Top Rezensionen

2014
FrauHolle vor 10 Jahren 97 19
10
Duft
Cool Wendler
It's MA.GIC! Darauf hat die Welt gewartet. Pofalla erklärt die Suche für beendet. Parfumo kann dicht machen.
*DJ Love* ist DAS Parfum!

Ihr werdet alle eure Sammlung einmotten, schnell bei ebay verscherbeln, am Besten, bevor der gemeine Parfum Fan DIESEN Stern, ganz weit hinterm Horizont entdeckt. Und nicht nur eure anderen Flakons werden im wahrsten Sinne überflüssig, nein, auch euer BOSE Wi-Fi Soundsystem 4.0 könnt ihr getrost über den Jordan (wahlweise Wupper) schicken, denn ein ausgeklüngeltes Dolby Surrond 5-Wege (vielleicht auch nur 4) Boxen High End Klangerlebniss, mit unser aller Lieblingslied, Sie liebt den DJ, liefert der Wendler Flakon, für läppische 20 Tacken, gleich mit.

Cool, nä? Ja, cool. Denn wenn Herr Dschungel Queen Pussy Wendler irgendwas ist, dann cool. Nicht schlau, gutaussehend, sexy, musikalisch oder gar lustig, aber cool, soviel steht fest. Weiter so Michi, ich freu mich schon auf ihren vollautomatischen Entbindungshelfer mit Toaster-Funktion und Rektal Duschkopf.

Zum Duft: Cool Water/ Davidoff.
19 Antworten
Aura vor 10 Jahren 97 28
7.5
Flakon
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft
Für die Frau. Für den Winter. Für’n Arsch.
Ich bin echt kein Spiesser, aber ich hab so meine Schubladen. Eine Schublade für die Frühjahrs-Düfte, eine für den Sommer, eine für den Herbst und eine für den Winter. Und dann noch eine Schublade für die Düfte, die ich am Liebsten daheim trage, welche mittlerweile fast einer Hausapotheke ähnelt: Monoï zum Sonnenbaden, 4711 bei Kater und Holle 01 statt duschen. In dieser letzten Schublade finden sich auch am ehesten mal Mainstreamer, was irgendwie ja doch ein bisschen spiessig ist, dass ich die nur im stillen Kämmerlein trage. Also Halbspiesser.

Als ordnungsgemässer Halbspiesser also ging ich am Samstag morgen in unser Dorflädeli zum Einkaufen. Es war noch ziemlich früh am Morgen, darum trug ich Holle 01, von welchem ich eigentlich zwei Flakons bräuchte, weil er auch wunderbar in die Frühjahrs-Schublade passen würde. Ihr merkt, ich bemühe mich um System.

Es gibt jedoch Mitmenschen, die sich um mein System und meine Schubladen tatsächlich einen Dreck scheren. Auf einen solchen Ignorant traf ich in unserem Dorflädeli. Männlich, Anfang 20, in ausgelatschen Turnschuhen, mit langen Zottelhaaren und in schwarzem Open-Air-Outfit. Beruhigt stellte ich an der Kasse fest, dass er ein Six-Pack Bier in seinen grossen Rucksack packte. Meine Schubladen hielten dicht. Dann drehte er sich schwungvoll um, lief an mir vorbei... und hinterliess nicht, wie erwartet, eine Fahne vorfreudigen Festivalschweisses, sondern er roch nach Ambre Narguilé!

Ambre Narguilé ist zuallererst mal süss und kommt ziemlich schnell auf den Punkt. Weich und tief, narkotisierend kuschelig, aphrodisierend sinnlich, aber nicht uh-la-la-heut-holt-Mutti-ma-wieder-die-Strapse-ausser-Schublade, sondern mehr wie gemütlich begonnenes Sonntagmorgenkuscheln an einem kalten Morgen, aus dem sich spontan mehr entwickelt, bis die Eiskristalle an den Fenstern schmelzen. Warmer Honig-Butter-Streusel-Kuchen mit Amaretto, an einigen Stellen ist der Zuckersaft zu knusprig-rauchiger Karamellkruste verschmort. Einfach „Mjamm“! Ein Damen-Gourmand vor dem Herrn! Wer denkt jetzt ausser mir noch an Winter, Holzhütte und knisternden Kamin? Eben.

Und dieser freche Knabe trägt das an einem Samstag morgen im Sommer, im Dorflädeli, und auf dem Weg zum Open-Air! Das geht doch so bitte nicht! Ich weiss nicht, ob es wirklich Ambre Narguilé war, ob er es von seinen Eltern gemopst hat oder ob’s nur ein ähnlich riechender Duft war, man spricht ja als Enddreissigerin und verlobte Frau im Dorflädeli keine jungen Männer an… aber es roch ganz wunderbar an ihm, so unerwartet und einfach exquisit. Da war der Kerl mir doch tatsächlich voraus!

Heute hat es 27 Grad und ich bin sehr glücklich, dass ich meine Schubladen mal so richtig durchlüfte und mir meine geliebten „Winter“-Düfte nun auch bei wärmeren Temperaturen zugänglich gemacht habe, dass ich es mir "erlaubt" habe, aus mir selbst auszubrechen, und Ambre Narguilé verträgt sich tatsächlich gut mit den warmen Temperaturen! Kokosnuss und Zitrone kann ja jeder im Sommer tragen. Aber ich bin ja nicht jeder. Ich bin ja kein Spiesser.
28 Antworten
Yatagan vor 10 Jahren 81 43
10
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
10
Duft
Der Atem Gottes: eine Karfreitagserfahrung
Breath of God trägt einen großen Namen: großspurig vielleicht, verwegen. Ein Sakrileg?

