Top Rezensionen

2023
Yatagan vor 1 Jahr 117 114
8
Flakon
9
Sillage
10
Haltbarkeit
5
Duft
Das Ende von Duft
Hier wurde wohl alles schon gesagt: Positives und Negatives. Warum zu "Megamare | Orto Parisi" überhaupt noch Worte verschwenden, wundern Sie sich jetzt natürlich. Mir selbst stellt sich aber die philosophische Frage, ob Megamare letzten Endes noch als Duft bezeichnet werden kann. Natürlich lässt sich nicht mit abschließender Sicherheit sagen, welche Inhaltsstoffe da drin enthalten sind, denn Gualtieri vermeidet die Nennung der Komponenten, aber plausibel erscheinen mir Calone, wegen einer wässrigen Frische, Ambroxan, wegen der auffällig blauen Basis und Oud, weil's halt gerade sein muss. Das haben Sie sich alles schon gedacht oder in einem der Statements gelesen? Also gut!
Alles in allem riecht das weder schlimm noch spektakulär noch wirklich interessant, hat aber eine enorme Haltbarkeit und eine recht starke Aura: beides Eigenschaften, die ich wirklich hasse. Ich persönlich finde es unangenehm, wenn ich einen Duft am Morgen auftrage und abends immer noch ohne jegliche Entwicklung riechen kann, und ich finde es aufdringlich, wenn ich Menschen in meiner Umgebung schon auf mehrere Meter Entfernung riechen MUSS. Das geht übrigens nicht nur mir so, nehmen Sie das mal zur Kenntnis!
Und jetzt kommt die Philosophie ins Spiel; habe ich Ihnen ja versprochen: Jahrhundertelang galt Duft als subtiles Spiel mit Nähe und Intimität. Wer einem Menschen nahe kam, durfte den Duft wahrnehmen, bei noch größerer Nähe vielleicht sogar Inhaltsstoffe differenzieren (Blüten, Ambra, Zibet oder doch Opoponax? Verflixt!). Parfums wurden übrigens mit Kopf-, Herz- und Basisnote komponiert. Wissen Sie wahrscheinlich gar nicht mehr. Davon ist hier nichts mehr übrig, weil Ihnen ein solcher Duft den Scheitel mit der Axt zieht: Er riecht am Anfang gleich, in der Mitte gleich und am Ende gleich, und zwar nach dem, was da oben steht und was Sie sich ja schon gedacht haben: Aromachemie - wahrscheinlich ziemlich auf das Wesentliche reduziert.

So ist dies also die Umkehrung von Duft: riecht nicht so schlecht, aber vielleicht doch ziemlich belanglos und so, dass man ihn laut und lang riechen kann.
Na gut, wenn Sie wollen, tragen Sie den, es gibt schlimmere, aber wundern Sie sich nicht, wenn ich Sie ab jetzt nicht mehr riechen mag.
114 Antworten
BFellmeden vor 1 Jahr 100 17
7
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
6
Duft
Ich bin die Nummer 47 von 200
Seit Beginn meiner Reise durch die Welt der schönen Düfte, verfolge ich den Kanal von Kai Porten auf YouTube. Ich lernte ihn als Freund der orientalischen Düfte kennen, der Kracher, der Bad Boys, der dunklen Gesellen, natürlich zunächst nicht persönlich, sondern nur über seine Videos.

Er auf der Seite der Männer und Leni auf der Seite der Frauen, avancierten für mich schnell zu denjenigen, die tatsächlich viel von Parfüms wissen und die darüber hinaus ein wirkliches Talent aufweisen, dieses Wissen in einer Form an ihre Followers weiterzugeben, die zumindest mich derart fesselte, dass ich fest davon überzeugt war: Das sind die Beiden auf YouTube, die wirklich Ahnung haben.

Ich durfte miterleben, wie Kai Porten einen ersten Anlauf nahm, „seinen eigenen Duft“ zu gestalten und an den Mann zu bringen. Ich und 199 andere Kollegen hatten die Gelegenheit vor – ich weiß es gar nicht mehr so genau – einem Jahr an einem ersten Vorverkauf teilzunehmen, der an irgendeinem Tag um 18.00 Uhr begann. Diesen Termin hatte ich im Kalender meines Handys abgespeichert, denn ich wollte unbedingt einer von diesen ersten 200 Privilegierten sein, die den Duft des Parfumgurus auf YouTube erwerben durften.

Ich weiß das deshalb noch so genau, weil ich an diesem Tag auf der Internorga in Hamburg war. Ein Freund von mir ist „Direktor“ eines Hotels im Großraum Bonn. Er besucht die Internorga jedes Jahr und verbindet diesen Messetermin immer mit einem Essen bei Tim Mälzer, dem ich mich seit einigen Jahren gerne angeschlossen habe. Auch wenn das hier nicht hingehört. Ein Essen bei Tim Mälzer in der Bullerei gehört auf jeden Fall zu den Highlights meiner Freizeitgestaltung.

Langer Rede kurzer Sinn, ich gab meine Bestellung genau um 18.03 Uhr dieses Tages auf und freute mich wie ein Schneekönig, als ich eine entsprechende Bestellbestätigung erhielt.

Was dann passierte, wissen die meisten von Euch sicherlich auch. Es kam zu einem Zerwürfnis mit seinem ursprünglichen Parfümeur und die Angelegenheit zog sich in ungeahnte Längen.

Aber Kai Porten wäre nicht Kai Porten, wenn er an dieser Stelle hingeschmissen hätte, den Vorbestellern sein Geld wieder ausgezahlt und die ganze Sache als extrem schlechte Erfahrung zu den Akten gelegt hätte. Nein, ohne dass ich jetzt auf Details eingehen könnte, er schaffte es, einen neuen Parfümeur zu finden, seine Dinge neu zu ordnen und auch seine Kunden bei der Stange zu halten.

Eine wirklich gute Idee war Meet&Greet‘s zu veranstalten, um seine Vorbesteller kennen zu lernen und explizit diesen die Gelegenheit zu geben, „seinen“ Duft testen zu können. Eines dieser Treffen fand in Köln in der Parfümerie Möltgen statt, und an diesem habe ich selbst auch teilgenommen. Dort lernte ich Kai dann auch einmal persönlich kennen und empfand ihn wirklich als ausgesprochen sympathischen und auch zielorientierten jungen Mann (ich dürfte etwa doppelt so alt sein wie er, auf jeden Fall war ich dort der Senior).

