Top Rezensionen

2021
Can777 vor 3 Jahren 270 103
9
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft
Too Far!
Ich wollte sie lächeln sehen. Sie war so fern. Zu fern! Sie weinte viel die letzten Tage. Ich auch,aber selten vor ihr. Wir hatten beide große Angst. So wussten wir doch um das „Ding“ in ihrer rechten Brust was nicht hätte sein dürfen. Am Tag ihres Geburtstags war die Untersuchung. Am Abend als alles vorüber war bekam sie ihr Geschenk von mir. Ich überreichte es ihr mit den Worten es solle ihr Glücksstern sein. Ich schenkte ihr einen Stern mit dem Namen Telea. Einen Stern für einen Stern,...meinen einzigsten und hellsten Stern! Ich löschte die Lichter im Raum,weil ich wusste,dass in der goldenen Box ein Licht zu brennen begann wenn man sie öffnete. Als sie die goldene Box öffnete und ihr Gesicht im Dunkel erhellte,fing sie an zu weinen. Aber nicht aus Angst mich,sich oder uns zu verlieren und somit auch das Leben und die Liebe. Nein,sie weinte vor Glück und Schönheit. Und so sagte sie leise zu mir: Ich wusste gar nicht das so etwas Schönes überhaupt existiert!? Und ich sah nach langer Zeit wieder ein Lächeln in ihren Gesicht. Wir benetzten beide unsere Haut mit Telea an diesen Abend und begannen zu träumen. Und augenblicklich trug uns Telea fort. Weit,weit fort! Telea nahm uns mit auf ihren türkis-goldenen Flügen an einen exotischen Ort,der dem Paradies gleichkommt. Auf unsere Hochzeitsreise die schon sehr lange her war. Ins Raa-Atoll.
Zu den Malediven!

Telea
Telea duftet wie ein unwirklich-schönes Atoll im indischen Ozean. Eine einsame,grüne Insel im türkis-blauen Wasser. Es duftet nach Frische,Reinheit und Leichtigkeit. Die Luft ist sauber und leicht und der warme Wind trägt den Duft von zitrischen Früchten und exotischen Blüten mit sich. Spritzige Noten von Orangen,saftigen Birnen und zitrisch-herber Bergamotte bringen eine unglaubliche Frische. Akkorde aus exotischen Blüten mischen sich nach und nach zu und Telea wird leicht süßer und blumiger. Wie ein warmer Wind der sich floral und zart-grün über die Haut legt duftet es nach hellen Jasmin und Nektar gleichen,mandeligen Heliotrop. So als würde er aus den floralen Tiefen der Insel kommen. Leicht unterlegt von herb-würzigen und leicht rauen Vetiver. Telea ist so hell wie weißer Muschelkalksand in dem das gebleichte,fast weiße Treibholz in der Sonne irisiert. Holzige Noten aus hellsten und fast schon kristallinen Patchouli und Oud veredeln es auf bezaubernde Weise so als würden die Noten fast schon klirren und singen in ihrer hellen Reinheit. Nichts ist überladen oder schwer in diesem Parfum. Telea wird zum Ende hin immer holziger in seiner Darbietung und verabschiedet sich mit dem Gefühl von gebräunter Haut aus warm-cremigen Mahagoni-Hölzern und einem Sonnenuntergang aus fein,harzig-goldenen Ambra. So könnte ein Stück vom Paradies duften. Oder besser gesagt. So duftet es für mich!

Fazit
Telea ist schwer zu ergründen und zu erforschen. Das Parfüm ist hoch-komplex und sehr fein und filigran verwoben in seiner Zusammensetzung. Es verteilt seinen hypnotisch-exotischen Duft über viele Stunden. Wenn nicht sogar Tage.Telea ist so leicht wie Sonnenstrahlen die die Haut umspielen. Aber auch so reichhaltig wie ein exotisch-floraler Blumengarten nach einem Monsunregen. Es ist ein ständiges Wechselspiel zwischen fruchtigen,floralen und warm-holzigen Noten und Akkorden. Telea ist blendend wie weißer Sand in der Sonne,grün-floral,fruchtig wie exotische Vegetation und holzig-kristallin wie klare,frische Luft vom Ozean. Das Oud was hier verwoben wurde ist so fein und rein in seiner Qualität,dass es fast wie ein holzig-glasiger Schleier aus Kristallen wirkt. Eines der reinsten und klarsten Patchoulis tut sein Übriges um die transparente Reinheit noch zu untermauern. Ob er seinen Preis wert ist. Meiner Meinung ist es das! Und er gehört für mich definitiv zu den traumhaftesten Sommerdüften 2021.
So oder so!

Parfums können heilen. Sie gehen tiefer als mancher körperlicher Stich,Schnitt oder Schmerz. Sie gehen tief in die Seele. Dorthin wo man selbst nie hinkommt. Sie heilen Wunden die teilweise nicht sichtbar sind für andere. Parfums begleiten uns auf schönen und auch schweren Wegen. Sie bringen uns an ferne,sehr,sehr ferne Orte. Telea hat meine Frau und mich begleitet beim tagelangen warten auf Befunde und Ergebnisse. Telea war jeden Tag bei uns und hat ihr und mir das Lächeln zurückgebracht. Telea hat uns umspielt,getröstet und gehalten in dunklen Stunden. Ich schenkte einen Stern einen Stern,...einen Glücksstern mit dem Namen Telea. Und dieser Glücksstern hatte ihr und mir letztendlich auch Glück gebracht.

