05.01.2020 - 15:02 Uhr
DerDefcon
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26
Tropengras und das Drumherum
Geht es um frische Düfte, so distanziere ich mich nach und nach von jenen, die zu starke Duschgel-Assoziationen in mir hervorrufen. Synthetische Holzigkeit, Ambroxan und sonstige "Nettigkeiten", die so manche Duschgel-Kandidaten ausmachen, sind ab einer gewissen Dosis dann doch Grund für Missfallen und Ablehnung meinerseits. So kam es vor einigen Wochen sogar dazu - und das hätte ich zu Weihnachten 2018, als ich diesen Duft von meiner Ex-Freundin bekam, nie gedacht - dass ich mein "Bleu de Chanel (Eau de Parfum)" verkaufte, obwohl es mir gerade auf Arbeit nicht wenige Komplimente einbrachte. Doch was bringt mir positiver Zuspruch, bezogen auf das Olfaktorische, wenn ich mich über den Tag hinweg nicht zu einhundert Prozent wohl mit einem Duft fühle? Die Frage muss nicht wirklich beantwortet werden.
Nachdem Chanels Bestseller nun den Weg in neue, glückliche Hände fand, begann ich, das zuvor doch recht selten angerührte, dennoch sich in meinem Besitz befindliche "Guerlain Homme (Eau de Parfum)" zu benutzen und das vorzugsweise auf Arbeit.
Als Student arbeite ich natürlich nicht mehr Vollzeit. Das funktioniert nicht. Es sind vielleicht zehn Stunden pro Woche, welche ich in dem Unternehmen, das mich drei Jahre zuvor ausbildete, verbringe, um Matratzen, Kopfkissen, Oberbetten, Möbel, Bettwäsche, Dekoration und sonstigen Kram an den Mann bzw. an die Frau zu bringen. Kundenkontakt bedeutet, dass ich olfaktorisch ein sicheres Brett brauche, um keinesfalls anzuecken und mir das Verkaufsgespräch, in dem es gerne auch mal um vierstellige Summen geht, zu vermiesen, nur weil ich vielleicht das Bedürfnis hatte, exotisch zu duften. Solche Wagnisse kann ich mir in der Universität erlauben, aber halt nicht am Arbeitsplatz. Vielleicht wird mir der ein oder andere hier widersprechen. Ich habe da meine Meinung.
Ein solch sicheres Brett stellt "Guerlain Homme (Eau de Parfum)" zweifelsohne dar. Modern eingebetteter Vetiver ist etwas, was mir zusagt. Alleinstehenden und somit extrem dominanten Vetiver - Tom Fords "Grey Vetiver" ist hier ein gutes Beispiel - mag ich hingegen gar nicht. Der Verbund aus modernen Noten und dem von Parfümeuren so gerne verwendeten Süßgras, welches grün, dunkel, gerne auch rauchig und vor allem klassisch daherkommt, ist genau das, was ich mir unter einem schönen Alltags- und Arbeitsduft vorstelle. Bei dem von mir genannten Guerlain harmonieren Pfefferminze, Rum und florale Noten perfekt mit dem Vetiver. Bei Louis Vuittons "Orage" sorgen wiederum Bergamotte und Iris für jenes perfekte Zusammenspiel.
Nachdem ich euch nun über viele, viele Zeilen hinweg einen Teilabschnitt meines olfaktorischen Werdegangs - andere würden es als Reifung bezeichnen - schilderte, soll es nun aber auch wirklich um "Orage" gehen. Ich hoffe, ihr habt bis hierhin gelesen.