Und, und jetzt komme ich so ganz langsam zum Thema, ich durfte erstmals an einem Duftstreifen mit Oud 31 schnüffeln. Ich erinnere mich gut daran, dass mir das Opening nicht gefiel. Man sprach von einem animalischen Opening, ich aber habe damals gedacht, eigentlich ist es mehr käsig als animalisch, und ganz ehrlich, das hat mir nicht gefallen.

Allerdings machte der Duft an diesem schönen Tag in Köln einen ganz erheblichen Verlauf durch und ich erinnere mich daran, dass der „Käse“ verschwand und einem – und jetzt bin ich mir doch etwas unsicher – holzigen trockenen Duft Platz machte. Ich war und bin nicht gut, im Aufschlüsseln von Duftstoffen, wenn ich an einem Parfüm rieche. Ich weiß aber was mir gefällt und was mir nicht gefällt. Nicht gefallen hat mir die Eröffnung, aber der weitere Verlauf bewirkte, dass ich immer und immer wieder an dem Duftstreifen gerochen habe. Ich weiß, dass Oud 31 mir, nachdem die Animalik die Flucht angetreten hatte, ausgesprochen gut gefallen hat.

Wichtig zu erwähnen an dieser Stelle ist, dass der Duft, den ich in Köln gerochen habe, eine Duftölkonzentration von 25% (auch an dieser Stelle bin ich mir leicht unsicher) hatte. Im weiteren Verlauf der Angelegenheit wurde dann bekannt gegeben, dass „man“ die Duftölkonzentration noch einmal erhöht und diese Maßnahme den Duft dergestalt verändert hätte, dass das „Käsige“ nun verschwunden sei.

Also, gestern ist die Nummer 47 von 200 bei mir eingetroffen, und ich muss sagen, ich bin durchaus enttäuscht. Die Eröffnung ist nach wie vor käsig, nix ist verschwunden, und das Schlimme daran ist, dass es eine ganze Weile braucht, bis dieser für mich ausgesprochen unangenehme Duftakkord sich verabschiedet. Da muss ich – und ich rede wirklich nur von mir – schon viel Überwindung aufbringen, um diese Eröffnung in Kauf zu nehmen, um den vermeintlich schönen Verlauf im Anschluss erleben zu dürfen.

Natürlich habe ich es ausprobiert und der Verlauf kommt, wie sollte es auch anders sein, aber das, was ich später rieche, hat nichts mit dem Duft zu tun, den ich in Köln gerochen habe. Er macht eine komplette 180-Gradwende durch und wird wirklich „schön“. Er wird prickelnd süß, irgendwie lieblich und erinnert mich ganz stark an Midsummer Dream von Roja Parfums. Ein zweifelsohne toller Duft, aber mir eigentlich zu feminin. Ich habe mal an einem Sharing vom Midsummer Dream teilgenommen und mir eine 10 ML-Abfüllung schicken lassen. Die ist so gut wie voll, denn auch der Duft ist leider nicht Meins.

Und damit fällt nun leider auch der Oud 31 für mich durch. Und ganz ehrlich, damit habe ich überhaupt nicht gerechnet und irgendwie fühle ich mich jetzt schuldig, weil ich Kai Porten, den ich sehr schätze, lieber hätte wissen lassen, dass er mit seinem Duft den Nerv der Zeit – zumindest aber meinen – getroffen und etwas geschaffen hat, dass es bisher nicht gab.

Ich verstehe nicht, was da passiert ist. Theoretisch spielt mein Duftgedächtnis mir einen Streich, aber das glaube ich nicht. Ich weiß, dass mir Oud 31 – mal abgesehen vom Opening – in Köln sehr gut gefallen hat. Ich habe mich wie Bolle auf den Flakon gefreut, aber jetzt, ja jetzt weiß ich auch nicht so genau, was ich mit ihm machen werde. Ich werde ihn sicher noch ein paar Mal probieren, aber ich denke, dass mein jetziger Eindruck sich nicht mehr verändern wird.

Eine Sache muss ich abschließend aber auf jeden Fall noch erwähnen. Ich habe einer Freundin den Duft gezeigt. Sie hat ihn ebenfalls aufgetragen und aus einer Entfernung von ungefähr zwei Metern, fand ich ihn an ihr fantastisch, kein Scherz. Das roch wirklich ganz, ganz toll. Ich verstehe an dieser Stelle die Welt nicht mehr und schließe daraus, dass der Duft extrem komplex ist und sich in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich darstellt.

Ich aber trage Parfüm in allererster Linie für mich selbst und nicht für mein Umfeld. Insofern bleibt abzuwarten, ob er und ich noch gute Freunde werden können.
17 Antworten
Ponticus vor 1 Jahr 95 70
7
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Mit Liebe gemacht !
Meine liebe Oma ist schon vor etlichen Jahren in einem gesegneten Alter von 94 Jahren verstorben, war bis zum Schluß geistig fit und hatte nur mit leichten, körperlichen Blessuren zu kämpfen. Ich selbst verbrachte die ersten Lebensjahre haupsächlich bei ihr auf dem Dorf, später jede Ferien und noch viel später wohnte meine Oma bei uns in der Stadt, als ihr eine eigene Haushaltsführung nur noch sehr eingeschränkt möglich war.

Mit der Zeit verblassen viele Erinnerungen an sie, ob man dies nun will oder nicht. Manche Begebenheiten sind aber präsent wie eh und je. Eine davon ist die Art und Weise der Zubereitung eines Puuudings. Und genau so sprach meine Oma dies aus, Puuuding, lang gezogenes, mindestens dreifaches uuu, niemals Pudding. Dies ist bis heute bei uns so geblieben, ein gutes Dessert erhält die Aufwertung Puuuding, eine schlechte Nachspeise ist ein Puddding!

Genau wie von Dr.Oetger gab es diese Speise früher in der DDR vor allem aus der Tüte, nur nicht mit so viel Werbung und nicht in bunt (einfach nur Schokopudding mit Vanillesoße oder Vanillepudding mit Schokosoße).

So lange ich zurückdenken kann, machte diese herzensgute Frau solcherlei Spezialitäten oft und gern für uns Enkel und vor allem für mich, denn ich war eindeutig ihr Lieblingsenkel. Wobei ich mich derer konkreten Herrichtung vor allem in der späteren Zeit erinnere, als die Hauptperson für den Puuuding nicht mehr ich, sondern schon längst meine Kinder, sprich ihre Urenkel, waren.