Und ja,...er hat auch geheilt. Den Körper und die Seele!

https://www.youtube.com/watch?v=38E3u49BlOI
103 Antworten
Ripley vor 3 Jahren 188 45
9
Flakon
10
Duft
Gris Dior war echt schön.
Ich bin neu bei euch. Ich bin neu mit einer Leidenschaft, die mich rasant einnimmt und mich Schlaf kostet. Neu mit einer Leidenschaft, die es mir ermöglicht mich an jedem Ort etwas glücklicher zu fühlen. Ich bin neuerdings ein Sammler, ein Jäger, ein Genießer, ein Teiler - ausgerechnet ich, ich mit meinem Autismus.
Ich kann Emotionen nachvollziehen, aber es fällt mir schwer angemessen darauf zu reagieren. Oder zumindest, was man unter angemessen versteht.
Mich selbst lässt vieles recht unberührt, zumindest wenn es den Rahmen des engsten Familien- und Freundeskreises übersteigt.
Meine Freizeit nutze ich, um zu recherchieren. Wenn mich etwas interessiert, dann richtig. Ich will - ich muss alles darüber wissen.
Und so kam ich irgendwie vor wenigen Monaten zum Thema Duft und schließlich hierher.
Um zum eigentlichen Star des Kommentar zu kommen galoppiere ich nun folgend etwas:

Hier angemeldet fragte ich schnell die ersten Proben an und die Düfte kamen kurz darauf und machten mich etwas sprachlos ob ihrer Qualität im Vergleich zu meinen bisherigen olfaktorisch genießbaren „Wässerchen“.
Nach einigen Umschlägen kam schließlich Gris Dior. Aufs Handgelenk gesprüht und direkt die Augen geschlossen beim Einatmen, weil ich ihn schön fand. Schön.
Es kamen weitere Abfüllungen aus Sharings. Viele Abfüllungen.
Gris Dior war echt schön.
Es zogen einige Flakons ein.
Gris Dior war echt schön.
Ich fing an jeden Tag einen anderen Duft zu tragen.
Gris Dior war echt schön.
Ich trug plötzlich Düfte zum Schlafengehen auf.
Gris Dior war echt schön.
Ich gab Düften 10 Punkte hier.
Gris Dior war echt schön.
Ich träumte von Düften.
Gris Dior war echt schön.
Ich dachte tagsüber an Düfte.
Gris Dior war echt schön.

Da merkte ich es langsam. Egal mit welchen Duft ich es zu tun habe oder an welchen ich gerade denke - es kommt immer wieder diese leise, schöne Erinnerung an den Duft, den ich vor ein paar Wochen auspackte, kurz testete und für „schön“ befand.
Er ist nicht nur schön. Er bereitet mir Gänsehaut, wenn ich nur an ihn denke. Er macht mich glücklich, wenn ich ihn trage.
Er macht mich emotional.

Mich.

Ich bin noch nicht gut darin Düfte zu beschreiben und selbst wenn ich jede Duftnote blind nennen könnte, so hilft vielleicht ja auch ebenso die Beschreibung meines Wohlgefühls, welches ich euch versucht habe zu verdeutlichen.

Gris Dior ist wunderschön. Wunderschön sinnlich, wunderschön zart, wunderbar raffiniert verwobene Blüten mit einer wunderbaren Cremigkeit.

Das Bewusstsein das Gris Dior der Duft meines Lebens sein muss, erlangte ich vor wenigen Tagen.

Eine kurze Reise zum schönsten Ziel.

Ich werde andere Düfte mögen, schätzen, teilen und gut bewerten, doch ich werde immer zu ihr zurückkommen.

Zu Gris Dior.
45 Antworten
Turandot vor 3 Jahren 185 52
7
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft
Im Zenith des Sommers
Wenn der Sommer sich seinem Höhepunkt nähert und die Hitze in der Wohnung schon morgens mit heruntergelassenen Jalousien und schattenspendenden Markisen bekämpft wird, werde ich immer ein wenig melancholisch. Auslöser dafür sind untrügliche Zeichen, dass sich die im noch kahlen und nasskalten Frühjahr heiß ersehnte Zeit ihrem Ende zuneigt. Statt Vogelkonzert liefert uns die Natur nur Grillengezirpe, statt lauer Lüfte brüllt manchmal kreislaufbelastende Hitze und wenn in Gärten, auf Feldern und auch im Supermarkt die Gladiolen ihre Pracht entfalten, dann bleibt nur noch die Hoffnung auf einen schönen Altweibersommer, einen goldenen Oktober und der Wunsch, die derzeitige Hitzewelle möge sich nicht schon wieder mit beängstigenden Unwettern verabschieden.

Und doch - diese Zeit, die ich dann eben doch auch genießen kann ist eben nicht nur melancholisch, sondern sie zeigt uns Jahr für Jahr, wie kraftvoll die Natur nicht nur Unbill, sondern eben auch ihr Füllhorn an Schätzen über uns ausschüttet. Ein Gang über den Stadtmarkt, ein Spaziergang entlang von Bauerngärten, die reiche Ernte der Streuobstwiesen, die uns zeigt, was die Blütenfülle im Frühling erhoffen ließ, bringt mich jedes Jahr zum staunen. Und genau diese Kraft, diese Pracht an Farben, an Düften, an Köstlichkeiten, an Aromen die die Sonne erst möglich macht, all das finde ich in Cala Rossa, diesem so ungewöhnlichen Duft eingefangen.

