Baudelaire 2009

Baudelaire von Byredo
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7.6 / 10 255 Bewertungen
Ein beliebtes Parfum von Byredo für Damen und Herren, erschienen im Jahr 2009. Der Duft ist würzig-ledrig. Es wurde zuletzt von Manzanita Capital vermarktet.
Aussprache
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Duftrichtung

Würzig
Ledrig
Holzig
Rauchig
Erdig

Duftpyramide

Kopfnote Kopfnote
schwarzer Pfefferschwarzer Pfeffer WacholderbeereWacholderbeere KümmelKümmel
Herznote Herznote
WeihrauchWeihrauch LederLeder HyazintheHyazinthe
Basisnote Basisnote
PapyrusPapyrus PatchouliPatchouli schwarzer Amberschwarzer Amber
Bewertungen
Duft
7.6255 Bewertungen
Haltbarkeit
7.5190 Bewertungen
Sillage
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Flakon
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Preis-Leistungs-Verhältnis
5.821 Bewertungen
Eingetragen von Kankuro, letzte Aktualisierung am 03.02.2024.

Rezensionen

19 ausführliche Duftbeschreibungen
8
Flakon
7
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
FvSpee

323 Rezensionen
FvSpee
FvSpee
Top Rezension 38  
Vergesst Baudelaire!
Ein gelungenes Parfüm als Gesamtkunstwerk, das den Geist und die Seele zum Schwingen bringt, besteht nicht nur aus dem Duftwasser an sich, sondern fast ebenso sehr aus seinen Akzidentalia: Seiner Farbe, der Form und dem Material seines Flakons und seiner Verpackung. Da verhält es sich nicht anders als bei einem guten Essen, das, um den perfekten Genuss zu bieten, nicht nur die richtige Geschmackskomposition, sondern auch ansprechende Form und Farbe aufweisen und auf einem schönen Teller präsentiert sein sollte.

Zu diesen Akzidentalia gehört auch der Name des Duftes. Er weckt Erwartungen, beflügelt unsere Phantasie, lenkt unsere Duftwahrnehmungen in eine bestimmte Richtung. Bei Byredos „Baudelaire“ war dies, wie die Kommentare und Statements zeigen, in geradezu mustergültiger Form der Fall.

Das Leben des französischen Dichters, Kritikers und Übersetzers Charles Baudelaire war ein Höllenritt aus körperlichen und psychischen Krankheiten, Alkohol- und Drogenmissbrauch, Erfahrungen des Scheiterns in Beruf und Liebe und schließlich Verarmung, Elend und Tod. In seinem Werk setzt sich Baudelaire sich mit diesen Erfahrungen auseinander; es kann teils als Aufbäumen gegen die Kräfte der Dunkelheit und Zerstörung gelesen werden, gleichsam als Versuch einer Selbsttherapie, teils aber auch als kokettes Spiel am Abgrund, als affirmative oder jedenfalls resignative Feier einer korrupten Schönheit. Die Titel zweier Hauptwerke des Namensgebers dieses Duftes sprechen für sich: „Les fleurs du mal“ („Die Blumen – oder Blüten – des Bösen“) und „Les paradis artficiels“ („Die künstlichen Paradiese“ – Über Drogenerfahrungen). Sein Gedicht „Spleen“ ist ein mustergültiges literarisches Abbild schwerer klinischer Depression.

Die ganz überwiegende Anzahl der hier zu lesenden Rezensionen knüpft hieran an und attestiert „Baudelaire“ vorwiegend enorm verstörende, abgründige, düstere, geradezu selbst- und fremdmörderische Qualitäten. Mit jeweils ganz eigenen Akzentuierungen kann hier (bloß exemplarisch) auf die sprachlich und deskriptiv-analytisch ihr Prädikat „erstklassig“ absolut zu Recht tragenden literarischen Miniaturen von Cravache, Ergreifend und Turandot verwiesen werden. Dabei wird jedoch auch ein wesentlicher Unterschied erkennbar: Die ersten beiden goutieren das Grauen: Cravache nimmt verwesende Leichen war, Ergreifend spürt, wie ihr die Seele ausgesaugt wird, und beide honorieren dies mit Höchstwertungen. Turandot dagegen schreckt vor dem Abgrund zurück, bewertet den Duft niedrig, entschuldigt sich aber bei uns für ihre vermeintliche Nervenschwäche.

