Geza Schön: Sinnlich, transparent und holzig ohne Mystifizierung

Der Parfumeur im Gespräch mit Louce und Ronin

Berlin ist immer eine Reise wert, heißt es.

Aber auch, wenn man eigentlich einen vollen Kalender hat und anderes tun müsste und wenn es sintflutlich dauerregnet und dauergewittert…?

Ja.

Wenn man Geza Schön trifft und mit ihm ein witziges, spannendes und erhellendes Gespräch über seine Düfte und die Parfumerie führt.


Wir treffen ihn in einem Kreuzberger Café und erleben einen sympathischen, gut gelaunten und leidenschaftlichen Parfumeur, der klug und unverblümt über das spricht, was er macht, was ihn bewegt und wie er Parfumerie an sich, das Geschäft mit Parfum und seinen Job darin wahrnimmt.

Geza Schön ist nicht - wie die große Mehrheit der Parfumschaffenden - bei einer der großen Duftstofffirmen angestellt, sondern selbstständig: Er hat bei Haarmann und Reimer (heute Symrise) in Holzminden gelernt und war dort anschließend als Parfumeur beschäftigt. Nach Stationen in Buenos Aires, Singapur, London, New York und Paris ging er Anfang 2002 zurück nach London und dann Mitte 2005 nach Berlin. Seit dieser Zeit ist er selbstständiger Parfumeur und assoziiert mit IFF, d.h. "Sie geben mir alle Rohstoffe die ich benötige, lassen mich aber sonst in Ruhe... das ist ein Traum!" Die Sicherheit einer Anstellung hat er eingetauscht gegen die Freiheit, nur die Aufträge anzunehmen, die er als Ergänzung machen mag zu seiner eigenen Linie Escentric Molecules (Loucens Vokabel "Brotjob" gefällt ihm hierzu ganz gut).

In Deutschland ist Geza Schön nach eigener Aussage der einzige selbstständige Profiparfumeur. In Paris sind es noch sein Freund Mark Buxton und Bertrand Duchaufour, mit denen er gerade an einem gemeinsamen Projekt arbeitet. Er gibt nicht viel preis hierzu, aber wir entlocken ihm, dass das entstehende Parfum "grün, würzig und balsamisch" sein wird. Er hat große Freude an dieser Arbeit mit erstklassigen Kollegen, weiht uns aber noch nicht weiter in Details ein.

Wir wollen wissen, was für ihn der praktische Unterschied zwischen Auftrags- und freier Arbeit ist. Zuerst bitten wir ihn zu erzählen, wie die bestellte Arbeit ist - das, was er früher ausschließlich machte. "Das ist unterschiedlich. Meist sehr eng und vorgegeben. Da gibt es ein Preislimit, an das man sich halten muss und Zeitdruck."

"Die inhaltlichen Vorgaben sind sicher auch recht schwierig zu erfüllen." vermuten wir. Geza Schön überrascht uns: "Wenn es nur so wäre! Mit wenigen Ausnahmen haben die Brands keine Ideen und keine Ahnung von Parfum: Es gibt eine nichtssagende Ausschreibung und wir reichen Entwürfe ein - größtenteils keine wirklich neuen Ideen, sondern wir nehmen etwas Bestehendes, was sich gut verkauft, und geben der Rezeptur einen Twist. Das reicht, denn mehr wollen die gar nicht - und für etwas Neues ist auch gewöhnlich die Frist der Ausschreibung zu kurz. Das Feedback auf die Entwürfe ist oft nur ein 'ja/nein' und nichts Inhaltliches. Ich würde mir sehr wünschen, dass sich die Brands einbringen würden, aber das gibt es nur selten."

"Also ist das ganze, was dann danach kommt, die Werbung, das Markenprofil und letztendlich der Endverbraucherpreis nur Produkt von Verkaufsstrategie und Marketing und völlig entkoppelt von dem, was tatsächlich im Flakon ist?"

