Hyazinthe
Meditation mit
vor 7 Jahren - 04.01.2017
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Meditation mit anrüchigem Odeur

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Jedenfalls hab ich das Bedürfnis, solchen Usern hier, die wie ich, sich auch mit Themen wie Meditation, Selbstentwicklung u.ä. beschäftigen, von meinem Ausflug in die Welt der Meditation, die anscheinend mit manchmal merkwürdigen Organisationen verbunden ist, zu berichten.

In diesem Fall heißt sie "Vipassana". Ich hatte mehrmals davon gehört, eine enge Freundin betreibt sie seit einiger Zeit und hat sich tief darauf eingelassen, sodass ich meinte, wäre vielleicht wert, dies auszuprobieren. Anmeldung war schwierig, da schnell ausgebucht, was ja meist ein gutes Zeichen ist. Nun war ich glücklich, im Nachrückverfahren über den Jahreswechsel einen Platz zu bekommen, in Meppen, im Emsland in der Jugendherberge, die man angemietet hatte. Glücklicherweise bin ich mit dem eigenen Wagen hingefahren, was gleich noch verständlich wird.

Ich kam ziemlich spät an, etwas zu spät, und schob die Unsicherheit und Nervosität der Damen der Anmeldung auf diesen Umstand. Später musste ich erleben, dass da eine große Angst herrschte, etwas falsch zu machen. Über die kleinste Kleinigkeit musste Erlaubnis eingeholt werden (davon später mehr). Ich musste ein umfangreiches Papier ausfüllen über meinen psychischen Zustand, wichtige Stationen in meinem Leben, über Drogenfreiheit, und eine Kontaktperson angeben, sowie mich verpflichten, auf keinen Fall den Kurs vorzeitig zu verlassen. Fühlte sich ein wenig merkwürdig an, aber ich wollte ja mitmachen, und wusste, dass das Ganze nicht einfach werden würde, und die sich dann absichern, dass nur gesunde entschlossene Teilnehmer da sind, und falls einer durchdreht, sie sich an jemanden wenden können.

Allerdings, als ich Handy, Papiere und Geld abgeben sollte, weigerte ich mich standhaft. Dies war auch vorher nirgendwo erwähnt worden. Ich wurde dann der Leiterin des Kurses vorgeführt, der ich dann anbot, diese Dinge im Auto zu lassen, auf einem etwas entfernten Parkplatz, lieber ging ich das Risiko des unbewachten Parkenplatzes ein. Ansonsten würde ich den Heimweg antreten. Dies wurde dann akzeptiert.

Die Regeln waren: 10 Tage Schweigen, keinerlei Kontakt mit den Anderen, weder Blicke, noch Berührung, noch Geschriebenes. Kein Kontakt nach aussen. Nichts aufschreiben, nichts lesen. Kein Kontakt mit dem anderen Geschlecht; die Männer waren so von uns isoliert, dass wir keinesfalls Kontakt haben konnten, im Meditationsraum wurde auf der Männerseite sogar das - sowieso dämmrige Licht - ausgeschaltet, als diese hereinkamen.

Tagesplan: 4 Uhr aufstehen, Meditation bis 6:30, dann Frühstück, Meditation, 11 Uhr Mittagessen, Ruhezeit 1 Stunde, Meditation, 17 Uhr Tee und eine Frucht, Meditation, Vortrag vom Band, Meditation. Also ziemlich hard-core. Man konnte aber manche Meditationen im eigenen (4 Etagenbett-)Zimmer machen, ansonsten saßen etwa 140 Menschen in einem etwa 150qm Meditationsraum. (Die Luft kann man sich vorstellen, wenn da 1 bis 2 Stunden meditiert wurde).

Ich wusste, es würde mir wohl keine Schwierigkeiten machen, lange zu schweigen, doch merkte ich am 3. Tag, dass durch das innere Sich-Abschotten gegen außen, sich ein menschlicher Abstand zu meiner Umgebung einstellte, die sich in einer fühlbaren inneren Härte äußerte. Dies fiel mir auf, und verunsicherte mich. Auch war die Athmosphäre, (bzw. empfand ich sie so) die dort herrschte, ziemlich kalt. Kein Lächeln, kein Blick, jeder komplett für sich, das aber auf engstem Raum, hatte etwas unmenschliches an sich. Auch wurde ich von einer "Aufseherin" am 2. Tag, als ich Durchfall hatte, und mich daher kurz in mein Zimmer begab, nach wenigen Minuten dort aufgesucht, und gezwungen, wieder in den Meditationsraum zu kommen, trotz meines Einwandes, dass ich krank sei, und gleich wieder zum Klo müsse. Bald fühlte ich mich wie in einem Lager, gefängnismäßig. "Auslauf" oder "Hofgang" wie ich es für mich nannte, gab es nur nach den Mahlzeiten, in einem abgesteckten kleinen Bereich des dahinterliegenden Parks, der Ausgang war tabu. Wir waren unter ständiger Beobachtung, sodass es unmöglich war, das zu umgehen. Vor allem dagegen regte sich mein Widerstand, diese komplette Kasernierung und Überwachung. Da ich ein Bewegungsmensch bin und dringend Bewegung als Ausgleich gegen das stundenlange Sitzen brauchte, überschritt ich im Schutz der Dunkelheit dann doch die Umgrenzung und genehmigte mir einen Spaziergang oder Lauf. Das tat mir außerordentlich gut und störte keinesfalls meine "Versenkung".

