14.07.2022 - 10:52 Uhr
Axiomatic
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Axiomatic
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Spritztour im XJ12
Well, well, well, hier liegt ein Relikt der späten 1980er vor mir. Gepflegt aber keineswegs antiquiert schaffte dieser grüne Jaguar es, über Jahrzehnte zu begeistern. Die Höhen und Tiefen des Mutterkonzerns - Eigentümerwechsel rascher als das Verfliegen der Kopfnote - konnten diesem Duft zum Glück wenig anhaben. Verändert wurde er ein wenig, aber sein Kern blieb unangetastet. Und er bleibt unbestritten das Zugpferd der Duftsparte des Autobauers. Or shall I say the roaring jaguar? Andere Zeitgenossen wurden leider eingestellt, wie Nobile Eau de Toilette oder Bowling Green Eau de Toilette.
Aber schauen wir uns dieses schnurrende Raubtier mal genauer an, ein weiteres Meisterwerk von Thierry Wasser nach Dali pour Homme Eau de Toilette.
Die Kappe ist nun aus Plastik mit Metalloptik, früher war sie aus schönem Holz. Der Flakon hat wenige Anpassungen erfahren, hält sich aber immer noch wacker und signalisiert das grüne Thema. Vom Zerstäuber kann man eine dichte aber sehr kurze Sprühwolke erwarten. Alles in allem eine gelungene Formensprache englischen Purismus’ der Zwischenkriegszeit, wie sie in den 1980er wieder Anklang fand. Ja, die gute alte Thatcher-Zeit, doch dazu später mehr.
Eröffnen möchte dieser Jaguar mit einer mandarinenbetonten Kopfnote, welche aber nicht typisch kontinental zitrisch frisch in die Nase steigt, sondern eher an Olde English Marmelade erinnert. Und ja, hier wird alt tatsächlich mit e am Ende geschrieben.
Der Basilikum lädt sogleich zu einem tiefgrünen Erlebnis ein. Getragen von einer leicht floralen Note der Gardenie und einem kräftigen, aber kurzlebigen Thymian stellt sich dieser Gentleman vor und grinst verschmitzt, aber nicht hämisch. Er mag scheinbar herbe Mandarinen, denn sie werden fast den gesamten Duftverlauf begleiten. Es herrscht also eine verhalten humorvolle Atmosphäre, wie an diesen seltenen warmen und sonnigen Tagen im Süden Englands.
Das Firmenlogo, welches gerne hochpoliert aus Metall auf der Motorhaube den Weg zeigt, wurde hier in Form des Lavendels mit Rosengeranie umgesetzt. Das violett-grüne Kraut stimmt eine metallische, höhere Oktave an.
Die Gartennelke liefert einen leicht erdigen, trockenen, matten Einschlag.
Unser Gentleman genießt also die Fahrt in seiner dunkelgrünen XJ12 Limousine, hört sich von Fairground Attraction „Perfect“ an auf der Fahrt vom vornehmen Hampstead zum Landsitz nach Nottinghamshire und ist froh, den Autobahnring M25 um London hinter sich zu lassen.
„It's got to be perfect
It's got to be worth it, yeah
Too many people take second best
But I won't take anything less
It's got to be, yeah
Perfect“
Die erwähnte bitter-süße Blues-Ballade mit älteren Klängen könnte nicht besser zum Jahr 1988 passen. Im Vereinigten Königreich haben etliche Jahre Thatcherismus ihre Spuren hinterlassen. Konservativ und postmodern besinnt man sich auf vermeintlich glorreiche Zeiten vergangener Jahrzehnte in Musik, Kunst und Mode. Ein betörender Nebel im Sinne von House & Garden und Laura Ashley hat sich über die kaufkräftige höhere Mittelschicht gelegt.
Das Tempo vom elegant sportlichen Viertürer wird etwas erhöht, ohne zu schnell zu werden. Die Herznote ist bereits an einem vereinbarten, diskreten Treffpunkt eingestiegen und macht es sich im Fond bequem.
Sandelholz und Eichenmoos - hier nicht gelistet - spiegeln die gediegene Ausführung für die Autoinsassen wieder. Alles riecht so herrlich fabrikneu hier.
Die Muskatnuss verbindet sich perfekt mit der Mandarine und gibt dem Duft diesen unverwechselbaren Akkord.
Und nun führt die Fahrt durch einen Wald mit vielen Tannen.
Da ist er, ein Fougère durch und durch, sehr balsamisch mit den anderen Herznoten perfekt abgerundet, sauber und gepflegt, wie frisch rasiert.
Englisches Understatement im tiefsten Sherwood Forest.