Mittelmeerfeeling bedeutet eben nicht nur Thymian, Rosmarin, Basilikum und jede Menge Limoncello, sondern auch das Salz des Meere, die Aromen diverser Mineralien die die sonnenerhitzen Felsen der Küsten ausstrahlen, die eben nicht durch flachen Sandstrand verwechselbar für so viele Urlaubsregionen typisch sind. Wer nicht nur am Strand liegen möchte, sondern sich auch mal auf Schusters Rappen ins Hinterland Italiens oder Kroatiens begibt, wird wissen, was ich meine. Und genau dieses Fluidum verkörpert für mich Cala Rossa.

So kraftvoll, so aromatisch, so voller Energie ist für mich kaum ein anderes Parfum. Eigenwillig, herb, ungezügelt und doch harmonisch haben es die Parfumeure von Santa Maria Novella geschafft, den Sommer jenseits von Touristenpfaden einzufangen. Bereits in der Kopfnote wird weder Bergamotte noch Zitrisches bemüht, sondern der Reigen der mediterranen Kräuter eröffnet den Duft energetisch fast maskulin. Das bleibt auch während des Ablaufs so und klingt grünwürzig aus. Ich staune über die angegebenen Duftstoffe, denn im Grunde kennen wir doch jeden dieser einzelnen Noten. Nichts ist exotisch oder erinnert ans Chemielabor moderner Nischenparfums, und doch ist die Gesamtheit dieser Zutaten im Ergebnis ein völlig ungewöhnlicher und für mich reizvoller Duft, der mich jedesmal sehr berührt, wenn ich ihn mir gönne.

Nun genieße ich halt den Sommer so lange er dauert und mit Cala Rossa kann ich ihn mir das ganze Jahr zurückholen. Und wer mit mir diese Stimmung einfangen möchte, dem rate ich, wieder mal das Gedicht "Abseits" von Theodor Storm zu lesen. Es fasst in Reime, was Santa Maria Novella in einem Duft verewigt hat.



52 Antworten
Foxear vor 3 Jahren 136 52
8
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Sinnliches Sommermärchen
„Männer, zeigt Ihnen, was verheerend heißt!“ – die gewaltige Streitmacht der Animaliker warf zahlreiche Zimtspeere auf Geheiß des Heerführers Kouros in die Reihen der orientalischen Vanillaner. Diese wehrten mit Lavendel- und Bergamotteschilder die Salven gekonnt ab, sodass es zu wenigen Verlusten kam. Als Kouros erkannte, dass sein Schachzug nicht den gewünschten Effekt erzielte, blies er mit seinem Zimthorn zum Angriff.

Unter der prallen Hitze der sengenden Sonne stürmten die Armeen Zähne bleckend aufeinander und stießen laut krachend zusammen. Bewaffnet mit Nelkensäbeln und Zimtäxten, lieferten sich die Soldaten im umkämpften Tal Malle ein glorreiches Geplänkel. Klaffende Wunden ließen den süßen Lebenssaft der Vanillaner auf die kochende Haut der Animaliker spritzen und umgekehrt – in der Atmosphäre des Getümmels lag eine balsamische Melange aus Zimt und Nelke. Das Ganze wurde durch den ungestümen Eigengeruch der Animaliker um eine sinnliche Facette erweitert.

Die Anzahl der kampfbereiten Soldaten sank innerhalb mehrerer Stunden rigoros ab; das Kampfgeschrei und die Motivation zum Sieg indes blieben auf beiden Seiten beständig. Inzwischen waren die nackten Oberkörper der Vanillaner vollkommen von nach Moschus riechenden Schweiß bedeckt.

Als nur noch wenige Dutzend standen, trat Kouros hervor und forderte den gegnerischen Heerführer zum Duell – der Sieger würde zugleich die Schlacht gewinnen. Vor stolz geschwellter Brust trat Ambra, Heerführer der Vanillaner, hervor. „Tanzen wir!“, brüllte Kouros und stürmte mit seiner Sandelholzhellebarde voran. Damit attackierte er wild und ungeniert Ambra, der stets gewieft auswich oder parierte. Die Luftzüge der schnell schwingenden Sandelholzhellebarde paarten sich mit dem Geruch von Ambra und seinem Schweiß. In der Luft flirrte eine samtweiche und cremige Vanillewolke mit Moschusnuancen. Als Kouros seinen turbulenten Tanz beendet hatte und außer Kräften war, nutze Ambra die Gelegenheit und durchbohrte mit einem präzisen Stich seines Guajakholz Rapiers Kouros‘ Herz. Die Schlacht um Tal Malle war geschlagen, die Vanillaner brüllten lautstark und feierten ihren Sieg.

… Musc Ravageur ist eine feine Melange warmer und weicher Duftnoten mit sinnlichem Einschlag. Das würzig-süße Zweigespann aus Nelke und Zimt ist lange Zeit federführend, ehe die samtweiche Basis aus ambrierter Vanille und Moschusnuancen freigelegt wird. Über Stunden kämpft sich die Vanille aus dem Holzkokon heraus und verzaubert Nasen in ihrem Umfeld. Das Holzbett aus Zedern- und Guajakholz dämpft die Süße insgesamt ab; daher keine Angst, es wird nie klebrig süß. Nachtisch gibt’s bei passender Atmosphäre trotzdem.

Persönlich ordne ich Musc Ravageur mehr orientalisch denn animalisch ein. Mir hat sich die animalische Tendenz tatsächlich nicht erschlossen. Er riecht sinnlich und verführerisch, gewiss. Vermeintlich anwesende wilde Tiere haben sich vor mir gut versteckt – sind Füchse so einschüchternd?