Ich halte diese Herangehensweise an „Baudelaire“ für legitim und fruchtbar, nicht aber für zwingend. Ich plädiere dafür, einen alternativen Zugang zu diesem Duftkunstwerk zu eröffnen, der es vielleicht erforderlich macht, die Bande, die uns an seinen Namen anhaften lassen, beherzt mit dem Schwert zu durchhauen, und zuerst einmal alles zu vergessen, was wir je über den traurigen Charles gehört haben.

Dies könnte dazu führen, dass wir – so wie es bei mir der Fall ist, und in durchaus seltener Dufteinmütigkeit auch bei dem Näschen an meiner Seite – diesen Duft als ungemein schön empfinden, und dabei als zwar aufregend besonders, als kontrast- und spannungsreich, aber nicht als verstörend, weder im Sinne der Wahrnehmung einzelner übelriechender Noten, noch im Sinne von Dissonanzen in der Komposition.

Ich nehme eine Anfangsphase von etwa einer halben Stunde oder etwas mehr wahr, die ich beim ersten „Volltest“ eher als trockene, kräftige, dezidiert unsüße Würzigkeit begriff, um beim nächsten Versuch am Folgetag dann auch einen noch immer unsüßen, etwas bitteren und dabei überraschend fruchtigen Ton zu verspüren. Die mehrstündige Hauptphase, bei der nach meinem Dafürhalten keine Einzelnote dominiert, imponiert mir ernst, kontrastreich und dynamisch, ja, ein wenig kühl und vielleicht sogar dunkel, aber durchaus auch kraftvoll-energisch. Wenn die Duftpyramide hier Hyazinthe, Leder und Weihrauch angibt, glaube ich das aufs Wort und halte dafür, dass die Wacholderbeere aus der Kopfnote noch und das würzigfrische Amber und wohl auch Papyrus (ohne dass ich genau wüsste, wie das riecht) aus das Basisnote schon in diesen Gesamteindruck hineinspielt, wie überaupt Kopf- und Herznote hier kongenial ineinander übergehen. Ein bisschen weniger der Fall ist dies allerdings beim Übergang von der Herznote in die stabile, bei mittlerer Dosierung auch noch nach 14 Stunden sanft wahrnehmbare, stark von Patchouli geprägte Basis. Ich empfinde diese als zwar sehr angenehm, aber als im Vergleich zum vorherigen dynamischen Geschehen etwas zu stark abfallend. Das ist dann sehr schön und sehr irenisch, aber gar nicht mehr aufregend, was dem Duft bei mir die Chance auf eine Höchstbewertung nimmt.

Drei Düfte, die ich sehr mag, und die ich für „verwandt“ mit diesem Duft halte – allerdings eher frei assoziierend im Sinne einer entfernten geistigen Verwandtschaft und natürlich überhaupt nicht im Sinne von „Duftzwilling“ – sind „Dior Homme“ (minus dessen tiefe, satte Weichheit; stattdessen härter, kühler und offener), „Ambre 114“ von „Histoire des Parfums“ (minus dessen überbordende Opulenz, dafür strenger, reduzierter und konzentrierter) und „Heritage“ von Guerlain (minus dessen prickelnd-verspielte zitrische Frische in der Kopfnote, dafür sehr viel frontaler) – überhaupt empfinde ich „Baudelaire“ als ziemlich guerlinesk.

Das Ausblenden aller mit dem Leben und Werk des Dichters verbundener Assoziationen könnte dann weiter dazu führen, dass dieser schöne, kraftvoll-drängende und ernste Duft ganz andere Bilder und Werte aufsteigen lässt als an Hölle und Dämonen. Dieses Kappen der Nabelschnur zum Namen „Baudelaire“ könnte zur Folge haben, dass wir bei diesem Duft nicht im Geringsten an Vampire, Leichen, Moder und Elend denken müssen. Ich musste es nicht. Mir kamen beim Testen sehr helle und humanistische Impulse, etwa solche des wackeren Aufspürens von verborgener Schönheit und Menschlichkeit und des ruhigen und stetigen Kampfes gegen Leid und Niedertracht.