Erst im letzten Drittel der Fahrt läßt die Raubkatze das ambrierte Leder an Patchouli spüren, Moschus und Tabak in einer leicht rauchigen Umsetzung zeugen von menschlichem Verlangen. Doch auch hier achtet man auf Haltung und Selbstbeherrschung, soweit es die Situation erlaubt und man auf eine eher einschläfernden linearen Erzählung besteht.
Es sein denn, dass das Objekt der Begierde längst eine Kassette ins Radio gesteckt hat und „Christine“ von The House of Love zielstrebig abgespielt.
Und wie das 1988er Indie-Lied einschlägt!
Plötzlich bekommt der Muskatnuss-Mandarine-Akkord eine verführerische Umdeutung.
„You're in deep, pristine
With a God-like glow“
Der balsamisch saubere Tannenhain wird zum Zauberwald.
„And the whole world dragged us down
Not a sonnet not a sound
And the whole world turned aside
The cruelest hand just turned an eye“
Und ein leises Begehren auf der ledernen Rückbank zwingt zum Lockern des Krawattenknotens.
„Heart and the glory and me
Chaos and the big sea“
Und so biegt unser Jaguar-Fahrer an der nächsten Kreuzung ab und fährt die abseitige Landstraße zum, nennen wir es verhaltend diskret, The Concupiscent Fox - Inn am Rande des Waldes und läßt jemand anderes bei „Land of Hope and Glory“ von Edward Elgar vor dem Union Jack aufrecht stehen…
Wenn das alles nicht auf Archie Leach hindeuten könnte. Genial gespielt von John Cleese im erfolgreichen Straßenfeger „Ein Fisch namens Wanda“ von 1988.
Dieser brave, aufrechte Anwalt fährt gerne mit einem XJ12 zum Gericht. Sein gutbürgerliches Zuhause ist von einer distanzierten, snobistischen Ehefrau und einer zickigen, konsumgeilen Tochter bestimmt. Er spielt hier keine große Rolle und bekommt wenig Beachtung.
Bis er eines Tages einen Klienten vertreten soll, der etwas mit einem Diamantenraub vermutlich zu tun hat.
Aber ich werde hier den Filmspaß nicht verderben. Es lohnt sich, den Film anzuschauen!
Ein paar Bemerkungen für Parfumos dennoch.
Mrs Wendy Leach, von Maria Aitken gespielt, hat tatsächlich Shalimar Eau de Cologne auf ihrem Schminktisch stehen.
Jamie Lee Curtis, hier als Wanda Gershwitz, sprüht sich exzessiv vor einem Rendezvous ein. Leider konnte ich den Flakon nicht richtig deuten.
Ach ja, sollte jemand eine nette Spritztour mit Jaguar for Men vorhaben, The House of Love hat von „Christine“ eine Peel-Session.
Viel Spaß!
Aber schauen wir uns dieses schnurrende Raubtier mal genauer an, ein weiteres Meisterwerk von Thierry Wasser nach Dali pour Homme Eau de Toilette.
Die Kappe ist nun aus Plastik mit Metalloptik, früher war sie aus schönem Holz. Der Flakon hat wenige Anpassungen erfahren, hält sich aber immer noch wacker und signalisiert das grüne Thema. Vom Zerstäuber kann man eine dichte aber sehr kurze Sprühwolke erwarten. Alles in allem eine gelungene Formensprache englischen Purismus’ der Zwischenkriegszeit, wie sie in den 1980er wieder Anklang fand. Ja, die gute alte Thatcher-Zeit, doch dazu später mehr.
Eröffnen möchte dieser Jaguar mit einer mandarinenbetonten Kopfnote, welche aber nicht typisch kontinental zitrisch frisch in die Nase steigt, sondern eher an Olde English Marmelade erinnert. Und ja, hier wird alt tatsächlich mit e am Ende geschrieben.
Der Basilikum lädt sogleich zu einem tiefgrünen Erlebnis ein. Getragen von einer leicht floralen Note der Gardenie und einem kräftigen, aber kurzlebigen Thymian stellt sich dieser Gentleman vor und grinst verschmitzt, aber nicht hämisch. Er mag scheinbar herbe Mandarinen, denn sie werden fast den gesamten Duftverlauf begleiten. Es herrscht also eine verhalten humorvolle Atmosphäre, wie an diesen seltenen warmen und sonnigen Tagen im Süden Englands.
Das Firmenlogo, welches gerne hochpoliert aus Metall auf der Motorhaube den Weg zeigt, wurde hier in Form des Lavendels mit Rosengeranie umgesetzt. Das violett-grüne Kraut stimmt eine metallische, höhere Oktave an.
Die Gartennelke liefert einen leicht erdigen, trockenen, matten Einschlag.
