18.09.2012 - 18:40 Uhr
Siebter
49 Rezensionen
Siebter
Top Rezension
44
Im Rausch der Klarheit
Ganz kurz ein paar Daten zur Firma Artek: hierbei handelt es sich um eine finnische Möbeldesignschmiede, die unter anderem vom Architekten Alvar Aalto gegründet wurde. Artek verfolgt die Idee einer Symbiose verschiedener Kunstformen, stilistisch finden sich viele Ansätze aus dem Bauhaus, z.B. die bei Artek sehr zentrale Standardisierung, daher rührt wohl der Name dieses Dufts. Der Versuch, typische Artek-Prinzipien als Parfum umzusetzen, führt beim Flakon und der Verpackung zu ziemlich lustigen Ergebnissen; in einer Branche, in der laufend mit emotional aufgeladenen Begriffen und Symbolen jongliert wird, fällt ein hellgrauer Quader mit der Aufschrift "Standard" zweifellos aus dem Rahmen. Die Verpackung (ein Bild findet sich hier weiter unten) ist derart nüchtern, dass man beinahe glaubt, ein verschollenes Aftershave aus Sowjet-Zeiten ergattert zu haben, welches dereinst in irgendeinem sibirischen Kaufhaus vor sich hinstaubte. Ob bei der Gestaltung ein Quentchen Ironie mitspielte, mag ich nicht beurteilen müssen.
Artek Standard ist kein quietschbunter Teenieduft, soviel dürfte klar sein, aber er ist bei weitem nicht so knochentrocken und nüchtern, wie es die Verpackung suggeriert. Er gemahnt sogar ziemlich eindeutig an die Sinne.
Während der Eröffnung passiert recht viel auf einmal: die allerersten Sekunden sind vor allem zitrisch und warm-fenchelig. Das schafft Klarheit im Kopf, aber keinesfalls im Sinne einer Cologne-artigen Erfrischung mit Bergamotte-Explosionen. Sehr bald zeigt sich ein mentholiger Tee-Akkord, der bei vielen Nasen eine klare Assoziation hervorrufen wird: das riecht nach Sauna-Aufguss, wenn auch bei weitem nicht so scharf oder gar dampfend, sondern wesentlich weicher und stiller. Fenchel, Zitrone, Tee und ein leicht koniferer und metallischer Menthol-Akkord, das ist ziemlich ungewöhnlich, aber auch höchst angenehm, wenn man sich erst mal damit angefreundet hat.
Wer nach traditionellen Mustern sucht, wird schon zu Beginn wenig zum festhalten finden. Da ist durchaus viel Natur im Spiel, denn die Noten wirken nicht per se synthetisch. Andererseits ist das aber auch ein denaturierter Duft, der deutliche Verweise auf unsere Kultur verwendet; in dieser Form wird man die genannten Akkorde keinesfalls in der Natur finden, und doch wirken sie vertraut, fast schon heimatlich. Zudem ist Artek Standard im gesamten Duftverlauf betont clean, da findet sich kein Krümel Erde, kein Staub, kein Schweiß.
Diese Phase dauert durchaus eine Stunde oder länger an und erwirkt in mir eine wunderbare Klarheit und Balance, die sich ganz selbstverständlich und allmählich einstellt. Wie gesagt, Artek Standard gemahnt an die Sinne, aber auch an unseren Geist. Das ist kein Duft, den man aufträgt, um die hübsche Nachbarin auf sich aufmerksam zu machen (dies könnte allerdings dennoch die Folge sein, denn dieser Duft fällt auf), dieser Duft gehört allein dem Träger. Und der Trägerin, denn "sinnlich" ist hier nicht im libidinösen Sinne gemeint, Artek Standard schert sich nicht um Geschlechter und schon gar nicht um deren Rollen oder Begierden. Ich trage diesen Duft mit großer Leidenschaft, und wenn ich ihn trage, dann sind das Tage, an denen mir völlig gleich ist, was andere von meiner Beduftung halten.
Damit möchte ich nichts über den Duft selbst aussagen, sondern über die Intention, die ich ihm unterstelle. Wie viele Düfte von Comme des Garçons zeichnet sich auch Artek Standard durch eine sehr spezielle Sillage aus. Man wird mit diesem Duft zweifellos auffallen, und dies liegt nicht nur an der ungewöhnlichen Komposition. Die Duftwolke ist keine Faust, aber sie bildet eine kräftige und umfangreiche Aura, die auf meiner Haut rund sechs bis acht Stunden duftet. Eher fein, aber deutlich zu vernehmen. Negative Reaktionen hat dieser Duft in meiner Gegenwart nicht hervorgerufen, viele finden ihn sehr angenehm (und, für mich überraschend, sogar anziehend), gelegentlich ist man zunächst etwas befremdet. Aber wie auch immer: ich mag Artek Standard vor allem wegen dem, was es mit mir tut.