Sollte man meinen, dass dies alles dazu führen sollte, abzubrechen, wollte ich doch nicht aufgeben, sozusagen "versagen", hatte ich doch mir und auch nach außen mein Wort gegeben. Ich glaubte auch immer noch an den möglichen "Erfolg" meiner Unternehmung, verstand ich auch, dass diese Vorkehrungen dazu da waren, jegliche Ablenkung zu vermeiden, um eine tiefe Konzentration auf sich selbst und den Inhalt der Meditation zu gewährleisten.

Welcher Art war denn nun dieser Inhalt?

Dazu waren die abendlichen Vorträge vom Band des indischen "Meisters" namens Goenka da. Im ersten wurden allgemeine Regeln erläutert, die beachtet werden müssen, um den Erfolg zu haben, die eigentlich in jeder Religion gang und gäbe sind, wie sie auch in den 10 Geboten des Christentums dargelegt werden. So weit so gut. Allerdings waren dann im 2. Vortrag schon Merkwürdigkeiten, wie Verunglimpfung der Religionen, obwohl betont wurde, dass diese Meditationsart keine Religion sei, und diese vollständig geachtet würden. Mitglieder von Kirchen wurden lächerlich gemacht, dass sie bereit seinen, für Versprechungen, wie in den Himmel zu kommen, den religiösen Führern und ihren Dogmen zu folgen, keine Denktätigkeit und Überprüfung einsetzten und blind folgten. Das empfand ich als verunglimpfend und äußerst abwertend, auch wenn ich mich selbst keiner Kirche verplichtet habe. Überhaupt empfand ich die ganzen Erklärungen als sehr einfach, die Beispiele und Vergleiche wie für Kinder gemacht, auch über die Art der Meditation von anderen Richtungen wurde negativ gesprochen, bspw. dass sich dadurch nur der Geist an der Oberfläche klärt, aber alles ins Unbewusste gedrückt würde, und dadurch der Schaden vergrößert. Man ging von einer sehr negativen Sicht des menschlichen Geistes aus, der bis ins Tiefste schwer vergiftet sei. Da er sich ja immer nur in der Vergangenheit oder Zukunft aufhielte, nie in der Gegenwart und immer nur Angriffsgedanken produziere. Mit fortschreitender Meditationserfahrung in Vipassana sollen tiefsitzende "Knoten" sich auflösen, man könne das bemerken, dass Gedanken aufstiegen, wo man von sich selbst erschrocken wäre, woher das käme (aus dem Unbewussten natürlich!), die sich dann aber auflösen würden. Meine zunehmenden Zweifel und Widerstand gehörte nach deren Meinung dann wohl auch dazu! Beruflicherweise weiß ich nun einiges über die psychologischen Modelle der 3 Stufen von Bewusstheit, Halbbewusstheit und Unterbewusstsein, und auch der dazugehörigen Deutungen, sodass mir die Haare zu Berge standen. Ich fragte mich, auf welcher Grundlage solche Behauptungen aufgestellt wurden. Woher wussten die, dass sich auf diese Weise "Knoten" lösten, die wir angeblich durch schlechte Gedanken und emotionale Reaktionen im Laufe des Lebens immer mehr aufbauen? Wie kommen die darauf, dass das Unbewusste oder Unterbewusste "gereinigt" werden muss? Man könnte über diese Theorie jetzt viel gegen argumentieren, das unterlasse ich jetzt hier.

Jedenfalls merkte ich immer mehr, wie abstrus das Ganze war. Bisher war ich gewillt gewesen, auch diese Form der Meditation einfach so hinzunehmen, im Vertrauen darauf, dass ja auch eine geschätzte Freundin damit wohl "Erfolg" habe. Man meditiert also die ganze Zeit mit Beobachtung von Empfindungen an den Nasenlöchern und Umgebung, um den Geist nicht schweifen und abschweifen zu lassen, was ja auch andere Richtungen so erklären, dass der "Geist" einen Haltepunkt braucht, um nicht abzuschweifen.

Ich war erstaunt, dass tatsächlich die Menschen ungemein diszipliniert waren, abgesehen von den jahreszeitgemäßen Erkältungsgeräuschen konnte man zeitweise solche Stille erleben, dass man eine fallende Stecknadel bemerkt hätte.