Vor einiger Zeit habe ich die Düfte von LUSH für mich entdeckt. Nach einer Übersättigung als Resultat 35jährigen Parfumsammelns konnte ich fast alle Mainstreamdüfte nicht mehr riechen (und wenn ich konnte schreibe, dann meine ich konnte), ertrug den Hype um die meisten Nischendüfte nicht mehr (und wenn ich ertrug schreibe, dann meine ich ertrug) und war der meisten Klassiker ein wenig überdrüssig, weil ich sie zwar immer noch liebe, aber nicht immer die gleichen Düfte tragen mag und kann.

Ein Ausweg sind für mich Düfte von Marken und Manufakturen, die Neues wagen, auch um den Preis der scheinbaren Untragbarkeit: da sind mir sogar die jüngsten Düfte von L‘Artisan lieber als vieles Bekannte, die mich zum Teil erschauern lassen, aber doch Neues bieten, den Versuch unternehmen, Duft anders zu definieren.

Dass dabei Großes entstehen kann, zeigen schon seit vielen Jahren die Düfte von Comme des Garcons, die schon vor Jahren das Wagnis eingingen, Düfte nach Garagen, Putzmitteln, Teer, Gottesdiensten (wuchtigem Weihrauch), Blättern, Kunststoff riechen zu lassen - und dabei viel wagen, aber aus meiner Sicht alles gewinnen.

Dass dabei Großes entstehen kann, zeigen auch die Düfte von CB I Hate Perfume, deren Palette von Moor und Moder über Wald bis zu Gras, Holz und Brandgeruch reicht. Das muss man gar nicht alles tragen wollen und können, aber meine Erfahrung mit dieser Marke zeigt, dass fast alle, die sich intensiver mit ihr beschäftigen, „ihren“ Duft finden, der sie dauerhaft fasziniert.

Dass dabei Großes entstehen kann, zeigen auch die Düfte von Etat Libre d‘Orange, die den wütenden Versuch unternehmen, mit Duft zu provozieren, dabei manchmal nur einen Sturm im Wasserglas entfachen, aber immerhin gelegentlich auch Schneisen in die Monokultur der Beliebigkeit großer Marken und Nischenmarken (Rose und Oud: die 100. Auflage) schlagen.

Dass dabei Großes entstehen kann, zeigen auch einige kleinere Manufakturen wie Maria Candida Gentile (u.a. Barry Lyndon), Aesop (u.a. Mystra), Atelier Cologne (u.a. Mistral Patchouli und Grand Neroli), Il Profvmo (u.a. Touaregh, Café Vert, Vetiver de Java) und...

...Gorilla Perfumes at LUSH, auferstanden aus den verstorbenen B Never Too Busy To Be Beautiful des Parfumeurs Simon Constantine.

LUSH hat in den letzten Jahren wohl mehr gewagt als alle anderen innovativen Marken zusammen: mehr als Comme des Garcons, mehr als Etat Libre d‘Orange, vielleicht sogar mehr als CB I Hate Perfume. Muss ich erwähnen, dass Luca Turin sie liebt?

Keiner der LUSH-Düfte der jüngeren Generation ist gefällig, leicht tragbar, angepasst oder nur ansatzweise in der Nähe eines Mainstreamduftes der großen Marken. Beispiele dafür sind Devil‘s Nightcap, Dirty, Exhale und Inhale, Flowers Barrow, Furze (bevor wieder Witze gemacht werden: Engl. für Stechginster, Föörs auszusprechen), Hellstone, Sikkim Girls, The Bug, Karma, Lord of Goathorn und natürlich allen voran: Breath of God. Wenige Ausnahmen bestätigen die Regel.

Dabei hat Lush ein durch und durch sympathisches Konzept (vegetarische oder meist vegane Düfte und Kosmetika, die stets ohne Tierversuche oder den Einsatz tierischer Produkte auskommen), ein ebenso sympathisches Ladenkonzept (Selbstbedienung, kompetente Beratung) mit noch sympathischerem Verpackungskonzept (wider den Wahn der Tüten und Wegwerfprodukte) - und zu allem Überfluss ist die Marke noch englisch: ein Fest für alle Anglophilen wie mich. Ein Test vieler Produkte bei Codecheck.info bestätigt zudem, dass die meisten Artikel von LUSH tatsächlich auch verträglicher und weniger mit schädlichen Inhaltsstoffen verschmutzt sind als die meisten Produkte der geliebten Massenindustrie und der verehrten Luxusmarken. Und wem das als Argument nicht reicht: LUSH ist zwar nicht billig, aber preiswert. Kein Argument mehr gegen eine Auseinandersetzung mit Breath of God.

Achtung: das ist keine Werbung, nur Begeisterung!

Breath of God entstand eigentlich aus der Kombination zweier Düfte: Exhale und Inhale, die gegensätzlicher kaum hätten sein können, deren Konzept es geradezu war, sich in ihrer Gegensätzlichkeit zu ergänzen. Simon Constantine, der Parfumeur hinter den LUSH-Duftkonzepten, hatte eines Tages nach einer Tibet-Reise die Idee, gerade diese beiden Düfte, die ja zusammen zu denken, aber nicht zusammen in einer Flasche kombiniert waren, doch noch zu mischen und etwas Neues, Größeres zu schaffen. Und das ist gelungen.