Das Kochen des Puuudings war für meine Oma fast ein Tagwerk. Natürlich trieb sie nichts, hingegen war es vor allem die Liebe, die sie zeitlich investierte und die sich unter anderem im unentwegten Rühren der Milch, der Soße und der Puuudingmasse offenbarte. Jedesmal nach einer Verfeinerung mit etwas mehr Zucker, Butter oder Eigelb wurde erneut ausgiebig gerührt und es dauerte locker zwei/drei Stunden bevor das Ergebnis in vorbereitete, kalte Schüsseln zum auskühlen kam. Das sprichwörtliche „mit Liebe gemacht" traf hierbei ins Schwarze.

Die gesamte Zeit lag über der Küche ein unwiderstehlicher Schoko/Vanille-Geruch, der auch dem mittlerweile festen Puuuding und der Soße entströhmte und am intensivsten war, wenn man das Beste, die harte Oberflächenhaut, ablöste und „verkostete“. Das reine Verspeisen und Genießen einer vollen, kleinen Kompottschale war dann nur der cremig-süße Abschluß eines gourmandigen Erlebnisses, das untrennbar mit meiner Oma und ihrer Enkelliebe verbunden war und ist.

So jedenfalls erinnere ich mich genußvoll an jene Tage und meine erste Begegnung mit Choco Musk von Al Rehab war wie ein Fingerzeig darauf. Satte, kräftige Karamellmilchschokolade trifft im Duft auf cremige, warm-weiche Vanille und sorgt für Pawlowschen Speichelfluß. Der wiederum macht Appetit auf mehr und führt bei den meisten Menschen zu angenehm, glücklichen Momenten und läßt vergessen, daß es eigentlich um ein Parfüm geht. Dabei riecht es gar nicht nach Parfüm, es riecht nach Schokopudding, nach Pfannkuchen, cremiger Schokoladentorte, Nougatcreme, Krapfen und heißem, rahmigen Kakao. Im weiteren Verlauf passiert duftmäßig nicht mehr viel, das schokoladige, süß-gourmandige Aroma steht wie ein Fels, wird mit der Zeit etwas gefälliger, aber bleibt wunderbar köstlich und verlockend über mindestens 7-8 Stunden erhalten. Ein Traum für alle Leckermäulchen!

Choco Musk als Parfüm einzusetzen kam für mich bisher kaum in Frage, denn ich mochte nicht unbedingt riechen wie ein Brownie oder wie ein Schoko-Puuuding, auch wenn ich ansonsten gern mal zum Anbeißen bin. Vor geraumer Zeit hat meine Frau, mehr aus Jux, mal den Choco Musk aufgesprüht. Sie, eine überzeugte N°5 Trägerin, hat an diesem Tag im Gymnasium gleich zwei erstaunte, aber für sie anerkennende Äußerungen erhalten! In ihrer Nähe würde es heute so lecker nach Pfannkuchen riechen, was gleich gute Laune aufkommen läßt! Seither hat sie sich schon des öfteren bei Choco Musk bedient und ist recht angetan.

Ich sehe den Duft dennoch eher als persönliche Belohnung für einen stillen Single-Abend, für eine zweisame Entspannung am heimischen Herd oder zur Unterstützung jedweder kulinarisch-köstlichen Schlemmerei. Ein Konzeptduft halt, der fabelhaft nach Schokoladenpfannkuchen riecht. Ob Choco Musk mit Liebe gemacht wurde, weiß ich nicht zu sagen, Omas Puuuding war es. Der Duft dieses Parfüms aber erinnert mich immer an die Liebe meiner Oma zu ihren Enkeln und Urenkeln und an wunderbare Erlebnissen aus meiner und ihrer Kindheit.

Herzlichen Dank für das Lesen und gönnt Euch mal wieder was, vielleicht auch einen Puuuding oder einen Spritzer Choko Musk, garantiert ohne Kalorien!
70 Antworten
Ponticus vor 1 Jahr 94 70
8
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
10
Duft
Für uns alte Männer und die, die es einmal werden wollen!
Erneut ist ein Jahr vergangen und der alte Mann sitzt, wie so oft in letzter Zeit, in seinem großen Sessel am Fenster und der wiederholte Rückblick auf längst vergangene Tage stimmte sein Herz wie immer etwas froher. Viel passierte nicht mehr in seinem Leben und so nahmen seine Erinnerungen an anno dazumal einen immer größeren Platz ein. Das Leben aber stürmt vorbei, reißt Wünsche und Träume mit sich. Oft bleibt wenig von den Sehnsüchten der Jugend erfüllt, obgleich das Verlangen immer noch groß ist, die Leidenschaft alte Knochen durchdringt und die Sinne neue Begehrlichkeiten auftun.

Bevor er mit seinen Gedanken ganz in der „guten alten Zeit" ankam, fiel der Blick auf seine Füße und er mußte gequält lächeln. Die steckten in dicken, warmen Pantoffeln, richtigen grauen Filzlatschen. Er, der Charmeur, Herzensbrecher und Frauenversteher, der einstmals nur edles Lederschuhwerk und exquisite Anzüge aus feinsten Stoffen trug, hatte mit den Jahren Federn lassen müssen. Begriffe wie Filzlatschencasanova und Pantoffelheld schwirrten durch seinen Kopf. Noch nimmt er es mit Humor, was zunehmend schwerer fällt, wenn er sich des Morgens in seine, mit Einlagen verstärkten, orthopädischen Treter zwängt! Dennoch hält er auch heute noch auf sich, trägt täglich Hose, Hemd, Jackett und legt auch sein Lieblingsparfüm auf, besonders gern wenn die Pflegerin ihn besuchen kommt.

An die erste Begegnung mit Knize Ten, seinem Lieblingsparfüm, erinnerte er sich genau. Es war in den 50ern in einer gut sortierten Herrenabteilung wo der Verkäufer, ein Gentlemen vom Scheitel bis zur Sohle, ihm ein Probefläschchen auf den soeben erstandenen Anzug legte. Seine Worte „ein Kavalier der so einen feinen Stoff trägt, sollte auch das beste Parfüm dazu bekommen“ lösen immer noch Gefühle des Glücks und der Dankbarkeit aus, denn er mochte diesen eleganten, herben und markanten Duft von Anfang an.

Zu Beginn ein kurzer, aber heftiger Sturm von orangig-zitroniger Frucht, leicht herb-süßlich und mit einigen krautig-grünen Böen angereichert, die aber keinen Schaden anrichten. Das Getöse legt sich dann recht schnell zugunsten eines leichten, hintergründigen, aber beständigen Windes von bittrig-orangigem Duft. Ein Hauch von Blümchen und Gewürzen säuselt umher deren Geruch jedoch nur von Relevanz wäre, wenn er fehlen würde. Dafür liegt Leder in der Luft, dickes raues Leder der angenehmster Art. Und etwas Tier ist mit dabei ganz ohne Pipi und Exkremente, fein eingebunden und mit Tiefe und einem langen Leben versehen durch eine moosig-ambrierte Moschusbasis. Der Vanille gebührt hier eher eine Außenseiterrolle, bei der ihr Fehlen eher bemerkt würde als ihre Anwesenheit. Der Clou der komplexen Aromatik des Knize Ten Lederduftes aber liegt für mich in der Abwesenheit einer Himbeer- und Weihrauchnote. Undenkbar fast für viele der heutigen Kreationen in Leder und ein Geschenk an Generationen und für mich.

