07.07.2016 - 13:28 Uhr

loewenherz
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loewenherz
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45
I really shaved my balls for - this?
Wenn man die dreißig erst mal hinter sich gelassen hat, sind da auf einmal Dinge, die in den Zwanzigern noch irgendwie hinnehmbar erschienen, aber nun doch allmählich komisch werden. Schwarzfahren gehört dazu – oder das Pinkeln in öffentliche Grünanlagen. Und auch das allwochenendliche 'Weggehen' im Sinne von 'Vorglühen' ab zehn, Club nicht vor eins, After-Hour ab halb sechs (inkl. Zielfokus auf gleichnächtlicher Verrichtung) ist etwas, das sich U30 irgendwie organischer anfühlt als Ü. Man konnte das sicherlich pragmatisch sehen ('Was sollte ich denn machen? Ich hatte keinen Kaffee mehr zuhause und auch keine Kohle für ein Taxi.') – und die Jagd auf Ms. oder Mr. Right (now) funktionierte auch in meinen Zwanzigern und ohne Tinder bestens. Nicht unerheblicher Teil des präkoitalen Stylings war damals wie jetzt: Parfum.
Für den Zweck der schnellen Balz hat die Parfumindustrie irgendwann Mitte der 90er eigens eine ganz eigene Duftfamilie erfunden: breitbeinige, süßleuchtende Gladiatorendüfte – manche aquatisch, aber auch viele nicht - im höchstens mittleren Preissegment, deren ungekrönter König heute das Haus Paco Rabanne sein dürfte. Düfte sind dies, die den ganzen Zauber entfesselter Jugend und Triebhaftigkeit in eine kleine Flasche zu zwingen suchen - und die ganze Essenz des Rosenstolzschen 'Ich bin jetzt. Ich bin hier. Ich bin ich.' Diese Düfte verbildlichen und verkaufen quasi den olfaktorischen Soundtrack einer urbanen Samstagnacht, der eigentlich doch aus Mojito, Taxisitzen und fremder Bettwäsche bestehen sollte – aber notfalls eben auch aus Mandarine, Veilchen, Zeder, Leder (oder etwas den genannten Ähnlichem).
Diesels Only The Brave verlässt sich auf seine initiale androgyn-metrosexuelle Fitnesssüße, die als Kopfnote so typisch ist für viele Vertreter dieser Art Jungmännerduft. Da ist eine frischfruchtige Chewing Gum-Mandarine zu Beginn und dann ein endloser metallischer Zedernakkord, der – und das ist ja für das Funktionieren dieses Dufts nicht unerheblich – ganz mühelos vom Vorglühen bis zur After-Hour (bis in fremde Laken) durchzuhalten in der Lage ist. Only The Brave und seine kleine Geschichte funktionieren ganz gut an einem aufgepumpten Mittzwanziger, der die Haare schön hat. Doch wenn man die Augen zumacht – und eigentlich ist dies der Augenblick, in dem ein guter Duft erst richtig gut wird – ist er nicht mehr als 'kein Kaffee zuhause und keine Kohle für ein Taxi'. Die Discowasser meiner (mehr oder weniger) wilden Jugend konnten mehr.
Fazit: mit unserem Leben verändert sich auch unsere Duftwahrnehmung - was gestern noch aufregend und lässig war, empfinden wir nun als laut, schrill und mitunter plump. Vielleicht bin ich gar nicht (mehr) der Richtige, um einen solchen Duft zu rezensieren – aber wäre(n) ich (und meine Nase) noch einmal Mitte zwanzig, fragte ich mich angesichts Diesels Only The Brave: 'What? I really shaved my balls for - this?'
Für den Zweck der schnellen Balz hat die Parfumindustrie irgendwann Mitte der 90er eigens eine ganz eigene Duftfamilie erfunden: breitbeinige, süßleuchtende Gladiatorendüfte – manche aquatisch, aber auch viele nicht - im höchstens mittleren Preissegment, deren ungekrönter König heute das Haus Paco Rabanne sein dürfte. Düfte sind dies, die den ganzen Zauber entfesselter Jugend und Triebhaftigkeit in eine kleine Flasche zu zwingen suchen - und die ganze Essenz des Rosenstolzschen 'Ich bin jetzt. Ich bin hier. Ich bin ich.' Diese Düfte verbildlichen und verkaufen quasi den olfaktorischen Soundtrack einer urbanen Samstagnacht, der eigentlich doch aus Mojito, Taxisitzen und fremder Bettwäsche bestehen sollte – aber notfalls eben auch aus Mandarine, Veilchen, Zeder, Leder (oder etwas den genannten Ähnlichem).
Diesels Only The Brave verlässt sich auf seine initiale androgyn-metrosexuelle Fitnesssüße, die als Kopfnote so typisch ist für viele Vertreter dieser Art Jungmännerduft. Da ist eine frischfruchtige Chewing Gum-Mandarine zu Beginn und dann ein endloser metallischer Zedernakkord, der – und das ist ja für das Funktionieren dieses Dufts nicht unerheblich – ganz mühelos vom Vorglühen bis zur After-Hour (bis in fremde Laken) durchzuhalten in der Lage ist. Only The Brave und seine kleine Geschichte funktionieren ganz gut an einem aufgepumpten Mittzwanziger, der die Haare schön hat. Doch wenn man die Augen zumacht – und eigentlich ist dies der Augenblick, in dem ein guter Duft erst richtig gut wird – ist er nicht mehr als 'kein Kaffee zuhause und keine Kohle für ein Taxi'. Die Discowasser meiner (mehr oder weniger) wilden Jugend konnten mehr.
Fazit: mit unserem Leben verändert sich auch unsere Duftwahrnehmung - was gestern noch aufregend und lässig war, empfinden wir nun als laut, schrill und mitunter plump. Vielleicht bin ich gar nicht (mehr) der Richtige, um einen solchen Duft zu rezensieren – aber wäre(n) ich (und meine Nase) noch einmal Mitte zwanzig, fragte ich mich angesichts Diesels Only The Brave: 'What? I really shaved my balls for - this?'
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