Malesia ist ein XerJoff Aoud Star in pur. Ein unkonventionelles Pfeffer-Aoud mit einer trocken-harzigen und leicht süßlichen Basis. Anders als bei den anderen Aoud Stars findet hier kein Herauskitzeln des Animalischen aus dem Aoud statt, um die Hochwertigkeit des verwendeten Aouds zu betonen. Die in Malesia verwendete Aoud-Komponente ist eher puristisch. Wenn Ellena mit Aoud könnte, würde er südostasiatisches Aoud so einsetzen.
In der Dokumentation schreibt XerJoff an einer Stelle, das Aoud würde aus Laos stammen, an einer anderen, es wäre malaysisches Aoud. In beiden Staaten sind (noch) Adlerholzbestände zu finden. Die geographische Angabe suggeriert, dass Aoud aus unterschiedlichen, teils benachbarten Ländern jeweils anders riechen würde. Dem ist nicht so. Wie Aoud riecht, hängt von der Qualität und der Gewinnungstechnik des Harzes ab – und nicht von einer Landesgrenze.
Ich bin von der Aoud Stars-Linie angetan, jedoch weist jeder der anderen Aoud Stars eine Note auf, die einem das Dufterlebnis trüben kann. Al Khatt ist manchem zu fäkal, zu Cougar-plüschig ob der Cashmeran-Überdosis. Fars ist vielen zu blumig, für Hardcore-Aoud-Liebhaber ist die Aoudnote zu harmlos und der Duft insgesamt zu wenig aoudig. Gao weist eine schwierige und etwas anstrengende Safran-Note auf. Mamluk erinnert diesen und jenen an einen Trickfilmbär, der in einen Honigtopf gefallen ist. Najaf/Zanzibar ist ein schwieriger Duft, der gleich mehrere Ecken und Kanten floraler, animalischer und aoudiger Art aufweist. Und schließlich Zafar, der viele an einen Raubtierkäfig oder Schimmelkäse erinnert.
Malesia hingegen weist keine dieser teils eher schwierigen oder anstrengenden Haupt- und Nebennoten auf. Malesia ist auch kein Power-Aoud-Duft, wie andere Aoud Stars von XerJoff oder Aoud-Düfte aus dem arabischen Raum. Daher würde ich auch Malesia mit keinem anderen Aoud Stars-Duft vergleichen. Malesia ist vielmehr eine wohltemperierte, angenehme Aoud-Aura, die man verbreitet, in der man einen ganzen Tag schwebt. Malesia erinnert mich an eine mit dunklem Tropenholz verkleidete Hotellobby, in der der Duft von Aoud-Öl liegt, den die arabischen Gäste verbreiten.
Wie alle Aoud Stars-Düfte ist auch Malesia (italienisch für Malaysia) nach einer Stadt oder Region benannt, die Abu Abdullah Muhammad ibn Battuta, ein muslimischer Forschungsreisender des 14. Jahrhunderts, besucht hat. Ibn Battuta war sozusagen der Marco Polo der arabischen Welt. Wie bei Marco Polo ist in historischen Quellen kaum etwas über Ibn Battuta überliefert. Außer seine fantastischen, aber oft detailreichen Reiseberichte. Stellenweise sind seine Angaben zu Reiseorten oder Abenteuern eindeutig erfunden, aber oftmals lässt sich, wie bei Marco Polo, heute nicht feststellen, ob Ibn Battuta Tatsachen berichtet oder Märchen erzählt.
Auf Veranlassung des Sultans Abu Inan Faris diktierte Ibn Battuta seine Reiseerlebnisse einem Dichter. Dabei entstand das Werk „Rihla“ („Reise/Wanderung“). Über Jahrhunderte blieb sein Werk vergessen und wurde erst im 19. Jahrhundert wiederentdeckt. Ibn Battuta beschreibt seine Reisen, die ihn von seinem Geburtsort Tanger quer durch Nordafrika nach Ägypten (Mamluk und Alexandria, wobei letzterer Aoud Stars-Duft lediglich bei Fortnum&Mason in London erhältlich ist), durch die Sahara bis nach Mali (Gao), entlang der ostafrikanischen Küste bis nach Zanzibar, durch Mesopotamien (Najaf im heutigen Irak), durch die arabische Halbinsel in die Emirate (Al Khatt), nach Usbekistan (Zafar), Persien (Fars), Indien, Malaysia (Malesia) bis nach Peking geführt haben sollen.
