13.01.2013 - 21:23 Uhr
Siebter
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Ceci n'est pas un Gourmand
Glücklicherweise stolperte ich über Huitième Art ohne Wissen über ihr Konzept, denn ganz ehrlich: mit großer Sicherheit wäre mir die Ausrichtung wenigstens suspekt und vermutlich allzu dick aufgetragen erschienen. Explizit als Kunst (mit Ausrufezeichen) ausgewiesene Düfte, die jeweils nur zwei bis drei Duftbausteine verwenden; die sogenannte "moderne Phytoparfumerie", bei der natürliche Dufstoffe irgendwie mit synthetischen kombiniert werden, erscheint mir allzu herkömmlich, um als besondere Neuerung vorgestellt zu werden (möglicherweise übersehe ich auch irgendwas entscheidendes).
Ich hatte von Huitième Art jedoch noch nie etwas gehört und näherte mich daher ziemlich unvoreingenommen diesem Testkandidaten. Ihr kennt das bestimmt: hin und wieder trifft man auf einen Duft, der das olfaktorische Zentrum innerhalb weniger Sekunden in Beschlag nimmt, alle weiteren Sinneseindrücke ausblendet und allerhöchstens ein vor sich hingemurmeltes "Wow..." zulässt. Gerade gourmandige Düfte nehmen mich oft zunächst so ein; der erste Eindruck schenkt ein überwältigendes Wohlgefühl, gemischt mit dem Triumph darüber, endlich den einen alles gefangen nehmenden Duft gefunden zu haben. Und nach zwei Stunden kommt die Vanille. Oder eine doofe Blume, irgendetwas jedenfalls, was den Duft in eine Ecke drängt, die ich nicht mag. Gourmands spielen nun mal mit deutlichen Kontrasten, und die sind Geschmackssache. Sucre d'Ébène zog mich sofort machtvoll an, und gerade deshalb war ich skeptisch.
Sd'É aber macht vieles ein wenig anders, als man es von einem Gourmand erwartet. Zucker als zentraler Baustein eines Dufts scheint simpel, allzu simpel sogar, das vergisst man nach dem Aufsprühen aber bald - von einer Sekunde auf die andere färbt dieser Duft alles in ein dunkelsamtiges Goldbraun, verlangsamt die Zeit und kuschelt das Gemüt. Man wird in diesem Duft nicht mehr als die angeführten Duftstoffe finden, aber sie agieren, als würden sie zusammen aufgewachsen sein, als wären sie füreinander gemacht, drei Brüder im Geiste. Karamelisierter Zucker als mikrofeines Puder, fast qualmartig und sehr dunkel, sich aber dennoch sanft und zart dem Betrachter hinwendend - ein wundervoller Akkord ist das, eben ein solcher, der ein "Wow..." in mir hervorruft.
Dieser Duft ist wirklich nicht besonders komplex, zumindest sein Ablauf ist es nicht. Alle drei Bausteine haben von Anfang an ihren festen Platz; lediglich die Hamamelisblüte ist in der ersten viertel Stunde etwas vordergründiger. Hamamelis wird von Parfumeuren selten verwendet und es ist ein eher eher zartwürziger und holziger Duft denn ein ausgesprochen floraler. Bald jedoch vereinen sich Hamamelis, brauner Zucker und Benzoe zu einem perfekt in sich geschlossenen Duft, der sich bis zur Basis mustergültig linear verhält. Komplex ist der unmittelbare Dufteindruck dennoch, zumindest muss ich ein wenig mit Gegensätzen spielen, um ihn zu beschreiben: ziemlich harzig-süß und dunkel, aber keinesfalls aufdringlich oder orientalisch, im Gegenteil sehr elegant. Kontrastreich, dabei aber cremig - eine geröstete, fast verkokelte Cremigkeit, trocken sogar. Durchaus kuschelig, aber nicht einlullend, sondern luftig. Und das schönste: keine Vanille, kein Zerfallen der Duftnoten, keine absurden Blümchen. Sd'É bleibt bis zum Ende ziemlich gleich, für mich heißt das: es bleibt beim "Wow...". Dieser Duft gehört für mich zu den süchtig machenden.
