05.09.2011 - 16:39 Uhr
Apicius
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Apicius
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22
Ein feines Zedernholz-Chypre!
Dank Chanelle stehen einige Miniaturen auf meinem Schreibtisch. Merkwürdig, dass gerade in dieser kleinen Form längst Vergangenes die Zeiten überdauert. So komme ich heute dazu, mich der Marke Lancôme zu widmen. Die hat ihre besten Zeiten wohl hinter sich, soweit es um Herrendüfte geht; nur wenige Klassiker sind hier und da erhältlich.
Ich persönlich verbinde mit Lancôme die Duftrichtung Chypre. Vielleicht tue ich der Marke damit Unrecht – sicher können die auch anders. Doch es sind oft wegweisende Chypre- Konstruktionen, die mir hier sofort einfallen. Da ist das schöne Oriental-Chypre Sagamore, das letztens für kurze Zeit zu haben war. Und natürlich der Signaturduft dieser Marke: Ô de Lancome, welcher grüne, frische Leichtigkeit auf so gelungene Weise mit dem tiefgründigen Chypre-Konzept zu verbinden weiß.
Auch Balafre lässt sich gut in die Chypre-Ecke einordnen, wenngleich er sicher nicht ganz der reinen Lehre entspricht. Ein Blick auf die Duftpyramide verrät es – hier wurde geklotzt und nicht gekleckert. Die schiere Vielfalt von Duftnoten verspricht ein Erlebnis von hoher Komplexität, das noch ganz weit entfernt ist von jedem hypermodernen Purismus.
Balafre beginnt opulent und scharf. Die Kopfnote ist ein richtiges Durcheinander, das erst mal keine Richtung vorgibt. Die Schärfe macht etwas mißtrauisch – aber es hat wohl Zeiten gegeben, in denen eine etwas beißende Note durchaus als Zeichen prägnanter Männlichkeit galt.
Allmählich schält sich eine Note heraus, die in den Sechzigern eigentlich gerade out war. In nehme eine deutliche Koniferennote wahr, die ein wenig an das ältere Acqua di Selva erinnert. Sie bleibt aber zurückhaltend und integriert sich wieder in das Gesamtbild.
Dann scheint die Chypre-Basis kurz auf, die sofort in einen Dialog mit einer minimal seifigen Moschusnote tritt. Dabei nimmt diese Art von Seifigkeit eher den Charakter von Rasierseife als von Handseife an. Und dann taucht zwischendurch auch noch eine waschechte, herbe Zedernholznote auf, wie wir sie heute in ausgeprägter Form vor allem in dem bekannten Terre d'Hermès vorgeführt bekommen.
Schon bald nimmt übrigens die Schärfe des Anfangs ab – was sich hier entfaltet, ist ein unglaublich weit aufgefächertes Bild, ein richtiger Entdeckerduft: da gibt es grüne Noten, Leder und einiges mehr.
Balafre stammt aus einer Zeit, in der Männer nicht sprühten, sondern das Parfum bzw. Cologne schütteten. Das macht einen Unterschied, besonders bei so vielschichtigen Düften wie Balafre. Ich mache hier die Erfahrung, dass unterschiedliche Mengen des Parfums nicht nur die Intensität, sondern ein wenig auch den Duft selber verändern. Hier könnte es lohnenswert sein, Balafre auf ganz verschiedene Weise zu applizieren und sehr bewusst dem Geschehen nachzuspüren.
Wie schade ist es doch, dass Balafre nicht mehr zu bekommen ist. So bleibt es uns heutigen weitgehend verwehrt, sich auf diese Komplexität einzulassen. Mit Düften wie Balafre ist vielleicht nicht nur ein Parfum verschwunden, sondern ein Stück weit auch die Möglichkeit, das Riechen zu kultivieren. Nehmen wir nur Terre d'Hermès – da wird die zugegeben wunderbare Zedernholznote in den Mittelpunkt gerückt; alles andere ist nur Beiwerk. Der Parfumfreund, der so etwas mag, muss sich gar nicht mehr die Mühe machen, dieser Note nachzuspüren – er bekommt sie regelrecht aufgedrängt. Nichts gegen diesen Erfolgsduft – aber der Unterschied zu Balafre ist doch ein wenig wie zwischen Eintopf und feiner Küche.
Sicher würde Balafre auf dem heutigen Markt nicht annähernd so gute Chancen haben wie Terre d'Hermès. Trotzdem halte ich es für verfehlt, hier wehmütig über die ach so guten alten Zeiten zu räsonnieren. Balafre war vor 40 Jahren nicht deshalb erfolgreich, weil alle so ein kultiviertes Näschen hatten – ich denke, die Bedingungen der Märkte waren andere: selbständige Marken statt Global Players, dazu eine Struktur, die vielleicht eher einem sogenannten Verkäufermarkt entsprach, ließen in den Unternehmen sicher ein anderes Qualitätsbewusstsein zu. Wer weiß, auch damals hätten die meisten Kunden sich für Terre d'Hermès entschieden, wenn es diese Wahl gegeben hätte.
Wir können die Zeiten nicht zurückdrehen, aber interessant ist es doch, was ein Parfum wie Balafre uns heute noch zu sagen hat. Wenn wir je wieder Parfums wie Balafre bekommen wollen, müssen wir sehr bewusst an der Herausbildung einer allgemeinen Kultur des Riechens arbeiten; nur dann kann es fähigen Nischenparfumeuren gelingen, sich mit komplexen und feinen Düften zu halten, die ohne Showeffekt auskommen. Von Eintopf haben wir uns lange genug ernährt...