Und, ganz am Rande, wir dürfen dies tun! Wir sind nicht moralisch verpflichtet, nach etwaigen Spuren von Dekadenz und Krankheit in diesem Duft zu suchen. Wir müssen nicht einmal zwingend die Werke von Baudelaire lesen (auch wenn diesen Schönheit und Wert nicht abgesprochen werden soll)! Wir dürfen das sogar tun, ohne uns mit dem Gefühl vom Platz schleichen zu müssen, Weicheier, Schattenparker und Warmduscher zu sein. Denn auch wer dem menschlichen Elend in all seinem Ernst und seiner irreduziblen Größe ins Gesicht zu sehen bereit ist, muss keineswegs ein Freund seiner literarischen oder olfaktorischen Poetisierung sein.

Habe ich aber nicht eingangs gesagt, dass der Name zum Duft untrennbar dazugehört? Nun, stellen wir uns vor, dass Byredo mit der Namensgebung „Baudelaire“ eine ironische falsche Fährte legen wollte. Oder dass gar nicht Charles Baudelaire gemeint ist, sondern der (bislang völlig unbekannte) tapfere, durch Heldentaten des Alltags glänzende Feuerwehrmann Jean-Pierre Baudelaire aus der Pariser Banlieue.
12 Antworten
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Cravache

64 Rezensionen
Cravache
Cravache
Top Rezension 0  
Vom Sterben und Hoffen
Wer Baudelaire auf einem Flakon liest, erwartet einen Duft, der eine ungeheure, zerreißende Spannung zwischen Hellem und Dunklem in sich birgt. Wobei das Hässliche, Dunkle, Tragische und Morbide dominieren und zum Schluss stets über das Helle, Schöne und Lebendige siegen wird. Wenn auch immer wieder durchbrochen von einigen kurzen lichten und strahlenden Momenten, die der in der reißenden Sturmsturmflut ertrinkende, noch in der Schwebe zwischen Leben und Tod stehende Mensch vom nahen Leuchtturm oder einigen blauen Flecken am Himmel wahrzunehmen glaubt.

Charles Baudelaire war ein im Leben gescheiterter, ungeliebter, unglücklicher, depressiver Mensch. Zeit seines Lebens gequält von Minderwertigkeitskomplexen, Geldproblemen und Geschlechtskrankheiten. Sein wohl bekanntestes Werk, Les Fleurs du Mal, ist geprägt von tiefem Pessimismus, umfassender Düsterheit, großer Desillusion, brüchigem Gefüge und allgegenwärtiger Hässlichkeit. Die Welt um 1840 bis 1860 erscheint ihm ganz und gar düster, lähmend schwermütig, hoffnungslos morbide und kaputt. Die Menschen leben oder vielmehr vegetieren zerrissen zwischen dem Guten, Hellen und dem meist obsiegenden Bösen, Dunklen dahin. Sie scheitern oft tragisch am Leben.

Die Kopfnote von Baudelaire zeichnet mit kräftigem Pinselstrich das Bild eines anstehenden Unheils. Ein unmittelbar bevorstehendes katastrophales Unwetter. Eine Sturmflut, bei der sich gewaltige, alles dahinraffende Naturgewalten von ungeheurer Heftigkeit entfesseln. Nach dem Aufsprühen von Baudelaire dominieren aromatische Noten. Milder würziger Kümmel, schwarzer Pfeffer sowie krautige, rauchige bis ledrige Wacholder.

Und dann, wie drohend angekündigt, öffnet der Himmel und die Hölle, auszumachen ist das nicht mehr, seinen dunklen, fauchenden Schlund. Das Unheil bricht mit gewaltiger Kraft über das schutzlos ausgelieferte Land herein. In Form von dunkler Hyazinthe, Laubnoten, dunklem Leder und rauchigem, trockenem Weihrauch, der bis zur Basis abdunkelt.

Auch wenn die unheilschwangere Wolkenwand jederzeit in sich zusammenbrechen und alles Lebendige für immer vertilgen könnte, bleibt die erdrückende Bedrohlichkeit der furchteinflößenden Wand dunkelster und mächtigster Wolken stets stärker und bedrohlicher als das tobende Unwetter selbst.