Während insbesondere der wunderbar warme Fenchel und die Zitrone sich langsam zurückziehen, treten zwei weitere Hauptakteure vor die Nase, die den weiteren Verlauf bis zum Schluss prägen. Allmählich wird Artek Standard zu einem kräftigen Holzduft - ein typisches Element vieler Düfte von Comme des Garçons, der hier untypisch spät auf die Bühne kommt. Als Holzart wird in der Pyramide die Zeder angegeben, diese kenne ich aber wesentlich würziger (exemplarisch sei hier Lalique White genannt). Das Holz in diesem Duft erinnert mich bisweilen sehr stark an die Hinoki-Zypresse, die von Comme des Garçons fulminant in einem gleichnamigen Duft in Szene gesetzt wird, denn mit dem Moosglöckchen schleicht sich ein ähnlich süßes Element ein, welches für Hinoki sehr typisch ist - allerdings ist Hinoki extrovertierter und die leicht süße Note stellt sich bei Artek Standard etwas komplexer dar: diese ist eher floral und mandelartig. Mir fällt es schwer, die einzelnen Noten genau zu umreißen, denn Artek Standard ist ein höchst geschlossener Duft, sogar die bisweilen sehr dominante Teementhol-Note wirkt über den gesamten Duftverlauf angemessen und nie überzeichnet - ich empfehle aber, diesen Duft auf der Haut zu testen, auf Testerstreifen kann er regelrecht klinisch und kalt wirken.
Es gibt ein sehr einfaches Bild, welches der drydown in mir aufleuchten lässt: wenn man sich an die Regeln hält, begibt man sich nach einem Saunagang und dem Bad im Kaltwasserbecken auf eine Ruheliege, wo man vor der nächsten Runde für etwa zwanzig Minuten ausruht. Genau diese zwanzig Minuten finde ich olfaktorisch in Artek Standard wieder: leicht floral-süßer Teeaufguss, Holz, der metallische Akkord und daraus ableitend tatsächlich die unvergleichliche innere Ruhe, Reinheit und Balance fern jeglichen Zeitempfindens, die man auf dieser Liege erfährt. Die Wirkung von Artek Standard auf meine Stimmung ist bisweilen sogar so stark, dass der eigentliche Duft in den Hintergrund tritt.
Man könnte zu Artek Standard so viele Fragen stellen. Ist dieser Duft eher feminin oder maskulin? Zu welchem Anlass und welcher Jahreszeit passt er? Ist das ein Duft für zwanzigjährige Kreuzberger Freaks oder für vergeistigte alte Säcke? Ist er Kunst oder tragbar? Mir gefällt, dass dieser Duft sich solchen und ähnlichen Fragen verweigert. Und mir gefällt vor allem, dass er dabei nicht arrogant wirkt, sondern überaus freundlich.
Toller Duft, one of a kind.
Artek Standard ist kein quietschbunter Teenieduft, soviel dürfte klar sein, aber er ist bei weitem nicht so knochentrocken und nüchtern, wie es die Verpackung suggeriert. Er gemahnt sogar ziemlich eindeutig an die Sinne.
Während der Eröffnung passiert recht viel auf einmal: die allerersten Sekunden sind vor allem zitrisch und warm-fenchelig. Das schafft Klarheit im Kopf, aber keinesfalls im Sinne einer Cologne-artigen Erfrischung mit Bergamotte-Explosionen. Sehr bald zeigt sich ein mentholiger Tee-Akkord, der bei vielen Nasen eine klare Assoziation hervorrufen wird: das riecht nach Sauna-Aufguss, wenn auch bei weitem nicht so scharf oder gar dampfend, sondern wesentlich weicher und stiller. Fenchel, Zitrone, Tee und ein leicht koniferer und metallischer Menthol-Akkord, das ist ziemlich ungewöhnlich, aber auch höchst angenehm, wenn man sich erst mal damit angefreundet hat.
Wer nach traditionellen Mustern sucht, wird schon zu Beginn wenig zum festhalten finden. Da ist durchaus viel Natur im Spiel, denn die Noten wirken nicht per se synthetisch. Andererseits ist das aber auch ein denaturierter Duft, der deutliche Verweise auf unsere Kultur verwendet; in dieser Form wird man die genannten Akkorde keinesfalls in der Natur finden, und doch wirken sie vertraut, fast schon heimatlich. Zudem ist Artek Standard im gesamten Duftverlauf betont clean, da findet sich kein Krümel Erde, kein Staub, kein Schweiß.