Breath of God - und ich entferne mich nun stark von der o.a. Duftpyramide, lebt vom Gegensatz eines sakral-säkularen Räucherduftes (Schwarzwälder Schinken?) mit einer Vetiverunterlage und einer gewagten animalisch-süß-sauren (klingt unmöglich, geht aber) Frucht- bzw. Blumennote, die mich ein wenig an die animalische Fruchtnote aus verschiedenen hoch dosierten Grapefruitdüften (z.B. Czech & Speakes Citrus Paradisi) erinnert und daher sicherlich von eben dieser Grapefruit hervorgerufen wird, die aber auch ganz offensichtlich starke Blütennoten enthält (angegeben sind Rose und Ylang Ylang), die für eine fast betäubende Grundierung sorgen. Die Basisnote, die wieder ähnlich wie die durchräucherte Kopfnote eine maskuline Komponenten hat, kehrt vor allem zum Vetiver, aber auch zum Holz zurück und erinnert in diesem Stadium ganz entfernt an moderne Vetiverdüfte wie Timbuktu, Encre Noire, Sycomore. So bleibt der Duft in seiner Zerrissenheit, vereinten Gegensätzlichkeit und Spannung zwischen Yin und Yang, zwischen Karfreitag und Ostern, zwischen Mann und Frau - und für beide Geschlechter gleichermaßen tragbar.

Eine Eigenart der LUSH-Düfte ist es, dass die meisten als Parfum (vermutlich eher ein Eau de Parfum), nicht aber als Eau de Toilette angeboten werden. Darum muss zur Haltbarkeit der meisten LUSH-Düfte nur wenig gesagt werden. Ein Auftragen am Abend reicht bis zum nächsten Morgen, ein Auftragen am Morgen muss wohlüberlegt sein, denn man riecht ihn den ganzen Tag: bei Arbeit und Freizeit.

Der Duft ist so innovativ und experimentell, so außergewöhnlich wie seine Beschreibung klingt. Wie schön, dass es auch noch im zweiten Jahrzehnt der 2000er Jahre (konkret 2010) möglich war, neue (und wenn ich neu schreibe, dann meine ich neu) Düfte zu entwickeln. Dabei wissen wir doch, dass wirklich herausragende Düfte nur in großen Abständen von mehreren Jahrzehnten wie ein Spuk auf dem Markt auftauchen und ihn manchmal erobern, wenn sie den Geschmack der Mehrheit treffen (so wie das überragende Green Irish Tweed bzw. sein später geborener, fast gleichwertiger Bruder Cool Water), oder manchmal auch wieder vom Markt verschwinden, von der großen Mehrheit der Duftkäufer nicht verstanden (wie z.B. Ho Hang). Auch das ist zu respektieren.

Noch ein Wort zum Flakon (aller LUSH-Düfte): schwarz, edel, einfach, gut. So wünsche ich mir eine postmoderne Flasche für den Atem Gottes.

Zu welcher Gruppe (Miss- oder Erfolg) LUSH‘s Breath of God zu rechnen sein wird, wird erst die Zeit zeigen. Nicht dass diesem Duft im Sortiment von LUSH noch der ganz große Durchbruch bevorstünde: im LUSH-Sortiment scheint er gut zu laufen und Bestandteil des Programms zu bleiben, außerhalb der LUSH-Fangemeinde dürfte er kaum zur Kenntnis genommen worden sein. Gemessen werden muss ein zukünftiger Erfolg vielmehr an der Frage, ob Breath of God ein Solitär bleibt - oder in seiner inneren Widersprüchlichkeit und Spannung Nachahmer finden wird. Karfreitag und Ostern: Der Atem Gottes weht, wo er will.
43 Antworten
Palonera vor 10 Jahren 72 36
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft
gefallener Engel
Es gibt Düfte, deren erste Berührung mit meiner Haut bereits die Klaviatur des Wohlbefindens hinauf und hinunter spielt, die schmeicheln und streicheln, von den Fuß- bis hinein in die Haarspitzen entspannen, meine zerknitterte Seele glattstreichen und frischen Wind durch verstopfte Gehirnwindungen pusten.
Die "Willkommen daheim!" sagen und "Du hast mir gefehlt!", die Freund sind und Mutter, Geliebter und Sandkastengefährte, die sich mit jedem Atemzug mehr in mein Herz stehlen und es nie mehr wieder verlassen wollen.

Es gibt Düfte, die vom allerersten Moment an mein Feind zu sein scheinen, die mich puffen und knuffen, mich schubsen und mir die Zunge herausstrecken, mich an den Haaren ziehen und in den dunklen Keller sperren, die die Dämonen meiner finstersten Träume zum Leben erwecken und mich wünschen lassen, meine Haut wie einen ungeliebten Anzug ausziehen und vor mir selbst davonlaufen zu können.

Und es gibt Düfte, die mir das Gefühl geben, eine multiple Persönlichkeit zu sein – eine mit mindestens zwei Seelen in der Brust, mit Jekyll und Hyde, mit Schneewittchen und der bösen Hexe, Neugeborenes und uralte Greisin.
Die mich anziehen und abstoßen, mich lieben und hassen lassen, die gerümpfte Nase ans Handgelenk geklebt, die mich im Sekundentakt jubeln und jammern hören, hin und her gerissen zwischen "Bleib bei mir, verlass mich nicht!" und "Wo ist denn nur die Kernseife?" – duftgewordene Janusköpfe, deren Faszination ich mich unmöglich entziehen kann.
Düfte wie "Divin' Enfant".

"Divin' Enfant" katapultiert mich mit dem ersten Atemzug durch die Zeiten, wirbelt mich zurück in die Siebziger und läßt mich fallen auf Tante Ernas Schoß.
Ich bin fünf, Tante Erna ist alt, uralt, schon über fünfzig.
Tante Erna ist eigentlich nicht meine Tante – sie wohnt nebenan und kommt manchmal herüber, sitzt kaffeetrinkend in unserer Küche und erzählt alte Geschichten.
Tante Erna raucht, trägt komische geblümte Blusen, die knistern und irgendwie schwitzig riechen, und manchmal trinkt Tante Erna Schnaps.
Das sollte sie nicht tun, denn dann redet sie noch mehr und schimpft und flucht, irgendwann weint sie.
Dann drückt sie mich ganz fest, bis ich fast keine Luft mehr bekomme und den Aschenbecher und die Bluse und Tante Ernas "Parfüüüüm" nicht mehr riechen kann.
Tante Erna ist komisch, aber sie ist nett, ich mag sie gern.