Malaysia war somit eine der östlichsten Reisedestinationen des Abenteurers Ibn Battuta. Malesia ist als limitierte Auflage nur bei der Züricher Parfümerie Osswald (einige wenige Flakons) und bei Osswald in Soho/New York (angeblich lediglich 3 Flakons) erhältlich und muss daher mühsam bestellt werden. Die geringe Auflage ist hier jedoch nicht eine Hommage an den Snobismus (zumal der Milliliter-Preis doch wesentlich tiefer ist als bei den übrigen Aoud Stars), sondern Malesia dürfte schlicht kein wirtschaftlich erfolgversprechender, massetauglicher Duft sein. Malesia ist ein Pfeffer-Aoud, das sich an Aoud-Nerds bis Aoud-Holzköpfe richtet und bei YouTube-Kommentatoren weder ein aufrichtiges „Boah ey!“ noch ein ehrliches „Geil!!!“ hervorrufen würde.
Nach dem Aufsprühen rieche ich Pfeffer. Die prominente prickelnde und frische Pfeffernote erinnert mich an malaysischen Sarawak-Pfeffer. Schwarzer Sarawak-Pfeffer ist nicht so scharf wie schwarzer indischer Pfeffer, er ist ein wenig mild-fruchtig und hat etwas Lebendiges. Zur Pfeffernote gesellt sich eine zurückhaltende, kaum süß Sandelholznote. Die Sandelholznote ist warm, etwas herb-holzig, hat einen leicht grünen und balsamischen Anklang.
Diese pfeffrige, sandelholzige Kopfnote ist erst noch ein wenig holzig-harsch. Doch Malesia wird auf der Haut sehr rasch weicher. Aoud verleiht der Herznote gar etwas Samtiges, hat aber bis zum Ende des Duftverlaufs eine Prise schwarzen Pfeffer im Hintern. Nach wenigen Minuten kommt viel Wärme dazu. In Form von warmem, trockenem Amber. Die Ambernote ist harzig und golden. Mit der Zeit wird das trockene Harz flüssiger und nimmt einen nur wenig süßen Charakter an. Diese harzige Note zusammen mit dem Aoud entwickelt sich in Richtung warm-aoudig mit einem minimal warm-animalischen Einschlag von sommerlicher Kuhweide.
Das verwendete Aoud ist zu Beginn hell-holzig, hat frische, beinahe zitrische Aspekte. Eine zedernholzartige Note verleiht der Herznote einen hintergründigen grün-holzigen Beiklang. Das Aoud wechselt im Duftverlauf mehrfach seinen Charakter. Die Aoudnote ist zunächst ätherisch, samtig, wird zunehmend etwas öliger in der Konsistenz, bleibt aber hell- bis mittelbraun. Nach einiger Zeit dunkelt das Aoud ab, kriegt einen Hauch von holziger Muffigkeit und entwickelt sich in eine leicht harschere Richtung. Zusätzlich wird die Aoudnote etwas erdig. Helle, trockene Erde von einem Naturkeller.
Dann ändert das Aoud wiederum seinen Charakter. Es wird heller, deutlich weicher, dichter und nimmt eine warm-fruchtige Facette an, die an trockenen, leicht bitteren Safran erinnert. Gegen Ende der Herznote entwickelt sich die Aoudnote in eine holzig-harzig-animalische Richtung. Die warm-fruchtige sowie die zedernholzig-grünliche Facette verbleiben, während das Aoud zunehmend dunkelbrauner wird, ätherisch-warm und mit einer leicht muffigen Nebennote.
Zur Basis hin wird Malesia wärmer und ein wenig süßer. Zur Aoudnote tritt Vanille. Allerdings mehr trockene Vanilleschotte mit einem Anklang von braunen Trockenfrüchten. Daneben sind Tonkabohne, warm, auch eher unsüß, und trocken-warmes, aromatisches Harz auszumachen.
Auf der Haut ist Malesia deutlich weicher, als auf dem Teststreifen oder Kleidung, beinahe samtig. Beim Testen auf dem Streifen oder Kleidung wirkt Malesia harscher und animalischer. Für mich ist Malesia der interessanteste und puristischste Aoud Star, gleichzeitig auch der am wenigsten gefällige. Ein Aoud Star mit Intimrasur. Malesia ist ein harziger Adlerholzbaum in einem malaysischen Wald, neben dem ein Pfefferstrauch steht. So wie ihn Ibn Battuta auf seinen etwas beschwerlichen Reisen angetroffen haben könnte.