24.08.2016 - 14:45 Uhr
Meggi
1019 Rezensionen
Meggi
Sehr hilfreiche Rezension
39
Bei Montale im Labor
* plink, plink, plink *
Dr. Claude Talmond hatte den Erlenmeyer-Kolben dicht vor die Augen gehoben und schnippte mit dem Fingernagel mehrmals dagegen. „Oui, die Farbe und die Konsistenz sind schon ganz gut.“ Er hielt sich das Gefäß unter die Nase. „Oh nein, wohl noch nicht sauer genug.“ Mit geübter Hand schälte er einen Streifen Lackmus-Papier von einer Rolle und schob ihn in die Flüssigkeit. Nur Sekunden später meinte er kopfschüttelnd: „Ein pH-Wert von kaum 3,5 – zu viel, das wird Pierre nicht genügen. Da müssen Sie nochmal ran. Fünf Minuten Pause, dann versuchen wir es weiter.“
„Können wir die Lederstreifen nicht ein bisschen kürzer schneiden? Die hängen echt fies lange hinten rein, das ist sehr unangenehm. Und können wir nicht neues Oud nehmen? Ich finde das inzwischen reichlich eklig.“
„Hm, ich fürchte, viel können wir an den Lederstreifen nicht ändern. Zu schnell darf es mit denen nicht gehen, sonst fehlt es an Säure und Aroma. Mit dem Oud geht überhaupt nichts, das ist doch genau der Witz, dieser allmähliche, stufenweise Reifungsprozess mithilfe von Säure. Seien Sie froh, dass wir die Gewürze weggelassen haben. Stellen Sie sich das mit rosa Pfeffer oder Muskat vor, wie bei Epic Man!“
„Lieber nicht, mir reicht es auch so.“
„Nun machen Sie bloß nicht schlapp! Sie waren einverstanden! Der Text in der Anzeige lautete: ‚Montale sucht für eine aushilfsweise Teilzeit-Tätigkeit eine/n Parfümbegeisterte/n, die/der Lust hat, sich im Zusammenhang mit einer aktuellen Duft-Kreation rund um Leder und Aaaa-Oud alles Mögliche durch den Kopf gehen zu lassen‘. Immerhin schreiben wir Parfüm-Geschichte: Sie verleihen dem Begriff ‚Kopfnote‘ eine völlig neue Bedeutung!“
„Von wegen Teilzeit, wir sitzen schon ziemlich lange hier….“
„Wieso? Sie haben doch gerade Pause. Und wir wären längst fertig, wenn Sie mal mehr Säure rausquetschen würden. Außerdem müssen Sie erst das Leder und das Oud hochwürgen und danach das Rosen-Konzentrat.“
„Das ist leicht gesagt, ich versuch’s ja!“
„Nicht versuchen. Machen! Sehen Sie, derbe Lederdüfte gibt es viele - denken Sie sich etwa bei Epic Man die Gewürze weg. Wir brauchen den besonderen Dreh und den gibt uns eine knappe Stunde Kotze, von kräftigem Leder, Kuhstall-Oud und Rosen-Konzentrat. Damit ist die Sache beim Kunden… nun … äh, der Begriff ‚gegessen‘ passt jetzt vielleicht nicht recht; sagen wir besser: ‚erledigt‘. Der typische Montale-Kunde erwartet halt, dass ihm zum Auftakt alles wegfliegt. Im Anschluss können wir auf eine sich sukzessive beruhigende Leder- und Kuhstall-Oud-Note einschwenken, wie es sie anderswo auch gibt und Sie haben Ruhe. Am Nachmittag drehen wir das Ding gemächlich in Richtung würzigen Tabaks und Halspastillen-Leder, womöglich mit einer Winzigkeit Moschus und Schmuddel in der Basis. Ganz einfach.“
„Klar, alles ganz einfach. Für Sie jedenfalls. Von Rose war in der Anzeige übrigens nicht die Rede.“
„Tja, das wundert mich ebenfalls, dass ich die plötzlich bei den Ausgangs-Materialien gefunden habe. Von der stand nichts in der ursprünglichen Versuchs-Anordnung. Aber Pierres Notiz ist eindeutig: Rosen-Konzentrat-Sirup 'Extra Dry', mehrfach gewürgt. Muss eine spontane Idee von ihm gewesen sein, eine Leder-Ähnlich-Note der Art ‚dicke Rose‘ statt ‚dicke Hose‘. Bei sowas muss man Flexibilität zeigen, junger Mann, derlei kommt Ihnen später im Berufsleben zugute, glauben Sie mir.“
„Na schön…“
„Und versuchen Sie bitte endlich, die Sachen auf den Laut „Aaaaooouuud“ wieder hochzuholen. Wir sind hier bei Montale und da passt Ihr „Hualp“ oder „Ööeerrrg“ nicht zur corporate identity. Los jetzt!“