Beim erstmaligen Testen im Februar hat sich mir der Zauber nicht vollends erschlossen. Erst auf Anraten einer tollkühnen Parfuma versuchte ich den Test unter lebensbedrohlichen Bedingungen: bei hochsommerlichen 30°C. „Der ist verrückt“, mag sich mancher denken. Zu Recht! Mein Testament hatte ich kurz vorher geschrieben. Doch das Ergebnis war erstaunlich: der Duft hat sich bei der Hitze weitaus besser entfaltet, als er es aus meiner Erinnerung im Winter tat. Die Wärme meiner sonnengebadeten Haut, der eigene Körpergeruch und das Parfum ergaben eine wundersame Melange, bei dem die Vanille wie ein Phoenix aus der Asche gen Himmel hinaufgestiegen ist.

Normalerweise empfiehlt man süße Düfte für kältere Jahreszeiten - „vorzugsweise an kälteren Tagen zu tragen“. Doch hier nicht: viel mehr appelliere ich an alle Parfumixe – lasst Musc Ravageur auf eure Haut, auch bei hochsommerlichen Temperaturen. Sprengt die olfaktorischen Konventionen, wagt den Sprung ins Ungewisse – vielleicht werdet ihr am Ende reich belohnt. Lasst euch verzaubern vom sinnlichen Sommermärchen.

Passende Musik: Murlo – Primal
Vielen Dank Notausgang für dieses sinnliche Elixier!

Addendum: Gleiches Wagnis mit Oud-Düften im Sommer kann ich nur eingeschränkt empfehlen – das Ergebnis ist trotzdem spannend, oder anders gesagt: verheerend.
52 Antworten
Pollita vor 3 Jahren 125 77
4
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
Oh Schreck! Die Knarren-Julia hat mich!
Meine liebe Regio-Kollegin Susan kennt mich inzwischen ein bisschen. Unsere Geschmäcker decken sich zwar seltenst, aber womit man Hühner ködert, das weiß sie gut. Ich erinnere mich noch sehr gut an unser allererstes Treffen, bei dem sie mir einen Winzrest Muschio von Santa Maria Novella mitgebracht hatte. Und Polly war schockverliebt. Ganz fix ging das.

Jetzt erreichte mich gestern wieder so ein Brief aus der Nachbarschaft mit einigen Leckerlies. Darunter Musc Invisible von Juliette Has a Gun. Eine Marke, die ich noch nie leiden mochte. Zu viel Ambroxan, zu viel Synthetik, zu viel Chemie-Gepansche. Die Düfte klangen zwar fast immer schön, doch sobald ich die Probe dann da hatte, musste ich auf die Enttäuschung meinerseits meist nicht lange warten. Wie sagt der werte Herr Cravache? „Knarren-Julia, das passt nicht zu Polly.“

Dachte ich bis heute Vormittag auch, doch dann kam der unsichtbare Moschus und katapultierte mich unmittelbar in den Urlaub. Ihr ahnt es. Nach Ibiza. Der Start ist zwar etwas gewöhnungsbedürftig, aber der Duft scheint meine Haut zu mögen. Was wie Seifenschaum anfängt und anfangs tatsächlich noch ein bisschen synthetisch anmutet, mausert sich zu einer wunderschönen Jasminnote auf einem frisch gewaschenen T-Shirt. Jasmin ist zwischenzeitlich eine sehr gut Freundin von mir, sofern nicht indolisch. Aber den Herrn Indol, den kennt sie hier ganz gewiss nicht. Sobald der Moschus sich dazugesellt, wird der Duft etwas süßer und hat so eine zarte, wunderbare Hautnote. Leicht sinnlich, ganz ganz minimal animalisch, aber auch das riecht man nur, wenn man das auch so will. Der Duft ist schlicht, wie ich es liebe. Ganz ohne Schnickschnack.

Ich bin verzückt. Ich habe das Gefühl, ich sitze in Ibiza am Wasser auf meinem Badehandtuch und nirgendwo um mich herum gibt es Maskenpflicht, Schnelltests oder Inzidenzen. Alles ist gut. Ich strahle und bin happy.

Das schönste dabei ist, auch mein Mann, der auf so zarte Düfte mit Moschus und Blüten gerne mal anosmisch ist, kann Musc Invisible riechen. Und er bestätigt meine Urlaubs-Assoziation sogar.

Oh Yeah! I think I’m in Love. Und jetzt geh ich mal die Susan knutschen.
77 Antworten
Ponticus vor 3 Jahren 124 66
9
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft
Der Weg in das Schlaraffenland
Er hatte sich wieder aufgemacht, war im Traum los gelaufen um seine Fantasien zu verwirklichen. Das Ziel sah er deutlich vor Augen, den Weg fanden seine Füße noch zögerlich. In seinen Träumen war er schon oft im Land wo Milch und Honig fließen, die Braten fertig durch die Luft fliegen, es mehr Wein als Wasser gibt, Käsewürfel den Weg zieren, Häuser aus Kuchen und Zäune aus Würsten gebaut sind. Müßiggang war nicht sein Ziel, dafür Spiel, Spaß und allerlei Kurzweil. Er wollte schöne Gewänder tragen, Hosen, Westen aus feinstem Tuch und edelste Parfüme probieren, die herrlich duften und auch seiner Seele schmeicheln. All das und so vieles mehr hoffte er an diesem Ort zu finden. Er hörte gar von einem Jungbrunnen, aus dem man nach dem Bade um Jahre verjüngt heraus stieg. Leider endete der Traum jedesmal an einer berghohen Mauer aus Reisbrei. Die umgab das Land und durch diese hätte er sich erst durchessen müssen um hineingelangen zu können. Er konnte Reisbrei nicht ausstehen und wachte auf!