Ab und an sind Lichtblitze eines einsam flackernden Leuchtfeuers auf dem weit entfernten Festland auszumachen. Man bildet sich ein, ein zaghaftes Stücklein Himmel erspähen zu können, das sofort wieder von schwarzen Wolkenungeheuern verschlungen wird.

Echte Hoffnung keimt auf im Unwetter. Immer wieder für eine Zeit lang, um aber jedes Mal wieder im Toben des übermächtigen Unwetters zerschmettert zu werden. Ein Schweben zwischen Leben und Tod, bei dem der Tod immer wieder seine Beute fordert, um sie zu vertilgen.

Die ungeheure Wolkenwand zieht sich langsam etwas zurück. Die allerschwärzesten Wolken weichen langsam dunkelgrauen. Es ist eine Note auszumachen, die an gebrochenes säuerliches Schilf erinnert, das nach einem Herbststurm gräulich und elend am nebligen und erdigen Boden darniederliegt.

Von nun bestimmt Patschuli den Duftverlauf. Feucht, holzig, erdig, süßlich. Einige Seelen wurden vom Sturm und den eiskalten Wellen von Bord gerissen. Ihre Leichen vermodern langsam am nassen, erdigen Strand. Zusammen mit einigen zerschmetterten Holzplanken. Erde und Schilf überwuchern allmählich ihre Körper und radieren das Andenken an die Verstorbenen aus.

Beruft man sich auf Charles Baudelaires „Les Fleurs du Mal“, müsste der Duftverlauf hier zu Ende sein. Bei Byredo geht die Duftstory jedoch noch weiter. Nach einigen Stunden tritt Ambra, immer noch dunkel wie die Nacht, aber doch hoffnungsvoll holzig, trocken, süßlich bis tabakartig, hervor.

Einige Menschen sind von den Fluten des Unwetters dahingerafft worden. Aber nicht in lähmender Resignation, sondern im todernsten, aber nicht hoffnungslosen Kampf zwischen dem Dunklen und dem Lichten.

Das Dunkle konnte nicht alles Menschliche wegraffen. Auch wenn das Helle, silbern Funkelnde am Horizont noch nicht erkennbar ist, das Unheil weicht zurück. Es wird nicht hell, sondern die Nacht bricht herein. Eine ruhige, trockene, warme Nacht, welche die Hoffnung auf das Erleben des nächsten Tages nicht sterben lässt.
13 Antworten
7.5
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Meggi

1019 Rezensionen
Meggi
Meggi
Top Rezension 25  
Wie ein waschbares Mikrofaser-Tuch oder ein Wunder-Bierglas
Schade, dass schon jemand von der Verwandtschaft zu Memoir Man geschrieben hat. Da bin ich nämlich von alleine drauf gekommen. Und ich meine natürlich nicht die explizite Bezugnahme auf Baudelaire bei beiden. Darüber mag man mit einem marketing-gesättigten Achselzucken hinweggehen. Es gibt vielmehr verblüffende Gemeinsamkeit im Duft, wenngleich sie einiges an Zeit brauchen und sich in der direkten Gegenüberstellung zudem relativieren.

Da ist zunächst der Eindruck von Wermut, gar Absinth (wobei ich letzteren mangels entsprechender Flüssig-Erfahrung vermuten muss) in der späteren Anfangsphase. Memoir Man hat diesen ein wenig rauchiger und holziger umhüllt, während bei Baudelaire eine würzige, beinahe fruchtige Note mitschwingt. Ich frage mich, ob das womöglich auf Wacholder zurückzuführen ist, dessen „rohe“ Beeren ich leider bislang nicht gerochen habe. Fruchtig ist im Grunde der falsche Begriff, mir fällt bloß kein besserer ein. Der Duft ist allenfalls ansatzweise fruchtig oder floral. Es ist eine Art Würze, die noch nicht getrocknet ist wie bei einem Gewürz aus dem Tütchen. Sie ist frischer, ölig, allerdings frei von jeder ätherischen Schärfe. Seufz. Ich geb’s auf. Ausprobieren. Ist ohnehin ein Test-Tipp hier (ja, trotz des folgenden Absatzes…), das kann ich dann genauso gut an dieser Stelle vorwegnehmen.

