik, die vielleicht auch keine ist, auf mich beziehe und etwas völlig anderes hereininterpretiere.

Ich könnte nachfragen: „Hey, wie meinst Du das eigentlich?“ oder „Warum ist Dir das wichtig?“

Tue ich aber nicht, weil ich direkt auf Angriff gepolt bin.

Nun schrieb mir hier eine Nutzerin unter einen Kommentar eine Antwort, die mir nicht gepasst hat. Meine erste Reaktion war sofort: Wahhh, stimmt ja alles gar nicht, die Pokalanzahl kann nicht lügen. Dann begann ich zu zweifeln: War mein lustig gemeinter Kommentar etwas drüber? Dann dachte ich: Ach Quatsch, was Schoork kann, kann ich (leider noch nicht ganz so gut ;) vielleicht auch. Ich ließ das Ganze sacken, dachte ein paar Stunden drüber nach, bis mir auffiel, dass der von mir humoristisch kommentierte Duft ausgerechnet ihr Lieblingsduft ist. Bingo! Und da fiel mir die schöne These aus dem Kommunikationstraining wieder ein.

Meinen Kommentar, den ich damals zu dem Duft verfasst hatte, sagt übrigens auch sehr viel mehr über mich, als über den Duft aus, aber genau darum geht es ja hier auch: Die kleinen Geschichten, zu denen uns selbst die ungeliebten Düfte inspirieren, sorgen für eine runde und bunte Mischung, selbst dann, wenn der Postmann drei mal klingeln musste ;)

Und nun frage ich mich, wie kann man tatsächlich das zu Kritisierende kritisieren, ohne zu viel von sich Preis zu geben? Und geht das überhaupt? Und wie bewertet ihr eure Kritiken/Kommentare mit dieser These im Hinterkopf?

Ich bin auf eure Denkanstöße mehr als gespannt.

Eure Flaconesse

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