08.05.2024 - 11:58 Uhr

Marieposa
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Marieposa
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Als der Morgen über die Dächer blinzelte
Immer umgab dich diese innere Ruhe, dank der ich plötzlich leicht sein konnte. Der Schreck in deinen faszinierten Augen ließ sich zwar nicht leugnen, als ich dich in Gespräche über den Existentialismus depressiver Kastenbrote mit zu kurzen Armen verwickelte, obwohl du lieber über Heidegger diskutieren wolltest. Doch ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass mich all die Theorie nicht interessiert. Geglaubt hast du mir kein Wort, hast den Tiefsinn im Unsinn anerkannt, obwohl mein Kopf ganz anders tickt als deiner, und kurz mit der Realität gehadert, als ich Bergamotten und Trockenfrüchte aus dem Fenster warf, um die Stimmen der Nacht zum Schweigen zu bringen.
Dieser ungläubige Blick, als wär ich Sommerwind.
Polly und Nick, Ingeborg und Paul – du hast das verstanden. Und trotzdem warst du mir nie näher als deine warme Lederjacke auf meinen zitternden Schultern, als der Morgen schon über die Dächer blinzelte. Versinken wollte ich in deinem Duft und sah dein tapferes Frösteln auf dem Weg hinab zur Stadt über die kühle Erde der gepflügten Felder. Ob du den Selbstgebrannten, den ich mit etwas zu schwungvoller Hand über deine Kleider gekleckert habe, schon vergessen hattest, weiß ich nicht.
Heute werfe ich getrocknete Strohblumen in den Fluss und denk an dich, obwohl du so was Profanes niemals lesen wirst. Und wenn doch, dann hoffe ich, du findest dich. Und mich.
**
Dafür liebe ich Düfte so sehr: Plötzlich stehen Menschen im Raum, die im Erinnerungsregal ein bisschen zu weit nach hinten gerückt sind. Ich weiß nicht genau, wie lang das Pröbchen von 1740 hier schon herumliegt und - beschnuppert und für gut befunden - auf einen ausführlichen Test wartet, aber als ich den Duft heute aufsprühte, dauerte es nicht lang, bis sich das Erinnerungskarussell zu drehen begann.
Die Davana ist hier von der trockenfruchtigen Sorte und wird von hellen Bergamottenlichtern aufgehellt, während sich immer deutlicher ein Lederakkord mit Birkenteer, Labdanum und meiner Meinung nach Castoreum (nicht gelistet) herausarbeitet. Dieser ist genauso dunkel und warm wie die Davana und tariert deren Süße aus, obwohl der Duft über den gesamten Verlauf hinweg auf meiner Haut immer auf der Kippe steht, doch ein wenig zu lieblich zu werden, was dann jedoch nicht passiert. Auch die häufig etwas unberechenbare Immortelle zeigt sich von ihrer karamelligen Seite – keinerlei Curry weit und breit –, verbindet sich aufs Zärtlichste mit dem warmen Leder, erfährt eine Erdung durch kühles Patchouli, während Kardamom und Ambra am Rande der Wahrnehmungsgrenze schweben und all diesen schweren Noten Leichtigkeit verleihen.
Ein einlullender Duft für sepiafarbene Regentage – und schöne Erinnerungen.
Was ausgerechnet der von Histoires de Parfums angedachte Marquis de Sade in diesem wohlig warmen Kuschelledertraum verloren hat, ist mir ein großes Rätsel (und warum das ein Herrenduft sein soll, übrigens auch). Aber gut, dass Assoziationsketten vielgliedrig sind – und ich mir meine nicht mit zu viel Vorabrecherche verdorben habe.
Dieser ungläubige Blick, als wär ich Sommerwind.
Polly und Nick, Ingeborg und Paul – du hast das verstanden. Und trotzdem warst du mir nie näher als deine warme Lederjacke auf meinen zitternden Schultern, als der Morgen schon über die Dächer blinzelte. Versinken wollte ich in deinem Duft und sah dein tapferes Frösteln auf dem Weg hinab zur Stadt über die kühle Erde der gepflügten Felder. Ob du den Selbstgebrannten, den ich mit etwas zu schwungvoller Hand über deine Kleider gekleckert habe, schon vergessen hattest, weiß ich nicht.
Heute werfe ich getrocknete Strohblumen in den Fluss und denk an dich, obwohl du so was Profanes niemals lesen wirst. Und wenn doch, dann hoffe ich, du findest dich. Und mich.
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Dafür liebe ich Düfte so sehr: Plötzlich stehen Menschen im Raum, die im Erinnerungsregal ein bisschen zu weit nach hinten gerückt sind. Ich weiß nicht genau, wie lang das Pröbchen von 1740 hier schon herumliegt und - beschnuppert und für gut befunden - auf einen ausführlichen Test wartet, aber als ich den Duft heute aufsprühte, dauerte es nicht lang, bis sich das Erinnerungskarussell zu drehen begann.
Die Davana ist hier von der trockenfruchtigen Sorte und wird von hellen Bergamottenlichtern aufgehellt, während sich immer deutlicher ein Lederakkord mit Birkenteer, Labdanum und meiner Meinung nach Castoreum (nicht gelistet) herausarbeitet. Dieser ist genauso dunkel und warm wie die Davana und tariert deren Süße aus, obwohl der Duft über den gesamten Verlauf hinweg auf meiner Haut immer auf der Kippe steht, doch ein wenig zu lieblich zu werden, was dann jedoch nicht passiert. Auch die häufig etwas unberechenbare Immortelle zeigt sich von ihrer karamelligen Seite – keinerlei Curry weit und breit –, verbindet sich aufs Zärtlichste mit dem warmen Leder, erfährt eine Erdung durch kühles Patchouli, während Kardamom und Ambra am Rande der Wahrnehmungsgrenze schweben und all diesen schweren Noten Leichtigkeit verleihen.
Ein einlullender Duft für sepiafarbene Regentage – und schöne Erinnerungen.
Was ausgerechnet der von Histoires de Parfums angedachte Marquis de Sade in diesem wohlig warmen Kuschelledertraum verloren hat, ist mir ein großes Rätsel (und warum das ein Herrenduft sein soll, übrigens auch). Aber gut, dass Assoziationsketten vielgliedrig sind – und ich mir meine nicht mit zu viel Vorabrecherche verdorben habe.
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