Knize Ten weiß auch Frauen zu begeistern, aber der Duft ist kein „Compliment Getter“ im eigentlichen Sinne. Das Gesamtpaket muß stimmen! Hier verführt der Parfümträger, nicht das Parfüm. Markant sowieso und recht maskulin, aber ohne Haare auf der Brust, ist Knize Ten auch eine Option für den herben Charme einer verführerischen Dame. Hier sind Brusthaare ohnehin überflüssig. Das gilt für die jüngere Generation genauso. Traut euch!

Der alte Mann, teif in seiner Rückschau versunken, hatte ein Lächeln auf den Lippen. Das "beste Parfüm" hatte ihn immer begleitet und auch er war der Beste in vielem, was er tat. Auch die Frauen liebten ihn und er sie, sowohl seine eigene und auch andere. Er brach Herzen und war doch immer mit dem Herzen dabei. Heute ist er allein mit seinen Erinnerungen und alles hat sich verändert, er trägt sogar warme Feinrippunterwäsche mit Eingriff. Nur sein Parfüm ist gleich geblieben und das verleiht ihm etwas Sicherheit, schließlich hat auch der Spätherbst noch warme Tage. Gleich kommt die Pflegeschwester, es sollte doch mit dem Teufel zugehen, wenn er nicht zumindest ein liebvolles Lächeln erhaschen könnte.

Erst wenn wirklich Schluss ist, ist Ende im Gelände! Danke und ein erfülltes Jahr 2023 für alle Leser!
70 Antworten
Ponticus vor 1 Jahr 91 67
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Faszinierend und spitz wie Lumpi, ein Parfüm im besten Alter!
Ich falle jetzt gleich mal mit der Tür direkt ins Dufthaus. Obsession wird gern und oft mit den Schlagworten, erotisch, sinnlich, sexy beschrieben. Sehen sie sich, so charakterisiert, als Femme Fatale?
Das ist sicher der falsche Begriff.

Dann vielleicht als Diva?
Ich, Obsession eine Diva? Auf keinen Fall. Andererseits bin ich schon etwas gekränkt, keinen Platz hier im Ranking der besten Düfte zu haben, ebensowenig wie mein männliches Pondon. Das kann einfach nicht an mir liegen.

Wie kommt es dann zu dieser dominant erotischen, oft auch anstößigen Einschätzung ihrer Person?
Das beginnt schon mit meinem Namen, Besessenheit, sprich der gänzlichen Hingabe meines Duftes in die Liebesbelange meiner Trägerinnen und Träger ohne wenn und aber. Ich unterstreiche, je nach Vorhaben subtil oder offensiv alle verführerischen Absichten und Anlagen meiner Auserwählten. Und schauen sie mich an, sehen sie genau hin! Mein, nicht nur der Hand schmeichelnder Flakon betont eindrucksvoll, sowohl haptisch als auch visuell, wollüstiges Bestreben. Dazu habe ich mal einen, aber hinter vorgehaltener Hand:
Ich weiß, es ist kein Gaunerstück,
nicht nur mein Duft bringt Damen Glück!
Mit meiner eichelförmgen Spitze,
dring ich ganz sanft in jede Ritze!

Sie machen ihrem Ruf alle Ehre, Respekt! Die Art des Duftes, vor allem dessen Geruch, hat aber schon auch etwas damit zu tun?
Selbstverständlich, der ist das Wichtigste. Die Exotik und sinnliche Wärme meiner orientalischen Inhaltsstoffe wie Vanille, Amber, Sandel, Moschus, etwas Weihrauch und natürlich die Gewürze bilden das aphrodisierende Zentrum meines Bouquets. Orientalisch leidenschaftlich geht es auch gleich zur Sache. Der Beginn erfreut mit orangig-spritziger Fruchtigkeit, dazu aromatische Vanille, süßlich-würzigen Spezereien und einer zurückhaltenden Rauchigkeit. Genuss und Wohlgefallen wie ein belebendes Bad in einem Jungbrunnen für Weiblichkeit. Zusätzliche blumige Nuancen, insbesondere dunkle Rose und Jasmin, betonen nun die duftverstärkte feminine Pracht betörender Frauen. Auch in diesem Sinne ist die weitere Wandlung des Duftes hin zu den Aromen der Basis fließend. Die verlockend warm-würzigen Akkorde von Amber, Weihrauch und Moschus dringen wie Balsam in Haut und Nase, die Hölzer weisen samtig den Weg um im leidenschaftlichen Überschwang des intensiven Wohlgeruchs neue Herzen zu erobern oder das Eigene zu verlieren. Eine deutliche Zibetanimalik und die sinnliche, grün-holzige Note der Eichenmoosflechte sorgen für eine raue Lebhaftigeit, die gern auch frivole, lüsternde Züge trägt. Hingabe und Ekstase mit allen Sinnen.

Ich bin beeindruckt. Dennoch, viele ihrer Neider aber auch manche Bewunderer sagen, ohne die aufreizende Werbekampagne mit Kate Moss wären sie längst vergessen und in der Versenkung verschwunden. Ist das so?
Ich erinnere mich gut an meine Anfangszeit, denn ich kam schon sehr erwachsen zur Welt. Es war ein grandioser Start genau in die richtige Zeit, lärmend, schrill und bunt. Mein Duft sprach laut und kräftig für mich. Aber ja, so richtig Fahrt nahm mein Leben dann 8 Jahre später auf. 1993 gab mir Calvin Klein die junge, anmutige und zierliche Nymphe Kate Moss an die Hand. Vorgestellt in anziehend erotischen Posen, lasziv und verwundbar in ihrer Nacktheit, war sie der passende Gegenpol zu meiner prallen Vollweiblichkeit. Und ehrlich, wer wollte sie nicht mal haben diese Lolita, Frau oder Mann, wer wollte ihre Verletzlichkeit nicht vor Bösem beschützen, Mann oder Frau, wer wollte nicht mal ihren Duft auf seiner Haut spüren, Frau oder Mann? Wir gingen dann einen guten und erfolgreichen Weg zusammen.