Mit den ersten intensiven Gerüchen des Parfüms Naxos fand das Schicksal eine Art Abkürzung zu ihm, einen Trampelpfad aus seinen Träumen in die Wirklichkeit und er wähnte plötzlich ein kleines Stück dieses Traumlandes unerwartet sein eigen. Die edle Verpackung, der wunderschöne Flakon und die ausgezeichnete Verarbeitung ließen schon Gutes erahnen und dennoch wurden die Erwartungen übertroffen. XJ 1861 Naxos von XerJoff ist ein würziges, süßliches Parfüm mit ausgeprägten Honig- und Tabaknoten auf feinst austarierten zitrischen Grundtönen, ein Duft der deiner Nase schmeichelt, dein Herz berührt und deine Seele streichelt.

Der Start von Naxos gestaltet sich überraschend zitrisch-frisch. Die Bergamotte und die Zitrone wollen hier zeigen, daß sie die erste Führung inne haben. Nichtsdestotrotz ziehen sie sich, zügig beginnend, immer mehr zurück ohne je ganz zu verschwinden. Sie bilden sozusagen den zitrischen Weg auf dem Naxos in den nächsten Stunden flanieren wird und auf dem sie ständig präsent sein werden. Kaum ist der Pfad geebnet, wird er auch schon von Honig und Tabak in Besitz genommen. Dabei prescht der aromatische, dunkle Honig ungestüm voran, während der Tabak noch etwas vorsichtig, ein Fuß vor dem anderen, nur erste leichte Duftwölkchen verbreitet. Der cremige, selbst schon würzige Aromahonig wird in seinen Fluß von etwas Lavendel und Blumigem gebremst, gewinnt dabei aber noch mehr an verführerischem Charme. Mittlerweile konnte auch der nun tatendurstige Tabak zum Honig aufschließen, im Gepäck weitere feinste Gewürze. Von hier an machen sich die beiden agilen Burschen gemeinsam auf ihren noch langen duftigen Weg!

Tabak und Honig gehen dabei eine innige Verbindung ein. Manchmal sich treibend, manchmal sich stützend, aber immer in sich ruhend schreiten beide unbeirrt in aromatisch-honigsüßer und herb-würziger Spur voran. Der Duft zeigt sich dadurch sehr harmonisch, denn auch Lavendel, Zimt und Blüten winken fein im Takt und noch recht kräftig vom Wegesrand.

Bevor nun nach reichlich zurückgelegter Strecke der köstlich feinherbe Tabak die Süße des Honigs einengen kann, bekommen die Zwei wärmende süß-balsamische Begleitung. Die ganz leicht marzipanige, vor allem die Süße unterstützende Tonkebohne wird jedoch sofort recht gut auf dem immer noch zitrischen Weg im Zaum gehalten. Mit ihrem leicht vanilligen Charakter kündigt sie allerdings schon ihre große Schwester, die echte Vanille, an. Diese Vanille reiht sich alsbald stimmig ein, ohne sich dabei auffallend zu präsentieren oder gar die Führung zu übernehmen. Jetzt zu viert werden sie alle gemeinsam das letzte Drittel ihrer Strecke zurücklegen, bis sie im Ziel, nach insgesamt etwa zehn bis zwölf Stunden, zusammen mit der noch vorhandenen Zitrik, langsam verduften.

Naxos ist mir Verlockung und Begehren, süße Versuchung und süße Leidenschaft. Naxos ist ein Parfüm, ein Genießen mit allen Sinnen und ein kleines Stück vom großen Glück!

Vor einem Jahrzehnt, zum 150sten Jubiläum, ehrte XerJoff mit der Duftreihe XJ 1861 die Vereinigung einzelner Staaten im Jahre 1861 unter König Viktor Emanuel II. zu einem vereinten Italien. Die drei erschienen Düfte Naxos, Zefiro und Renaissance stehen für großartige Landschaften und das kreative Erbe der Apenninhalbinsel. Als Würdigung finden auch die Farben der italienischen Flagge ihren Platz auf Verpackung und Flakon. In diesem Jahr, also eine Dekade später, erschien mit Decas das vierte Parfüm der Kollektion XJ 1861, die sich nahtlos in das Angebot exklusiver Düfte des Turiner Hauses XerJoff einfügt.

Danke, daß ihr auf meinem Weg mit Naxos Zaungast wart!
66 Antworten
Pollita vor 3 Jahren 117 71
10
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Wie ein Baumwollshirt mit Hühnchen drauf
Eigentlich mag ich keine Lavendeldüfte. Wenn es regnet, duftet mein Lavendel im Garten zwar wundervoll, aber als Parfum hat mich diese großartige Heilpflanze, die ich auch meinen Hühnern nicht vorenthalte, bislang noch nicht überzeugen können.

A Milano wollte ich trotzdem testen. Denn die Duftpyramide verspricht mir hier neben angeblich echtem Lavendel auch noch Iris und Moschus als darin enthaltene Komponenten. Und der kleine Schelm in meinem Hirn denkt da sofort an den ebenfalls aus den Haute-Couture-Kollektion stammenden Fil Rouge, den ich nach seiner Einstellung ein Jahr lang wie verrückt gesucht habe und letzten Endes ein kleines Vermögen dafür ausgeben musste.

