Meggi
Top Rezension
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80er-Halspastille mit breiter Basis
Fetish pour Homme - einerseits fraglos ein verlässlicher Begleiter. Andererseits zeigt er durchaus Wendungen und Überraschungen, wenngleich er sich dabei innerhalb eines überschaubaren Rahmens bewegt.
Ein Wölkchen säuerlich-rauen, lagerfeuer-rauchigen Leders eröffnet. Aha, es klingelt sofort die Basis durch. Tatsächlich: Elemi, Leder, rosa Pfeffer. Schaumig-kratzige Noten von Eichenmoos und Patchouli lassen die geschmackvoll-dezent adstringierende Zitrusfrucht (der Hersteller hebt Limette ausdrücklich heraus) allenfalls gewähren.
Meine erste Überraschung: Am dritten Test-Tag hält sich die Rauchigkeit des Auftakts relativ lange. Nahe der Räucherkate, freilich haarscharf am Schinken vorbei.
Weiter im Text. Eine Idee minzhafter Frische, sehr edel und elegant. Nach fünf Minuten vor allem Gewürz. Schwarzer Pfeffer, aromatisch und voluminös, fast rauchig. Zimt geht in Ordnung, gemäßigt, von sanfter, unterstützender Süße. Denkbar scheint mir ein Beitrag von Koriander-Säuerlichkeit (pointierter in der gemahlenen Variante), der die Zitrusnoten in den Verlauf überleitet. Kardamom passt nach einer halben Stunde gut und bleibt wichtiger Akteur.
Und unvermittelt falle ich (zweite Überraschung) zurück in die 80er. Zwar habe ich es damals versäumt, nennenswerte Duft-Erfahrungen zu sammeln, getestet habe ich von den einschlägigen Brummern in den letzten Jahren allerdings manche. Der nunmehr herbe, viel-notige, wuchtig-würz-kraut-angegrünte Auftritt erinnert mich im Stil verblüffend daran. Nur, dass das hier bei weitem nicht derart draufgehauen rüberkommt, wie es die alten Recken oft anbieten, mit denen ich zuverlässig gewisse Schwierigkeiten habe. Bei Fetish pour Homme hingegen zeigen sich mir trotz der Fülle der Aromen in geradezu gläserner Transparenz deutlich diverse einzelne Bestandteile. Und dennoch zerfasert der Duft nicht. Das hat Art und ich fühle mich äußerst edel, gleichwohl charaktervoll beduftet. Zudem strahlt Fetish eine unaufdringliche Maskulinität aus, die selbst für einen dünnen, bebrillten Betriebswirt wie mich angemessen ist.
Schon während der ersten Stunde wird offenriechlich, was die rein quantitative pyramidale Verteilung der Angaben bereits andeutet: Dieser Duft ist im Kern eine einzige Basisnote. Die angebliche Herznote spielt bei mir kaum eine Rolle. Höchstens ein ledriges Veilchen würde ich hervorheben wollen. Das Votum meiner Lieblingskollegin nach einer Stunde fiel klar und knapp aus: Leder. In der Projektion also offenbar früh vorherrschend. Ich persönlich schiebe noch ein leichtes Eugenol-Intermezzo nach zwei Stunden ein, an dem Gewürz-Nelke beteiligt sein mag. Zimt allein scheint mir nicht hinreichend.
Zum Mittag hin kriegt der stechende Eindruck indes wieder die Kurve. Süßliches Halspastillen-Leder übernimmt die Regentschaft, untermalt nicht nur von schaumigem Eichenmoos, vielmehr bildet eine ganze Schar an Untertanen einen Teppich von Grund-Wärme. Eine Spur behutsamer, ambratisch-cremiger Süße. Einige Akzente aus der süßlich-harzigen Ecke - Benzoe, aber primär minimal dreckiges Labdanum; ich denke gar über Opoponax nach. Als Ausgleicher schwingt nebenher irgendein Holz mit, außerdem verspüre ich zeitweise Anklänge an die säuerliche Leder-Richtung, wie sie etwa Düfte à la Epic Man vertreten.
Die neue Devise lautet zweifellos ‚Volumen‘. Die gläserne Transparenz ist Geschichte, nun ist Cremig-Verbundenes angesagt. Den Duft-Charakter wandelt das gründlich.
Und daneben wabert stets jener für mich letztlich undefinierbar 80er-mäßige Dreh. Das ist vielleicht das Besondere an Fetish pour Homme - die Kombination der 80er-Anmutung mit einer vornehmlich süß-cremigen Ledernote. In meinen paar hundert getesteten Düften hatte ich derlei bislang jedenfalls nicht. Später am Nachmittag würde ich ihm sogar noch einen Hauch von Barbershop-Attitüde attestieren. Ein klassischer Sauber-Eindruck, ein Anflug von Rasierwasser. Originell. Doch vornean steht durchweg unsere süßlich-cremige Halspastillen-Ledernote, die das Süßholzhafte beinahe streift.
Mit Fetish pour Homme macht keiner je irgendwas falsch und er gefällt mir sehr gut. Ist er dafür zu teuer? Jegliche Antwort bleibt notwendigerweise subjektiv. Recht hat natürlich jeder. Ich drücke mich einfach um eine öffentliche Parteinahme und beschränke mich auf zwei eher allgemeine Feststellungen:
1. Leute, die auf Exklusivität und Qualität bedacht sind, sich aber nicht tiefer mit dieser, unserer Materie befassen wollen oder können, mögen versucht sein, ihr Bedürfnis nach Hochwertigem über den Preis zu erschlagen, in der Hoffnung, er sei ein Garant für das Gewünschte. Einer solchen Erwartung wird Fetish pour Homme ohne Vorbehalte gerecht.
2. Fetish pour Homme zeigt über den gesamten Verlauf hinweg keinerlei „Aroma-Ermüdungserscheinungen“, die beim vorliegenden Preisniveau – darüber wenigstens sollte Einigkeit bestehen - unangebracht wären.
Ich bedanke mich bei 0815abc für die Probe.
PS: Ja, ich habe tatsächlich das EdP getestet.