Das klingt nicht nach Resignation oder Rückzug?
Natürlich nicht. Ich sehe mich heute als Kennerparfüm und bin in meiner erotischen Nische recht glücklich, wohl wissend, daß die Luft auch hier recht dünn ist und die erogene Parfümkonkurrenz mit Habanita, Tabu, Obelisk und vielen weiteren Klassikern groß und großartig daherkommt. Unsere Nische scheint auch etwas aus der Zeit gefallen zu sein, aber so eine Einschätzung wäre naiv, dumm und leichtfertig. Gerade hier finden wir lang bewährte, erstklassige Düfte zu akzeptablen Preisen, die fast immer genau das leisten, was sie sollen. Ab und an, aber selten verirrt sich auch mal ein neueres Parfüm hierher und ist gern gesehen.

Und die Zukunft? Wie geht es weiter mit dem Kennerparfüm Obsession?
In der Vergangenheit habe ich zwar einige Duftfedern lassen müssen, fühle mich aber immer noch sehr potent und kräftig. Dazu kommt ein gewisses neues Wohlgefühl, denn ich muss niemandem und nichts mehr beweisen. Mein Focus liegt weiter in der unbedingten duftvollen Unterstützung aller Herzensangelegenheiten meiner Trägerinnen und Träger, manchmal edel und charmant, gern auch provokant und schlüpfrig, aber immer begierig und leidenschaftlich.

Herzlichen Dank an Obsession für das Interview und den Lesern ein Dankeschön für’s Begleiten!
67 Antworten
Ponticus vor 6 Monaten 85 68
7
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Lederhosenkinder
Ich gehöre zur der Generation der Baby-Boomer mit der landläufig die Geburtenjahrgänge in etwa von 1950 bis 1970 benannt werden. Als solcher litt ich nie Mangel an Spielkameraden, durfte in chaotischen, schülerstarken Klassen lernen, war bei Bewerbungen, Prüfungen oder Anmeldungen nie allein und bei fast jedweden Kaufabsichten war die Warteschlange unvermeidbarer Begleiter. Es war immer und überall voll und immer und überall war etwas los, man war nie allein, selten einsam, hatte echte Freunde und reale Feinde. Ein Leben direkt zum anfassen, welches sich hauptsächlich draußen abspielte.

Für diese Abenteuer in der freien Natur besaß damals fast jedes Kind eine kurze Lederhose! Neu und zu Anfang einige Nummern zu groß, noch mit Trägern dran und Brustportmonnaie, wuchs ein Jeder mit der Zeit in seine Hose hinein um dann, nach etlichen Jahren, jetzt hauteng, die ersten pubertären Veränderungen eher zu verstärken als zu verbergen. Alle Jungs in unserer ländlich geprägten Gegend trugen sie von März bis November so lange es die Temperaturen zuließen und auch einige Mädchen waren mit dabei. Diese Hosen gingen nie kaputt, wurden nie dreckig und folglich auch nicht gewaschen und waren Aufbewahrungsort für alles was man den lieben langen Tag draußen brauchte oder fand. Eine zweite neue Lederhose gab es meistens nicht, war man der ersten erstmal entwachsen. Oft wurde sie aber weitergegeben an den Bruder, Freund oder den, der eine suchte. Niemals wurde sie weggeworfen, lieber eingelagert um eines Tages den eigenen Kindern ebenfalls gute Dienste zu leisten.

Als vor vielen Jahren meine liebe Oma starb, fand ich die Meinige in einem Pappkarton in ihrer Abstellkammer. Meine Kinder waren schon zu groß dafür, aber sie hätten sie sowieso nicht angezogen, auch keine Neue. Kürzlich fand ich sie erneut wieder, meine alte Lederhose, diesmal auf meinem eigenen Boden. Natürlich habe ich sie mir genau besehen, überall gerochen und vieler der aufkommenden Erinnerungen gedacht. Kaum noch wildes Leder zu sehen, überall glatt und speckig, fleckig, abgeschabt und abgeranzt, sogar eine offene Naht ist zu sehen. Ihr Geruch ist leicht muffig-erdig, recht herb und kräftig ledrig. Zusätzlich kommen Erinnerungen auf an die vollgestopften Seitentaschen in denen die Kirschen, Äpfel und Pflaumen Platz fanden, die wir an den vielen Straßenalleen plückten und die auch ansonsten immer gut gefüllt waren mit unseren Kinderschätzen, mit Essen und anderem mehr. Etwas verschämt denke ich auch daran, wie schnell es gehen mußte, wenn man beim spielen „plötzlich“ von einem Bedürfnis überrascht wurde und dabei die Hose in der Eile mehr als einmal etliche Tropfen abbekommen hatte. Spätestens jetzt rieche ich diesen strengen, animalisch-trockenen Geruch auch bei meiner Hose.

Die Neuentdeckung meiner Lederhose ging zeitlich, aber zufällig mit dem Kauf eines neuen Parfüms, Bel Ami EdT von Hermès, einher. Das Parfüm wird geprägt von seiner Ledernote! Diese markante Ledernote macht Bel Ami aus, sowohl die Facetten die man geradeheraus riecht, als auch jene die man sucht und hofft zu finden. Bel Ami ist für mich ein Erinnerungsduft und ein Teil davon erinnert mich an meine glückliche Kindheit, an unser Freiheit im Alltag und an meine Lederhose in der ich all die Abenteuer erleben durfte.

Würzig-herb geht es bei Bel Ami los in Gestalt einer frischen, krautigen Fruchtigkeit, die schon einen leichten Drift ins ledrige für mich hat. Zügig erreicht Bel Ami eine beachtliche Tiefe in der die fruchtige Frische schnell verschwindet und aus der heraus etwas angeschmutztes Leder immer mehr Raum gewinnt. Das Leder ist nicht dreckig, eher knarzig, rauchig, aschig und mit etwas Erde daran. Die Ledernoten sind zeitlich immer präsent, aber dominieren Bel Ami nicht. Holzig-moosiges Eichenmoos, lockend-würzige Blumigkeit und eine zurückhaltende sehr aromatisch-vanillige Süße flankieren die Ledernote sehr elegant und geben dem Duft eine gewisse schroffe Harmonie. Die Haltbarkeit des Duftes reicht über den gesamten Tag, der Geruch ist nicht aufdringlich, aber die Bemerkbarkeit könnte besser sein. Bel Ami ist kein klassischer Lederduft, eher ein ledriger Klassiker für den eleganten Herrn und eine markante Alternative zu den heute überhand nehmenden Süßlingen und den älteren, bewährten Frisördüften.

