Precious
Precious’ Blog
vor 8 Jahren - 02.01.2016
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DING DONG - Ihre Avon-Beraterin ist da!!!!

Als ich ungefähr zwölf Jahre alt war, kam regelmäßig eine Avon-Beraterin zu meinen Eltern ins Haus, um meiner Mutter einige Produkte zu verkaufen. Sie nahm sich für diese Besuche recht viel Zeit, bekam Kaffee und Kuchen gereicht und zeigte uns ihre Kataloge, in denen es so schöne Dinge gab wie das Skin-So-Soft Badeöl, tolle Lippenstifte in allen erdenklich hübschen Rottönen, Düfte in kitschig-schönen Flakons, verführerische Cremetöpfe und vieles mehr. Ihr Besuch stellte immer einen kleinen Höhepunkt in unserem Alltag dar und wir freuten uns auf sie. Ich erinnere mich noch eindrucksvoll, als wäre es erst kürzlich gewesen, dass die Beraterin an einem dieser Nachmittage, meiner Mutter und mir sämtliche neuen Düfte vorstellen wollte.

Wir waren nicht abgeneigt, im Gegenteil, wir fanden es richtig aufregend an einem grauen, langweiligen Tag im Winter, uns durch das Avon Duftangebot schnüffeln zu können. Irgendwie klang das vielversprechend und sehr unterhaltsam. Es gab Duftpröbchen zum Tupfen, Duftpröbchen zum Sprühen und auch Cremeparfums, deren Duft sehr intensiv u. extrem haltbar war. Während sie uns mit vielen verkaufsfördernden Worten versuchte, ihre Düfte schmackhaft zu machen, war unsere Begeisterung groß. Für mich als Kind war das Ganze sehr spannend, selbst Stunden später schwirrten mir noch Parfumnamen wie Occur, Elegance, Moonwind und Unforgettable durch mein kindliches Mädchenhirn. Weder meine Mutter noch ich hatten Ahnung von Avon-Düften. Wir kannten nur einige, wenige Parfüms, dafür aber viele schöne, wohlriechende Seifen. Wir waren sozusagen ahnungslos und wussten nicht, auf was wir uns da eingelassen hatten. Um es kurz zu machen: Dieser unvergessene, unglückselige Nachmittag endete damit, dass ich mir mindestens acht bis zehn Düfte an Händen und Armen auftragen ließ und ich in einer unbeschreiblich aufdringlichen Duftwolke durch die Wohnung schwebte und mir nach einiger Zeit furchtbar schlecht wurde. Es wurde mir sooo schrecklich übel, dass ich, inzwischen kreidebleich im Gesicht, mich in mein Bett legen musste und mir das dicke Federbett bis zum Hals hochzog, damit auch nicht das allerkleinste Avon-Duftmolekül mehr in meine Nase steigen konnte.

Das alles half aber nicht wirklich gut - denn die Übelkeit hielt hartnäckig an. Die Dufteindrücke hatten sich so fest in mein Hirn gebrannt, dass ich sie roch, auch ohne sie wirklich zu riechen. Es war ganz schrecklich und meine Mutter wusste sich keinen Rat. So lag ich da in meinem Bett und hoffte, dass dieser Anfall vorübergehen und ich diese Duftattacke, die beinah an Körperverletzung grenzte, überleben würde.

Schließlich kam mein Vater von der Arbeit und sah, was die Avon-Beraterin angerichtet hatte. Die Tochter lag stocksteif und käseweiß in ihrem Bett, neben dem zur Sicherheit ein Eimer stand, und seine Ehefrau klagte über aufkommende Migräne. Meinen Vater überkam wohl schreckliches Mitleid mit mir und meiner Mutter, und wie Männer so sind, sie suchen ja immer nach Lösungen, kam er mit einer Schüssel voll kühlem Wasser und einem Stück Seife bewaffnet an mein Bett. Vorsichtig und dankbar hielt ich ihm meinen Arm hin und mir die Nase zu, während er mir mit Waschlappen und Seife die Düfte von der Haut schrubbte, so gut es eben ging. Selten habe ich meinen Vater so besorgt und fürsorglich erlebt.

Irgendwann ging es mir wohl wieder besser und ich muss erschöpft eingeschlafen sein. Daran kann ich mich jedoch nicht mehr genau erinnern. Auf jeden Fall habe ich überlebt. In meinem ganzen Leben habe ich nie wieder so viele Düfte auf einmal getestet.

Ich bin überglücklich, dass dieses traumatische Ereignis nicht meine Freude und Neugier an schönen Düften getrübt hat. Nicht auszudenken - ich wäre ja dann auch nicht bei Parfumo gelandet und hätte viele sehr nette Menschen nicht kennengelernt... Von den vielen herrlichen Düften mal ganz abgesehen.



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