Unser Gentleman genießt also die Fahrt in seiner dunkelgrünen XJ12 Limousine, hört sich von Fairground Attraction „Perfect“ an auf der Fahrt vom vornehmen Hampstead zum Landsitz nach Nottinghamshire und ist froh, den Autobahnring M25 um London hinter sich zu lassen.
„It's got to be perfect
It's got to be worth it, yeah
Too many people take second best
But I won't take anything less
It's got to be, yeah
Perfect“
Die erwähnte bitter-süße Blues-Ballade mit älteren Klängen könnte nicht besser zum Jahr 1988 passen. Im Vereinigten Königreich haben etliche Jahre Thatcherismus ihre Spuren hinterlassen. Konservativ und postmodern besinnt man sich auf vermeintlich glorreiche Zeiten vergangener Jahrzehnte in Musik, Kunst und Mode. Ein betörender Nebel im Sinne von House & Garden und Laura Ashley hat sich über die kaufkräftige höhere Mittelschicht gelegt.
Das Tempo vom elegant sportlichen Viertürer wird etwas erhöht, ohne zu schnell zu werden. Die Herznote ist bereits an einem vereinbarten, diskreten Treffpunkt eingestiegen und macht es sich im Fond bequem.
Sandelholz und Eichenmoos - hier nicht gelistet - spiegeln die gediegene Ausführung für die Autoinsassen wieder. Alles riecht so herrlich fabrikneu hier.
Die Muskatnuss verbindet sich perfekt mit der Mandarine und gibt dem Duft diesen unverwechselbaren Akkord.
Und nun führt die Fahrt durch einen Wald mit vielen Tannen.
Da ist er, ein Fougère durch und durch, sehr balsamisch mit den anderen Herznoten perfekt abgerundet, sauber und gepflegt, wie frisch rasiert.
Englisches Understatement im tiefsten Sherwood Forest.
Erst im letzten Drittel der Fahrt läßt die Raubkatze das ambrierte Leder an Patchouli spüren, Moschus und Tabak in einer leicht rauchigen Umsetzung zeugen von menschlichem Verlangen. Doch auch hier achtet man auf Haltung und Selbstbeherrschung, soweit es die Situation erlaubt und man auf eine eher einschläfernden linearen Erzählung besteht.
Es sein denn, dass das Objekt der Begierde längst eine Kassette ins Radio gesteckt hat und „Christine“ von The House of Love zielstrebig abgespielt.
Und wie das 1988er Indie-Lied einschlägt!
Plötzlich bekommt der Muskatnuss-Mandarine-Akkord eine verführerische Umdeutung.
„You're in deep, pristine
With a God-like glow“
Der balsamisch saubere Tannenhain wird zum Zauberwald.
„And the whole world dragged us down
Not a sonnet not a sound
And the whole world turned aside
The cruelest hand just turned an eye“
Und ein leises Begehren auf der ledernen Rückbank zwingt zum Lockern des Krawattenknotens.
„Heart and the glory and me
Chaos and the big sea“
Und so biegt unser Jaguar-Fahrer an der nächsten Kreuzung ab und fährt die abseitige Landstraße zum, nennen wir es verhaltend diskret, The Concupiscent Fox - Inn am Rande des Waldes und läßt jemand anderes bei „Land of Hope and Glory“ von Edward Elgar vor dem Union Jack aufrecht stehen…
Wenn das alles nicht auf Archie Leach hindeuten könnte. Genial gespielt von John Cleese im erfolgreichen Straßenfeger „Ein Fisch namens Wanda“ von 1988.
Dieser brave, aufrechte Anwalt fährt gerne mit einem XJ12 zum Gericht. Sein gutbürgerliches Zuhause ist von einer distanzierten, snobistischen Ehefrau und einer zickigen, konsumgeilen Tochter bestimmt. Er spielt hier keine große Rolle und bekommt wenig Beachtung.
Bis er eines Tages einen Klienten vertreten soll, der etwas mit einem Diamantenraub vermutlich zu tun hat.
Aber ich werde hier den Filmspaß nicht verderben. Es lohnt sich, den Film anzuschauen!
Ein paar Bemerkungen für Parfumos dennoch.
Mrs Wendy Leach, von Maria Aitken gespielt, hat tatsächlich Shalimar Eau de Cologne auf ihrem Schminktisch stehen.
Jamie Lee Curtis, hier als Wanda Gershwitz, sprüht sich exzessiv vor einem Rendezvous ein. Leider konnte ich den Flakon nicht richtig deuten.
Ach ja, sollte jemand eine nette Spritztour mit Jaguar for Men vorhaben, The House of Love hat von „Christine“ eine Peel-Session.
Viel Spaß!
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