Erinnerungen evoziert Bel Ami für mich vor allem durch die riechbaren Lederfacetten des Parfüms, ohne damit auch nur andeuten zu wollen, daß Bel Ami wie meine alte Lederhose riecht. Dennoch komme ich dann beim Zurückblicken ins Schwärmen, schaue mir die alten Fotos an, sprühe das Parfüm auf und bin an solchen Tagen etwas glücklicher als an anderen und riechen tue ich auch gut. Den kurzzeitigen Vorsatz meine alte Lederhose nun meinen Enkeln anzubieten, habe ich schnell aufgegeben! Sie sind zwar genau im richtigen Alter, aber heute ist eine andere Zeit mit anderen Moden, anderen Aktivitäten, viel weniger draußen und seien wir ehrlich, etwas eklig wäre es denn auch schon.

Herzlichen Dank an Euch für die erwiesene Aufmerksamkeit!
68 Antworten
Ponticus vor 9 Monaten 83 75
10
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
7
Duft
Nase voll !
Kurz vor Ende der umfangreichen Corona-Schutzmaßnahmen vor gut einem Jahr hatte ich die Nase gestrichen voll. Das passierte zu jener Zeit recht oft und ich ärgerte mich über mich selbst, denn für die unerfreuliche Situation gab es ja niemanden, den ich hätte verantwortlich machen können. Die ganzen Regeln, Vorschriften, auch die Impfungen sah und sehe ich ein und fand fast alles irgendwie notwendig, schließlich war und bin ich persönlich nah dran an den Risikogruppen zu Corona. Irgendwann läuft aber jedes Fass über und der sich damals erneut andeutende Ausfall unseres Urlaubs war ein weiterer, herber Schlag. Mir stank es gewaltig und noch hatte es nichts mit Parfüm zu tun.

Um etwas herunterzukommen und mich zu beruhigen beschloss ich mein jungfreuliches, also noch verpackt bereitstehendes „Urlaubsparfüm“ zu öffnen, um ein wenig Abstand vom Alltag zu gewinnen. Dies ging gründlich schief. Ordentlich aufgesprüht bemerkte ich plötzlich eine stechende Minznote und neben reichlich Komposthaufen, insbesondere zu früh umgesetzten Komposthaufen roch es vor allem nach nassem Fuchs in der Ranz und das muss man nun wirklich nicht haben. Hundebesitzer können sicher ein Leidenslied davon singen, wenn sich „Lumpi" beim Waldspaziergang wieder einmal genüsslich auf dem Boden gewälzt hat. Obendrein lief meine Frau vorbei und rief, ich möge endlich das alte, zum Düngen angesetzte Brennnesseljauchefaß vom Vorjahr reinigen, aus dem Garten röche es gerade sehr anrüchig.

Als ob ich es geahnt hätte beim Kauf des Parfüms Yatagan der Marke Caron. Was soll das überhaupt bedeuten, ein Parfümname mit Y. Ypsilon kann ich ohnehin nicht leiden, ein Buchstabe als Wort. Kann Y nicht yp heißen oder yps so wie all die anderen Laute ce, de, em, ka, vau, zet ...., aber ypsilon? Und dann diese faulig-braune Farbe im Flakon, meine Frau hat wohl doch recht! Ja, wenn schon aufregen, dann richtig.

Ein paar Tage später, die Dramatik war gewichen, das Wetter sonnig und ich saß entspannt auf der Terrasse. In den vorangegangenen Tagen war Yatagan mehrmals zur Anwendung gekommen und auch gerade eben wurden nochmals zwei ordentliche Sprühstöße zur entgültigen Duftbeurteilung bemüht. Wie schon in den vorherigen Versuchen gab es keine stechende Minznote mehr, weiß der Kuckuck was man in der Erregung so riecht. Kräuterkräftig geht’s aber schon los, Küchenkräuter satt ob mit oder ohne Sellerienote mag ich nicht entscheiden, dazu weiche, humusreiche Erde, Waldboden und Harziges von Kiefernadeln. Alles recht herb und dunkelbraun wie das torfige Wasser für den Whisky und Yatagan selbst. Das für mich Gelungenste an diesem kraftvollen, herbalen, lavendelwürzigen und derb männlichen Beginn ist aber das Fehlen der ansonsten oft üblichen zitrischen Eröffnungsorgie. Frische Zitrik ist belebend, aber hier wäre sie eindeutig zu viel.

Das Aufkommen der sinnlich-ledrigen und auch leicht tierischen Aromen im Parfüm Yatagan geschieht im weiteren Verlauf fließend. Sie verführen dabei wie Don Giovanni die arme Zerlina: mit großer Raffinesse, etwas Eleganz und ebenjenem animalisch-würzigen Timbre, das einen kleinen Bonaparte zum Kaiser macht. Rustikales Walkleder, etwas harziger Rauch und faunale Noten reihen sich harmonisch ein in die beständige, erdig-krautige und provokante Grundidee des Parfüms. Dem Duft liegt eine kräftige, animalisch-ledrige und sehr maskuline Projektion zugrunde, die auch deutlich wahrnehmbar ist. Das ist großes Kino, sehr gelungen und gereicht dem Hause Caron zur Ehre, auch wenn der Duft nicht meiner bevorzugten Richtung entspricht.

Yatagan ist ein Draußen-Parfüm mit einem gewissen Alleinstellungsmerkmal und keine grün-waldige Rauchbombe mit zitrischem Herrenfrisörtouch, die sonst des öfteren als würzig-holziger Duft präsentiert wird. Der Mann sollte sich für Yatagan entsprechend kleiden, Understatement, naturbelassen, Landhausstil, country style, schottisch. Bequemes Sakko, Weste, Hose (auch Kniebund), Schiebermütze, sehr gern und passend aus Tweed, vielleicht Oliv-Fischgrät, feste Schuhe, sogar Gummistiefel wären in Ordnung, aber ich schweife ab und komme ins schwärmen. Yatagan ist ein Duft der bemerkt wird, aber dennoch sehr gut zu klassischer, landadliger Bescheidenheit passt. Nur die wilden, osmanischen Reiterhorden mit ihren Krummsäbeln, nach denen das Parfüm benannt wurde, wollen nicht so recht in mein eigenes Yatagan-Bild passen.

Allen Mitlesern ein Dankeschön sowie einen entspannten Urlaub wann und wo immer dieser auch sein mag!

