Chizza
Gedankenspiele
Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 3 Jahren - 24.01.2021
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Birkenteer, Rauch & Konsorten II

Nachdem ich bereits zu Leder Teil II folgen ließ, möchte ich dies nun auch bei Düften mit dem Schwerpunkt Teer, Rauch und dergleichen tun. Hierbei möchte ich zwei weitere Spielarten einführen, welche ich zuletzt vermehrt wahrnahm und durch die diametralen Inhaltsstoffe Spannung verheissen. Ansonsten möchte ich auf Düfte hinweisen, welche mich zuletzt begeistert haben, es geht vielseitig zu. Jedenfalls vielseitig im Sinne von in verschiedenen Formen rauchig. Zum Thema Wald ist das auch angedacht, es folgt wohl aber eher noch mal etwas zu Leder, was - so kommt es mir vor - weniger Interessenten anzieht aber nun gut ;)


Kerosene war ja bereits mit Broken Theories vertreten, wird hier nun mehrfach Erwähnung finden und ich beginne mit einer für mich quasi neu entdeckten Richtung, nämlich Rauch, meist auf Harzen basierend, kombiniert mit gourmandigen Noten. Im Zeitalter von Honig-Senf-Chips und Salzkaramell ist der Weg zu rauchigen Waffeltüten aber auch nicht mehr weit. Genau das bietet Unknown Pleasures; eine Art Zitroneneis in der Waffel und das dann angezündet. Bemerkenswert und man weiß nicht, ist das jetzt gut oder nicht. Immerhin ist der Name des Parfums gut getroffen. Kerosene kann ebenfalls Blackmail aufbieten, für mich eine eher fruchtigere aber ebenso dunkle Variante von Broken Theories. Hier werden im Prinzip Rote Beeren verräuchert. Gefiel mir gut, läuft aber Gefahr, etwas süß zu werden.


Burning Ben von Strangers geht in eine ähnliche Richtung. Auf den ersten Blick haben wir hier eben einen gerösteten Kaffee, mir selbst zu süß obwohl kaum süß. Darüber legt sich allerdings ein feiner Weihrauch so dass wir letzten Endes eine gelungene Mixtur haben. Den letzten Duft dieser Spielart habe ich ehrlicherweise nur wegen seines Namens ausgewählt, ich selbst halte den Duft für einen Orangen-Weihrauch, was in der Theorie herrlich sein kann, in der Praxis hier aber mediokre ist: No. 3 - Bushman's Candle du Nababeep & Encens d'Arabie Heureuse.

Das geht besser: Broken Theories hat die Blutorange drin, habe ich letztes Mal aber bereits genannt, daher empfehle ich einen ganz anderen Duft und zwar Cilice von Euphorium Brooklyn. Zu Beginn ist der Weihrauch etwas honiglastig, dabei nicht süß, wandelt sich nach rund einer Stunde aber zu einem cremig-dichten, aber weiterhin dunkleren Weihrauch. Da mag der Birkenteer mithelfen, welcher hier eher sachte qualmt.

Apropos Birkenteer: No Perfume von The Zoo bietet monothematischen Teer einerseits, stellt diesen dafür facettenreich dar. Heißer Asphalt dank brennender Sonne; der staubige Wegesrand wird genauso evoziert wie zähflüssiger Teer und Glut. Sehr gelungen, vor allem auch ausdauernd. On The Road gefällt mir weiter besser aber in Sachen Haltbarkeit haben wir zwei ganz andere Welten vor uns.

Zwar kein Birkenteer dafür aber intensiv dunkel: Io von Chris Rusak, leider eingestellt. Für mich zeigt der verbaute afrikanische Weihrauch, wird wohl somalischer sein, hier seine volle Pracht. Dieser Weihrauch ist dunkel, ist teils intensiv-erschlagend und zum Beispiel auch in Sacreste zu finden.


