"Seven Veils", was für Erinnerungen habe ich da und somit auch Erwartungen. Wenn ich es recht bedenke, ist dieser Duft so, wie vermutlich der imaginierte Schleiertanz einmal entstanden ist: Als akrobatisches Tanzspiel mit Stoffbahnen, die keineswegs zart und durchscheinend waren.
Als ich den Namen las um einen Duft zum Testen auszuwählen dachte ich sofort an damals, vor 30 Jahren ungefähr. Als wir noch nicht von allem ahnten, was kommen würde, angefangen mit dem Verschwinden des "Eisernen Vorhangs". Als wir noch unbefangen waren, was die orientalischen Kulturen betraf und voller Neugier.
Eines Sommerabends war ich zu einer Frauenfete: "Arabischer Tanz" in der Nachbarstadt eingeladen: Ein Rock oder weite Hose mit dehnbarem Bund und ein großes Tuch waren mitzubringen. Ein Ägypterin war die Gastgeberin, Mariam. Neugierig bin ich hin, ich kannte bis dato nichts davon, außer ein paar kurze Filmsequenzen im Fernsehen, das fand ich schon faszinierend.
Und dann habe ich mitgetanzt. Es wurde vorgetanzt einzeln und von Gruppen, Sketche zum Brüllen komisch wurden dargeboten, wenn auch noch ein wenig unverständlich für mich. Mariam tanzte den Schleiertanz, sie tanzte den Stocktanz, sie tanzte den Leuchtertanz. Toll! Und immer wieder hat sie und ihre Gruppe uns Gäste zum Tanzen animiert, wir brauchten das "nur" nachzumachen. Unbedingt waren die Röcke zu tragen, der Bund etwas runtergezogen und das Tuch fest um die Hüfte zu geschlungen. "Ganz fest, sonst spürst du deine Hüften nicht!" Befahl Mariam. Als das letzte Mal die mir ganz eingängige ägyptische Tanzmusik lief und ich eifrig mitmachte, zeigte Marian auf mich und sagte: "Du da, du bist begabt und gelenkig wie mit Kugelgelenk im Bauch, bist groß und schlank, du kannst sofort in meiner privaten Gruppe mittanzen, wenn du willst, wir proben jeden Mittwoch 2 Stunden.
Wenigstens einmal im Leben wurde ich so "entdeckt" immerhin.
Trainiert wurde in einfachen Röcken, große Tücher um die Hüfte geschlungen, ohne Klimmbimm, wenn mehrere damit tanzen nervt das in kleineren Räumen total. Und nur barfuß oder mit Balletschläppchen. Es ging streng zu: "Was machst du, zieh den Rock höher, das sieht obzön aus, wackel nicht so mit dem Busen, das ist ordinär! Was sind das für große konvulsive Bewegungen, was machst du mit den Männern, wenn du so tanzt? Wo hältst du deine Hände, was soll das sonst bedeuten?..."
Ab und an wurden an Wochenenden Workshops organisiert. Immer kamen Männer als Lehrer, arabische Balletttänzer von europäischen Bühnen.
Und also gab es auch Intensivkurse im Schleiertanz. Das erste Mal haben wir schon ein wenig befremdet geguckt. Ein Mann, vielleicht um die 50, groß, ein gepflegter netter Bauch, nix Waschbrett, sonst schlank, graue Haare und eine "Knieglatze". Und dann kam er aus der Garderobe der Turnhalle in einem braunen Gymnastikanzug, barfuß mit einem großen halbtransparenten Schleier von Braun zu Sonnengelb changierend mit leise klimpernden dünnen Münzen versehen. Mariam hat uns streng angeguckt, damit wir ja nicht kicherten, der Mann verstand keinen Spaß, wenn es da vorne bei der Anleitung auch immerzu liebenswürdig zuging: "Habibi" hier und "Habibi" da.
Die Tanzschleier müssen für jede Körpergröße individuell in der angepasst sein, Armspannweitenlänge plus 30 cm ca. und die Höhe bis zur Taille reichend.