Ich persönlich verbinde mit Lancôme die Duftrichtung Chypre. Vielleicht tue ich der Marke damit Unrecht – sicher können die auch anders. Doch es sind oft wegweisende Chypre- Konstruktionen, die mir hier sofort einfallen. Da ist das schöne Oriental-Chypre Sagamore, das letztens für kurze Zeit zu haben war. Und natürlich der Signaturduft dieser Marke: Ô de Lancome, welcher grüne, frische Leichtigkeit auf so gelungene Weise mit dem tiefgründigen Chypre-Konzept zu verbinden weiß.
Auch Balafre lässt sich gut in die Chypre-Ecke einordnen, wenngleich er sicher nicht ganz der reinen Lehre entspricht. Ein Blick auf die Duftpyramide verrät es – hier wurde geklotzt und nicht gekleckert. Die schiere Vielfalt von Duftnoten verspricht ein Erlebnis von hoher Komplexität, das noch ganz weit entfernt ist von jedem hypermodernen Purismus.
Balafre beginnt opulent und scharf. Die Kopfnote ist ein richtiges Durcheinander, das erst mal keine Richtung vorgibt. Die Schärfe macht etwas mißtrauisch – aber es hat wohl Zeiten gegeben, in denen eine etwas beißende Note durchaus als Zeichen prägnanter Männlichkeit galt.
Allmählich schält sich eine Note heraus, die in den Sechzigern eigentlich gerade out war. In nehme eine deutliche Koniferennote wahr, die ein wenig an das ältere Acqua di Selva erinnert. Sie bleibt aber zurückhaltend und integriert sich wieder in das Gesamtbild.
Dann scheint die Chypre-Basis kurz auf, die sofort in einen Dialog mit einer minimal seifigen Moschusnote tritt. Dabei nimmt diese Art von Seifigkeit eher den Charakter von Rasierseife als von Handseife an. Und dann taucht zwischendurch auch noch eine waschechte, herbe Zedernholznote auf, wie wir sie heute in ausgeprägter Form vor allem in dem bekannten Terre d'Hermès vorgeführt bekommen.
Schon bald nimmt übrigens die Schärfe des Anfangs ab – was sich hier entfaltet, ist ein unglaublich weit aufgefächertes Bild, ein richtiger Entdeckerduft: da gibt es grüne Noten, Leder und einiges mehr.
Balafre stammt aus einer Zeit, in der Männer nicht sprühten, sondern das Parfum bzw. Cologne schütteten. Das macht einen Unterschied, besonders bei so vielschichtigen Düften wie Balafre. Ich mache hier die Erfahrung, dass unterschiedliche Mengen des Parfums nicht nur die Intensität, sondern ein wenig auch den Duft selber verändern. Hier könnte es lohnenswert sein, Balafre auf ganz verschiedene Weise zu applizieren und sehr bewusst dem Geschehen nachzuspüren.
Wie schade ist es doch, dass Balafre nicht mehr zu bekommen ist. So bleibt es uns heutigen weitgehend verwehrt, sich auf diese Komplexität einzulassen. Mit Düften wie Balafre ist vielleicht nicht nur ein Parfum verschwunden, sondern ein Stück weit auch die Möglichkeit, das Riechen zu kultivieren. Nehmen wir nur Terre d'Hermès – da wird die zugegeben wunderbare Zedernholznote in den Mittelpunkt gerückt; alles andere ist nur Beiwerk. Der Parfumfreund, der so etwas mag, muss sich gar nicht mehr die Mühe machen, dieser Note nachzuspüren – er bekommt sie regelrecht aufgedrängt. Nichts gegen diesen Erfolgsduft – aber der Unterschied zu Balafre ist doch ein wenig wie zwischen Eintopf und feiner Küche.
Sicher würde Balafre auf dem heutigen Markt nicht annähernd so gute Chancen haben wie Terre d'Hermès. Trotzdem halte ich es für verfehlt, hier wehmütig über die ach so guten alten Zeiten zu räsonnieren. Balafre war vor 40 Jahren nicht deshalb erfolgreich, weil alle so ein kultiviertes Näschen hatten – ich denke, die Bedingungen der Märkte waren andere: selbständige Marken statt Global Players, dazu eine Struktur, die vielleicht eher einem sogenannten Verkäufermarkt entsprach, ließen in den Unternehmen sicher ein anderes Qualitätsbewusstsein zu. Wer weiß, auch damals hätten die meisten Kunden sich für Terre d'Hermès entschieden, wenn es diese Wahl gegeben hätte.
Wir können die Zeiten nicht zurückdrehen, aber interessant ist es doch, was ein Parfum wie Balafre uns heute noch zu sagen hat. Wenn wir je wieder Parfums wie Balafre bekommen wollen, müssen wir sehr bewusst an der Herausbildung einer allgemeinen Kultur des Riechens arbeiten; nur dann kann es fähigen Nischenparfumeuren gelingen, sich mit komplexen und feinen Düften zu halten, die ohne Showeffekt auskommen. Von Eintopf haben wir uns lange genug ernährt...
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