Geza Schön nimmt den Earl-Grey-Teebeutel aus seiner Tasse, nachdem dieser eine exakt bemessene (nämlich mit dem Handy-Timer gestoppte) Zeit gezogen hat und antwortet:

"Ja. Das eine hat mit dem anderen meist gar nichts zu tun. Das ist teilweise komplett unverschämt: mehr Look als Substanz. Da wird so getan, als sei das hochwertig und edel, was Besonderes. Dabei ist das ganz gewöhnlich - nur der Style und das Getue ergeben dann am Ende die Illusion von Kostbarem."

Das wollen wir konkreter wissen. Wir nennen als Stichwort by Kilian, eine Marke mit teils guten Parfums, wie wir finden, aber überhaupt nicht so edel, modern und on-the-top, wie das durch den Auftritt suggeriert wird. "Ja, unter anderem ist by Kilian so ein Label, wo das Gang und Gäbe ist.", bestätigt er nickend. Er schmunzelt, als er sich an den Art Director und Namensgeber erinnert: "Kilian Hennessy ist ein lustiger Gockel, der schon vor 10 Jahren mit bis zum Bauchnabel geöffneten Hemd durch die Gegend gelaufen ist." Sein Schmunzeln wird zum Lachen: "Immerhin - das ist schon wieder ziemlich konsequent."

Nachdem er uns versichert hat, wir dürften diese Passage veröffentlichen, fragen wir, ob dieser Zirkus nicht auch verzeihlich sei, denn mit Parfum kauften die Menschen doch ziemlich bewusst eine Phantasie, einen aufsprühbaren Entwurf von sich selbst, von ihrer Sexyness, ihrem Erfolg, ihrer Einzigartigkeit.

"Nein." da bleibt er hart. "Nein, für diese Mystifizierung gibt es keine mildernden Umstände. Es geht um Parfum. Alles andere ist Verarsche. "

Wir fragen nach einer konkreten Auftragsarbeit von Geza Schön aus seiner Zeit bei Haarmann und Reimer: Clive Christian. Es wird gesagt, dass die alten Parfums der Marke Crown wieder neu gefasst und aufwändig produziert das Vorbild der Clive Christian-Parfums seien. Was ist da dran?

"Das war genauso wie bei fast allen Aufträgen: Da stolperte eine Marketingdame ins Labor 'Wir haben eine neue Marke und brauchen schnell 6 Düfte, egal was, aber nicht so teuer in der Herstellung!' Patricia Choux und ich waren gerade zufällig da, und so haben wir uns den Auftrag geteilt und je 3 Düfte übernommen."

"Und der unglaublich hohe Preis? Der soll doch von hochwertigen Rohstoffen und wirklich exklusiver Machart kommen?" Er schüttelt (mal wieder schmunzelnd) den Kopf.

Bei dieser Clive-Christian-“Zusammenarbeit” sei ihm ein großer Fehler passiert, berichtet er uns: "X for Men ist eine meiner besten Herrennoten damals gewesen und ich Depp habe denen das Öl gegeben. Statt, wie bei solchen Ordern gängig, nur einen Twist raus zu geben, hatte ich denen eine echte Kreation gezeigt. Und die ist richtig gut!”

Was er erzählt über das völlig unromantische Business im Hintergrund passt zu unserer Skepsis gegenüber Marken mit einem durchgestylten Auftritt, der Großes verspricht, was die einzelnen Parfums oft nicht halten, wenn man einfach mal daran riecht.

Das, was sich hochwertig und extraluxuriös gibt, definiert sich oft nur über Preis und Marktauftritt, nicht über den Stoff im Flakon. Trotzdem sind wir etwas erschrocken, über die Deutlichkeit, mit der uns Geza Schön das schildert. "Verarsche" erschien uns zuerst sehr hart … aber jetzt fällt uns auch kein besser treffendes Wort ein. Wir bekommen Klartext von ihm. Das ist so echt und erfrischend, wie wir das in Sachen Parfum noch nicht erlebt haben.

Vor dem Hintergrund dieser Maschinerie ist es auch logisch, warum ein Parfumeur mit Können und Leidenschaft für sein Metier danach strebt, unabhängig arbeiten zu können und dem nachzugehen, was er für wirklich realisierenswert hält.