"Orage" beginnt deutlich heller als "Guerlain Homme (Eau de Parfum)". Statt dunklem Rum tritt die helle, äußerst saubere und beinahe schon stechende Iris in Erscheinung. Jedoch ist ihr Auftritt nicht ganz so offensiv wie in den Iriskrachern aus dem Hause Prada. Trotzdem überschattet ihr Dasein das dunkle Süßgras deutlich - zumindest zu Beginn. Auch die Bergamotte, etwas fruchtig-sauer daherkommend, lässt den Vetiver nicht gleich zu Beginn meine Nasenschleimhäute erobern. Erst im Laufe der Zeit weiß er sich zu behaupten und seine Mitstreiterinnen in die Schranken zu weisen. Unter "in die Schranken weisen" ist jedoch keine Dominanz zu verstehen. Viel eher existiert alles perfekt ausbalanciert nebeneinander. Der Bergamotte geht zwar von Stunde zu Stunde die Luft zunehmend aus, doch das macht nichts. Der Iris-Vetiver-Verbund genügt mir vollkommen. Dieses nicht zu dunkle, nicht zu rauchige und sehr reife Grün, das gelegentlich von der sauber-blitzenden Iris einen Wachrüttler verpasst bekommt, ist einfach herrlich belebend, ohne dabei nur "oberflächlich frisch" zu sein. Durch die äußerst angenehme Dosis an Vetiver besitzt der Duftcharakter schlussendlich besonders viel Tiefe und auch etwas Weiches, wodurch die gerne mal stark austeilende Iris ein wenig im Zaum gehalten wird und so das Gleichgewicht in der sehr reduzierten Duftpyramde bestehen bleibt. Hinzu gesellt sich irgendwann noch ein wenig Erdigkeit als das I-Tüpfelchen, welches wir dem Patchouli zu verdanken haben, der das moderne Vetiver-Iris-Konglomerat perfekt abrundet.
Von den Kleidungsstücken aus jenem, sich aktuell zunehmend dem Parfümmarkt zuwendenden Modehaus kann man halten, was man möchte. Was dessen Geldbörsen und Täschchen angeht, bin ich wohl eher weniger die Zielgruppe. Olfaktorisch sieht das aber schon wieder etwas anders aus, obwohl ich auch hier Puls, Atmung und Augenzwinker-Frequenz versuchen muss zu kontrollieren, bedenke ich, dass für 100ml überdurchschnittlich viel Geld verlangt wird. Bin ich bereit, dieses auszugeben und dann auch noch für einen frischen Duft, den man automatisch immer etwas stärker dosiert? Bin ich bereit, so viel Geld in die Hand zu nehmen, wenn ich doch schon einen tollen, modernen Vetiver-Duft aus dem Hause Guerlain besitze, der zudem ein ganzes Stück länger meiner Haut erhalten bleibt? Ich lasse diese beiden Fragen vorerst offen.
Nachdem Chanels Bestseller nun den Weg in neue, glückliche Hände fand, begann ich, das zuvor doch recht selten angerührte, dennoch sich in meinem Besitz befindliche "Guerlain Homme (Eau de Parfum)" zu benutzen und das vorzugsweise auf Arbeit.
Als Student arbeite ich natürlich nicht mehr Vollzeit. Das funktioniert nicht. Es sind vielleicht zehn Stunden pro Woche, welche ich in dem Unternehmen, das mich drei Jahre zuvor ausbildete, verbringe, um Matratzen, Kopfkissen, Oberbetten, Möbel, Bettwäsche, Dekoration und sonstigen Kram an den Mann bzw. an die Frau zu bringen. Kundenkontakt bedeutet, dass ich olfaktorisch ein sicheres Brett brauche, um keinesfalls anzuecken und mir das Verkaufsgespräch, in dem es gerne auch mal um vierstellige Summen geht, zu vermiesen, nur weil ich vielleicht das Bedürfnis hatte, exotisch zu duften. Solche Wagnisse kann ich mir in der Universität erlauben, aber halt nicht am Arbeitsplatz. Vielleicht wird mir der ein oder andere hier widersprechen. Ich habe da meine Meinung.