In anderer Hinsicht bietet der Anfang jeweils sehr deutliche Unterschiede. Zwei sind nasenfällig und der erste ist geradezu brutal. Die Auftaktmischung von Baudelaire mit ihrem komischen Müffel-Kümmel erinnert mich – ich kann es nicht anders sagen – latent an den Geruch eines Schuhes, wenn man zum Beispiel auf dem Bankett bei uns vor dem Haus nicht aufgepasst hat, wo man hintritt. Unbefestigte Gehwege sind bekanntlich besonders geeignet, jedweden Anstand (von Recht rede ich mal überhaupt nicht) bei lichtscheuem Gassigeher-Gesindel zu vertreiben. Vielleicht (gewiss!) ist der Herr Baudelaire gelegentlich in der Gosse erwacht und wir sollen uns daran erinnern. Genug davon, ist auch rasch überstanden und vergeben.

Wenden wir uns angenehmeren Abweichungen zu: Die Süßholz-Halspastillen-Note etwa (erinnert mich an den 1996 vom selben Hersteller), die rund vier Stunden durchhält, beschränkt sich auf den Byredo, ebenso das Leder, welches seinen Auftritt vornehmlich in der zweiten und dritten Stunde hat.

Anschließend fädelt sich der Byredo indes ganz allmählich dorthin ein, wo Memoir bereits angelangt ist: in eine mahagonifarbenen Holznote, sanft umspielt von Rauch und einem Rest Kraut, bei Baudelaire leicht aufgeraut von einer Patchouli-Beigabe. So unterschiedlich die Pyramiden-Angaben der beiden Schwärzlinge sein mögen, die charakterliche Ähnlichkeit ist nun größer, als die Papierform vermuten lässt. Oder? Irgendwie auch wieder nicht. Baudelaire ist süßer, luftiger und vor allem zurückhaltender. Die Holznote entwickelt sich bei ihm aus dem Süßholz-Eindruck heraus, bleibt ambrierter und insbesondere (patchouli)-staubiger.

Nach dem Vergleichstag mit Memoir Man habe ich natürlich zur Sicherheit noch einen weiteren Einzel-Test-Tag folgen lassen, denn der Amouage ist doch wesentlich lauter und ausdauernder. Seine Holznote begleitet mich bis weit in den Abend hinein, während diese bei Baudelaire Stunden zuvor dem Patchouli gewichen ist, welches seinerseits am Abend längst den Status einer verbliebenen Ahnung hat.

Und nun? Will ich den haben, wo ich den Memoir Man schon besitze? Vor Jahren habe ich bei einem allseits bekannten Discounter eine Art Selbstgespräch gehört. Ein…äh…seltsamer Typ (zumindest konnte er offenbar lesen, war vom Gesichtsausdruck her nicht selbstverständlich) hielt eine Packung mit zwei Mikrofaser-Tüchern in der Hand und meinte zu niemand bestimmtem: „Boah, is‘ ja geil ey - die kannst Du in die Waschmaschine tun und dann sind die immer wieder gut!“ Sprach’s und warf drei Päckchen mit je zwei Tüchern in den Einkaufswagen. Aha. Oder wie in diesem Ostfriesenwitz mit den drei Wünschen. Nachdem der erste ein Bierglas bescherte, das sich auf Kommando stets aufs Neue füllt, lauteten die beiden anderen: Noch zwei davon!

Muss ich mir ähnlich blöd vorkommen, wenn ich mir den hier jetzt zulege? Denn immerhin ist Byredo geringfügig teurer als eine Tüte Mikrofasertücher bei A…. Er gefällt mir ja durchaus sehr gut. Und er ist schließlich doch irgendwie ziemlich anders… He, Du bist anders, hörst Du? Hallo? Hört nicht. Ist weg. Hm.
14 Antworten
10
Haltbarkeit
6
Duft
Turandot

834 Rezensionen
Turandot
Turandot
Top Rezension 27  
Nichts für schwache Gemüter
Baudelaire sollte wirklich nur der tragen, der richtig gut drauf ist, denn in eher melancholischen Zeiten ist der Duft, zumindest für mich, dazu geeignet, von Melancholie in Depression abzurutschen. Vielleicht habe ich das Parfum einfach zum falschen Zeitpunkt getestet. Mein Kommentar sagt deshalb vielleicht viel weniger über den Duft, als über mich aus. Seht meine Beschreibung darum bitte nicht als Verriss an, das sie beileibe nicht.