Dr. Claude Talmond hatte den Erlenmeyer-Kolben dicht vor die Augen gehoben und schnippte mit dem Fingernagel mehrmals dagegen. „Oui, die Farbe und die Konsistenz sind schon ganz gut.“ Er hielt sich das Gefäß unter die Nase. „Oh nein, wohl noch nicht sauer genug.“ Mit geübter Hand schälte er einen Streifen Lackmus-Papier von einer Rolle und schob ihn in die Flüssigkeit. Nur Sekunden später meinte er kopfschüttelnd: „Ein pH-Wert von kaum 3,5 – zu viel, das wird Pierre nicht genügen. Da müssen Sie nochmal ran. Fünf Minuten Pause, dann versuchen wir es weiter.“
„Können wir die Lederstreifen nicht ein bisschen kürzer schneiden? Die hängen echt fies lange hinten rein, das ist sehr unangenehm. Und können wir nicht neues Oud nehmen? Ich finde das inzwischen reichlich eklig.“
„Hm, ich fürchte, viel können wir an den Lederstreifen nicht ändern. Zu schnell darf es mit denen nicht gehen, sonst fehlt es an Säure und Aroma. Mit dem Oud geht überhaupt nichts, das ist doch genau der Witz, dieser allmähliche, stufenweise Reifungsprozess mithilfe von Säure. Seien Sie froh, dass wir die Gewürze weggelassen haben. Stellen Sie sich das mit rosa Pfeffer oder Muskat vor, wie bei Epic Man!“
„Lieber nicht, mir reicht es auch so.“
„Nun machen Sie bloß nicht schlapp! Sie waren einverstanden! Der Text in der Anzeige lautete: ‚Montale sucht für eine aushilfsweise Teilzeit-Tätigkeit eine/n Parfümbegeisterte/n, die/der Lust hat, sich im Zusammenhang mit einer aktuellen Duft-Kreation rund um Leder und Aaaa-Oud alles Mögliche durch den Kopf gehen zu lassen‘. Immerhin schreiben wir Parfüm-Geschichte: Sie verleihen dem Begriff ‚Kopfnote‘ eine völlig neue Bedeutung!“
„Von wegen Teilzeit, wir sitzen schon ziemlich lange hier….“
„Wieso? Sie haben doch gerade Pause. Und wir wären längst fertig, wenn Sie mal mehr Säure rausquetschen würden. Außerdem müssen Sie erst das Leder und das Oud hochwürgen und danach das Rosen-Konzentrat.“
„Das ist leicht gesagt, ich versuch’s ja!“
„Nicht versuchen. Machen! Sehen Sie, derbe Lederdüfte gibt es viele - denken Sie sich etwa bei Epic Man die Gewürze weg. Wir brauchen den besonderen Dreh und den gibt uns eine knappe Stunde Kotze, von kräftigem Leder, Kuhstall-Oud und Rosen-Konzentrat. Damit ist die Sache beim Kunden… nun … äh, der Begriff ‚gegessen‘ passt jetzt vielleicht nicht recht; sagen wir besser: ‚erledigt‘. Der typische Montale-Kunde erwartet halt, dass ihm zum Auftakt alles wegfliegt. Im Anschluss können wir auf eine sich sukzessive beruhigende Leder- und Kuhstall-Oud-Note einschwenken, wie es sie anderswo auch gibt und Sie haben Ruhe. Am Nachmittag drehen wir das Ding gemächlich in Richtung würzigen Tabaks und Halspastillen-Leder, womöglich mit einer Winzigkeit Moschus und Schmuddel in der Basis. Ganz einfach.“
„Klar, alles ganz einfach. Für Sie jedenfalls. Von Rose war in der Anzeige übrigens nicht die Rede.“
„Tja, das wundert mich ebenfalls, dass ich die plötzlich bei den Ausgangs-Materialien gefunden habe. Von der stand nichts in der ursprünglichen Versuchs-Anordnung. Aber Pierres Notiz ist eindeutig: Rosen-Konzentrat-Sirup 'Extra Dry', mehrfach gewürgt. Muss eine spontane Idee von ihm gewesen sein, eine Leder-Ähnlich-Note der Art ‚dicke Rose‘ statt ‚dicke Hose‘. Bei sowas muss man Flexibilität zeigen, junger Mann, derlei kommt Ihnen später im Berufsleben zugute, glauben Sie mir.“
„Na schön…“
„Und versuchen Sie bitte endlich, die Sachen auf den Laut „Aaaaooouuud“ wieder hochzuholen. Wir sind hier bei Montale und da passt Ihr „Hualp“ oder „Ööeerrrg“ nicht zur corporate identity. Los jetzt!“
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