Diese Phase dauert durchaus eine Stunde oder länger an und erwirkt in mir eine wunderbare Klarheit und Balance, die sich ganz selbstverständlich und allmählich einstellt. Wie gesagt, Artek Standard gemahnt an die Sinne, aber auch an unseren Geist. Das ist kein Duft, den man aufträgt, um die hübsche Nachbarin auf sich aufmerksam zu machen (dies könnte allerdings dennoch die Folge sein, denn dieser Duft fällt auf), dieser Duft gehört allein dem Träger. Und der Trägerin, denn "sinnlich" ist hier nicht im libidinösen Sinne gemeint, Artek Standard schert sich nicht um Geschlechter und schon gar nicht um deren Rollen oder Begierden. Ich trage diesen Duft mit großer Leidenschaft, und wenn ich ihn trage, dann sind das Tage, an denen mir völlig gleich ist, was andere von meiner Beduftung halten.
Damit möchte ich nichts über den Duft selbst aussagen, sondern über die Intention, die ich ihm unterstelle. Wie viele Düfte von Comme des Garçons zeichnet sich auch Artek Standard durch eine sehr spezielle Sillage aus. Man wird mit diesem Duft zweifellos auffallen, und dies liegt nicht nur an der ungewöhnlichen Komposition. Die Duftwolke ist keine Faust, aber sie bildet eine kräftige und umfangreiche Aura, die auf meiner Haut rund sechs bis acht Stunden duftet. Eher fein, aber deutlich zu vernehmen. Negative Reaktionen hat dieser Duft in meiner Gegenwart nicht hervorgerufen, viele finden ihn sehr angenehm (und, für mich überraschend, sogar anziehend), gelegentlich ist man zunächst etwas befremdet. Aber wie auch immer: ich mag Artek Standard vor allem wegen dem, was es mit mir tut.
Während insbesondere der wunderbar warme Fenchel und die Zitrone sich langsam zurückziehen, treten zwei weitere Hauptakteure vor die Nase, die den weiteren Verlauf bis zum Schluss prägen. Allmählich wird Artek Standard zu einem kräftigen Holzduft - ein typisches Element vieler Düfte von Comme des Garçons, der hier untypisch spät auf die Bühne kommt. Als Holzart wird in der Pyramide die Zeder angegeben, diese kenne ich aber wesentlich würziger (exemplarisch sei hier Lalique White genannt). Das Holz in diesem Duft erinnert mich bisweilen sehr stark an die Hinoki-Zypresse, die von Comme des Garçons fulminant in einem gleichnamigen Duft in Szene gesetzt wird, denn mit dem Moosglöckchen schleicht sich ein ähnlich süßes Element ein, welches für Hinoki sehr typisch ist - allerdings ist Hinoki extrovertierter und die leicht süße Note stellt sich bei Artek Standard etwas komplexer dar: diese ist eher floral und mandelartig. Mir fällt es schwer, die einzelnen Noten genau zu umreißen, denn Artek Standard ist ein höchst geschlossener Duft, sogar die bisweilen sehr dominante Teementhol-Note wirkt über den gesamten Duftverlauf angemessen und nie überzeichnet - ich empfehle aber, diesen Duft auf der Haut zu testen, auf Testerstreifen kann er regelrecht klinisch und kalt wirken.
Es gibt ein sehr einfaches Bild, welches der drydown in mir aufleuchten lässt: wenn man sich an die Regeln hält, begibt man sich nach einem Saunagang und dem Bad im Kaltwasserbecken auf eine Ruheliege, wo man vor der nächsten Runde für etwa zwanzig Minuten ausruht. Genau diese zwanzig Minuten finde ich olfaktorisch in Artek Standard wieder: leicht floral-süßer Teeaufguss, Holz, der metallische Akkord und daraus ableitend tatsächlich die unvergleichliche innere Ruhe, Reinheit und Balance fern jeglichen Zeitempfindens, die man auf dieser Liege erfährt. Die Wirkung von Artek Standard auf meine Stimmung ist bisweilen sogar so stark, dass der eigentliche Duft in den Hintergrund tritt.
Man könnte zu Artek Standard so viele Fragen stellen. Ist dieser Duft eher feminin oder maskulin? Zu welchem Anlass und welcher Jahreszeit passt er? Ist das ein Duft für zwanzigjährige Kreuzberger Freaks oder für vergeistigte alte Säcke? Ist er Kunst oder tragbar? Mir gefällt, dass dieser Duft sich solchen und ähnlichen Fragen verweigert. Und mir gefällt vor allem, dass er dabei nicht arrogant wirkt, sondern überaus freundlich.
Toller Duft, one of a kind.
17 Antworten