Die Pyramide klingt für mich erst einmal verlockend, denn Wacholder, Weihrauch, Patchouli, das sind die Zutaten aus denen für mich mitunter Träume gemacht sind, aber bei diesem Parfum ist es doch von allem zu viel. Vielleicht ist es auch einfach zu kompliziert und ernsthaft für mich gestrickt. Und wenn Immel Alban Berg, Stravinsky und Hindemith ins Spiel bringt, dann gebe ich ihm recht, denn mit diesen Komponisten kann ich auch nichts anfangen, diese Musik hat sich mir auch noch nicht erschlossen. Dabei habe ich gar nichts gegen Düfte, die nicht fröhlich-freundlich daher kommen. Es darf schon olfaktorisch-besinnlich zugehen und etwas Dramatik tut einem Duft mitunter auch gut. Aber um bei der Musik zu bleiben, in so einer Situation wäre mir dann Beethoven doch lieber.

Dass Baudelaire ein dunkler Duft ist, der sich bis in die Basis nicht im Charakter ändert, das muss man schon anhand der Pyramide voraussetzen. Wer sich darauf einlassen kann, der wird allerdings vielleicht trotzdem wie ich bedauern, dass die Herznote gegenüber der alles beherrschenden Basis kaum eine Chance hat, richtig zur Geltung zu kommen. Vielleicht hätte an dieser Stelle ein Schuß kräftige dunkle Rose gut getan. So bleibt es für einen Moment zartblumig, bevor die Hyazinthe schon wieder übertrumpft wird. Auch Der Weihrauch hätte für mich deutlicher und kühler ausfallen dürfen und das Leder ist mir nicht weich genug. All diese an sich schönen Akkorde werden aber von staubtrockenem Papyrus und einer kratzig-muffigen Patchouli-Basis zugedeckt. Patchouli hat ja viele Erscheinungsformen, von weich-schmeichelnd über erdig-feucht bis halt eben kratzig-herb wie bei Baudelaire. Diese Basis überdauert auch Waschen und 8 Stunden schlafen und vermittelt nach dem Aufwachen nicht die Freude über den neuen Tag, sonder eher Kleinmütigkeit.

Todernst, genau wie Louce so empfinde ich den Duft, aber Schönheit und Tod sind für mich bei diesem Duft nicht verwandt, hier lässt sichs nicht in Schönheit sterben, sondern eher in Resignation. Ich hätte mir für dieses Parfum auch ein bisschen Augenzwinkern, einen kleinen Lichtblick, einen Funken Hoffnung gewünscht.

Und doch bin ich dem Duft nicht böse, denn kannte ich "Die Blumen des Bösen" bisher nur vom Hörensagen, so ist doch jetzt mein Interesse geweckt, und ich werde Baudelaire wenn schon nicht als Duft tragen, so doch bald einmal lesen. Vielleicht würde ich die Stimmung der Poesie ja mit einem ganz andern Duft in Verbindung bringen.
6 Antworten
10
Haltbarkeit
9
Duft
Imel

