12.06.2016 - 02:01 Uhr
loewenherz
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loewenherz
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Was für ein Oma-Duft!
Vor kurzem stand ich in der Opernpause auf der Terrasse neben einer Frau. Sie mag um die sechzig gewesen sein - und sie war mit einem Mann dort in der Oper, der erkennbar nicht 'ihr Mann' war, sondern eine Verabredung, neudeutsch: 'ein Date'. Es war eine attraktive Frau (er übrigens auch: jungenhaft mit grauen Schläfen - und sicher jemand, der viel Fahrrad fährt) in einem Kleid, das ihre reife Schönheit ganz nonchalant in Szene setzte, ohne im mindesten um Jugendlichkeit oder gar Mädchenhaftigkeit bemüht zu sein.
'Seit ich Oma bin, ist irgendwie alles im Fluss.' sagte sie zwischen zwei Schlucken Wein zu ihm - und lachte und berührte seinen Unterarm dabei ganz kurz - wie zufällig - und doch war nichts Zufälliges an der Berührung, sondern geschah ganz im Bewusstsein ihrer Weiblichkeit und ihrer Reize. Sie hatte Grübchen - und ja natürlich: auch ein paar Falten! - und ihr Lachen war wie dunkles Brot, wie gute Erde - ein Lachen, das nur die Jahre schenken können - und nur derjenigen, die viel gelacht hat in ihrem Leben - und manchmal geweint.
Und ich habe mich daran erinnert, was es vor hundert - ach was: fünfzig - Jahren noch bedeutete, sechzig zu sein. Sechzig, das hieß alt zu sein - hieß Abende zu Hause in schwarzen, lavendel- oder höchstens beigefarbenen Kleidern - sechzig, das hatte nichts von Operndates und Wein und schelmischen Berührungen am Unterarm. Und hier stand diese wunderbare, bildschöne Frau im goldleuchtenden Frühherbst ihrer Jahre und flirtete mit einem Mann, der sie verehrte und ihr über ein Glas Chardonnay hinweg zuzwinkerte.
Hermès' Calèche ist - und diese Formulierung gilt trotz der eben beschriebenen Veränderungen noch immer nicht durchweg als positiv - der Duft einer (ge)reif(t)en Frau. Einer Frau, die sich dieser Reife bewusst ist - und sich in deren Selbstverständlichkeit und Schönheit räkelt wie eine Katze in der Abendsonne. Calèche hat das Formale eines Parfums der alten Schule, ist ein kraftvoller, durchaus fordernder Duft - und ist es wohl dieses Fordernde, das jemanden in den Zwanzigern vielleicht vorschnell behaupten lässt, Calèche - das sei ein 'alter' Duft. Der typische Aldehydakkord der Parfums seiner Generation erscheint wenig modern unter den Düften der Gegenwart, und der Resonanzkörper seiner Aromen - voluminös wie der Klang von Orgelpfeifen - ist eben so ganz anders als die koketten Beeren-Vanille-Wässerchen unserer Tage. Das alles weiß die Frau, die Calèche mit in die Oper nimmt - und sie wählt ihn aus, ohne danach noch viel an ihn zu denken. Viel lieber nämlich denkt sie an den Mann ihr gegenüber - den mit dem jungenhaften Lächeln und dem Chardonnay in seiner Hand.
Fazit: was für ein Oma-Duft! Für was für eine sinnliche und kluge und wundervolle Oma!
'Seit ich Oma bin, ist irgendwie alles im Fluss.' sagte sie zwischen zwei Schlucken Wein zu ihm - und lachte und berührte seinen Unterarm dabei ganz kurz - wie zufällig - und doch war nichts Zufälliges an der Berührung, sondern geschah ganz im Bewusstsein ihrer Weiblichkeit und ihrer Reize. Sie hatte Grübchen - und ja natürlich: auch ein paar Falten! - und ihr Lachen war wie dunkles Brot, wie gute Erde - ein Lachen, das nur die Jahre schenken können - und nur derjenigen, die viel gelacht hat in ihrem Leben - und manchmal geweint.
Und ich habe mich daran erinnert, was es vor hundert - ach was: fünfzig - Jahren noch bedeutete, sechzig zu sein. Sechzig, das hieß alt zu sein - hieß Abende zu Hause in schwarzen, lavendel- oder höchstens beigefarbenen Kleidern - sechzig, das hatte nichts von Operndates und Wein und schelmischen Berührungen am Unterarm. Und hier stand diese wunderbare, bildschöne Frau im goldleuchtenden Frühherbst ihrer Jahre und flirtete mit einem Mann, der sie verehrte und ihr über ein Glas Chardonnay hinweg zuzwinkerte.
Hermès' Calèche ist - und diese Formulierung gilt trotz der eben beschriebenen Veränderungen noch immer nicht durchweg als positiv - der Duft einer (ge)reif(t)en Frau. Einer Frau, die sich dieser Reife bewusst ist - und sich in deren Selbstverständlichkeit und Schönheit räkelt wie eine Katze in der Abendsonne. Calèche hat das Formale eines Parfums der alten Schule, ist ein kraftvoller, durchaus fordernder Duft - und ist es wohl dieses Fordernde, das jemanden in den Zwanzigern vielleicht vorschnell behaupten lässt, Calèche - das sei ein 'alter' Duft. Der typische Aldehydakkord der Parfums seiner Generation erscheint wenig modern unter den Düften der Gegenwart, und der Resonanzkörper seiner Aromen - voluminös wie der Klang von Orgelpfeifen - ist eben so ganz anders als die koketten Beeren-Vanille-Wässerchen unserer Tage. Das alles weiß die Frau, die Calèche mit in die Oper nimmt - und sie wählt ihn aus, ohne danach noch viel an ihn zu denken. Viel lieber nämlich denkt sie an den Mann ihr gegenüber - den mit dem jungenhaften Lächeln und dem Chardonnay in seiner Hand.
Fazit: was für ein Oma-Duft! Für was für eine sinnliche und kluge und wundervolle Oma!
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