Sd'É ist kein lupenreiner Gourmand. So einladend und lecker er auf mich wirkt, so wenig kann ich mir vorstellen, ein Desert zu essen, welches so abstrakt duftet. Auch die Performance ist nicht erwartungsgemäß, denn Sd'É ist tatsächlich ein recht körpernaher Duft, der wunderbar mit der Wärme der Haut verschmilzt und vor allem im drydown auf mich wirkt, als wäre er ein natürlicher Teil von mir und nicht ein Parfum - ich habe diesen Duft noch nicht bei wärmeren Temperaturen tragen können, aber ich bin mir recht sicher, dass er bei angemessener Dosierung nicht nur im Herbst oder Winter funktioniert. Die Haltbarkeit ist ziemlich gut, auch nach zehn Stunden nehme ich ihn deutlich war. Kunstanspruch hin oder her, ich muss mich selten fragen, ob Sd'É zum jeweiligen Anlass passt, er fügt sich in herumlungernde Freizeit genau so gut ein wie in einen festlichen Anlass. Fast schon ein allrounder.
Ein allrounder ist dieser Duft für mich wohl auch deshalb, weil ich sich herunterdimmendes Licht und sich verlangsamende Uhren fast immer als passend und angenehm empfinde. Sd'É verweilt nicht im Ungefähren, die Bilder, die er in mir hervorruft, sind deutlich und versetzen alles in SloMo, tünchen alles in einen tiefdunklen, samtigen und edlen Farbton. Der Duft ist ziemlich originell, aber weder erschlägt er noch überfordert er. Dies ist ein Gourmand, der die Fallen dieser Duftrichtung souverän umschifft. Er ist fein, schmeichelnd, dabei charakterstark und eigen. "Ebenholzzucker" trifft es schon sehr gut. S'dÉ ist zudem auf eine seltene Weise sinnlich: nicht explizit erotisch, aber darauf bedacht, ein tiefes Wohlgefühl auszulösen. Um die 90€ für 50ml ist ein ziemlich selbstbewusster Preis, aber was Huitième Art dafür bietet, ist ein wirklich einzigartiger Duft mit einem ganz eigenen Dreh.
Es gibt einen roten Faden bei Huitième Art: alle Düfte, die ich bislang von ihnen testete, unterwandern Erwartungshaltungen. Ein heller und crisper Amberduft, ein grüner Naturduft, der nicht frisch, sondern fast hitzig erscheint, oder eben ein erwachsener Gourmand, der elegant ist und angenehm zurückhaltend bleibt. Deshalb möchte ich diesen Duft nicht nur den Naschkatzen unter Euch ans Herz legen, sondern all jenen, die die Erweiterung eines bekannten Konzepts als Gewinn betrachten.
Open your nose! :o)
Ich hatte von Huitième Art jedoch noch nie etwas gehört und näherte mich daher ziemlich unvoreingenommen diesem Testkandidaten. Ihr kennt das bestimmt: hin und wieder trifft man auf einen Duft, der das olfaktorische Zentrum innerhalb weniger Sekunden in Beschlag nimmt, alle weiteren Sinneseindrücke ausblendet und allerhöchstens ein vor sich hingemurmeltes "Wow..." zulässt. Gerade gourmandige Düfte nehmen mich oft zunächst so ein; der erste Eindruck schenkt ein überwältigendes Wohlgefühl, gemischt mit dem Triumph darüber, endlich den einen alles gefangen nehmenden Duft gefunden zu haben. Und nach zwei Stunden kommt die Vanille. Oder eine doofe Blume, irgendetwas jedenfalls, was den Duft in eine Ecke drängt, die ich nicht mag. Gourmands spielen nun mal mit deutlichen Kontrasten, und die sind Geschmackssache. Sucre d'Ébène zog mich sofort machtvoll an, und gerade deshalb war ich skeptisch.
Sd'É aber macht vieles ein wenig anders, als man es von einem Gourmand erwartet. Zucker als zentraler Baustein eines Dufts scheint simpel, allzu simpel sogar, das vergisst man nach dem Aufsprühen aber bald - von einer Sekunde auf die andere färbt dieser Duft alles in ein dunkelsamtiges Goldbraun, verlangsamt die Zeit und kuschelt das Gemüt. Man wird in diesem Duft nicht mehr als die angeführten Duftstoffe finden, aber sie agieren, als würden sie zusammen aufgewachsen sein, als wären sie füreinander gemacht, drei Brüder im Geiste. Karamelisierter Zucker als mikrofeines Puder, fast qualmartig und sehr dunkel, sich aber dennoch sanft und zart dem Betrachter hinwendend - ein wundervoller Akkord ist das, eben ein solcher, der ein "Wow..." in mir hervorruft.
