Floyd
Top Rezension
10
Westliche Nase verspeist orientalischen Bären!
Es gibt Tage, da verspeist Du den Bären, und dann gibt es Tage, an denen wirst Du eben vom Bären verspeist. So sprach der smarte Cowboy zum Dude an der Bar im Bowlingcenter. In etwa so ähnlich ist es wohl auch mit dem Verhältnis westlich geprägter Nasen zu den echten orientalischen Düftölen aus Al Haramains sagenumwobenem Kaugummiautomat. Ich erwähnte ihn bereits und unten kann man in den Statements den Erfinder des Gerätes ausfindig machen. Ich hab's nochmal mit ihm versucht und dieses Mal spuckte er mir für ein paar Münzen "Jannah" aus dem Slot. Sieht ein bisschen so aus, als hätte jemand die Wunderlampe in die Länge gezogen. Okay, geht, gibt wirklich Schlimmeres.
Dann überrascht mich "Jannah". Immer wieder abends träufle ich mir, wie so'n kleiner Junkie, ein paar Tropfen auf die Handgelenke. Übrigens: Öle nicht zu sehr verreiben, es kommt nämlich kein höflicher hilfsbereiter Geist raus, nein, "Jannah" ist erstmal kurz subtil grün-frisch, fast schon westlich geprägt. Gut, er ist grün, vielleicht doch ein Geist im Tweed-Sakko, so ein Terence-Hill-Typ, denke ich mir, aber dann ist es auch schon vorbei mit der Kopfnote.
Schon kurz danach streckt eine türkische Rose ihr Köpfchen raus, flankiert von erdigem, eher schmutzigem Patchouli und leicht animalischem Oud, der durch den Gurjun einen etwas medizinisch-harzigen Anstrich bekommt, einer ebenfalls gut wahrnehmbaren Rosengeranie und eher undefinierbaren Gewürzen. Ylang-Ylang kann ich nicht verorten, aber vielleicht ist sie es, die die Rose vom Blühen abhält, sie etwas verwäscht. Moschus und Sandelholz nehme ich im gesamten Verlauf nicht wahr. Es stellt sich auch nie die Tiefe ein, die man bei westlichen Rose-Oud Düften gewohnt ist, nein, "Jannah" bleibt immer etwas schmutzig, und das mag ich auch mal ganz gern. Allerdings will ich damit nicht sagen, dass orientalische Düfte keine Tiefe hätten. Im Gegenteil! Ich meine diesen hier im Vergleich zu den westlichen Rose-Oud-Düften, die man kennt.
Im Verlauf changiert er etwas im Bereich der genannten Noten, wird nicht wirklich langweilig. Zu wolkig ist er auch nicht: Etwa eine Stunde lang auf Armlänge, später sitzt er ziemlich eng. Bei mir hält "Jannah" etwa sechs bis acht Stunden durch, verabschiedet sich erdig-oudig.
"Jannah" ist für mich ein orientalischer Oud für westliche Einsteiger, vielleicht der Schlüssel zum Orient oder zumindest eine alte Adlerholzbrücke dahin, auf deren Planken schmutzige Rosen liegen, haben doch schon viele Schuhe ihre Erde auf ihnen verteilt. Da verspeist die westliche Nase den Bären! Er funktioniert für mich an Sommerabenden genauso, wie ich ihn mir in den kälteren Jahreszeiten gut vorstellen kann. Und für den Preis ist er wirklich richtig lecker!