Natürlich aus feinem Stoff, der sich nicht zu leicht bewegt, sondern nachschwingt. Das wurde vorher alles mit Mariam festgelegt.
Das ist schon ein großes Stück Stoff, wenn man damit herumwirbelt und wenn man ungeschickt ist, tritt man darauf und - äh - kommt ein bisschen unelegant aus dem Tritt. Wenn man nicht wie gefesselt auf die Stelle genagelt wird, weil einen der Schleier nach hinten zieht, wenn man mit der Ferse daraufsteht. Oder wenn er sich um Kopf um Arme verheddert und man wie ein gerupftes Huhn aussehend sich daraus befreien muss.
Also ging es das ganze Wochenende die große Turnhalle rauf und runter mit großen Beinschwüngen. Dabei so viel Raum einnehmend, dass man sich ohne die anderen zu berühren mit ausgebreiteten Armen drehen konnte. Und dabei immer übend, wie man diese Stoffbahn akrobatisch nach der Musik und den passenden Körperbewegungen und den vorgeschriebenen Schritten dazu um sich schweben und wirbeln lässt. Wie man ihn im richtigen Moment elegant zur Seite schweben lässt, damit man frei weiter tanzt ohne Unterbrechung. Wie man sich zu Beginn verheißungsvoll elegant in den Schleier gehüllt dem Publikum tanzend nähert und dann immer in Bewegung den Schleier auffaltet.
Aber dieser Mann und Tänzer hat uns damals als erstes den Tanz mit dem Schleier vorgetanzt. Wir haben den Gymnastikanzug, das Bäuchlein, die grauen Haare nicht mehr wahrgenommen als er zu tanzen begann. Er hat so perfekt getanzt, den Schleier so unnachahmlich elegant und kraftvoll um sich bewegt wie ich das hier gar nicht beschreiben kann. Sobald er und die Musik begannen hat man wie magisch mittanzen wollen. Aber zunächst hat er uns gescheucht bis zur völligen Erschöpfung.
Also so ein Wochenende habe ich mindestens ein Kilo abgenommen. Für mich unvergeßlich und betrübt werde ich, wenn ich manchmal auf Zeitungsfotos hier diese Möchtegern-Bauchtänzerinnen sehe, wie sie ungeschickt und falsch den Schleier in den Händen halten, "unziemlich" entblößt sich öffentlich abbilden lassen, dann denke ich an Mariam, an die Workshops, an den Rausch, den man beim "Shimmy" (ganz schnelles feines Schüttelzittern einzelner Körperregionen) empfindet und auch beim Schleiertanzen.
Und dann jetzt "Seven Veils" als Duft: Ein trockener, kräftiger und würziger Duft, holzig. Und fruchtig, das müssen die Sultaninen in der Tajine sein, in der gerade eine Speise gart. Schleiertanz ganz burlesk mit einem bunten, gestreiften groben Tuch.
Und ich stelle mir vor, wie wir mit Mariam eine kleine Choreographie mit Tajine erfunden hätten. Wir mit Tajine zu den sinnlichen Bewegungen des Tanzes mit feuriger Musik das Kochutensil pantominisch als Lehrstück wie man damit kocht uns gegenseitig zureichend zum Beispiel. Das Publikum würde Spaß damit gehabt haben und wir auch.
Im Ernst, "Seven Veils" ist ein strenger Duft, jetzt, nach etlichen Stunden hat sich Sandel und Vanille durchgekämpft, der Duft wird weicher, eine Spur lieblich. Zwischenzeitlich roch es mir auch leicht metallisch. Von Blüten wie Blauregen, dessen Duft ich genau kenne, habe ich nichts wahrnehmen könne, leider. Wie Oleander duftet, weiß ich nicht. Ebenso erinnerte mich "Seven Veils" in Intervallen immer wieder an bestimmte "Demeter Fragance Library" - Düfte, wie "Humidor". Jedoch ist es schon ein Jahr her, dass ich letzteren getestet habe.
Schön an "Seven Veils" ist für mich, dass es so polterig wie es auch sein mag, mir pralle Erinnerungen zurückgerufen hat.