Im nächsten Augenblick bin ich fünfundzwanzig, stehe auf viel zu hohen Absätzen auf einer Tanzfläche, um mich herum schiebende, stoßende, zappelnde Menschen, über unseren Köpfen zuckendes Stroboskop-Licht, wabernder Nebel und eine Luft, die dieses Wort noch nie gehört hat.
Es ist heiß, in den Geruch der Tänzer mischt sich Zigarettenrauch, jedes zweite Mädchen trägt "Gaultier" und davon viel zu viel.
Mir wird ein wenig flau, ich kämpfe mich zwischen den Tanzenden hindurch zur Bar, greife nach einem Hocker.
Der Barkeeper schneidet Orangen, schiebt mir ungefragt ein Glas mit quietschbuntem Inhalt hin.
Irgendwer reicht mir eine angezündete Zigarette...

...und ich liege neben dir, unter uns die zerwühlten Laken, um uns herum die Hitze jener schwülen Sommernacht.
Noch perlt der Schweiß auf unseren Körpern, noch haben sich Atem und Herzschlag nicht beruhigt.
In der Dunkelheit glüht ein roter Punkt, auf deiner Brust ruht der Aschenbecher.
Es gibt nichts zu sagen.
Wir wissen beide, daß es kein nächstes Mal geben wird.
Ein leichter Windhauch bläht die Vorhänge, trägt den Duft der Rosen und der kandierten Früchte vom Tisch zu mir.
Ich drehe mich um.
Es ist mein 38. Geburtstag und das Ende unseres Weges.

Drei Szenen, drei Momentaufnahmen.
Jede einzelne ein Synonym für "Divin' Enfant", diesen Duft der Gegensätze, der scheinbaren Unvereinbarkeiten, der mit Assoziationen und Konditionierungen spielt wie ein Kind mit Legofiguren, der nicht "schön" sein will und doch so wunderschön ist, so eigenartig, eigenwillig, süß und schmutzig, lächelnd und traurig, bitter und düster und doch voll Hoffnung und Zuversicht, warm und sanft und fast schmerzhaft menschlich, verschmierter Lippenstift und zerlaufene Mascara – ein gefallener Engel, doch noch immer ein Engel.
36 Antworten
Gaukeleya vor 10 Jahren 72 29
7.5
Flakon
3
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Zurück auf Null
Ich sage es gleich: mein Verhältnis zu Moschusdüften ist ein sehr enges, substanzielles. Es ist, anders als bei anderen Dufttypen, eine echte Duftliebe, die durch nichts ersetzt wird. Ablenkungen sind meiner Neugier geschuldet, und generell folge ich gern dem Motto „variatio delectat“. Ich habe auch andere Duftlieben, die gross sind, Moschus jedoch wird es immer in meiner Sammlung geben, und ich probiere gern jede Moschusvariante aus, die der Duftmarkt hergibt.

Nun mag das an der vorzüglichen Harmonie zwischen Moschus und meinem Eigengeruch liegen (hier bleibt gewiss nicht unbemerkt, dass ich den umstrittenen Begriff „Hautchemie“ umschiffen möchte), die scheinbar vorhanden ist, denn wohl duften die verschiedenen Moschusvarianten natürlich auch unterschiedlich, aber alle entwickeln sich durchweg sehr angenehm an mir.
Mit diesem Wissen zuversichtlich und optimistisch gestimmt, wagte ich einen Blindkauf von Muschio Nobile.

Tja, und auch wenn ich dachte, mich könnte nichts mehr überraschen, ich hätte alles schon gerochen in Sachen Moschus, so entflammte ich heiss für Muschio Nobile, denn er hat etwas, was andere nicht haben, etwas, was vertraut und neu zugleich wirkt. Ein fremder Reiz, und doch fühle ich mich wie zu Hause in diesem Duft.

Fremdeln liess mich zunächst sein Beginn mit einer pfeffrig-bleistiftholzigen Note, die trocken, etwas kühl, etwas erdig-süss, widersprüchlich und prägnant ist. Sie lässt zu diesem Zeitpunkt noch nicht erahnen, welche olfaktorische Köstlichkeit mich alsbald in die Knie zwingen wird. Zumal sich dieser Zustand auch erstaunlich lange hält, etwa so, als wolle Muschio Nobile wirklich sicher sein, dass sein/e Träger/in es ernst mit ihm meint und es nicht nur auf ein kurzes Vergnügen abgesehen hat. Erst dann ist er bereit, sich zögernd zu öffnen, seine ganze Schönheit zu zeigen, seine Tiefe, seine Wärme, seine Vielschichtigkeit, seine Freundlichkeit, ja, seine Liebe.

Und dann beginnt Muschio Nobile zu schmelzen, langsam, unaufhörlich, zarte Blüten öffnen sich, ohne blumig oder frisch oder süss zu wirken. Er ist nicht zu hautnah, sondern schon durchaus wahrnehmbar umhüllend. Eine Tiefe tut sich auf, in die der/die Träger/in sanft hineingleitet, eine Tiefe, die nicht dunkel ist, sondern voller heller Schönheit, Femininität und Lieblichkeit. So muss wohl Liebe riechen, olfaktorisch sichtbar gemacht, die allumfassende, echte Liebe, die bereit ist zu geben, ja, vielleicht auch mehr zu geben als zu nehmen, und die dennoch nicht engelsgleich ist, sondern auch von sinnlichem Charme und mitschwingendem Verlangen.