Schöns Wunsch, dass ein Kunde ein Gegenüber ist, mit dem Austausch passiert, so dass aus Auftragsarbeit eine wirkliche Zusammenarbeit wird, kann sich aber auch erfüllen. So lobt er sehr den Austauch mit Linda Pilkington von Ormonde Jayne ("Das bringt Spaß: tolle Zusammenarbeit und kein Limit bei den Rohstoffkosten."). Da fällt ihm natürlich auch Thorsten Biehl mit seinen Parfumkunstwerken ein: Er betont, wie gut und wirklich frei die Bedingungen sind, unter denen Parfumeure hier arbeiten können und wie lohnend die Ausbeute an ausgezeichneten Parfums dadurch ist ("durchgehend 1a-Qualität").

Ist die Edition des Parfums Frédéric Malle mit Biehl Parfumkunstwerke vergleichbar? "Ja, das kann man so ungefähr sagen – der Parfumeur steht da konzeptionell als Hauptfigur."

Nachdem wir mit ihm die tiefen Täler und wenigen Gipfel der Auftragsarbeit ein wenig kennen lernen konnten, fragen wir nach der eigenen, autonomen Arbeit.

Wie würde Geza Schön seinen Arbeitsstil beschreiben?

"Schnell." Er räumt ein, dass er auch wochenlang an etwas rumbasteln kann, aber generell findet er sein Arbeiten schnell und zielstrebig.

Und seinen Parfumstil?

"Sinnlich, transparent und holzig, wenn ich nur 3 Adjektive nenne. Bei fünfen kämen noch frisch und balsamisch dazu."

Sinnlich, transparent und holzig ... damit sind wir beim Label Escentric Molecules, in dem bisher drei Duftpaare 01-03 entstanden sind, bestehend aus je einer Escentric-Komposition um einen zentralen Duftstoff und als Molecule auf diese Substanz reduziert.

Mit den Molecule-Düften hat Schön etwas ziemlich Revolutionäres gemacht und wir fragen nach dieser Idee des monomolekularen Parfums, nach dem Wesentlichen des Parfums in der totalen Reduktion, im supermodernistisch-minimalistischen olfaktorischen Statement. "Bullshit!" unterbricht er unsere vermeintlich schlaue Frage. "Totaler Bullshit!" Etwas bedröppelt gucken wir ihn an. Er fährt fort: "Das ist kein Parfum! Niemals hab ich behauptet, das wäre Parfum! Parfum ist was anderes. Das hingegen ist ein einzelner Riechstoff in Flaschen. Es ist ein Missverständnis, das anscheinend automatisch aufkommt, wenn etwas in Flakons mit einem Sprüher verkauft wird. Dann denken alle sofort: Oh! Das ist Parfum! Aber ich habe einfach nur einen synthetischen Riechstoff, an dem nichts gemacht wurde, der so ist, wie er ist, abgefüllt. Weil er gut ist. Weil er Spaß macht. Weil es sich lohnt, das Zeug aufsprühen, riechen und tragen zu können. Das ist doch Grund genug!" Er lacht. "Als Molecule 01 rauskam, war das ein richtiger Hit. Ich bin begeistert von Iso E-Super. Es ist so vielschichtig. Da hab ich es einfach nur in Flaschen gepackt. Das ganze Brimborium und Gerede drum herum ist erst auf dem Markt entstanden. Die Leute sehen etwas ganz Simples und dann machen sie sich große Gedanken dazu, immerhin ist es in einem Flakon mit Sprüher… also muss es ja ein Parfum sein, also muss dahinter was ganz Kompliziertes stecken. Aber nein ... es ist einfach nur ein einzelner Riechstoff. Fertig."

"Das, was dann im Flakon ist, ist das gewissermaßen beliebig? Kann ich einfach einen Liter Iso E-Super kaufen und dann habe ich mein eigenes Molecule 01?" will Louce wissen.

"Nein. So einfach ist es auch wieder nicht. Mein Iso E-Super ist ein besonderes. Es kommt von IFF und dort wurde es damals zuerst entwickelt. Alle Riechstofffirmen haben inzwischen eigenes Iso E-Super, aber das beste kommt von IFF - und das verwende ich."