Diese Kollektion von Armani Privé hat es mir besonders angetan. Blöd nur, dass immer nur 1.000 Exemplare hergestellt werden und die Preise verdammt hoch sind. Aber was tut man nicht alles für einen wundervollen Duft?

Ich nenne diese Linie die Polly-Kollektion. Ich persönlich hab ja mit Haute Couture so viel am Hut, wie meine Hühner mit dem Radfahren, aber ich habe meine Gründe, warum diese Duftlinie mich magisch anzieht.

Diese Parfums sind edel, ganz gewiss. Aber sie sind anders edel, als man es von der Luxusparfümerie normalerweise gewohnt ist. Sie haben weder die klassische Tiefe oder Strenge, die sich bei Roja Doves Kreationen oft findet, noch bringen sie Duftnoten zusammen, die für meine Nase manchmal einfach gar nicht passen wollen, wie ich es bei den Guerlain’schen Exklusivlingen so oft empfinde. Und das Beste: Hier gibt’s keine Dampfhammer-Synthetik oder Mördersillagen wie etwa bekannt von Dufthäusern wie Xerjoff oder Kilian. Nein. Diese Haute-Couture-Kollektion von Armani Privé vereint klassische Elemente mit einer für mich vollkommenen, sanften Schlichtheit in sehr leisen und zarten aber dennoch präsenten und langanhaltenden Parfums. Und genau das liebe ich ja so oft!

A Milano startet zitrisch und leicht harzig, der Lavendel ist aber von Anfang an präsent. Hier wirkt er auf mich überhaupt nicht krautig, sondern einfach nur frisch und ganz leicht herb. Wie eine Edelseife im Luxushotel. Keinerlei Kräuterhexen- oder Reformhaus-Assoziationen, wie so oft bei mir mit Lavendel. Drücke ich meine Nase direkt auf die besprühte Hautpartie, bin ich mir lange nicht sicher, ob das ein Duft für mich ist. Ich empfinde ihn zunächst als etwas maskulin und frage mich, ob dieser Zitrus-Lavendelduft tatsächlich zu mir passt. Doch immer dann, wenn ein Hauch direkt zu meinem Näschen aufsteigt, kriege ich die Herzchenaugen schlechthin.

Dieser Duft ist, wie auch schon Fil Rouge, so herrlich schlicht, aber dabei trotzdem so unsagbar edel. Je mehr die Moschuskomponente hinzukommt und die Iris herauslugt, desto zärtlicher und cremiger wird er. Die leicht raue Lavendelaura bleibt allerdings bestehen, doch Ecken und Kanten suchen wir hier vergeblich. Der Duft ist sanft wie Baumwolle. Wie ein T-Shirt mit Hühnchen drauf. Und daher so sehr ich.

Ich hoffe, er kommt bald in den offiziellen Verkauf an die Counter, denn ich kriege ihn nicht mehr aus meinem Kopf. Spätestens zu Weihnachten möchte ich diesen Schatz mein Eigen nennen.
71 Antworten
Ponticus vor 2 Jahren 112 70
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Ein Versuch, es durch die Blume zu sagen! Floskeln, Phrasen, Redensarten!
Laßt uns mit dem Parfüm auf Tuchfühlung gehen, schauen ob die Chemie stimmt.
Nehmen wir Rose de Kandahar genauer unter die Lupe, trennen Spreu vom Weizen.

Der Duft geht ran wie Blücher, es wird nicht gekleckert, sondern geklotzt.
Zu Beginn die aprikosige Fruchtigkeit haut sofort frisch-würzig auf den Putz.
Zimt wirft seinen Hut in den Ring, schaltet aber gleich einen Gang herunter.
Bittermandel steht Gewehr bei Fuß, so daß Süße nicht die erste Geige spielt.
Noch ist die Rose ein Schatten ihrer selbst und steht mit dem Rücken zur Wand.
Der strenge Duft nach nassem Heu verbirgt die Rose wie die Nadel im Heuhaufen.

Höchste Eisenbahn wird’s für die Rose, sonst ist sie keinen Schuss Pulver wert.
Und sie läßt sich nicht die Butter vom Brot nehmen, legt mehr als einen Zahn zu.
Die Rose erhebt sich wie Phönix aus der Asche und haut mächtig auf die Pauke.
Sie beherrscht ihre rosenduftigen Facetten wie aus dem Effeff, alles ist in Butter.
Wir schweben auf Wolke sieben, ein Duftgefühl wie auf Rosen gebettet zu sein.
Die leichte Bitterkeit der Mandel bleibt weiter das Salz in der nicht süßen Suppe.
Um der Blumigkeit der Rose Paroli zu bieten, wird Tabak auf den Schild gehoben.

Der Tabak fährt der Rose gut in die Parade und erscheint frech wie Oscar.
Der Duft steht am Scheideweg, aber die Rose hält den Tabak gut in Schach.
Der springende Punkt ist, beide haben es faustdick hinter den Ohren.
Letztendlich stärkt der Tabak der Rose den Rücken und reicht ihr die Hand.
Die rosig-warme Würzigkeit beider zieht sich wie ein roter Faden durch den Duft.
Aber noch ist nicht aller Tage Abend, noch ist nicht alles unter Dach und Fach.