75 Antworten
Ponticus vor 7 Monaten 83 74
9
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
Fauxpas !
Kürzlich habe ich mir ein wenig den Unmut meiner Tochter zugezogen, als ich in einer meiner letzten Rezensionen durchblicken ließ, sie sei dufttechnisch vor allem im Drogeriesegment unterwegs. Meine Tochter kann damit zwar gut umgehen, sie ist schon ein großes, selbstbewustes Mädchen und steht mit beiden Beinen in Familie und Beruf, dennoch war ihre „frauliche Ehre“ wohl etwas angekratzt. Verstärkte Sticheleien und Spitzen bezüglich meines Parfümengagements ließen mich bei ihrem letzten Besuch aufhorchen und führten schnell zu meinem Fauxpas ihr gegenüber.

Da wir uns oft gegenseitig aufziehen und herumalbern, war auch schnell eine „Versöhnung“ erreicht. Im Ergebnis wollte meine Tochter den Einstieg ins Parfümsegment wagen und sich dafür aus meinem Fundus etwas aussuchen und ich versprach ihr, mit beratenden Vorschlägen hilfreich zur Seite zu stehen. Das olfaktorische Schicksal nahm so seinen Lauf und nach zwei Stunden hatte sich Madame entschieden.

Mit eindeutigem Vorsprung wählte sie für sich das EdT Jean-Louis Scherrer von Jean-Louis Scherrer. Für mich hat selten ein Parfüm so gut gepasst, wie dieser Duft zu ihr. Am EdT Jean-Louis Scherrer ist nichts durchschnittlich, ganz genau wie auch nichts durchschnittlich ist an dieser jungen Frau im besten Alter, wobei der Stolz des Vaters sicher ein wenig mit mir dabei schwanger geht.

Laut ist er nicht dieser Scherrer, schon gar nicht aufdringlich. Kraftvoll ist er, ausdauernd und von kühler, klarer Eleganz. Weit weg von einer beigefarbiger Behaglichkeit verbreitet der Duft neben Eleganz aber auch legere Lässigkeit, so als trüge man zum stilvollen Kostüm statt edler Pumps nur bequeme Sneakers und ließe sein Jäckchen dazu auch noch offen. Das Parfüm hat nichts mädchen- oder knabenhaftes, es ist für Erwachsene gemacht.

Zitrisch aromatisch beginnt das EdT, auch etwas bittrig-säuerlich, was den grünen Charakter des Scherrers von Anfang an gut unterstreicht. Fein ausgewogen und nicht zu herb oder schroff mischen sich die Zitrusnoten schnell mit einem üppigen, blütigen Blumenbouquet in leicht seifigem Gewand. Dominant grün-floral duftet nun die große Bühne, als dieser Hauptakkord gespielt wird, der sich völlig unsüß präsentiert und auch nicht staubtrocken, eher erdfeucht, moosig, krautig-nass, in Facetten ähnlich klammen Leders. In jedem Fall grün, grün und nochmals grün.

Schon im Hauptakkord gegenwärtig, gewinnen die opulenten erdigen, holzigen und wurzlig-moosigen Aromen der Basis im Verlauf der Duftentwicklung die Oberhand und geben dem Parfüm den ungewöhnlich grünen Tiefegang, der im Gedächtnis bleibt. Da kratzt oder sticht nichts, an der Oberfläche wird es wärmer, cremig und auch ein Hauch Rauch ist dabei, während der kühle Grund weiterhin markant grün gehalten wird. Das passiert so mühelos und geschmeidig, daß ich fast das Wort Perfektion verwendet hätte.

Womit wir wieder bei meiner Tochter wären (wie gesagt, Stolz kann auch die Sicht trüben und außerdem muss ich aufpassen, daß ich bei soviel Lob für sie damit nicht gleich den nächsten Fauxpas bei meinem Sohn lande)!

Da ich jedem Parfüm auch erotisches Potential zugestehe, wollte ich natürlich von der frischen Scherrer-Trägerin wissen, wie sie ihren neuen Duft aus dieser Sicht betrachtet? Ein Kuschelduft für verliebte Stunden sei der Scherrer nicht, kam es wie aus der Pistole geschossen, auch kein Verführer oder Versöhner und schon gar kein duftiges Aphrodisiakum. Die Trägerin des Parfüms sollte hier selbst aktiv werden, den ersten Schritt tun und dies in der Gewissheit mit dem Scherrer-Duft ernst genommen zu werden, wenn sie die natürliche Distanz auflöst. Der Duft ist wie ein Versprechen, gibst du mir, so geb ich dir, laß uns Spass haben und uns gegenseitig erfreuen. Wie schon gesagt, nichts ist hier durchschnittlich.

Ich bin erfreut über ihre Wahl des EdT Jean-Louis Scherrer, schließlich gefällt mir das Parfüm auch sehr gut und ich merke, daß es vortrefflich mit meiner Tochter harmoniert. Meine Empfehlung für sie kam nur auf den zweiten Platz, es war Obsession.

Herzlichen Dank!

74 Antworten
Yatagan vor 4 Monaten 83 108
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Sillage
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Duft
Warum Du diesen Duft an Silvester auf keinen Fall tragen solltest!
Achtung: Lesen Sie nur weiter, wenn Sie Ironie verkraften können!

Du solltest diesen Duft an Silvester auf keinen Fall tragen, weil er nicht viel kostet - und was billig ist, kann schließlich nichts wert sein und wird deine Freunde deshalb mit Sicherheit nicht beeindrucken! Überdies passt er nicht zu deinem neuen SUV und das wäre ja das Mindeste!

Du solltest diesen Duft an Silvester auf keinen Fall tragen, weil der Flakon so schrecklich billig wirkt, - nicht mal ein bisschen retro -, und er deshalb deiner Freundin auf keinen Fall gefallen kann: Er passt nämlich nicht zu ihrem neuen Gucci-Fummel und wenn Du ihn in ihrem Bad platzierst, wird sie dich schlimmstenfalls noch vor der Silvesterparty rausschmeißen.

Du solltest diesen Duft an Silvester auf keinen Fall tragen, weil er nicht nach grünem Apfel, synthetischem Oud und Safran riecht und Du deshalb bei deinen neuen Freunden sofort unangenehm auffallen würdest: so wird das nichts mit der Corporate identity im Luxusclub!

Du solltest diesen Duft an Silvester auf keinen Fall tragen, weil die Haltbarkeit unter 6 Stunden liegt und Du deshalb eine ganze Flasche verbrauchen müsstest, um mit den neuesten Düften deiner Freunde und Freundinnen mithalten zu können. Spätestens ab Mitternacht riechst Du nämlich nach NICHTS mehr.

Du solltest diesen Duft an Silvester auf keinen Fall tragen, weil die Sillage nur deinen Nachbarn auffallen würde, Du aber den ganzen Club beduften möchtest. Spätestens jetzt hat sich die Entscheidung sowieso erledigt.