Wie war das, als Juliette has a Gun mit Not a perfume nach Molecule 02 plötzlich auch einen reinen Ambroxan-Duft rausbrachte? Ist das ein Plagiat? Ideenklau?

"Kein Ideenklau, sondern eine PR-Katastrophe. Da muss intern eine Menge schief gelaufen sein: Die Verantwortlichen der Marke haben sich bei mir entschuldigt, sie hätten nichts von Molecule 02 gewusst und den Duft nicht absichtlich kopiert. Aber die kennen ja noch nicht mal die Zusammensetzung ihrer eigenen Düfte! Not a perfume ist doch überhaupt kein reines Ambroxan, das riecht man doch! Es ist wie die Basis des - übrigens richtig guten - Dolce & Gabbana Light Blue for her! Es wurde also tatsächlich kopiert, aber nicht bei mir."

Eines der anderen Molecule-Parfums hat uns verblüfft: Wir dachten, wir würden Vetiverylacetat, das Duftmolekül von Molecule 03, ganz gut kennen. Aber Schöns Duft riecht nicht so medizinisch wie die "grünen" Vetiverdüfte, sondern hat etwas Holzig-Strohiges mit herber Frische. Der Parfumeur stimmt zu: "Es ist eine besondere Qualität, die ich verwende."

In den Parfums Escentric 01 bis 03 wird den Riechstoffen der Molecules ein Rahmen gegeben, um ihren Charakter heraus zu stellen. Sie eint eine hohe Transparenz, eine nicht zu unterschätzende, aber subtile Sillage und Kopfnoten, die, wie wir finden, jeweils die prickelnde Frische eines Sommer-Cocktails haben. Ist diese Cocktail-Gemeinsamkeit Zufall?

"Ich lasse viele Noten weg, die typischerweise im Kopf eingesetzt werden, und ich mag frische, zitrische und würzige Noten. So kann ein prickelnder Eindruck entstehen. Und ich liebe Wacholder, was natürlich an Gin erinnert."

Er selbst findet folgende Worte für seine Parfumserie und betont dabei die wesentlichen Adjektive: "Escentric 01 ist meine Idee eines sinnlichen Parfums, Escentric 02 ist ein unglaublich frischer, langhaftender Duft, Escentric 03 ist meine Idee eines eines würzigen, holzig, frischen Vetiverparfums."

Gibt es ein weiteres Molekül, dem er einen reinen Duft und ein eigenes Parfum widmen will? Wird es eine 04 geben, oder sind 01 bis 03 bereits seine Favoriten und damit die Reihe abgeschlossen?

"Nein, da bin ich nicht fertig. Da gibt es noch einiges, an dem ich arbeite. Nächstes Jahr im Herbst wird es ein Paar Molecule 04 / Escentric 04 geben."

Auch hier fragen wir nach: "Was ist die neue Note?"

Das will er uns nicht verraten, aber wir bohren weiter. Ohne die Note selbst zu nennen, wie würde er sie beschreiben?

Er lächelt. “Wenn man meine bisherigen Sachen sieht, ist das logisch. Es passt rein."

“Inwiefern?"

“Mein Stil ist, wie gesagt, sinnlich, transparent und holzig. Da passt auch 04 dazu."

“Aha. Könnte es diesmal auch natürlich sein, oder wird es wieder synthetisch?"

“Synthetisch. Ganz klar. Die ersten beiden sind vollsynthetisch, das Vetiverylacetat von 03 ist teilsynthetisch und das nächste ist wieder vollsynthetisch."

“Ist es wieder so eine Grundkomponente, die man zwar kennt, aber nicht pur und in ihrer Eigenheit inszeniert?"

“Ja."

“Und in welche Richtung geht es diesmal … wird es mehr transparent oder vornehmlich holzig?"

“Es wird das Holzigste, weniger transparent.” Er zögert: “... Aber halt! Mehr sag ich nicht! Am Ende verrate ich noch zu viel!".

Wir wollen weiter löchern, doch er wiegelt zwinkernd ab und relativiert ein wenig: “Eigentlich bin ich mir noch gar nicht 100%ig sicher, was genau die 04 wird. Ich arbeite gerade an drei Sachen. Eines davon wird es."

