Cafenoir
Top Rezension
23
La Tigresse Domestiquée
Warum gibt es noch keinen Kommentar zu diesem Duft, obwohl er bereits seit 3 Jahren auf dem Markt und hier gelistet ist und die an Ambernoten Interessierten hier ja nicht gerade rar gesät sind? Liegt es daran, dass er einer von vielen Amberdüften ist und sich eine Sättigung breit gemacht hat? Weil es einige, zu viele, Düfte ähnlicher Art gibt? Oder weil er zu simpel ist, zu wenig hergibt für einen Kommentar? Vielleicht ist es einer der genannten Gründe, vielleicht gefällt er einfach nicht, vielleicht ist es auch unsinnig danach zu fragen. Dann möchte ich es mal versuchen, denn ich habe bereits die zweite Abfüllung von dem Duft fast verbraucht, und ein Flakon ist auf dem Weg zu mir, da sollte ein Kommentar doch drin sein.
Ambre Tigré ist tatsächlich kein “Aufsehen-Erreger” auf dem Duftmarkt. Er erinnert teilweise an Vettern und Cousinen aus der gleichen Familie, mich persönlich aus der Dufterinnerung heraus vielleicht am meisten an "Les Classiques de L'Occitane - Ambre", welchem gegenüber ich den Givenchy jedoch tiefer, gehaltvoller empfinde.
Der Duft startet mit einer kräftigen und eher herben Ambernote, wird aber schon nach wenigen Minuten lieblicher. Dass hier auf Parfumo keine Duftpyramide angegeben ist, sondern die Hauptnoten nebeneinander aufgereiht sind, finde ich ausgesprochen passend. Es ist kein großartiger Verlauf oder eine spannende Entwicklung zu erwarten. Allerdings nehme ich neben den genannten Noten (Amber, Labdanum und Vanille) zusätzlich etwas fast Blumiges sowie sanft Holziges wahr. Weiterhin macht eine karamellige Süße diesen Amber schließlich für mich zu einem doch eher femininen Duft, daher auch die “Tigresse” im Titel des Kommentars.
Givenchy hat die Tigerin, hat Amber und Labdanum hier domestiziert, hat sie durch die Beigabe von Vanille, und sicher noch ein paar weiterer Zutaten, gefügig gemacht. Das Animalische, welches Labdanum manchmal zu eigen ist, nehme ich hier jedenfalls nicht wahr. Zugegebenermaßen bewegt sich diese Katze nicht mehr wild und ungebändigt und nur noch gerade so eben in der Nische …. ;).
Bei aller kritischer Betrachtung:
Ich finde diesen Duft wunderschön und im positiven Sinne geschmeidig. Er mag simpel sein und ohne Ecken und Kanten, driftet aber für mich nicht ins allzu Seichte ab. Er ist warm und wärmend, dabei aber nicht übermäßig kuschelig. Es handelt sich also um kein Kuschelkätzchen! Vielmehr haben wir es mit einer erwachsenen Tigerin zu tun, die kultiviert und elegant ist und Manieren hat und eine leidenschaftliche Seele. Deren wohliges Schnurren begleitet ist von laszivem Blick aus geheimnisvollen Augen. Diese goldene Amberkatze hat sich mit ihrem samtenen Pfoten nach und nach in mein Herz geschlichen. Weshalb ich ihr auch jetzt diesen Kommentar widme.
Ambre Tigré hat nach kurz heftigem Auftakt eine verhaltene Sillage. Bei sorgfältiger Dosierung (2 bis maximal 3 Sprüher) nimmt das Umfeld den Duft wahr, wenn man sich näher kommt, sich z. B. zur Begrüßung umarmt, und ich rieche ihn selbst. Er bildet keine Duftwolke, was man so oder so werten kann, ich persönlich finde das sehr angenehm. Es handelt sich um keinen schwergewichtigen, erdrückenden Amber, er ist gut tagsüber tragbar. Nachdem der Duft eine schöne Verbindung mit meiner Haut, meine Haaren und meiner Kleidung eingegangen ist, hält er sich dort zwischen 6 (Haut) und 12 und mehr (Kleidung) Stunden.
So wie es aussieht, habe ich meinen alltagstauglichen Amber Duft gefunden :-).