Es war angekündigt worden, dass am 4. Tag eine neue Stufe der Meditation dazu käme. Ich war sehr gespannt. Leider eine große Enttäuschung! Nun sollte man nicht nur die Empfindungen im Bereich der Nasenlöcher beobachten, sondern ausgehend vom höchsten Punkt des Kopfes, langsam abwärts gehend den ganzen Körper nach und nach nach Empfindungen durchfühlen. Dann wieder oben anfangen und so weiter. Denn alle Inhalte des Geistes, die gereinigt werden müssten, würden sich als Empfindung im Körper bemerkbar machen, und wenn sie dann bemerkt würden, würden sie aufgelöst. - Das war für mich die Spitze des absoluten Unsinns. Da war für mich etwas aus der Körpertherapie gründlich missverstanden worden. - Und, wir sollten jetzt uns in der Meditation nicht mehr bewegen, sollten also eine Haltung einnehmen, die uns erlaubte, eine Stunde sich nicht zu bewegen. Mir war klar, das würde ich nicht schaffen, ich hatte schon jetzt erste Erscheinungen von Ischias, und - ich hatte vorsichtshalber Akupunkturnadeln mit genommen, um mich im Ernstfall selbst zu akupunktieren - war auch nicht bereit, gegen die Signale meines Körpers zu handeln. Es wurde behauptet, dass diese Schmerzen, die dabei auftreten, nur innere Knoten seinen, und wenn die gelöst seien, dann mit einem Schlag die ganzen Schmerzen weg seien. Solch ein himmelschreiender Unsinn war ich nicht bereit zu akzeptieren. Ich erinnerte mich, dass es einen Abend vorher geheißen hatte, Anhänger von Religionen seien bereit alles zu akzeptieren, was man ihnen erzähle, und ihren Verstand nicht einsetzten. Ich war nun bereit, endlich stop zu sagen, weil ich eben meinen Verstand einsetzen wollte / konnte. Ich beschloss nun, die Meditation in Zukunft für mich auf meine eigene, mir gemäße Weise fortzusetzen und mich bei Bedarf auch zu bewegen.

Des Weiteren sollten wir lernen, und zwar am eigenen Körper, dass alles sich ändert, nichts stabil bleibt. Nach dem bekannten Motto: nichts ist sicher und stabil außer der Veränderung. - anitscha hieß das dann. Alles ändert sich. Tja, eine große Weisheit und Erkenntnis. Brauchte ich sie? War das das Wichtigste für mich? Hatte ich das noch nicht zu Genüge in meinem Leben erfahren?

Ich beschloss die innere Verweigerung. Noch immer wollte ich nicht aufgeben, glaubte, ich könne einen Kompromiss mit meiner Meditation finden....

Doch es kam anders. Nach dieser Meditation kam eine Frau, die auch auf meinem Zimmer wohnte, und mit der ich vor Beginn des Schweigens einen sehr netten Kontakt hatte, auf mich zu, und teilte mir mit, sie würde das Camp jetzt sofort abbrechen und nach Hause fahren. Etwas erschrocken über ihre Ansprache, bat ich sie, dass wir unser Zimmer aufsuchen. Dort sprach sie über ihren Entschluss und die Gründe, die ich gut nachvollziehen konnte, waren sie doch zum größten Teil meine eigenen Gedanken. Ich beschloss, dass ich ebenfalls abbreche. Es war schon Abend, und wir wollten keinen Moment mehr da bleiben, auch den Vortrag nicht mehr hören. Wir teilten unseren Entschluss der "Aufseherin" mit, die, was zumindest mich angeht, gewohnt feindlich reagierte. Wir wurden zu einem Gespräch mit der Lehrerin / Leiterin beordert. Ich legte meine Gründe dar, und die wurden freundlich und emotionslos und eigentlich kaum kommentierend, entgegengenommen. Wir mussten dann das Haus sofort verlassen, da wir ja das "edle Schweigen", und somit eine wichtige Regel gebrochen hatten. Das taten wir gerne, und suchten uns dann ein Hotel, da ein Fahren bei Eis und Schneeglätte (2. Januar) in der Nacht nicht möglich war, und uns die Gelegenheit gab, uns gründlich auszutauschen.

Dies ist nun eine sehr persönliche Darlegung und Erfahrung, aber in dem Bemühen, trotz der persönlichen Betroffenheit einen relativ objektiven Bericht zu geben, um Aufklärung zu schaffen, was diesen von mir erlebten Bereich betrifft. Besonders erschrocken war ich über die Tatsache, wieweit Menschen bereit sind, sich aufgrund von Versprechungen einer Methode zu unterwerfen, die in ihrer extremen Ausprägung einen fast faschistoiden Eindruck auf mich hinterließ. Eigentlich wie es von Anhängern von Religionen behauptet wurde. Mich hat das wirklich erschreckt, und ich bin gespannt, ob irgend jemand hier Erfahrung mit dieser Methode gemacht hat.

Gleichzeitig möchte ich informieren und warnen, sich wirklich vorher damit auseinander zu setzen, ob man sich so einer Sache unterwerfen möchte und selbst überprüfen, ob die Inhalte nachzuvollziehen sind.

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