Die Parfümbasis als das Ass im Ärmel setzt dem Duft die Krone auf.
Zimt hat sich vom Acker gemacht, modriger-herber Vetiver spielt den Lückenbüßer.
Die Vanille klopft vorsichtig auf den Busch, hält aber den Ball recht flach.
Bittermandel duftet fast bis zum bitteren Ende, gibt nun aber den Löffel ab.
Marzipanische Tonkabohne springt in die Bresche, Süße lacht sich ins Fäustchen.
Patchouli hat Dreck am Stecken, erdig-waldig trifft den Nagel auf den Kopf.
Da haben wir den Salat, aber Patchouli hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
Das nimmt der Rose nicht den Wind aus den Segeln, sie zeigt was eine Harke ist.
Diese Rose ist dornig und hat Haare auf den Zähnen, erdig-blumig bleibt sie am Ball.
Und sie behält herb-süß-dunkel bis zum Schluss das Heft in der Hand, Schwein gehabt.

Als Rosenduft das Ei des Kolumbus, Une Rose de Kandahar trifft genau ins Schwarze.
Dicke Luft auf Armlänge ca. 6 Stunden, Ende im Gelände ist nach 10 Stunden.
Verpackung und Tauer-Flakon ein alter Hut, der hohe Preis ist mir Wurst.

Mir fällt ein Stein vom Herzen. Ich hoffe, Ihr bekommt beim Lesen keine
kalten Füße, laßt auch den Kopf nicht hängen oder Euch graue Haare wachsen!
Ich drücke allen die Daumen!

70 Antworten
FioreMarina vor 3 Jahren 109 44
10
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Live aus dem Giftschrank: Eine Grundsatzkritik.
*Vorbemerkung: Dieser Text könnte von sensiblen Lesern als in Teilen nicht politisch korrekt empfunden werden. Das ist ein Stilmittel der Satire und nicht dazu gedacht, Gefühle zu verletzen. Wer sich gefährdet sieht: einfach wegklicken!*

„Echt, ey. Leute, ich will Euch nicht zu nahe treten. Aber – ist das eigentlich Euer Ernst? Also: steht Ihr zu dem, was Ihr da macht? Ist das alles, was Ihr so zu bieten habt? Ich meine, jetzt mal ehrlich: Ihr benutzt Zeugs, das hat Namen wie „Not A Perfume“, und wisst Ihr was? Das stimmt sogar! Weils nämlich die Hälfte von Euch nich riecht. Und die andere Hälfte, also, die ist stolz wie Bolle, weil sie nur ne Viertelstunde was riecht, länger hält`s nicht. Ihr sprüht Euch diese Zumutung in… Dings, äh, habs´ gleich:… homöopathischen Dosen drauf und das ist dann elegant. Aber ey, ich sag´ immer: was nutzt mir das ganze Understatement, wenn´s doch keiner merkt?
Und dann Eure komische Political Correctness: Freut Euch wie die Kinder, weil Ihr Oud künstlich herstellen könnt, dabei riecht schon das Original wie die Unterhosen von meinem Alten. Und weil das ganze einfach nich schön ist, erklärt Ihr´s flugs zu Kunst und diskutiert hier drüber als wär´s ´n Picasso. Mannmannmann.
Das Stärkste, was Ihr so auf Lager habt, ist Euer dämliches Baccarat Rouge, sorry, die Zahlen dahinter merk´ ich mir nich. Kommt jede Woche drei Mal ´n Kommentar drüber raus. Haut Euch wohl um, oder. Der hat Wums, sagt Ihr. Echt jetzt? Der hat Wums?
Ich sag´ Euch mal was: ICH hab Wums. Wenn Euch so ´n drei-Zutaten-Duft schon aus den Latschen haut, dann schnallt Euch lieber fest. Und ich sag´ Euch noch was: wenn Ihr vorhabt, mich jetzt auseinanderzunehmen, wie Ihr das hier ja so gerne macht: lasst es einfach. Im Ernst: ich will nix hören von „Gewürzkistlein“ „Süßes Pfäumchen, in Honig getaucht“. Ich mein´- Hallooo? Geht´s noch? Hört Ihr Euch mal an, wie das klingt? Ich mein, klar, stimmt schon, ich bin ein verdammt süßes… aber hey! Das sagt man nich laut, wenn man Anstand hat. Und an die Schlauberger, die hier Tuberose vermuten: Wonach zur Hölle soll ich denn sonst riechen? Ich rieche verdammt nochmal nach Tuberose, weil´s das Stärkste an Blüten ist, was Du kriegen kannst. Klar soweit? Wo ich grad dabei bin, rede ich noch kurz was zu meiner Basis: Die ist nämlich so breit wie´n Pferdehintern. Und das, was Euch da die Tränen in die Augen treibt, nennt sich Sandelholz. Von echten Sandelbäumen oder wie die Dinger heißen, jedenfalls nicht wie der synthetische Dreck, den Ihr Euch so drauf macht. Wo mein Amber herkommt, sag´ ich Euch lieber nicht – sonst träumt Ihr noch schlecht.
Also, so ist das mit mir. Aber wie gesagt: ich mag´s nicht, wenn Ihr an mir rumdoktort. Ich bin was ich bin, nämlich ´n Gesamtkunstwerk. Alles, was Ihr über mich wissen müsst, ist: Ich sorg´ dafür, dass man Euch im Club bemerkt. Jede Wette: Vom Türsteher bis zu den Typen im Hinterzimmer: Die wissen dann alle, dass Ihr da seid. Ich feier´ mit Euch die ganze Nacht, ich bin dabei bis zum bitteren Ende. Und wenn Ihr am nächsten Mittag kotzend über der Kloschüssel hängt, ratet mal: Ja, Baby – dann bin ich immer noch da.
Girlz or Boyz? Das ist noch so ne dämliche Frage. Da wo ich herkomme, sieht das so aus: da haben sich Jon Bon Jovi und Tina Turner den Kleiderschrank geteilt. Den gleichen Friseur hatten sie sowieso. Da trägt man den Rosenkranz um den Hals und das Russenkreuz ist eintätowiert von Schulterblatt zu Schulterblatt, das Rouge wird auch als Liedschatten verwendet und wenn der Mini mehr als vier Zentimeter über die Pobacke geht, ist man halt ´n Spießer. Da ist die Rocky-Horror-Picture-Show kein Kult. Sondern tägliche Routine. Alter, ist das sexy? Aber ja doch. Und wenn Ihr das nicht abkönnt, dann kauft Euch doch n Strickset und meldet Euch zur Selbsthilfegruppe an.
Es ist einfach so: ich bin verdammt starkes Zeug. Aber was Besseres als ich ist Euch noch nicht unters Näschen gekommen. Und kommt auch nicht mehr, da leg´ ich mich fest. Dass die Leute Hand an mich gelegt haben, „verschlankt“, nennen das ´n paar Witzbolde: Also, das ist ´ne Frechheit. Nur das Original ist das Original und ey, sagt nicht, Ihr traut Euch das nicht zu. Trefft mich, lernt mich kennen, solange es noch geht. Und wenn es nicht mehr geht: treffen wir uns in der Hall of Fame aller Parfums. Da hab´ ich nämlich ´nen ständigen Sitz.
Ende der Ansage.