Nach dem leicht spröden Auftakt scheint der Duft seine Maske abzulegen und den Blick auf seinen weichen Kern preiszugeben. Er wirkt so jung und reif zugleich, so einfach und doch nicht langweilig, so samtig weich und nobel, er streichelt mich wie der laue Sommerwind und helle, zarte Seide auf nackter Haut. Sinnlichste Momente würde er mit mir teilen, wenn ich ihn trage, aber er ist dennoch kein reiner Bettlakenduft, sondern wie gemacht für die echte Liebe, die in jeder Form gezeigt, erlebt, gelebt werden möchte, mit all ihrer Schönheit und auch Leidenschaft.

Die Wärme vertieft sich im weiteren Verlauf, setzt sich. Und bleibt: sehr lang. Dass Muschio Nobile eine enorme Haltbarkeit an mir besitzt, erscheint mir nur konsequent. 12 Stunden schafft er locker, mir scheint, als wolle er einfach nicht gehen, sondern bei mir bleiben, für immer. Wir sind füreinander geschaffen offenbar, denn auch ich möchte ihn niemals aufgeben.

Schöner kann Moschus nicht duften, nicht nobler, nicht hochwertiger. Nicht jünger, nicht erwachsener. Nicht komplexer, nicht einfacher. Nicht runder, nicht weicher. Nicht sinnlicher, nicht reiner. Nicht heller, nicht tiefer. Ich bin ihm erlegen und habe das Gefühl, dass sich hier der Kreis schliesst : meine allererste Duftliebe, mit der alles begann - die generelle Liebe zu Duft, und auch die erste Jugendliebe- , war ein moschuslastiger Schmelzduft, an den mich Muschio Nobile sehr erinnert, ohne ein Duftzwilling zu sein. Eher so, als sei Muschio Nobile die mit mir erwachsen gewordene Variante der jungen Liebe damals.

Zurück auf Null — zumindest dufttechnisch, denn meiner Jugendliebe hingegen gehört mein Herz schon lange nicht mehr.
29 Antworten
Inger vor 9 Jahren 71 32
10
Flakon
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Hinaus ins Leben ...
Letzten Samstag war es soweit! Unsere jüngste Tochter besuchte ihren ersten Ball. Schon wochenlang vorher, was sag ich fast monatelang vorher, wurde "das Ereignis des Jahres" besprochen.
Endlich hatte sie dann ihre "Siebensachen" beisammen - Kleid, Schuhe, Täschchen, Schmuck.
Auch der Duft sollte passen. Nicht die eigenen Jungmädchendüfte waren gefragt. In Mamas Duftkommode wurde gestöbert, probiert, hin und her überlegt.
Schließlich sind wir bei Allure gelandet und ich war froh über die Entscheidung meiner Tochter. Mag ich doch Allure selbst so gerne und verbinde viele schöne Erinnerungen mit diesem Chanelduft.

In ihrem roten Organzakleid, das wunderbar zur gebändigten roten Haarmähne paßte (Woher das Kind nur diese Haarfarbe hat? Na ja, die Mischung machts wohl aus!), sah unsere Jüngste einfach bezaubernd aus. Zartes Make up zum zarten Rothaarigenteint und dieser wunderbare Duft verwandelten mein kleines Mädchen in eine hübsche junge Frau.
Der junge Mann, der sie abholte, war im adretten Anzug fast nicht wiederzuerkennen.
Noch ein prüfender Blick in den Spiegel, Gekicher, ein Abschiedsbussi - und fort waren sie. Hinaus ins Leben ...

Zurück blieb ein Hauch von Allure.

Ich ging noch ins Kinderzimmer, räumte einige Kleidungsstücke auf und nahm den Flakon in die Hand, sprühte mir ein wenig aufs Handgelenk.
Eine zärtliche pfirsichfarbige Vanille umschmeichelt mich, fruchtig, süß, lieblich.
Jasmin, Magnolie und Rose reichen sich die Hände. Zart pudrig und fein wird der Duft.
Ein paar zitrische und frische Noten tänzeln um meinen Arm. Sie sorgen dafür, daß der Duft niemals zu süß wird.
Die Haltbarkeit ist sehr gut. Eine lange Ballnacht hält er ohne Weiteres durch.

Fast werde ich ein bisserl wehmütig. Ich kann mich noch gut an meinen ersten Ball erinnern. Geduftet habe ich damals sicherlich nicht so gut.
Wie schnell die Jahre dahinsausen, die Kinder groß werden, ihr eigenes Leben führen. Hinaus ins Leben ...

Aus dem Wohnzimmer höre ich leise Musik. Mein Mann hat den Teppich auf die Seite geschoben und erwartet mich. Ein flotter Cha-Cha-Cha und dann eine elegante Rumba heben die Stimmung. Ein Hauch Allure umgibt mich, läßt mich träumen.

Trotz Alltagsgewand - sprich Jeans und Bluse - fühle ich mich elegant und hübsch. Wenn ich die Augen schließe, schwebe ich im hübschen Kleid in den Armen meines Mannes über die Tanzfläche. Ein Hauch Allure verzaubert...
32 Antworten
Yatagan vor 9 Jahren 71 41
10
Flakon
6
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Konzentrische Kreise
Einer kleinen Tradition folgend, habe ich mir anlässlich meines letzten Kommentars in diesem Jahr wieder besondere Gedanken um einen Duft für den Altjahrsabend gemacht. Vermutlich greifen wir alle heute nicht einfach in den Schrank, sondern wählen den Duft, den wir in dieser Nacht tragen wollen, mit Bedacht.