Du KANNST diesen Duft an Silvester tragen, wenn Du einem alten Klassiker den Vorzug geben möchtest, in den letzten Jahren bereits "Pour Un Homme de Caron (1934) (Eau de Toilette) | Caron", "Pour Monsieur (Eau de Toilette) / A Gentleman's Cologne / For Men | Chanel", "Eau Sauvage (Eau de Toilette) | Dior" und ähnliche unauffällige Altherrendüfte getragen hast und nicht mehr weißt, was sonst noch in Frage käme. Vielleicht wäre das nicht mal eine schlechte Wahl: knarzige, würzige und waldige Fougère-Düfte sollen ja bald wieder angesagt sein - und vielleicht bist Du dann der erste, der diesen neuen Trend bemerkt, und kannst es bei Instagram posten.

Allen Klassik-Fans, Nischenduft-Träger:innen, Mainstream-Liebhaber:innen und Drogerie-Connaisseuren sowie allen sonstigen liebenswerten Menschen auf Parfumo wünsche ich einen schönen Altjahrsabend und ein gutes und gesundes Jahr 2024!

Euer Yatagan
108 Antworten
Ponticus vor 7 Monaten 80 72
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Flakon
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Sillage
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Duft
Sicher ist sicher und doppelt hält besser!
Ich gehe gern auf Nummer sicher, was bedeutet, ich habe fast immer einen Plan B für ungewisse Vorhaben, weiß Bescheid über eine Ausweichroute bei Autofahrten, gehe auch schon mal zurück um zu sehen, ob die Tür wirklich verschlossen und das Licht ausgeschaltet ist. Selten wird auch etwas wirklich alle bei mir, denn ist das letzte Päckchen oder die letzte Flasche geöffnet, ist Nachschub schon auf dem Weg. Vorratshaltung ist bei uns kein Fremdwort und ein paar unangemeldete Gäste mehr sind noch immer satt geworden. Rosensträuße mit dem Duft von Tea Rose zu besprühen ist dagegen kein Ruhmesblatt, auf das ich stolz bin, aber doppelt hält besser und sicher ist sicher und es funktioniert.

Das EdT Parfüm Tea Rose von Perfumer’s Workshop gibt es für lau zu kaufen, macht auch flakonmäßig nicht viel her und an Duftnoten enthält es hauptsächlich Rose nebst diversen Beigaben. Nichts besonderes möchte man meinen, wäre da nicht dieser fantastische Duft nach Rosen, Beetrosen, Kletterrosen, Wild- und Edelrosen, Strauch- und Zwergrosen, nach ganzen Sträuchern oder Hecken dieser edlen, stachligen Schönheiten. Man könnte meinen, man hätte unverfälschtes Naturkonzentrat in Perfektion im Flakon. Mit Recht können sich die Chemiker des Schweizer Aromen- und Duftstoff-Herstellers Firmenich auf die Schultern klopfen, denn selten gelang die Synthese der Natur so authentisch.

Ist das Parfüm Tea Rose gesprüht, meint man sofort mitten in einem Feld, Beet oder Garten voll mit Rosen der verschiedensten Arten zu stehen. Der Duft ist kräftig, dicht, üppig und voll. Er ist eine Mischung verschiedenster Rosenfacetten und erinnert mich stark an den satten Geruch von Wild- und Bauernrosen, nicht in der Vase stehend, sondern mit allem drum und dran an Blattwerk und Erde, wobei ich diese nicht wirklich erkenne, sondern sie in Summe in dieser außergewöhnlichen Rosenaromatik zu riechen glaube. Dadurch entwickelt der Rosengeruch eine auffallende Tiefe in der sowohl frische, fruchtige Noten als auch dunkle, würzige Aromen zum Tragen kommen.

Über die Zeit eines Tages bleibt der Duft so rosig wie er ist, eine Entwicklung gibt es nicht. Das duftige Rosenbouquet steht wie eine Eins und läßt zu keiner Zeit ein Gefühl von Künstlichkeit aufkommen. Die elegante Faszination dieses Parfüms liegt für mich in der Geradlinigkeit und Authentizität seines Rosenduftes, einfach nur Rose und nichts als Rose.

Was mache ich nun mit diesem so tollen Duft, dessen Rosengeruch mir so sehr angenehm ist? Tragen werde ich ihn nicht. Er passt nicht zu mir, wie ich auch finde, er ist bei keinem Manne wirklich gut aufgehoben. Vielleicht bei einer Frau? Vielleicht? Vorstellen kann ich es mir, aber ich bin nicht wirklich überzeugt. Da ich Rosenduft sehr mag, habe ich begonnen mit Tea Rose ein wenig herumzusprühen, Bad, Toilette, auch mal in den Wohnräumen, auf die gemalten Geschenkblumenbilder der Enkel, Wäscheschrank, Wäschetonne, auch das Auto mußte herhalten. Das war alles ok, aber wirklich Erfolg brachte nur die Beduftung meiner zu verschenkenden Blumen- vor allem der Rosensträuße. Der Brautstrauß meiner Frau war ebenfalls ein Rosenstrauß und so bekommt sie natürlich jedes Jahr erneut einen zum Jubiläum. Die heutigen Gebinde, auch die Einzelrosen, duften kaum noch und so habe ich dieses Jahr zum dritten Mal Tea Rose eingesetzt. Ein satter Sprüher tief in den Strauß und zwei als feiner Nebel obenauf bringt glückliche Augen zu Hauf! So ein duftender, schön gebundener Rosenstrauß macht echt was her und ich gebe gern dazu meine Erfolg versprechende Empfehlung. Schlechtes Gewissen? Nein, und wenn dann eher wegen der Rosen aus Afrika.

Übrigens, der Begriff Teerose wird doppeldeutig verwendet! Einmal ist eine Kulturrosenzüchtung gemeint, die ihre Wurzeln in China hat und bei der der Ursprung des Namens auf verschiedene Deutungen zurück geht. Zweitens bezeichnet man mit Teerose oder Teeblume kleine, unscheinbare, runde oder klumpige Kunstwerke aus grünem Tee, die aufgegossen in einer Glaskanne, sich zu wundervollen Blumen/Rosen entfalten und neben schmackhaftem Tee auch was fürs Auge bieten.

Wer also einen authentischen Rosenduft mag, kommt an dem Parfüm Tea Rose schlecht vorbei und sollte sich dieses Erlebnis gönnen. Ich gehe jetzt ein Rosensträußchen kaufen (mal außer der Reihe) und bedanke mich herzlich bei allen Lesern.

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