14.10.2023 - 07:57 Uhr
Marieposa
70 Rezensionen
Marieposa
Top Rezension
37
Gaslaternennächte in Sepia
Im Licht der Gaslaterne zerfasert mein verschwommener Schatten auf dem Kopfsteinpflaster. Die Geräusche des Tages sind längst verklungen – das Rattern der Straßenbahnen, vermischt mit Hufgeklapper und dem gelegentlichen Knattern eines Motors. Den Blick in den Nachthimmel gerichtet, beobachte ich wie der Nebel zu winzigen Kristallen ausflockt. Sie legen sich auf meine Stirn wie zarter Puder. Aus meinem warmen Mantel steigt ein Hauch meines Parfums, Gartennelke, Vanille und eine Ahnung von rauen Gräsern. Die Tasche in meiner Hand ist noch ganz neu. Weiches schwarzes Leder. Passend zu den Schuhen mit dem kleinen Absatz und dem Riemchen. Lange musste ich dafür sparen. Mein Haar ist feucht vom Tanzen und Nachtluft trifft kühl auf die Laufmasche in meinen kunstseidenen Strümpfen. Im Ärmel meines Mantels ist der lange Satinhandschuh ein wenig nach unten gerutscht.
Ich warte auf den Klang deiner Schritte auf der leeren Straße, doch gedämpft von der Entfernung kann ich nur ein Echo der Musik hören, der Stimmen und des Lachens, als ich aus der Tür schlüpfte und nichts als einen rosenholzfarbenen Lippenstiftrand auf meinem Whiskeyglas hinterließ. In meinen Gedanken legst du den Arm um meine Taille wie an jenem Abend, als wir begleitet von den Lichtern der Großstadt durch den Schnee stapften und glasierte Maronen aus der hübschen Schachtel mit der samtigen Schleife naschten.
Ob du mir folgen wirst, das weiß ich nicht. Doch vielleicht ist es gar nicht entscheidend. Der Moment gehört mir. Die Nacht ist mein.
**
Tabac Blond zu tragen, fühlt sich für mich immer ein wenig so an, als würde mir mein eigenes Gesicht in Sepia aus einem alten Familienalbum entgegenblicken – umrahmt vielleicht von einer kurzen Wasserwelle, wie sie in den 1920er-Jahren modern war, und mit einem zurückhaltenden Lächeln in den stark geschminkten Augen, das den ernsten Lippen widerspricht.
Irgendetwas an diesem Duft ist mir so unglaublich nah, entspricht mir so sehr, und doch bin das nicht ich, nicht meine Zeit, eher eine Illusion von einem Gestern, das es vermutlich nie gab. Und schon entstehen Bilder in meinem Kopf von dieser Frau im Flapper Dress, die ich unter anderen Umständen, zu einer anderen Zeit hätte sein können und deren Duft mich nun immer wieder einen Tag lang begleitet.
Als Ernest Daltroff Tabac Blond 1919 in Extrait-Form für Caron komponierte, wollte das Haus „der neuen Frau“ eine Referenz erweisen, die sich durch Emanzipation und Selbstständigkeit auszeichnete. Sinnbildlich dafür stand für Caron und Tabac Blond „die rauchende Frau“. Eine Hommage also an Frauen (und deren Töchter), die währen des 1. Weltkrieges dafür gesorgt hatten, dass das gesellschaftliche und wirtschaftliche System nicht vollständig kollabierte und die nach dem Krieg eine ganze Generation von körperlich und seelisch versehrten Männern auffangen mussten. Kein Wunder also, dass diese Frauen sich ihr Recht zu Wählen erstritten, sich die Möglichkeit auf Bildung und darauf, einen Beruf auszuüben, nicht mehr nehmen lassen wollten und sich bei ihrer Freizeitgestaltung über die Grenzen gängiger Normen hinausbewegten – wozu eben auch Rauchen in der Öffentlichkeit gehörte. Dementsprechend ist es natürlich genauso lächerlich, den Typ der neuen Frau jener Zeit auf rauchende, trinkende Partygirls zu reduzieren, wie anzunehmen, Tabac Blond sei ein simpler Tabakduft.
Das Eau de Toilette ist deutlich jünger als das Extrait und leider weiß ich nicht genau, aus welchem Jahrzehnt meine Vintage-Abfüllung stammt. Es ist ein weicher, pudrig-floraler Lederduft, dessen ambriertes Grundgerüst Knize Ten Toilet Water (1925) inspiriert haben mag, wohingegen sich die samtige Iris schon 1924 in Chanels Cuir de Russie Parfum wiederfindet. Deutlich prägender für Tabac Blond ist jedoch die Kombination aus Leder und Gartennelke, die im EdT transparenter und feingliedriger ist als in den anderen Versionen und diese ganz eigene Mischung aus Vanille und rauchig-nussig schnurrendem Vetiver stärker durchscheinen lässt, die wiederum 1924 von Molinard in Habanita (1924) Eau de Toilette aufgegriffen und perfektioniert wurde. In Tabac Blond fungiert sie eher als Bindeglied, um zur Caronade überzuleiten, jener typischen dunkel-ambrierten, cremigen Basis, die ein wenig nach glasierten Maronen duftet und die alle alten Caron-Düfte miteinander verbindet.