Da wir nicht noch mehr über 04 rauskriegen, fragen wir allgemeiner weiter.

Gibt es eine Lieblingsnote, die er mehr als alles andere mag? "Ja. Das ist Iso E-Super. Deshalb musste sich 01 auch um Iso E-Super drehen. Diese Sillage! Und Iso E-Super ist … " er sucht nach dem richtigen Wort "… es ist geil."

Und was mag er gar nicht? Womit wird Geza Schön sicher nicht arbeiten in seinem eigenen Label?

"Ich kann mit süß und blumig nicht viel anfangen. Das brauche ich nicht."

Wir können uns die Antwort des Transparenz-Fans Schön eigentlich denken, fragen aber trotzdem: "Wird es jemals ein Escentric Molecules-Oud-Parfum geben?"

"Nein!"

"Warum?"

"Oud … das gehört nicht in unseren europäischen Parfumkulturkontext. Für unsere Nasen riecht es eher krass, es riecht irgendwie modrig und dumpf animalisch." Wieder grinst er. "Kurz gesagt: Es stinkt. M7 war das erste europäische Parfum damals von YSL, in dem Oud war ... und damit es nicht nur danach riecht, sind noch viele andere Dinge drin, wie z. B. Ethylvanillin, um es abzufedern.

Louce meint zum Thema Oud, dass doch aber gerade das Stinken reizvoll genutzt werden kann: "Eben die Noten, die an sich stinken, haben das Potenzial, dass man haargenau an der Grenze zwischen Anziehung und Abstoßung etwas sehr Gewinnendes macht. So wie mit stark indolischem Jasmin. Der stinkt auch… und ist eine klassische europäische Parfumzutat." Zum Reiz der Beinahe-Abstoßung nickt Geza Schön - der durchaus gerne mit Zibet und Castoreum arbeitet - und als Ronin von Bertrand Duchaufours Oud Shamash erzählt, das Schön noch nicht kennt, ist er sehr interessiert. Er findet aufschlussreich, dass Ronin die ätherische Qualität, die Oud auch hat, hier gut herausgearbeitet findet. Oud reizt ihn trotzdem nicht als Rohstoff, aber was andere damit machen, muss nicht per se schlecht sein.

Überhaupt findet Geza Schön keine negativen Worte für andere Parfumeurinnen und Parfumeure und trennt genau von der zum Teil harschen Kritik an den Labels.

Wir haben selten jemanden erlebt, der einerseits exakt, direkt druckreif spricht und andererseits enorm spontan und ehrlich rüberkommt. Geza Schön wirkt und ist völlig klar. Er weiß genau, was er sagen will und formuliert präzise. Dennoch ist das, was er sagt, kein polierter PR-Text, sondern ungekünstelt und offen. Wir haben Spaß an diesem Gespräch und lernen gerade viel.

Ob Parfumerie seiner Meinung nach Kunst sei, wollen wir wissen. Die Frage mag Geza Schön gar nicht. Er verzieht kopfschüttelnd das Gesicht. "Ach, das mit der Kunst. Das ist zu groß. viel zu groß! Dauernd wird erzählt, Parfum sei Kunst, alle sind Künstler, alles ist so groß, so toll, so Kuuuunst. Ich bin kein Künstler. Ein Künstler schafft aus einem starken Drang heraus. Es geht um etwas Unbedingtes. Er muss sich ausdrücken und dann eben nur so wie er das dann macht und kann."

"Sie müssen nicht?"

“Doch, auch ich möchte mich parfümistisch audrücken, aber das kann ich auch, ohne mich Künstler nennen zu müssen."

“Aber leben könnten Sie auch ohne Parfumerie?"

"Ja klar. Ich könnte auch ohne überleben. Es ist mir sehr wichtig … aber ich könnte auch ohne. Es gibt ja noch jede Menge andere spannende Disziplinen! Außerdem ist meine Arbeit sehr handwerklich, sie hat viel Technisches und ein Parfumeur muss viel wissen über das Drumherum, viel Kulturelles und Fachliches."

Wir haken nach: "Was ist Parfumerie dann? Design? Kunsthandwerk?"