In meinem Fall kam allerdings gar nichts anderes in Frage als der selbe Duft, den ich bereits an Weihnachten trug: Ormonde Jayne Man. Seit dem letzten Parfumo-Treffen in Frankfurt, an dem ich diesen Duft, der mir in der Vergangenheit bei einem ersten Test schon einmal ausnehmend gut gefallen hatte, wiederentdeckte, bin ich von dieser Komposition restlos begeistert.

Beginnen wir die Beschreibung des Duftes mal - anders als gewohnt - aus seinem Zentrum heraus, quasi dem Innenkreis, der zuerst entsteht, wenn ein Stein ins Wasser geworfen wird, in dem aus meiner Sicht die Tanne dominiert: tannengrün, nicht harzig, sondern fast balsamisch, holzig, ungeheuer sanft trotz des grünen Grundeindrucks.

Oud-Skeptiker wie ich sollten sich hier nicht schrecken lassen. Oud ist kaum erkennbar, sorgt vielleicht nur für einen runden, dunklen Nachhall. Es wäre geradezu spannend zu wissen, wie der Duft riechen könnte, wäre das Oud nicht enthalten: fast gleich - oder ganz anders? Das bleibt so verdeckt, so vergraben unter den grünen Schichten, dass man es kaum mit Sicherheit sagen kann.

Wie in konzentrischen Kreisen bzw. Wellen um dieses Zentrum entwickeln sich weitere Holzdüfte und weiten sich: Das erinnert fast ein wenig an die Sinneseindrücke in einer Holzwerkstatt oder den Geruch, wenn man an frisch gesägtem Holz riecht.

Im äußeren Kreis finden sich dann, sich überlagernd mit den holzigen und grünen Tannentönen, die frischeren Noten: Bergamotte und Wacholderbeere. Vielleicht ist es gerade diese Kombination aus Tanne (hier: Hemlock mit ihrem runden, weniger harzigen Geruch) und Wacholderbeere sowie einer dezente Vetivernote, drei meiner liebsten Gerüche, die mir diesen Duft so nahe bringen und zu meinem derzeitigen Lieblingsduft machen (neben Timbuktu übrigens, meinem Signatureduft).

Ormonde Man ist ein leiser Duft, darin Timbuktu sehr ähnlich, der sich nicht nach einem schnellen Test erschließt. Ich kann allen Interessierten nur empfehlen, sich Zeit zu lassen und den Duft in unterschiedlichen Stimmungen und zu unterschiedlichen Tageszeiten zu testen. Dabei zeigt sich, dass er ein unaufdringlicher, dezenter aber doch markanter, weil unverwechselbarer Begleiter ist. Ormonde Jayne hat keine Vorgänger und keine Nachahmer: er ist ein Singulär.

Nun stellt sich natürlich die Frage, ob ein Duft nicht gleich auf Anhieb überzeugen, sozusagen den Träger oder die Trägerin spontan begeistern muss: Das ist aus meiner Sicht einzig eine Frage der Einstellung und der Laune. Grandios finde ich in diesem Zusammenhang die Listen von Lucca Turin, der in seinem berühmten (bei manchen berüchtigten), von mir geliebten „Perfumes a - z guide“ auch zwei Listen der besten „leisen“ bzw. „lauten“ Düfte zusammengestellt hat (Ormonde Jayne Man ist in diesen beiden Sparten übrigens nicht gelistet, dafür aber ganz allgemein unter den 10 besten Herrendüften: sic!). Da findet jeder Suchende den richtigen Duft zum richtigen Anlass und zur richtigen Stimmung.

Ormonde Man könnte man auch in diese Nische einordnen: ein leiser Duft mit entsprechend dezenter Sillage, dennoch aber von guter Haltbarkeit.

Der Flakon entspricht ganz und gar dem Gesamtauftritt: distinguiert, schlicht, aber elegant, ungeheuer schwer, eingebettet in eine Schmuckschatulle, dazu ein perfekt arbeitender Zerstäuber; all das hat seinen Preis: 120,00 Euro für 50 ml sind nicht gerade billig, aber letztlich vielleicht doch „Preis-wert“.

Konzentrische Kreise sind für mich übrigens auch ein sympathisches Gegenbild für das, was wir in unserem mitteleuropäisch geprägten Zeitverständnis als zugeschriebenes Ende, messbaren Zeitverlauf und terminierten Neuanfang betrachten. Zeit verläuft aus meiner Sicht vielmehr in alle Richtungen, lebt von Gleich- und Nebenzeitigkeit, von individueller Betrachtung und scheinbarer Wiederholung, déjà-vus: subjektive Wahrnehmungen und einer Wirklichkeit im Kopf des Betrachters. Geist und Sprache schaffen (oft) Wirklichkeit. So auch dieser Duft, dessen Duftentwicklung nicht linear, sondern vielmehr von vielfältigen Überlagerungen und Wellenbewegungen aus dem holzig-grünen Zentrum heraus geprägt ist, der sich mit dem Träger entwickelt.

In anderen Worten mit Frank Wedekind:

Die Glocken sind verhallt, verglommen sind
Die Feuerbrände und verstummt die Lieder;
Die alte, ew'ge, blinde Nacht liegt wieder,
Wie sie nur je auf Erden lag, so blind;
Und doch hängt das Geschick an einem Haar
Und läßt sich doch vom Klügsten nicht ergründen.
Wie werden diese Welt wir wiederfinden,
Wenn wir sie wiederfinden, übers Jahr?