PS.: Vielen Dank an Sebà, der mich an diesen Schatz erinnert hat und an TinkiB, die mir Ihr Vintage-Poison verkaufte. Seitdem komme ich aus den Flashbacks nicht mehr raus.
Und danke an die Mutigen fürs Lesen!
44 Antworten
Pollita vor 3 Jahren 108 64
10
Flakon
10
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft
Zu viel des Guten. Oder wenn Schnapshersteller Parfum machen
Mit den Düften von Kilian werde ich einfach nicht warm. So viele habe ich schon probiert und will dennoch nicht aufgeben. Denn die Duftnoten, die Flakons und die Präsentation sprechen mich immer wieder an. Dass beim Inhalt der Funke tatsächlich auch mal überspringt, hat leider noch nicht geklappt. Da die Tage langsam kürzer und die Temperaturen kühler werden, hielt ich es für einen guten Zeitpunkt, mal den Angels Share zu testen, den ich kürzlich in einer Pröbchen-Tauschliste einer lieben Parfuma entdeckt habe.

Gesagt, getan. Heute wollte ich mir dieses edle Tröpfchen zu Gemüte führen. Und ganz ehrlich. Der erste Eindruck war toll! Was für eine Kopfnote. Es muss wohl der Edelbrand sein, der mir hier ein Lächeln aufs Gesicht zaubert. Diese alkoholische Note wirkt auf mich grün-süßlich, sogar etwas frisch. Ich bilde mir ein, Ähnlichkeiten zu Saint Julep von Imaginary Authors wahrzunehmen, der ja ebenfalls eine Spirituosen-Note hat. Hatte sogar ganz kurz, vielleicht so 20 Minuten lang, mit dem Gedanken gespielt, mir diesen Duft eventuell zuzulegen. Ja, ich fürchte, ich bin eine Schnapsdrossel.

Wie immer sprühe ich nicht nur eine kleine Menge auf meine Hand, sondern bedufte parallel auch ein Kosmetiktüchlein und platziere es in einem Raum. Und was mir da entgegenballert, als ich diesen Raum wieder betrete, gefällt mir im Gegensatz zu der verzückenden, fast grünen Schnaps-Kopfnote auf meinem Handrücken leider überhaupt nicht. Das sind tonkasüße Schwaden gespickt mit massenhaft Glühweingewürz und Weihnachtsplätzchen zum Schneiden. So dicht, dass ich fast den Eingang in den Raum nicht mehr finde. Wankend entdecke ich das Tüchlein und auch hier duftets wieder so schön, halte ich meinen Schnabel direkt dran. Aber in der Projektion – fürchterlich! Zu süß, zu dick, zu heftig.

Das passiert also, wenn Schnapshersteller Parfum machen. Sie wollen uns alle hopplahopp zu Alkoholikern machen. Anders kann ich mir dieses Ergebnis hier nicht erklären. Nein, man soll nicht ein Gläschen oder präziser Schwenkerchen davon genießen, lächeln und glücklich sein. Nein. Es muss gleich die ganze Flasche sein. Kopfweh durch Zucker und Fuselalkohole garantiert. Plattmachen will einen dieser Kilian Hennessy! Böse, böse!

Mir ist das leider zu viel des Guten. Bei solchen Sillagen bin ich raus. Und je weiter der Duft sich entwickelt, desto mehr macht sich diese göttliche Schnapskopfnote aus dem Staub und es bleibt dieser süße Brei, den ich auch in der Projektion wahrnehme.

Wer allerdings Monstersillagen mit Katergarantie braucht und insbesondere stark gezuckerten Alkoholika gegenüber nicht abgeneigt ist, für den ist dieser Angels Share richtig. Den Flakon finde ich ja wunderschön und zumindest auf den Fotos wirkt er sehr wertig. Wie ein guter Cognac eben. Aber wir bleiben besser brav bei einem Gläschen. Ein schönes Wochenende und Prost!

Ganz lieben Dank an FrauKirsche für die Testmöglichkeit.
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