"You are leaving the Japanese sector" - was macht eigentlich einen guten Kommentar aus? Eine persönliche Story mit anrührendem, aufwühlenden Plot, viel Emotionen, Spannung? Oder Expertenwissen? Hier riecht es nach Isoproprional, Hedenoin, Iso-Super 21 schlag mich tot etc. etc. ? Die Einordnung (in den Markt, geschichtlich, historisch, global, japanisch, französisch, Mann, Frau, no gender, unisex, tagsüber, nachts)?
Kommt es eventuell darauf an, wer schreibt/spricht? (Eine/r mit vielen "Followern", ein "Influencer"?).
Ich weiß es nicht!
Ich weiß nur, daß mir zu diesem neuen Duft nicht viel einfällt, das Pröbchen aber hier vor mir auf dem Schreibtisch liegt und mir leise, aber sehr eindringlich zuflüstert: "Nun schreib' endlich etwas über mich".
"Was denn? Daß Du durchschnittlich bist?"
"Nein!"
"Bist du aber!"
"Warum?"
"Weil Du stark nach Birne riechst , zumindest zu Beginn..."
"Na und?"
"Das ist nicht originell".
"Muß es denn immer originell sein?"
"Nein."
"Was willst Du also?"
"Äh, vielleicht etwas mehr Mut?"
"Warum? Birne verkauft sich prima".
"Geht es also nur um Euren Gewinn?"
"Quatsch. Wir machen Düfte für Leute, die etwas Leichtes, Frisches, Japanisch-Anmutendes wollen."
"So leicht bist Du gar nicht!"
"Weißt Du was, Gold, oder wie Du heißt, Du nervst. Lass mich 'mal ran. Ich schreib' jetzt einfach selbst etwas über mich! Sonst wird das ja nie etwas!
Also:
Stell Dir einen japanischen Garten vor. Nicht mit Kirschblüten. Denk eher an einen kleinen Fluß, an dessen Ufer Du sitzt, über DIr die Zweige eines Birnbaums, die Sonne scheint leicht durch das grüne Dach des Baumes hindurch, eine reife Birne hängt fast vor Deiner Nase... Du atmest sie ein, ihren Duft, ihre Süße, aber gleichzeitig spürst Du die Frische des Wassers, in dem Du Deine Füße badest...wenn Du Dich umschaust, siehst Du hinter Dir ein Beet mit Rosen, diese sind rosafarben und verströmen einen feinen Duft, der sich auf angenehme Weise mit der Birne und dem frischen Aspekt des klaren Wassers mischt... - bist Du angekommen? Ja? Schön!
Wie Du Dir vorstellen kannst, ist dieser Moment flüchtig, Du hast leider wenig Zeit, Du kannst nicht ewig in diesem Garten sitzenbleiben, also stehst Du auf und gehst weiter, gehst zurück an deinen Arbeitsplatz, aber der Chemiker, der von Beruf auch Parfümeur ist... die Grenzen sind hier fließend, ohne Chemiestudium wird das nix mit der Karriere in der Industrie...
also der Parfümeur oder natürlich ggf. die Parfümeurin verlängert Deinen Dufteindruck, indem er/sie künstlichen Honig und eine synthetische Holzbasis (Cashmeran) einsetzt, um auf Deiner Haut und vor allem Deiner Kleidung auch nach acht Stunden noch eine Erinnerung an diesen friedlichen Augenblick im japanischen Garten wachwerden zu lassen."
"Okay."
"Nur okay? Alter, die Leute lieben sowas!
Dazu mein Flakon, traumhaft meine Liebe, traumhaft! Wir bleiben bei der bekannten Grundform, modifizieren diese jedoch leicht und zeigen durch die altrosa Farbe, daß es sich um einen Nektar handelt, also um eine höhere Konzentration an Duftmolekülen. Es wird an Vertrautes angeknüft, um eine neue Variante zu vermarkten."
"Geschickt von Euch".
"Ja, richtig. Wir sind natürlich Top-Marketingexperten. Wir verkaufen Träume von Frische, Reinheit, Natur, Unberührtheit. Wir beziehen uns auf das Markenimage, das vor allem von der Idee des Purismus' und der japanischen Reduziertheit und natürlich auch der Idee des Zen und der Meditation lebt!"
"Aber in Wirklichkeit ist der ganze Duft doch total synthetisch!"
"So what? Hast Du schon'mal reine Naturdüfte aus dem Bioladen probiert? Die sind doch fast alle grauenvoll! Und ihnen haftet dieses Image von Birckenstock und Müslimischung an. Verkaufen sich nur in einschlägigen Kreisen. Wir dagegen... - ein international player, meine Liebe... keine kleine Manufaktur, bitteschön."
"Stimmt, Ihr seid ein großer Konzern. Werden Eure Parfums in Japan hergestellt?"
"Du fragst zuviel!"
"Ich meine wegen der radioaktiven Belastung und so... Fukushima et."
"Wer denkt denn an solche Sachen? Das hat ja 'mal gar nix mit unserem Thema hier zu tun. Ich sehe schon, Du willst mich einfach nicht geil finden... , Du bist ein Spielverderber!"
"Ich versuche lediglich, alle Seiten zu beleuchten...".
"Blödsinn, doch nicht bei einem Luxuskonsumgut! Niemanden interessiert, wie und wo ich hergestellt werde!
Was zählt, ist mein Flakon, danach kommt mein Image, dann mein Duft, der in einigen Labortests von den Proband*innen als angenehm empfunden wurde."
"L'Eau d'Issey PURE" quatscht weiter und weiter, hört nicht auf, zu reden.
Ich bin durcheinander. Was mache ich mit ihm? Behalten? Verschenken? Er labert weiter....
Okay, er hat es nicht anders gewollt: schnell leersprühen,
leersprühen - und das Pröbchen flink entsorgen.
Trying to leave the sector... (aber der nächste Flanker lauert gewiß schon beim nächsten Besuch in einer Parfümerie auf mich).