(Frank Wedekind: Silvester)

Ich wünsche allen, die diese Seite gleichzeitig, nacheinander und nachzeitig besuchen, Glück, Ausgleich und Frieden: jetzt und immer.
41 Antworten
Turandot vor 10 Jahren 70 26
7.5
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
7
Duft
Keine Nische, das war aber auch nicht das Ziel
Manchmal habe ich das Gefühl, wir sitzen in unserem Elfenbeinturm und warten nur darauf, den nächsten neuen Mainstreamduft in die Pfanne zu hauen. So nach dem Motto: Das habe ich doch gleich gewusst. Ja, ich bin auch erst mal sehr skeptisch gewesen, als ich die Mädels meiner alten Filiale fragte, was es Neues gibt und sie mir ein rosa Bändchen mit Reveal besprühten.

Von Coty, Calvin Klein, rosa und überall zu haben, das klingt nach frisch-blumig-fruchtig-süss. Dabei ist Reveal weder das eine, noch das andere. Deutliche Pfeffernoten mit Sandelholz, Iris und Vetiver zu kombinieren, ist alles andere als gewöhnlich und so finde ich den Duft zumindest tauglich, im kommenden Weihnachtsgeschäft eine Alternative zu süssen Düften wie Si oder La vie est belle zu bieten.

Auf der Haut startet Reveal erst frisch und wirklich pfeffrig. Das wirkt nun weder damenhaft, noch besonders elegant. Wenn sich jedoch der Pfeffer mit pudriger Iris verbindet wird daraus eine wirklich interessante Herznote. Und ob die Iris, bzw. eben die Schwertlilie nun aus Florenz stammt oder nicht, das dürfte uns herzlich egal sein. Es ist jedenfalls für mich deutlich die Iriswurzel gemeint.

Am besten gefällt mir die, übrigens recht gut haltbare Basis, denn jetzt untermalen weiche, aber eben nicht wie üblich süsse Noten das Thema des Duftes. Ich kenne im Mainstream keinen Duft, bei dem ich sagen könnte, Reveal duftet so ähnlich wie... Eine Ähnlichkeit mit Womanity, wie unten angedeutet kann ich nicht feststellen, sonst wäre ich sofort geflüchtet.

Den Duft nur im Vorübergehen auf einen Streifen zu sprühen und zu verdammen, wird ihm nicht gerecht. Man muss nur mal ein bisschen Phantasie anstrengen und sich vorstellen, der Duft käme nicht aus dem Haus Coty, sondern von irgendeinem exotischeren Label. Und ich bin sicher, das Parfum würde fairer behandelt werden. Jedenfalls hatte ich schon Nischendüfte unter der Nase, die durchaus langweiliger waren.
26 Antworten
Anosmia vor 10 Jahren 70 16
10
Flakon
10
Duft
World on Fire
Ein paar Worte vorweg: Dies ist mein erster Kommentar. Und: Ich kann nicht riechen (von Geburt an nicht), was mich in diesem Forum wohl zu einer Art Einhorn macht: "Unfassbar, dass es das hier gibt." Aus diesem Grund habe ich nie daran gedacht, hier je einen Kommentar zu verfassen, auch wenn ich an dieser Stelle euch allen aus tiefstem Herzen danken will: Gefühlte 1001 Nächte auf diesem Forum waren Wegweiser durchs Parfümlabyrinth, unglaubliche Märchen und Geschichten, eine Wahnsinns-Hilfe bei der Wahl zu mir passender Düfte und definitv der Grund warum ich nun des Öfteren zu hören bekommen: Du riechst so gut! Danke!!!

Aber was soll ich schon über Düfte schreiben? Samsara hat mich umgestimmt. Ich kann keinen Duftverlauf wiedergeben, aber ich möchte ihm gern meine Liebe erklären.

Wir trafen uns zufällig: Ich war auf der Suche nach einem Ausgehparfum und hatte mal wieder meine Mutter, die Nase (der Familienwitz besagt, dass mein Bruder und ich nichts riechen, weil meine Mutter unseren Geruchssinn für sich behalten wollte), zwangsrekrutiert sich durch eine endlose Reihe Düfte zu riechen, während ich sie parallel mit den von mir gewünschten Duft-Assoziationen traktiere. In die engere Wahl kamen "Sensuous Noir" und "Samsara" und schlieszlich landeten auch beide im Körbchen. Samsara beschrieb meine Mutter als feines, trocken-pudriges, gar nicht lautes Parfum. "Sensuous Noir, das ist Liza Minelli in Cabaret. Samsara, das ist eher die stille, leise Verführung!" Da ich mich mit Liza Minelli in Cabaret spontan deutlich mehr identifizieren konnte als leiser Verführung wurde Sensuous Noir das Ausgeh-Parfum und Samsara rutschte, nur aufgrund der Beschreibung "leise" in die Rubrik "Kann frau immer mal machen."
Weshalb ich es oft trug.
Und dann stürzte jedesmal eine Flut von Komplimenten auf mich ein. Insbesondere von Männern und nochmal mehr von den diversen Flirts, Affären und Beziehungen.
"Es ist das Sandelholz! Das ist ein natürliches Aphrodisiaka." mutmaszte ein Bekannter. Und meine Mutter wiederum meinte, es läge an dieser weichen Pudrigkeit, die sofort Körper- und Nähe-Assoziationen aufmachen würden.
Samsara rutschte also in die erste Reihe im Parfumfach.
Nicht zuletzt, nachdem ich es kürzlich zu einem Treffen mit meiner Lieblings-Affäre trug. Eine dieser Affären von denen ich glaube, jede_r sollte sowas mal gehabt haben: Über Jahre, über Distanz, über alle Wechselfälle des Lebens trifft man sich immer wieder um sich eine wortreiche Nacht in diversen Bars um die Ohren zu schlagen und den Rest der Nacht zusammen im Bett zu verbringen und sich morgens zu trennen. Kein Alltag, keine Ansprüche, nur Leidenschaft.
Im Bett landeten wir natürlich auch beim letzten Mal, waren schlieszlich schon am Einschlafen, als er seine Nase an meinen Nacken drückte, einmal tief einatmete und dann...schliefen wir doch noch nicht.
Für mich ein Wunder, dass Düfte solche Macht besitzen.
Am nächsten Tag schwelgte ich noch in den Erinnerungen an diese Nacht und starrte auf den roten Flakon, als würde sich so sein Geheimnis offenbahren.

