18.09.2016 - 03:00 Uhr
loewenherz
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loewenherz
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22
Unter Palmen
Ein wenig darf sich wohl darüber gewundert werden, dass Guerlain dieses Parfum in seine Kollektion der 'Parisiennes' einordnete, denn die namengebende 'Promenade des Anglais' - die 'Promenade der Engländer' - befindet sich in Nizza und nicht in Paris. Die Niçois nennen sie nur 'La Promenade' oder 'La Prom'. Bereits im 18. Jahrhundert begannen wohlhabende Engländer, die auf ihrer Insel feuchten Winter lieber an der Côte d'Azur zu verbringen, wo Klima und Landschaft auch im Januar der Seele guttaten. Und die Errichtung eines befestigten Spazierwegs entlang der Uferlinie - der Vorgänger der heutigen Promenade - ist auf eine Initiative jener Exilengländer zurückzuführen, was man ihnen mit der Benennung dieses Weges dankte.
Heute kommen bei weitem nicht nur Engländer an die Promenade. Besonders im Sommer erstreckt sich eine schier endlose Parade offener Sportwagen von St. Tropez bis an die italienische Grenze (und darüber hinaus). Unter den zahllosen legendären Hotels entlang der Côte d'Azur ist das Negresco an Nizzas prachtvoller Promenade eins der bekanntesten - lediglich das Eden Roc am Cap d'Antibes ist noch berühmter. Altes Geld und neues Geld, Palmen, Austern und in jedem dritten Dorf Hermès - und mittendrin Charlotte Casiraghi und ihre verhärmte und verbitterte Mama - es gibt stets etwas zu sehen und erleben hier, und die Promenade des Anglais ist - neben einer dauerverstopften Straße - der ewige Runway dieser ein wenig surrealen Welt.
Guerlain und sein erster (im Sinne von 'führender') Parfumeur, der vielgescholtene Thierry Wasser, stehen mit jedem neuen Duft (und solche werden von Kunden wie Aktionären ja erwartet) vor der Herausforderung, etwas Neues zu schaffen, das sich dennoch gut einpasst in das gut hundertjährige Portfolio des wohl berühmtesten Parfumhauses der Welt. Aber die 2010er Jahre sind nicht mehr die Zeit von Jicky oder Shalimar - es ist die Zeit koketter Fruchtdüfte und mitunter plombenziehender Gourmands. Guerlain hat sich herangewagt an die Zuckrigkeit der Gegenwart - mit La Petite Robe Noire etwa oder auch den Élixirs Charnels - was nicht uneingeschränkt auf Begeisterung stieß und Monsieur Wasser ein bisschen den Ruf anhängte, er könne ja nichts als süß.
La Promenade des Anglais ist nicht 'nicht süß' - nein, das kann nicht behauptet werden. Doch weil zitrische süße Noten so viel mehr Leichtigkeit behalten als etwa beerige dies können, und weil die Feige trotz ihrer manchmal (hier nicht) fast einschüchternden Zuckrigkeit in einem Parfum noch immer ein wenig überraschend ist, ist La Promenade des Anglais' Süße doch leichtfüßig und lebhaft. Die Iris gibt etwas zart verhaltene Pudrigkeit hinzu, bleibt selbst aber zurückhaltend - es gibt hier also keine Schminke- oder Lippenstiftassoziation. Stattdessen ist er ein verblüffend beiläufiges und heiteres Sommerparfum, das gerade richtig ist für einen Spaziergang unter Palmen, während zuhause die Stadt im nassen Wintergrau versinkt.
Fazit: Guerlain im Jahr 2016 ist - obwohl und weil sie Monsieur Wasser haben - wohl doch 'too big to fail'.
Heute kommen bei weitem nicht nur Engländer an die Promenade. Besonders im Sommer erstreckt sich eine schier endlose Parade offener Sportwagen von St. Tropez bis an die italienische Grenze (und darüber hinaus). Unter den zahllosen legendären Hotels entlang der Côte d'Azur ist das Negresco an Nizzas prachtvoller Promenade eins der bekanntesten - lediglich das Eden Roc am Cap d'Antibes ist noch berühmter. Altes Geld und neues Geld, Palmen, Austern und in jedem dritten Dorf Hermès - und mittendrin Charlotte Casiraghi und ihre verhärmte und verbitterte Mama - es gibt stets etwas zu sehen und erleben hier, und die Promenade des Anglais ist - neben einer dauerverstopften Straße - der ewige Runway dieser ein wenig surrealen Welt.
Guerlain und sein erster (im Sinne von 'führender') Parfumeur, der vielgescholtene Thierry Wasser, stehen mit jedem neuen Duft (und solche werden von Kunden wie Aktionären ja erwartet) vor der Herausforderung, etwas Neues zu schaffen, das sich dennoch gut einpasst in das gut hundertjährige Portfolio des wohl berühmtesten Parfumhauses der Welt. Aber die 2010er Jahre sind nicht mehr die Zeit von Jicky oder Shalimar - es ist die Zeit koketter Fruchtdüfte und mitunter plombenziehender Gourmands. Guerlain hat sich herangewagt an die Zuckrigkeit der Gegenwart - mit La Petite Robe Noire etwa oder auch den Élixirs Charnels - was nicht uneingeschränkt auf Begeisterung stieß und Monsieur Wasser ein bisschen den Ruf anhängte, er könne ja nichts als süß.
La Promenade des Anglais ist nicht 'nicht süß' - nein, das kann nicht behauptet werden. Doch weil zitrische süße Noten so viel mehr Leichtigkeit behalten als etwa beerige dies können, und weil die Feige trotz ihrer manchmal (hier nicht) fast einschüchternden Zuckrigkeit in einem Parfum noch immer ein wenig überraschend ist, ist La Promenade des Anglais' Süße doch leichtfüßig und lebhaft. Die Iris gibt etwas zart verhaltene Pudrigkeit hinzu, bleibt selbst aber zurückhaltend - es gibt hier also keine Schminke- oder Lippenstiftassoziation. Stattdessen ist er ein verblüffend beiläufiges und heiteres Sommerparfum, das gerade richtig ist für einen Spaziergang unter Palmen, während zuhause die Stadt im nassen Wintergrau versinkt.
Fazit: Guerlain im Jahr 2016 ist - obwohl und weil sie Monsieur Wasser haben - wohl doch 'too big to fail'.
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