Ein solch sicheres Brett stellt "Guerlain Homme (Eau de Parfum)" zweifelsohne dar. Modern eingebetteter Vetiver ist etwas, was mir zusagt. Alleinstehenden und somit extrem dominanten Vetiver - Tom Fords "Grey Vetiver" ist hier ein gutes Beispiel - mag ich hingegen gar nicht. Der Verbund aus modernen Noten und dem von Parfümeuren so gerne verwendeten Süßgras, welches grün, dunkel, gerne auch rauchig und vor allem klassisch daherkommt, ist genau das, was ich mir unter einem schönen Alltags- und Arbeitsduft vorstelle. Bei dem von mir genannten Guerlain harmonieren Pfefferminze, Rum und florale Noten perfekt mit dem Vetiver. Bei Louis Vuittons "Orage" sorgen wiederum Bergamotte und Iris für jenes perfekte Zusammenspiel.
Nachdem ich euch nun über viele, viele Zeilen hinweg einen Teilabschnitt meines olfaktorischen Werdegangs - andere würden es als Reifung bezeichnen - schilderte, soll es nun aber auch wirklich um "Orage" gehen. Ich hoffe, ihr habt bis hierhin gelesen.
"Orage" beginnt deutlich heller als "Guerlain Homme (Eau de Parfum)". Statt dunklem Rum tritt die helle, äußerst saubere und beinahe schon stechende Iris in Erscheinung. Jedoch ist ihr Auftritt nicht ganz so offensiv wie in den Iriskrachern aus dem Hause Prada. Trotzdem überschattet ihr Dasein das dunkle Süßgras deutlich - zumindest zu Beginn. Auch die Bergamotte, etwas fruchtig-sauer daherkommend, lässt den Vetiver nicht gleich zu Beginn meine Nasenschleimhäute erobern. Erst im Laufe der Zeit weiß er sich zu behaupten und seine Mitstreiterinnen in die Schranken zu weisen. Unter "in die Schranken weisen" ist jedoch keine Dominanz zu verstehen. Viel eher existiert alles perfekt ausbalanciert nebeneinander. Der Bergamotte geht zwar von Stunde zu Stunde die Luft zunehmend aus, doch das macht nichts. Der Iris-Vetiver-Verbund genügt mir vollkommen. Dieses nicht zu dunkle, nicht zu rauchige und sehr reife Grün, das gelegentlich von der sauber-blitzenden Iris einen Wachrüttler verpasst bekommt, ist einfach herrlich belebend, ohne dabei nur "oberflächlich frisch" zu sein. Durch die äußerst angenehme Dosis an Vetiver besitzt der Duftcharakter schlussendlich besonders viel Tiefe und auch etwas Weiches, wodurch die gerne mal stark austeilende Iris ein wenig im Zaum gehalten wird und so das Gleichgewicht in der sehr reduzierten Duftpyramde bestehen bleibt. Hinzu gesellt sich irgendwann noch ein wenig Erdigkeit als das I-Tüpfelchen, welches wir dem Patchouli zu verdanken haben, der das moderne Vetiver-Iris-Konglomerat perfekt abrundet.
Von den Kleidungsstücken aus jenem, sich aktuell zunehmend dem Parfümmarkt zuwendenden Modehaus kann man halten, was man möchte. Was dessen Geldbörsen und Täschchen angeht, bin ich wohl eher weniger die Zielgruppe. Olfaktorisch sieht das aber schon wieder etwas anders aus, obwohl ich auch hier Puls, Atmung und Augenzwinker-Frequenz versuchen muss zu kontrollieren, bedenke ich, dass für 100ml überdurchschnittlich viel Geld verlangt wird. Bin ich bereit, dieses auszugeben und dann auch noch für einen frischen Duft, den man automatisch immer etwas stärker dosiert? Bin ich bereit, so viel Geld in die Hand zu nehmen, wenn ich doch schon einen tollen, modernen Vetiver-Duft aus dem Hause Guerlain besitze, der zudem ein ganzes Stück länger meiner Haut erhalten bleibt? Ich lasse diese beiden Fragen vorerst offen.
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