Dieser Duft ist wirklich nicht besonders komplex, zumindest sein Ablauf ist es nicht. Alle drei Bausteine haben von Anfang an ihren festen Platz; lediglich die Hamamelisblüte ist in der ersten viertel Stunde etwas vordergründiger. Hamamelis wird von Parfumeuren selten verwendet und es ist ein eher eher zartwürziger und holziger Duft denn ein ausgesprochen floraler. Bald jedoch vereinen sich Hamamelis, brauner Zucker und Benzoe zu einem perfekt in sich geschlossenen Duft, der sich bis zur Basis mustergültig linear verhält. Komplex ist der unmittelbare Dufteindruck dennoch, zumindest muss ich ein wenig mit Gegensätzen spielen, um ihn zu beschreiben: ziemlich harzig-süß und dunkel, aber keinesfalls aufdringlich oder orientalisch, im Gegenteil sehr elegant. Kontrastreich, dabei aber cremig - eine geröstete, fast verkokelte Cremigkeit, trocken sogar. Durchaus kuschelig, aber nicht einlullend, sondern luftig. Und das schönste: keine Vanille, kein Zerfallen der Duftnoten, keine absurden Blümchen. Sd'É bleibt bis zum Ende ziemlich gleich, für mich heißt das: es bleibt beim "Wow...". Dieser Duft gehört für mich zu den süchtig machenden.
Sd'É ist kein lupenreiner Gourmand. So einladend und lecker er auf mich wirkt, so wenig kann ich mir vorstellen, ein Desert zu essen, welches so abstrakt duftet. Auch die Performance ist nicht erwartungsgemäß, denn Sd'É ist tatsächlich ein recht körpernaher Duft, der wunderbar mit der Wärme der Haut verschmilzt und vor allem im drydown auf mich wirkt, als wäre er ein natürlicher Teil von mir und nicht ein Parfum - ich habe diesen Duft noch nicht bei wärmeren Temperaturen tragen können, aber ich bin mir recht sicher, dass er bei angemessener Dosierung nicht nur im Herbst oder Winter funktioniert. Die Haltbarkeit ist ziemlich gut, auch nach zehn Stunden nehme ich ihn deutlich war. Kunstanspruch hin oder her, ich muss mich selten fragen, ob Sd'É zum jeweiligen Anlass passt, er fügt sich in herumlungernde Freizeit genau so gut ein wie in einen festlichen Anlass. Fast schon ein allrounder.
Ein allrounder ist dieser Duft für mich wohl auch deshalb, weil ich sich herunterdimmendes Licht und sich verlangsamende Uhren fast immer als passend und angenehm empfinde. Sd'É verweilt nicht im Ungefähren, die Bilder, die er in mir hervorruft, sind deutlich und versetzen alles in SloMo, tünchen alles in einen tiefdunklen, samtigen und edlen Farbton. Der Duft ist ziemlich originell, aber weder erschlägt er noch überfordert er. Dies ist ein Gourmand, der die Fallen dieser Duftrichtung souverän umschifft. Er ist fein, schmeichelnd, dabei charakterstark und eigen. "Ebenholzzucker" trifft es schon sehr gut. S'dÉ ist zudem auf eine seltene Weise sinnlich: nicht explizit erotisch, aber darauf bedacht, ein tiefes Wohlgefühl auszulösen. Um die 90€ für 50ml ist ein ziemlich selbstbewusster Preis, aber was Huitième Art dafür bietet, ist ein wirklich einzigartiger Duft mit einem ganz eigenen Dreh.
Es gibt einen roten Faden bei Huitième Art: alle Düfte, die ich bislang von ihnen testete, unterwandern Erwartungshaltungen. Ein heller und crisper Amberduft, ein grüner Naturduft, der nicht frisch, sondern fast hitzig erscheint, oder eben ein erwachsener Gourmand, der elegant ist und angenehm zurückhaltend bleibt. Deshalb möchte ich diesen Duft nicht nur den Naschkatzen unter Euch ans Herz legen, sondern all jenen, die die Erweiterung eines bekannten Konzepts als Gewinn betrachten.
Open your nose! :o)
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