"Kunsthandwerk." Geza Schön nickt. "Ja. Der Begriff gefällt mir ganz gut dafür. Kunsthandwerk … darüber denk ich noch nach, aber erstmal klingt es sehr passend."

Die Frage, die wir Parfumprofis immer stellen: "Was sind die Parfums von anderen, die Sie richtig schätzen oder auch selbst benutzen?"

"EdTs und EdPs anderer Brands verwende ich so gut wie nie. Klar probiere ich Kreationen, an denen ich arbeite, bei mir oder auch anderen aus. Ich habe eine lustige Kollektion von diversen Deosticks, die ich benutze, von z.B. Antaeus, Eau Sauvage, Guerlains Vetiver, Kouros, Drakkar Noir oder Armani Eau pour homme."

Wir schauen erstmal verblüfft abwechselnd uns und den modischen 44jährigen an. Altherrenklassiker? Aber eigentlich ist in Anbetracht seiner bisherigen Antworten die Präferenz von Vergangenheits-Meilensteinen durchaus konsequent.

Und welches Parfum findet Geza Schön richtig schlecht?

"Womanity ist mit Abstand das schlechteste, dann kommt lange Zeit nichts. Auf eine eklige Art fischig. Und das wird dann "Kaviar" genannt! Allein schon diese Überdosis von 0,1 % Filbertone, was ultimativ nach Haselnuss riecht, ist gruselig ... brrr!"

Er schimpft heftig auf die Frechheit Womanity, das seiner Ansicht nach nur noch weiterhin in den Regalen stehe, weil die Marke Thierry Mugler keinen Flop offenkundig werden lassen wolle. Wir halten diese These für durchaus wahrscheinlich. Angel von Thierry Mugler findet er zwar nicht wirklich schön, attestiert aber Qualität und Originalität.

Wenn viele der Labels so oft Crap machen - welche Marken machen es denn seiner Meinung nach richtig?

"Hermès macht zurzeit fast alles richtig. Seit Jean-Claude Ellena als Hausparfumeur angestellt wurde, hat Hermès eine klare Linie und fast alle Neuerscheinungen sind originell und sehr gut. Bis vor einigen Jahren galt das Gleiche für Comme de Garçons. Mark Buxtons Comme de Garçons 2 ist für mich einer der schönsten Düfte von denen. Leider wurde etwas der Fokus verloren, zu viele Serien in zu kurzer Zeit verwässern Stil und Qualität des Hauses."

Die ausgemachte Zeit ist schon längst vorüber und wir könnten noch stundenlang weiter reden. Nach einem Blick auf die Uhr vertagen wir das aber. Wir bedanken uns für das aufschlussreiche und ausnehmend kurzweilige Gespräch.

Wir sind uns sicher: Geza Schön wollen wir wieder treffen. Vielleicht findet er Zeit für uns, wenn sein 04-Paar kommt?

Wir haben ihn witzig und klar, leidenschaftlich (aber dabei realistisch), visionär (aber dabei bescheiden) und phantasievoll (aber dabei null verträumt) erlebt. Ein Profi, der nicht entrückt unirdische Floskeln von Schönheit und Duft von sich gibt, aber dafür in eindeutige Worte fassen kann, an welcher Schönheit von Duft er wie arbeitet. Und was er sagt, passt übereinstimmend zu dem, was wir bisher riechend von seinen Düften kennen lernen konnten. Dass Produkt und Selbstentwurf zusammen passen, ist komplett logisch und eigentlich überhaupt nicht überraschend, könnte man meinen, … aber nein, genau das ist im Grunde sehr überraschend: Dass da ein roter Faden existiert, der wirklich zu riechen wie zu denken ist, und dass die Person so glaubwürdig und authentisch zum von ihr Gemachten passt, das ist im Parfum-Business eben nicht selbstverständlich. Und gerade Geza Schön - mit seinen Erfahrungen als angestellter Parfumeur und jetzt als Selbständiger - ist bestes Beispiel dafür, wie in der selbst geschaffenen Nische Freiheit und Unabhängigkeit der Fall sein können. Nicht alles, was "Nische" genannt wird, ist echt und bietet das - aber es gibt sie, die Nische. Den Raum, in dem etwas möglich wird.

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