Obwohl die EdT-Version zarter ist als ihre Schwestern, die pudrig-floralen Aspekte etwas stärker im Vordergrund stehen und Platz für zusätzliche Facetten lassen, bleibt auch hier die charakteristische Mischung aus cremigem Leder, nussig-moosiger Caronade und schwelender Dunkelheit erhalten, die Tabac Blond so einmalig macht.
Liebe Trollo, vielen Dank, dass du deine Vintage-Schätze immer so großzügig mit uns teilst, sodass ich diese Schönheit kennenlernen konnte.
Ich warte auf den Klang deiner Schritte auf der leeren Straße, doch gedämpft von der Entfernung kann ich nur ein Echo der Musik hören, der Stimmen und des Lachens, als ich aus der Tür schlüpfte und nichts als einen rosenholzfarbenen Lippenstiftrand auf meinem Whiskeyglas hinterließ. In meinen Gedanken legst du den Arm um meine Taille wie an jenem Abend, als wir begleitet von den Lichtern der Großstadt durch den Schnee stapften und glasierte Maronen aus der hübschen Schachtel mit der samtigen Schleife naschten.
Ob du mir folgen wirst, das weiß ich nicht. Doch vielleicht ist es gar nicht entscheidend. Der Moment gehört mir. Die Nacht ist mein.
**
Tabac Blond zu tragen, fühlt sich für mich immer ein wenig so an, als würde mir mein eigenes Gesicht in Sepia aus einem alten Familienalbum entgegenblicken – umrahmt vielleicht von einer kurzen Wasserwelle, wie sie in den 1920er-Jahren modern war, und mit einem zurückhaltenden Lächeln in den stark geschminkten Augen, das den ernsten Lippen widerspricht.
Irgendetwas an diesem Duft ist mir so unglaublich nah, entspricht mir so sehr, und doch bin das nicht ich, nicht meine Zeit, eher eine Illusion von einem Gestern, das es vermutlich nie gab. Und schon entstehen Bilder in meinem Kopf von dieser Frau im Flapper Dress, die ich unter anderen Umständen, zu einer anderen Zeit hätte sein können und deren Duft mich nun immer wieder einen Tag lang begleitet.
Als Ernest Daltroff Tabac Blond 1919 in Extrait-Form für Caron komponierte, wollte das Haus „der neuen Frau“ eine Referenz erweisen, die sich durch Emanzipation und Selbstständigkeit auszeichnete. Sinnbildlich dafür stand für Caron und Tabac Blond „die rauchende Frau“. Eine Hommage also an Frauen (und deren Töchter), die währen des 1. Weltkrieges dafür gesorgt hatten, dass das gesellschaftliche und wirtschaftliche System nicht vollständig kollabierte und die nach dem Krieg eine ganze Generation von körperlich und seelisch versehrten Männern auffangen mussten. Kein Wunder also, dass diese Frauen sich ihr Recht zu Wählen erstritten, sich die Möglichkeit auf Bildung und darauf, einen Beruf auszuüben, nicht mehr nehmen lassen wollten und sich bei ihrer Freizeitgestaltung über die Grenzen gängiger Normen hinausbewegten – wozu eben auch Rauchen in der Öffentlichkeit gehörte. Dementsprechend ist es natürlich genauso lächerlich, den Typ der neuen Frau jener Zeit auf rauchende, trinkende Partygirls zu reduzieren, wie anzunehmen, Tabac Blond sei ein simpler Tabakduft.
Das Eau de Toilette ist deutlich jünger als das Extrait und leider weiß ich nicht genau, aus welchem Jahrzehnt meine Vintage-Abfüllung stammt. Es ist ein weicher, pudrig-floraler Lederduft, dessen ambriertes Grundgerüst Knize Ten Toilet Water (1925) inspiriert haben mag, wohingegen sich die samtige Iris schon 1924 in Chanels Cuir de Russie Parfum wiederfindet. Deutlich prägender für Tabac Blond ist jedoch die Kombination aus Leder und Gartennelke, die im EdT transparenter und feingliedriger ist als in den anderen Versionen und diese ganz eigene Mischung aus Vanille und rauchig-nussig schnurrendem Vetiver stärker durchscheinen lässt, die wiederum 1924 von Molinard in Habanita (1924) Eau de Toilette aufgegriffen und perfektioniert wurde. In Tabac Blond fungiert sie eher als Bindeglied, um zur Caronade überzuleiten, jener typischen dunkel-ambrierten, cremigen Basis, die ein wenig nach glasierten Maronen duftet und die alle alten Caron-Düfte miteinander verbindet.
Obwohl die EdT-Version zarter ist als ihre Schwestern, die pudrig-floralen Aspekte etwas stärker im Vordergrund stehen und Platz für zusätzliche Facetten lassen, bleibt auch hier die charakteristische Mischung aus cremigem Leder, nussig-moosiger Caronade und schwelender Dunkelheit erhalten, die Tabac Blond so einmalig macht.
Liebe Trollo, vielen Dank, dass du deine Vintage-Schätze immer so großzügig mit uns teilst, sodass ich diese Schönheit kennenlernen konnte.
31 Antworten
Floyd
Trollo