44 Rezensionen
Imel
Imel
Top Rezension 11  
Poésie Incompris
Es ist immer schon etwas positives wenn mir ein Parfum nicht mit Zitrusnoten entgegenhüpft. So Baudelaire.
Dafür schreitet mir die aromatische Wacholderbeere in die Nase wobei der Pfeffer für eine gewisse Tiefe sorgt und der Kopfnote etwas Würze und Anmut verleiht. Der Pfeffer dominiert dann ein Weilchen dieses Bild. Auch einige holzige Noten mischen sich unter, auch ledrige finden sich dezent im Bild ein.
Von Beginn an zeigt Baudelaire eine undruchdringliche Tiefe und Dichte. Der Duft gleicht einer dichten Wolke die sich immer wieder selbst verschlingt und gleichzeitig animalische Kraft wie sinnliche Poesi und Ästethik, fast Leichtigkeit, ausstrahlt. Ebenso bedrohlich wirkt Baudelaire.
Irgendwie wirkt er an dieser Stelle etwas zu pompös aufgeplustert, ein wenig unauthentisch wie der Duft hier auf der Lauer liegt und dann doch auf sich warten lässt. Nun öffnet sich langsam die Pforte der Bedrohlichkeit und dahinter werden die Gemüter schwer. Obwohl wir ein wenig florales erwarten können bleibt es doch fast aus. Zu sehr wird es übereckt vom Patchouli. Hier hat man sich wirklich Mühe gegeben dem Duftendem ein Gefühl heraufzubeschwören, von dunklem Feuer und öde schwelgender, alter Gedanken. Man soll ab dort über Vergänglichkeit nachdenken.

Ich meine doch, man muss dem Duft etwas Ironie entgegenbringen. Sonst wirkt er so gewollt ernst. Trotz des dunklen Charakters ist es ein wunderbar schöner Duft, handwerklich meisterlich gelungen.

Mir kommt bei Baudelaire immer Strawinskys Frühlingsopfer in seinem mystischen Charakter oder Hindemith in seiner Vergeistiegung in den Sinn. Vllt auch Mozarts oder Zimmermanns Requiem. Zumindest doch zutiefst ausdrucksstarke Musik. Somit bin ich auch absoluter Liebhaber von Baudelaire.
Den "Blumen des Bösen" und seinem Autor (der übrigens als erster den Haschischrausch, wissenschaftlich wie poetisch zu beschreiben wusste) ist dieser Duft eine einnehmende Hommage.

Immer ledriger wird allmählich die Herznote und ein würziger Beigeschmack mischt sich unter. Der Düft wirkt weniger tief, dafür weiter. In einigen Augenblicken strahlt er regelrecht. Zwischendurch erscheinen Anklänge fruchtig-saurer doch tockener Noten, womöglich der Papyrus. Ich könnte mir auch vorstellen hier etwas Moschus zu riechen.
Ben Gorham erschaft hier ein Spannungsfeld, einen Duft der sich immer in der Schwebe hällt zwischen herber Fruchtigkeit und ambraischer Wärme. Ein schwieriges Unterfangen aber sehr Gelungen.
Die Entwicklung bewegt sich nun stetig weiter in Richtung erdig warmer und animalischer Akkorde. Der Duft wird erhabener und ruhiger. Eine Kraft wie zu Beginn ist nicht mehr auszumachen.
Immer erdiger und wärmer wird es und schlussendlich verläuft sich unser belederter Poet in tiefsinniger Dämmerung, dichtbeholzter Erdakkorde.
3 Antworten
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Statements

46 kurze Meinungen zum Parfum
ErgoproxyErgoproxy vor 3 Monaten
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Mag ich immer noch sehr. Würzig kümmelig im Auftakt Weihrauch als Hauptnote, ambrierte Patchnote als Basis.
51 Antworten
ChizzaChizza vor 3 Jahren
7
Flakon
6
Duft
Süßliche Harze, Nadel-bitter, Wacholder-grün, lässt schnell nach und verläuft sich in Belanglosigkeit. Typisch byredo
15 Antworten
MefunxMefunx vor 7 Jahren
8
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Stadt, Übergangszeit, Schatten. Es wird regnen. Dunkle Frische, verstaubtes Grün, fahle Blüten. Tiefwürzig, vertraut, schwermütig, tröstend.
1 Antwort
ChopIslandChopIsland vor 5 Jahren
6
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Gottesdienst einer verschneiten Kleinstadt.
Der Organist zieht nur die dunkelsten Register und spielt süße Melodien.
Gott schweigt dazu.
3 Antworten
EveMistEveMist vor 6 Jahren
8
Haltbarkeit
7.5
Duft
La Baudelairité décadente? Ein "höllisches" Gewand aus Leder & Weihrauch - kein diabolischer Exzess, kein lasterhafter Rausch
7 Antworten
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