Eher schwacher Birkenteer findet sich für mich in Rook (2020) von Rook Perfumes, der Ingwer verfälscht die dunklen Rauchnoten enorm. Es wird so eher würzig, sehr unrund. Wer daran dennoch Freude findet, teerig ist er eben auch.

Kommen wir zu einer rauchigen Gattung, die ich bis vor kurzem kaum leiden konnte, aber ebenfalls für mich entdeckt habe und zwar floraler Rauch. Jemand, der hier sehr begabt Kreationen erstellt, ist für mich Prin Lomros welcher beispielsweise in Mandodari und Thichila diese Elemente miteinander verwoben hat. Mandodari legt Tabakrauch über teils betörende Blumen wie die Tuberose so dass nicht bündige Tuberose maskuliner wirkt sondern das Gesamtbild auch warm, würzig und angenehm raucht. Thichila setzt da eher auf Weihrauch und beispielsweise auf Jasmin-Sambac. Summa summarum wirkt Mandodari kantiger. Richtig genial, aber nur ein Aspekt eines Duftes, ist die Wirkung von rauchig-blumig in Second Skin zu sehen, wo ein Abschnitt in diese Richtung geht.


Nun zur Fraktion „schmeiß den Grill an“: wo Charcoal leider seinem Namen nicht gerecht wird sondern eher grün bleibt (was sehr verwunderlich ist aufgrund des Zedernwacholders, das müsste eigentlich ordentlich qualmen), bietet Fireplace
schon mehr: Würziger Rauch, hier hat man außerdem die Orangen auf den Grill geschmissen, hätte also auch gut weiter oben gepasst. Insgesamt aber eher rauchig, hat was von Karamell.

Wenn wir schon von rauchigen Düften sprechen, müssen wir wohl auch das Thema Rauchen aufgreifen. In China geht es hier offenkundig eher lieblich zu, Chinese Tobacco von 19-69 ist milde und wird durch die anderen Noten dominiert. Im Rauchsalon namens Fumoir von Arte Profumi sieht das anders aus. Hier wird soviel gequalmt, dass man ohne Maske nicht um eine Vergiftung herumkommt. Verräucherte Birke, russisches Leder sprich Birkenteer, Tabak und Zigarrenqualm....nur vom Lesen brauche ich erst mal was von Nicorette. Dennoch stark konstruiert aber nur für Fortgeschrittene.

Kommen wir zu vier einzelnen Düften, die ich herausstellen möchte: Den Anfang stellt Fume von Hendley Perfumes dar. Im Prinzip wird hier Tee verräuchert, dazu etwas Harz verfeuert und fertig ist der Grün-würzige Aufguss. Erinnert mich irgendwie an Lapsang Souchong von Ravenscourt Apothecary. Naheliegend irgendwo.

Unholy Water von CinisLabs, den ich bereits mit Black Sheep einführte, hat was von rauchigem Hubba-Bubba (ich übertreibe); schrill, grell und doch rauchig. Kein Wunder, die indischen Räucherstäbchen Nag Champa tragen den Duft. Bizarr aber gelungen.

Jetzt wollte ich den Übergang zu Orca von House of Matriarch bewerkstelligen, aber da sind es dann doch keine Nag Champa sondern Choya Nakh. Dabei handelt es sich um geröstete Muscheln respektive deren Öl, hier mit rauchigen Harzen verfeinert. Für mich liegt sakraler Weihrauch in der Luft, in der Kombination schön.

Zuletzt: Wildfire wird gerne gelobt, hat für mich sakralen Weihrauch als Ingredienz aber nicht nur. Der Weihrauch changiert bis hin zu schmutzig gelblichem Rauch, wirklich gelungen und unaufgeregt. Das liegt an der Kostuswurzel, ebenfalls aus Indien stammend, ebenfalls als Räuchwerk nutzbar.

Das war Teil II, danke fürs Lesen und wie Eingangs erwähnt: weiter geht es mit Wald II oder Leder III. Es geht allerdings nur um die Reihenfolge.

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