Möglicherweise ist das das Geheimnis von Samsara - nicht laut, nicht leise; nicht die grosze Liebe, nicht die alltägliche Beziehung, aber auch nicht der belanglose One-Night-Stand; nicht durchkomponiertes Meisterwerk a la Shalimar oder L'heure bleue aber eben auch kein Aqua Allegoria.

Für mich jedenfalls wird Samsara - ohne das ich es riechen kann - für immer mit der Magie der ersten Begenung verknüpft sein, in der noch alles möglich, aber nichts versprochen ist. Und natürlich mit der Magie dieser wunderschönen Affäre.
Und deshalb wird, wenn das aktuelle Fläschchen leer ist, ein Samsara im Festgewand einen Weg ins Parfum-Fach finden, auf das dieser Duft mich weiter bei allen Abenteuern begleitet.
16 Antworten
Aura vor 10 Jahren 69 31
5
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Therapiert
Hallo, mein Name ist Aura, und ich bin masslos.

Hallo, Aura.

Tja, also... wenn es zum Beispiel Kuchen gibt, ihr wisst schon, diese leicht windschiefen, aber mit viel Liebe von Müttern und Omis selbstgebackenen Kuchen, und da stehen 15 Stück auf einem Büffet... ich muss sie immer ALLE probieren. Manchmal schleiche ich mich sogar bei Turnerfesten rein, obwohl ich gar niemand kenne, nur um an so ein Kuchenbüffet zu kommen. Danach ist mir dann leider immer schlecht.
Oder wenn ich bei zalando im Sale Winterstiefel für das nächste Jahr bestellen will, habe ich am Ende 7 Jeans, 5 Pullover, 10 Shirts und 2 Lederjacken im Warenkorb. Wenn ich die Rechnung dann sehe, wird mir immer ganz schlecht. Und die Winterstiefel hab ich auch vergessen.
Oder wenn ich gemütlich mit meiner Freundin ein Glas Wein trinken will... naja, ihr könnt’s Euch denken. Am nächsten Tag ist mir dann immer sooo schlecht.
Oder dann das mit den... Parfüms... schluchz... Entschuldigung, es geht gleich wieder...

Wir verstehen Dich, Aura. Lass Dir Zeit.

...also,... also ich hab halt schon ganz viele Parfüms, aber... ich will immer noch mehr, versteht ihr? Aber das ist ja eigentlich gar nicht das Problem...

Doch, Aura. Das ist ein Problem. Du musst es Dir nur eingestehen.

IST ES NICHT!!! DARUM GEHT’S JETZT JA AUCH GAR NICHT! ICH ERZÄHLE HIER! ALSO: ich hab da diesen neuen Duft, Une voix noire. Ich lernte ihn als trauriges 0,5-ml-Restpröbchen kennen. Wir hatten nur zwei Sprühstösschen zusammen. Aber diese zwei Sprühstösschen waren so perfekt, so intim, so magisch, er flüsterte mir mit seiner schwarzen Stimme so aufregende Sachen in die Nase, von schwarzweissen, rauchenden Jazzlegenden und von einer in Rum getränkten Gardenie, die ich bis dahin noch nicht kannte, die aber so brillant saftig und liebreizend betörend war, dass ich wusste, ich wollte ihn unbedingt wiederriechen!

Wir sabbern mit Dir, Aura.

Ich hab ihn zwei Tage später bestellt. Den ganzen Flakon. Direkt aus Frankreich. Am Anfang war alles wieder so zwischen uns, wie beim ersten Mal, so intim, als wäre er nur für mich da, er flüsterte täglich seine undeutliche Beschwörungsformel und wir hätten glücklich sein können. Aber nach vier Tagen langte mir das nicht mehr, ich wollte ihn verstehen, er sollte nicht flüstern, er sollte mir laut und deutlich sagen, was er zu sagen hatte, ich zwang ihn aus seinem Flakon auf meine Haut, mehr, noch mehr, wollte seinem Geheimnis, seiner Unbeschreiblichkeit auf die Spur kommen! Und dann wurde er das erste Mal laut, seine zornerfüllte Stimme liess die eben noch so liebliche Gardenie welken, verblühen, ääsig werden, viel zu süss und schwer und aufdringlich roch sie, und... mir wurde schlecht.

Wenn das Mass voll ist, läuft es über. Du musst ihn wieder gehen lassen, Aura.

Ja, das habe ich auch gedacht. Wenn man am Anfang einer Beziehung schon so streitet, hat das doch alles keinen Sinn, oder?

Wir nehmen ihn Dir ab, Aura, wir befreien Dich von dieser Last, gib ihn uns!

Moment, es geht ja noch weiter: Also wir haben uns dann jeder zurückgezogen und geschmollt. Und danach haben wir uns ausgesprochen, flüsternd. Er hat mir erklärt, dass seine Magie darin beruht, dass man ihn nicht beschreiben, nicht aussprechen kann und soll, nicht analysieren und nicht herausfordern. Dass man ihn nur geniessen kann, wenn man ihn mit seiner schwarzen Stimme wohlig flüstern lässt. Ich habe eingewilligt, dann haben wir uns ein Küsschen gegeben und jetzt ist alles wieder gut.

Du bist geheilt, Aura.

Ich weiss. Tschüss, ihr Luschen!
31 Antworten